Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 7 K 8944/18

Tenor

Die Anträge auf Beiladung der ... GmbH und des Herrn ... werden abgelehnt.

Gründe

 
Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter. Gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 VwGO ist der Berichterstatter nicht nur für eine positive Beiladungsentscheidung, sondern auch für die Ablehnung eines Beiladungsantrags zuständig (vgl. VG Trier, Beschluss vom 05.12.2006 - 5 K 929/06.TR - juris; Schmid in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 87a RdNr. 23; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 87a RdNr. 12b).
Die Anträge auf Beiladung bleiben ohne Erfolg. Denn es ist weder ein Fall notwendiger Beiladung gegeben, noch erscheint die Beiladung der ... GmbH und des Herrn ... zweckdienlich.
Ein Fall der notwendigen Beiladung liegt nicht vor. § 65 Abs. 2 VwGO schreibt die notwendige Beiladung dann vor, wenn Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung ist das maßgebliche Merkmal, um die einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO von der notwendigen abzugrenzen. Einheitliche Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass inhaltsgleich entschieden werden muss. Vielmehr ist die Beiladung nur notwendig, wenn die Entscheidung unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen Dritter gestalten soll, sie aber ohne deren Beteiligung am Verfahren im Wege der Beiladung nicht wirksam gestalten kann (BVerwG, Beschluss vom 18.02.1977 - VII B 111.75 -, juris). Hieraus ergibt sich, dass bei Leistungsklagen Dritte nicht notwendig beizuladen sind, wenn nur allgemein die Pflicht des Beklagten streitgegenständlich ist, bestimmte Handlungen gegenüber jedermann vorzunehmen (so Kintz in BeckOK VwGO, 47. Edition Stand: 01.07.2018, § 65 RdNr. 20 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 18.02.1977 - VII B 111.75 -, juris).
Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die Antragsteller nicht notwendig beizuladen. Wegen des abstrakten Charakters von Rechtsvorschriften ist eine notwendige Beiladung der potentiellen Normbetroffenen bei Normerlassklagen ausgeschlossen, auch wenn die mögliche allgemeine Verlängerung der Sperrzeiten schon aus sich heraus negative Auswirkungen für die Gastwirte im Verordnungsgebiet haben wird. Denn angesichts des grundsätzlich unbestimmten und stetig wechselnden Adressatenkreises von Rechtsvorschriften kann das mit der Beiladung bezweckte Vorbeugen von weiteren Rechtsstreitigkeiten bei Normerlassklagen gerade nicht erreicht werden. Zudem müssen die Gastwirte bei Erlass einer Sperrzeitverordnung nicht beteiligt werden, sondern ihre Interessen müssen lediglich vom Verordnungsgeber im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt werden. Auch ein unmittelbar aus dem materiellen Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG hergeleiteter Anspruch der Antragsteller auf effektiven Rechtsschutz gebietet keine notwendige Beiladung. Denn dem steht der Anspruch der Kläger bei einer Normerlassklage auf effektiven Rechtschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG bzw. der Justizgewährleistungsanspruch gegenüber. Im Falle einer generellen Beiladung aller potentiellen Normbetroffenen könnten mögliche Kläger aufgrund des unkalkulierbaren Kostenrisikos gezwungen sein, von einer Durchsetzung ihrer Rechte im Wege der Normerlassklage abzusehen, zumal das gerichtliche Verfahren in diesem Fall erheblich erschwert und verzögert werden würde. Insoweit muss eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz erfolgen. Anders als bei der verpflichtenden notwendigen Beiladung können bei der fakultativen einfachen Beiladung die widerstreitenden Grundrechtspositionen – entsprechend dem Einzelfall – erheblich besser in Ausgleich gebracht werden. Für das gefundene Ergebnis spricht schließlich die gesetzgeberische Wertung in § 47 Abs. 2 Satz 4 VwGO. Für den umgekehrten – aber insoweit vergleichbaren – Fall, dass nicht der Erlass einer drittbelastenden Rechtsnorm begehrt wird, sondern im Wege der Normenkontrolle eine drittbegünstigende Norm für unwirksam erklärt werden soll, hat der Gesetzgeber bewusst nur die einfache Beiladung für entsprechend anwendbar erklärt.
Die Antragsteller sind auch nicht nach § 65 Abs. 1 VwGO beizuladen. Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer einfachen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO vor, da bei der Normerlassklage auf Verlängerung der Sperrzeit rechtliche Interessen der Schank- und Speisewirte berührt werden können. Das Gericht übt sein gemäß § 65 Abs. 1 VwGO eröffnetes Ermessen aber dahingehend aus, dass es die Beiladung für nicht zweckmäßig erachtet und daher ablehnt.
Ermessensleitend sind im Rahmen der Entscheidung über eine einfache Beiladung im Wesentlichen Gesichtspunkte der Prozessökonomie (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.06.2018 - 15 E 424/18 -; Beschluss vom 26.02.2018 - 15 E 123/18 -; Beschluss vom 16.06.2018 - 7 E 506/15 -, jeweils juris). Prozessökonomische Erwägungen, die vorliegend für eine Beiladung der Antragsteller sprechen könnten, sind – auch unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechtspositionen – nicht ersichtlich. Vielmehr würde das Verfahren durch die Vielzahl von Beteiligten, die angesichts von gegenwärtig mehr als 160 Gaststätten im Geltungsbereich der Sperrzeitverordnung im Falle einer Beiladung der Gastwirte zu erwarten wären, – trotz der Möglichkeiten in den §§ 56a, 67a, 65 Abs. 3 VwGO – erheblich erschwert und verzögert werden. Denn die Beiladung könnte wohl nicht auf die Antragsteller beschränkt werden, sondern müsste auf alle Schank- und Speisewirte, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden können, erstreckt werden. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Antragsteller selbst als Wortführer mehrerer Altstadtwirte bezeichnen, weil ihre Gaststätten sich in der Vergangenheit als zwei von drei Gaststätten an der Erarbeitung eines 58-Punkte-Katalogs für Maßnahmen gegen Lärm in der Altstadt beteiligt haben. Zudem wäre der Kreis der Schank- und Speisewirte, welche durch die Entscheidung in ihren rechtlichen Interessen berührt werden können, angesichts des Umstands, dass im Bereich der Altstadt von ... häufig Gaststätten schließen oder neu eröffnet werden oder die Betreiber wechseln, ohnehin nur schwer abzugrenzen und einem ständigen Wechsel unterworfen. Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest zweifelhaft, ob durch eine Beiladung der Antragsteller (und eventuell weiterer Schank- und Speisewirte) die mit der Beiladung (auch) bezweckte effektive Vorbeugung weiterer Rechtsstreitigkeiten erreicht werden kann. Gerade aufgrund des Umstandes, dass sich der Kreis rechtlich potenziell Betroffener stetig ändert, können nachfolgende Klagen weiterer Wirte aus dem Geltungsbereich der Sperrzeitverordnung, die nicht zum Verfahren beigeladen wurden, nicht ausgeschlossen werden. Aus den selben Erwägungen heraus dürfte zudem eine umfassende, von allen potentiell betroffenen Schank- und Speisewirten akzeptierte vergleichsweise Lösung des Rechtsstreits im gerichtlichen Verfahren nach Beiladung der Antragsteller ausscheiden. Es bleibt den Antragstellern, Klägern und der Beklagten unbenommen außergerichtlich eine für alle Gruppen akzeptable Lösung zu finden. Des Weiteren ist von den Antragstellern keine – über die Kenntnis der Beklagten und der Kläger hinausgehende – Aufklärung des Sachverhalts zu erwarten, da die Altstadtwirte bereits seit mehreren Jahren Gespräche sowohl mit Teilen der klagenden Anwohner als auch Vertretern der Beklagten zur Lösung des Konflikts führen und ihre Argumente und Standpunkte den Beteiligten daher bekannt sein dürften. Schließlich ist eine einfache Beiladung auch nicht zur Ermöglichung der Interessenwahrnehmung der Antragsteller erforderlich, da sie im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO bezüglich einer möglichen neuen Sperrzeitverordnung hinreichend Gelegenheit haben, ihre Rechte geltend zu machen.

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