Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 12 K 13339/17

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 01.09.2017 werden insoweit aufgehoben, als Bestattungskosten von mehr als 2.368,15 EUR festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Bestattungsgebühren.
Am Nachmittag des 14.02.2015 wurde der nicht verheiratete und kinderlose Sohn der Klägerin, ..., aufgrund eines akuten psychischen Ausnahmezustandes in Schutzgewahrsam genommen und in eine Zelle des Polizeireviers W. verbracht. Dort verstarb er am Abend desselben Tages. Der Leiter des Polizeireviers veranlasste die Leichenschau, die Staatsanwaltschaft Mannheim ließ den Leichnam obduzieren.
Nachdem die Beklagte zunächst erfolglos versuchte, Angehörige des Toten zu ermitteln, veranlasste sie am 20.02.2015 die Einäscherung und Bestattung des Verstorbenen. Das beauftragte Bestattungsinstitut S. stellte der Stadt u.a. die Kosten für die Abholung der Freigabe der Staatsanwaltschaft Mannheim in Höhe von 85 EUR, für die Abholung des Todesscheins der Gerichtsmedizin Heidelberg in Höhe von 45 EUR und Auslagen für die Leichenschau des Krematoriums Mannheim in Höhe von 24,40 EUR in Rechnung.
Mit Schreiben vom 09.12.2015 bat die Beklagte die Klägerin darum, die Bestattungskosten in Höhe von 2.392,15 EUR zu begleichen. Sie führte aus, sie habe die Bestattung als Ortspolizeibehörde veranlasst, da die rechtzeitige Bestattung durch die dazu verpflichteten Angehörigen nicht möglich gewesen sei. Die Klägerin sei als Mutter bestattungspflichtig. Mit Bescheid vom 14.12.2015 setzte die Beklagte die Bestattungskosten in Höhe von 2.392,15 EUR fest.
Am 13.01.2016 legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie auf die festgesetzten Kosten der Leichenschau und den damit verbundenen Tätigkeiten beschränkte. Sie habe weder die Kosten für die Abholung der Freigabe der Staatsanwaltschaft noch für die Abholung des Todesscheins der Gerichtsmedizin noch für die Leichenschau im Krematorium (insgesamt 154 EUR) zu tragen. Da ihr Sohn in einer Zelle des Polizeireviers W. verstorben ist, sei dessen Leiter verpflichtet gewesen, die Leichenschau zu veranlassen. Ihr hätten nur die Bestattungskosten, nicht aber auch die genannten Kosten auferlegt werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2017, zugestellt am 05.09.2017, wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Es bezieht sich im Wesentlichen auf die bisherigen Ausführungen der Beklagten. Der Leiter des Polizeireviers sei zwar berechtigt, aber nicht vorrangig zur Veranlassung der Leichenschau verpflichtet gewesen, da ein Polizeirevier Personen nicht - ähnlich einer Gefangenenanstalt - dauerhaft betreue. Die Kosten der Leichenschau fielen demjenigen zu Last, der die Bestattungskosten zu tragen habe, nicht demjenigen, der die Leichenschau veranlasse.
Am 05.10.2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen. Beim Polizeirevier handele es sich um eine einer Gefangenenanstalt ähnlichen Einrichtung. Dies ergebe sich aus einer Zusammenschau mit § 21 Abs. 4 Nr. 1 und 2 BestattG. Es komme nicht auf die Dauer des Aufenthalts in der jeweiligen Einrichtung an. Der Wortlaut des § 24 Satz 1 a.E. BestattG („hierzu“) beziehe sich auf die Pflicht zur Veranlassung der Leichenschau.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 01.09.2017 insoweit aufzuheben, als Bestattungskosten von mehr als 2.238,15 EUR festgesetzt werden.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Die Beklagte verweist im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 01.09.2017. Die in § 31 BestattG normierte Bestattungspflicht besage nicht, dass derjenige, der zur Leichenschau verpflichtet sei, auch bestattungspflichtig sei und somit für die Kosten der Leichenschau aufzukommen habe. Der Auslegung durch die Klägerin stehe der Gesetzeswortlaut von § 24 Satz 1 BestattG entgegen. Müsste der zur Veranlassung der Leichenschau Verpflichtete auch diese Kosten tragen, berge dies das Risiko, dass die Kostenlast auf Dritte übertragen werden könne, obwohl weder eine persönliche Beziehung bestehe noch eine Erbenstellung vorliege. Dies liefe dem Sinn und Zweck der Leichenschau zu einer unverzüglichen Durchführung zuwider, da dergestalt die Leichenschau aufgrund des Kostenrisikos nicht unverzüglich veranlasst werde. Die vorrangige Pflicht zur Veranlassung der Leichenschau in § 21 Abs. 4 BestattG sei erforderlich, um zu klären, wer von der Vielzahl der in Betracht kommenden Personen zuständig sei.
13 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
14 
Das Gericht konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15 
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
16 
1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 01.09.2017 sind rechtwidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit sie auch die Kosten für die Leichenschau im Krematorium festsetzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen hat die Beklagte die Klägerin zu Recht zur Zahlung der für die Bestattung ihres Sohnes angefallenen Kosten der in Zusammenhang mit einer Leichenschau stehenden Tätigkeiten des Bestattungsinstituts S. herangezogen.
17 
Rechtsgrundlage für den Gebührenbescheid ist § 31 Abs. 2 BestattG. Danach hat die zuständige Behörde die Bestattung anzuordnen oder auf Kosten der Bestattungspflichtigen diese selbst zu veranlassen, wenn für die Bestattung nicht oder nicht rechtzeitig gesorgt wird und wenn der Verstorbene nicht einem anatomischen Institut zugeführt wird. Diese Bestimmung ermächtigt die zuständige Behörde, die erstattungsfähigen Kosten durch Leistungsbescheid geltend zu machen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.10.2004 - 1 S 681/04 -, juris Rn. 15 m.w.N.).
18 
Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen dem Grunde nach vor. Nach § 30 Abs. 1 BestattG muss jede Leiche bestattet werden. Für die Bestattung müssen gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 BestattG die in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Angehörigen sorgen, wobei für die Reihenfolge der Verpflichteten § 21 Abs. 3 BestattG entsprechend gilt (§ 31 Abs. 1 S. 2 BestattG). Die Bestattung muss grundsätzlich spätestens 96 Stunden nach dem Eintritt des Todes erfolgt sein (vgl. § 37 Abs. 1 BestattG).
19 
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben gehandelt. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass nicht bzw. nicht rechtzeitig für die Bestattung des Sohns der Klägerin gesorgt werden würde, da vor der Bestattung keine Angehörigen ermittelt werden konnten. Als Mutter des Verstorbenen ist die Klägerin auch gemäß § 31 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG bestattungspflichtig gewesen. Vorrangig Bestattungspflichtige sind nicht vorhanden, da der Verstorbene ledig war und keine Kinder hatte.
20 
a) Die Beklagte hat auch die ihr in Rechnung gestellten und von ihr verauslagten Kosten für die Abholung der Freigabe der Staatsanwaltschaft Mannheim in Höhe von 85 EUR und für die Abholung der Todesbescheinigung der Gerichtsmedizin Heidelberg in Höhe von 45 EUR in Ansatz bringen dürfen, da es sich hierbei um Bestattungskosten handelt, die von der Rechtsgrundlage des § 31 Abs. 2 BestattG gedeckt sind, und die Klägerin nach § 24 Satz 1 BestattG die materielle Kostenlast einer Leichenschau trifft.
21 
aa) Ausdrückliche Vorgaben für die Art und das Maß der erstattungsfähigen Kosten enthält § 31 Abs. 2 BestattG nicht. Zu deren Bestimmung ist dann in erster Linie eine Orientierung am Zweck des Bestattungsgesetzes geboten, das die Behörde lediglich zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes ermächtigt. Die Bestattungspflicht dient dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten. Die Bestattung soll zum einen Gefahren für die öffentliche Gesundheit und zum anderen eine Verletzung des in der Menschenwürde wurzelnden Gebots der Pietät gegenüber Verstorbenen und des sittlichen Empfindens in der Bevölkerung verhüten, die typischerweise (abstrakt) durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen, (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.2007 - 1 S 1471/07 -, juris Rn. 33). Die Befugnis der Behörde beschränkt sich auf das zur Bestattung Notwendigste (vgl. VG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 16.07.1992 - 6 K 467/91 -, BWGZ 1994, 649).
22 
Eine ordnungsgemäß durchzuführende Bestattung bedingt die vorherige Durchführung einer Leichenschau, die Ausstellung einer Todesbescheinigung und im Falle von Anhaltspunkten für (u.a.) einen nicht natürlichen Tod eine schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft. Eine Erdbestattung darf u.a. erst dann vorgenommen werden, wenn der Arzt, der die Leichenschau unverzüglich vorzunehmen und eine Todesbescheinigung unverzüglich auszustellen hat (§ 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BestattG), dessen nicht vertraulichen Teil ausgestellt hat, § 34 Abs. 1 BestattG. Sind Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod vorhanden oder ist die Todesart ungeklärt, ist außerdem die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft (sog. Freigabe) oder des Amtsgerichts erforderlich (§ 34 Abs. 4 BestattG). Dies gilt auch im Falle einer Feuerbestattung (§ 35 Abs. 2 BestattG). Zudem darf eine Feuerbestattung – mit § 34 Abs. 1 BestattG vergleichbar – nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde durchgeführt werden (§ 35 Abs. 1 BestattG). Diese darf nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BestattVO nur erteilt werden, wenn der nicht vertrauliche Teil der Todesbescheinigung vorliegt (vgl. Faiß/Ruf, Bestattungsrecht Baden-Württemberg, § 35 BestattG, S. 107). Die Leichenschau, die Todesbescheinigung und die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft sind zwingende Voraussetzungen für die Durchführung einer Bestattung. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten, die eine zuständige Behörde im Rahmen des § 31 Abs. 2 BestattG verauslagt, können durch Leistungsbescheid festgesetzt werden.
23 
bb) Die Klägerin ist zudem auch materiell-rechtlich verpflichtet, die Kosten der Leichenschau zu tragen. Nach § 24 Satz 1 BestattG fallen demjenigen die Kosten der Leichenschau zu Last, der die Bestattungskosten zu tragen hat, soweit nicht andere hierzu verpflichtet sind. § 24 Satz 1 a. E. BestattG ist nicht dahingehend auszulegen, dass der (ggf. vorrangig) zur Veranlassung der Leichenschau Verpflichtete (vgl. § 21 BestattG) die Kosten der Leichenschau zu tragen hat. Dagegen spricht schon der Wortlaut der Norm, da sich der letzte Halbsatz des § 24 Satz 1 BestattG („hierzu“) nicht auf die Pflicht zur Veranlassung der Leichenschau bezieht – die überdies nicht in der Norm genannt ist –, sondern auf die Pflicht, die Bestattungskosten zu tragen. Weder die systematische Zusammenschau von §§ 21, 24 BestattG noch deren Sinn und Zweck legen eine andere Auslegung nahe. Die in § 21 BestattG normierte unverzügliche Verpflichtung, die Leichenschau zu veranlassen, dient dazu, die 96-stündige Bestattungsfrist des § 37 Abs. 1 BestattG einzuhalten. Dies dient zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen. Für die nachgelagerte Frage der Kostentragung der Leichenschau lässt sich der Regelung des § 21 BestattG nichts entnehmen.
24 
Daher kann auch dahinstehen, ob ein Polizeirevier eine Einrichtung im Sinne des § 21 Abs. 4 Nr. 3 BestattG ist und mithin vorrangig zur Veranlassung der Leichenschau verpflichtet ist.
25 
cc) Gemessen daran ist die Klägerin verpflichtet, die von der Beklagten verauslagten Kosten der Abholung der Todesbescheinigung und der Abholung der schriftlichen Genehmigung der Staatsanwaltschaft (sog. Freigabe) zu zahlen, da sie – wie ausgeführt – nach § 31 Abs. 2 BestattG für die Bestattungskosten aufzukommen hat und deshalb auch die Kosten der Leichenschau trägt. Die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft Mannheim ist erforderlich gewesen, da der Sohn der Klägerin in einer Zelle des Polizeireviers W. verstorben ist und Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod vorgelegen haben bzw. die Todesart ungeklärt gewesen ist.
26 
b) Die Klägerin ist aber nicht verpflichtet, die Kosten für die Leichenschau des Krematoriums Mannheim zu tragen. Diese Leichenschau übersteigt das für die Bestattung notwendige Maß der Kosten. Eine zweite Leichenschau ist nur dann erforderlich, wenn der Verstorbene zum Zweck der Feuerbestattung in ein anderes Bundesland oder in Orte außerhalb Deutschlands befördert wird (§ 43 Abs. 3 Satz 1 BestattG). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Sohn der Klägerin verstarb in W.. Nach der Obduktion in Heidelberg ist sein Leichnam in Mannheim eingeäschert und in W. beigesetzt worden.
27 
Auch sonst sind keine Umstände für die Notwendigkeit einer Leichenschau im Krematorium Mannheim ersichtlich. Schon die Rechnung des Bestattungsinstituts enthält Anhaltpunkte dafür, dass es sich dabei um eine weitere Leichenschau handelt („2 Leichenschau Krematorium Mannheim“). Die Kammer geht davon aus, dass schon am Todestag, spätestens aber im Rahmen der Obduktion des Verstorbenen in der Rechtsmedizin Heidelberg, eine Leichenschau durchgeführt worden ist; andernfalls hätte nämlich keine Todesbescheinigung nach § 22 Abs. 2 BestattG ausgestellt werden dürfen. Danach hat der Arzt unverzüglich eine Todesbescheinigung auszustellen, wenn sichere Zeichen des Todes festgestellt werden. Die Durchführung einer Obduktion bedingt aber, dass der Rechtsmediziner den Tod feststellt. Eine weitere Leichenschau vor Einäscherung eines Verstorbenen ist demgegenüber weder vom Bestattungsgesetz noch von der Bestattungsverordnung vorgesehen. Selbst wenn es sich bei der abgerechneten Tätigkeit im Krematorium um eine ärztliche Bescheinigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, 2 BestattVO handeln sollte, die nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO grundsätzlich vor der Erlaubniserteilung zur Feuerbestattung vorliegen muss, wäre diese nach § 16 Abs. 4 BestattVO nicht erforderlich gewesen, da die Staatsanwaltschaft die Bestattung genehmigt hat.
28 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
29 
Die Kammer sieht keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
30 
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 124a Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO genannten Gründe vorliegt.
31 
B E S C H L U S S
32 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1, 3 Satz 1 GKG auf 154,- EUR festgesetzt.
33 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
14 
Das Gericht konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15 
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
16 
1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 01.09.2017 sind rechtwidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit sie auch die Kosten für die Leichenschau im Krematorium festsetzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen hat die Beklagte die Klägerin zu Recht zur Zahlung der für die Bestattung ihres Sohnes angefallenen Kosten der in Zusammenhang mit einer Leichenschau stehenden Tätigkeiten des Bestattungsinstituts S. herangezogen.
17 
Rechtsgrundlage für den Gebührenbescheid ist § 31 Abs. 2 BestattG. Danach hat die zuständige Behörde die Bestattung anzuordnen oder auf Kosten der Bestattungspflichtigen diese selbst zu veranlassen, wenn für die Bestattung nicht oder nicht rechtzeitig gesorgt wird und wenn der Verstorbene nicht einem anatomischen Institut zugeführt wird. Diese Bestimmung ermächtigt die zuständige Behörde, die erstattungsfähigen Kosten durch Leistungsbescheid geltend zu machen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.10.2004 - 1 S 681/04 -, juris Rn. 15 m.w.N.).
18 
Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen dem Grunde nach vor. Nach § 30 Abs. 1 BestattG muss jede Leiche bestattet werden. Für die Bestattung müssen gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 BestattG die in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Angehörigen sorgen, wobei für die Reihenfolge der Verpflichteten § 21 Abs. 3 BestattG entsprechend gilt (§ 31 Abs. 1 S. 2 BestattG). Die Bestattung muss grundsätzlich spätestens 96 Stunden nach dem Eintritt des Todes erfolgt sein (vgl. § 37 Abs. 1 BestattG).
19 
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben gehandelt. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass nicht bzw. nicht rechtzeitig für die Bestattung des Sohns der Klägerin gesorgt werden würde, da vor der Bestattung keine Angehörigen ermittelt werden konnten. Als Mutter des Verstorbenen ist die Klägerin auch gemäß § 31 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG bestattungspflichtig gewesen. Vorrangig Bestattungspflichtige sind nicht vorhanden, da der Verstorbene ledig war und keine Kinder hatte.
20 
a) Die Beklagte hat auch die ihr in Rechnung gestellten und von ihr verauslagten Kosten für die Abholung der Freigabe der Staatsanwaltschaft Mannheim in Höhe von 85 EUR und für die Abholung der Todesbescheinigung der Gerichtsmedizin Heidelberg in Höhe von 45 EUR in Ansatz bringen dürfen, da es sich hierbei um Bestattungskosten handelt, die von der Rechtsgrundlage des § 31 Abs. 2 BestattG gedeckt sind, und die Klägerin nach § 24 Satz 1 BestattG die materielle Kostenlast einer Leichenschau trifft.
21 
aa) Ausdrückliche Vorgaben für die Art und das Maß der erstattungsfähigen Kosten enthält § 31 Abs. 2 BestattG nicht. Zu deren Bestimmung ist dann in erster Linie eine Orientierung am Zweck des Bestattungsgesetzes geboten, das die Behörde lediglich zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes ermächtigt. Die Bestattungspflicht dient dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten. Die Bestattung soll zum einen Gefahren für die öffentliche Gesundheit und zum anderen eine Verletzung des in der Menschenwürde wurzelnden Gebots der Pietät gegenüber Verstorbenen und des sittlichen Empfindens in der Bevölkerung verhüten, die typischerweise (abstrakt) durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen, (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.2007 - 1 S 1471/07 -, juris Rn. 33). Die Befugnis der Behörde beschränkt sich auf das zur Bestattung Notwendigste (vgl. VG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 16.07.1992 - 6 K 467/91 -, BWGZ 1994, 649).
22 
Eine ordnungsgemäß durchzuführende Bestattung bedingt die vorherige Durchführung einer Leichenschau, die Ausstellung einer Todesbescheinigung und im Falle von Anhaltspunkten für (u.a.) einen nicht natürlichen Tod eine schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft. Eine Erdbestattung darf u.a. erst dann vorgenommen werden, wenn der Arzt, der die Leichenschau unverzüglich vorzunehmen und eine Todesbescheinigung unverzüglich auszustellen hat (§ 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BestattG), dessen nicht vertraulichen Teil ausgestellt hat, § 34 Abs. 1 BestattG. Sind Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod vorhanden oder ist die Todesart ungeklärt, ist außerdem die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft (sog. Freigabe) oder des Amtsgerichts erforderlich (§ 34 Abs. 4 BestattG). Dies gilt auch im Falle einer Feuerbestattung (§ 35 Abs. 2 BestattG). Zudem darf eine Feuerbestattung – mit § 34 Abs. 1 BestattG vergleichbar – nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde durchgeführt werden (§ 35 Abs. 1 BestattG). Diese darf nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BestattVO nur erteilt werden, wenn der nicht vertrauliche Teil der Todesbescheinigung vorliegt (vgl. Faiß/Ruf, Bestattungsrecht Baden-Württemberg, § 35 BestattG, S. 107). Die Leichenschau, die Todesbescheinigung und die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft sind zwingende Voraussetzungen für die Durchführung einer Bestattung. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten, die eine zuständige Behörde im Rahmen des § 31 Abs. 2 BestattG verauslagt, können durch Leistungsbescheid festgesetzt werden.
23 
bb) Die Klägerin ist zudem auch materiell-rechtlich verpflichtet, die Kosten der Leichenschau zu tragen. Nach § 24 Satz 1 BestattG fallen demjenigen die Kosten der Leichenschau zu Last, der die Bestattungskosten zu tragen hat, soweit nicht andere hierzu verpflichtet sind. § 24 Satz 1 a. E. BestattG ist nicht dahingehend auszulegen, dass der (ggf. vorrangig) zur Veranlassung der Leichenschau Verpflichtete (vgl. § 21 BestattG) die Kosten der Leichenschau zu tragen hat. Dagegen spricht schon der Wortlaut der Norm, da sich der letzte Halbsatz des § 24 Satz 1 BestattG („hierzu“) nicht auf die Pflicht zur Veranlassung der Leichenschau bezieht – die überdies nicht in der Norm genannt ist –, sondern auf die Pflicht, die Bestattungskosten zu tragen. Weder die systematische Zusammenschau von §§ 21, 24 BestattG noch deren Sinn und Zweck legen eine andere Auslegung nahe. Die in § 21 BestattG normierte unverzügliche Verpflichtung, die Leichenschau zu veranlassen, dient dazu, die 96-stündige Bestattungsfrist des § 37 Abs. 1 BestattG einzuhalten. Dies dient zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen. Für die nachgelagerte Frage der Kostentragung der Leichenschau lässt sich der Regelung des § 21 BestattG nichts entnehmen.
24 
Daher kann auch dahinstehen, ob ein Polizeirevier eine Einrichtung im Sinne des § 21 Abs. 4 Nr. 3 BestattG ist und mithin vorrangig zur Veranlassung der Leichenschau verpflichtet ist.
25 
cc) Gemessen daran ist die Klägerin verpflichtet, die von der Beklagten verauslagten Kosten der Abholung der Todesbescheinigung und der Abholung der schriftlichen Genehmigung der Staatsanwaltschaft (sog. Freigabe) zu zahlen, da sie – wie ausgeführt – nach § 31 Abs. 2 BestattG für die Bestattungskosten aufzukommen hat und deshalb auch die Kosten der Leichenschau trägt. Die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft Mannheim ist erforderlich gewesen, da der Sohn der Klägerin in einer Zelle des Polizeireviers W. verstorben ist und Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod vorgelegen haben bzw. die Todesart ungeklärt gewesen ist.
26 
b) Die Klägerin ist aber nicht verpflichtet, die Kosten für die Leichenschau des Krematoriums Mannheim zu tragen. Diese Leichenschau übersteigt das für die Bestattung notwendige Maß der Kosten. Eine zweite Leichenschau ist nur dann erforderlich, wenn der Verstorbene zum Zweck der Feuerbestattung in ein anderes Bundesland oder in Orte außerhalb Deutschlands befördert wird (§ 43 Abs. 3 Satz 1 BestattG). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Sohn der Klägerin verstarb in W.. Nach der Obduktion in Heidelberg ist sein Leichnam in Mannheim eingeäschert und in W. beigesetzt worden.
27 
Auch sonst sind keine Umstände für die Notwendigkeit einer Leichenschau im Krematorium Mannheim ersichtlich. Schon die Rechnung des Bestattungsinstituts enthält Anhaltpunkte dafür, dass es sich dabei um eine weitere Leichenschau handelt („2 Leichenschau Krematorium Mannheim“). Die Kammer geht davon aus, dass schon am Todestag, spätestens aber im Rahmen der Obduktion des Verstorbenen in der Rechtsmedizin Heidelberg, eine Leichenschau durchgeführt worden ist; andernfalls hätte nämlich keine Todesbescheinigung nach § 22 Abs. 2 BestattG ausgestellt werden dürfen. Danach hat der Arzt unverzüglich eine Todesbescheinigung auszustellen, wenn sichere Zeichen des Todes festgestellt werden. Die Durchführung einer Obduktion bedingt aber, dass der Rechtsmediziner den Tod feststellt. Eine weitere Leichenschau vor Einäscherung eines Verstorbenen ist demgegenüber weder vom Bestattungsgesetz noch von der Bestattungsverordnung vorgesehen. Selbst wenn es sich bei der abgerechneten Tätigkeit im Krematorium um eine ärztliche Bescheinigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, 2 BestattVO handeln sollte, die nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO grundsätzlich vor der Erlaubniserteilung zur Feuerbestattung vorliegen muss, wäre diese nach § 16 Abs. 4 BestattVO nicht erforderlich gewesen, da die Staatsanwaltschaft die Bestattung genehmigt hat.
28 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
29 
Die Kammer sieht keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
30 
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 124a Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO genannten Gründe vorliegt.
31 
B E S C H L U S S
32 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1, 3 Satz 1 GKG auf 154,- EUR festgesetzt.
33 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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