Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - A 10 K 1316/18

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25.01.2018 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung von subsidiärem Schutz, weiter hilfsweise Abschiebungsschutz.
Der im Jahr 1999 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am 19.06.2017 auf dem Landweg in Deutschland ein und stellte am 07.07.2017 einen Asylantrag.
In seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 25.08.2017 gab der Kläger an, er komme aus der Stadt Idil in der Provinz Şırnak und habe dort bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern, vier Brüdern und einer Schwester im Haus seiner Eltern gelebt.
Der Kläger machte im Wesentlichen geltend, sein Bruder ... sei bei der Jugendorganisation der PKK, der sogenannten YPS (Yekîneyên Parastina Sîvîl, Zivilverteidigungseinheiten), aktiv gewesen. Weil diese Organisation von der türkischen Regierung stark bekämpft worden wäre, habe sein Bruder bereits im Frühjahr 2016 aus der Türkei fliehen müssen, er habe in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Der Kläger gab an, selbst nicht Mitglied der YPS gewesen zu sein. Er habe aber immer wieder an deren Versammlungen teilgenommen und schätze sich selbst als „aktiven Sympathisanten“ ein. Er sei auch mehrmals von der Polizei vorgeladen worden. Dabei sei er unfreundlich behandelt und geschlagen worden. Bedroht worden sei er aber nicht. Nach der Ausreise des Bruders des Klägers habe die Familie Probleme mit den türkischen Sicherheitskräften gehabt. Es habe ständig Hausdurchsuchungen und Kontrollen gegeben. Beispielsweise erinnere sich der Kläger an einen Vorfall vom 11.06.2017, als um die Mittagszeit die Polizei zu seinem Elternhaus gekommen sei. Er sei mit einigen anderen Jugendlichen dort zugegen gewesen. Die Polizei hätte sie alle festgenommen, etwa zehn Stunden lang verhört, geschlagen und misshandelt. Dann sei ein Polizist, der kurdischer Volkszugehörigkeit gewesen sei, erschienen und hätte sich für sie eingesetzt, sodass sie freigelassen wurden. Als der Onkel des Klägers wenig später von diesem Vorfall erfahren hätte, habe dieser beschlossen, dass der Kläger – wie vor ihm sein Bruder – das Land verlassen müsse. Gemeinsam mit dem Vater des Klägers organisierte der Onkel sodann die Ausreise des Klägers. Der Kläger sei sodann im Laderaum eines Lastwagens von Istanbul nach Deutschland gelangt.
Der Kläger trug vor, er befürchte, dass er im Falle einer Rückkehr in die Türkei große Probleme mit den Sicherheitskräften hätte. Diese suchten weiterhin nach ihm, er müsse auch mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Er habe Angst, für sehr lange Zeit in einem Gefängnis zu verschwinden.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 25.01.2018 den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz ab. Weiter stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht gegeben sind. Es forderte den Kläger auf, Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Bescheids bzw. nach bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise drohte das Bundesamt dem Kläger die Abschiebung in die Türkei an. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Vortrag des Klägers sei nicht glaubhaft gewesen, da er weder detailliert noch anschaulich gewesen sei. Zudem bestünden erhebliche Widersprüche zu den Angaben, die der Bruder des Klägers, ..., in der Anhörung beim Bundesamt gemacht habe. So habe der Bruder angegeben, Mitglied der HDP-Gençlik (Jugendorganisation der HDP) gewesen zu sein, während der Kläger ihn als Mitglied der YPS dargestellt habe. Auch habe der Bruder des Klägers in seiner Anhörung angegeben, seine Familie sei keinerlei Repressionen von staatlicher Seite ausgesetzt gewesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 30.01.2018 Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, ihm drohten im Falle seiner Rückkehr in die Türkei weitere Übergriffe durch die türkischen Sicherheitskräfte, durch welche seine körperliche Unversehrtheit bedroht sei. Auch habe er Angst, lange Zeit im Gefängnis verbringen zu müssen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des insoweit entgegenstehenden Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.01.2018 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
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hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,
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weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist sie auf ihren Bescheid vom 25.01.2018.
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Das Gericht hat die Behördenakte des Klägers sowie die seines Bruders (Az. 6654759-163) beigezogen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Behördenakten, die gewechselten Schriftsätze sowie die dem Kläger mitgeteilten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
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Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, soweit er dem entgegensteht (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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1. Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention-, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2a), oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2b).
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Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). § 3a Abs. 2 AsylG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (Nr. 2) oder unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3). Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylG vom Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (Nr. 3). Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft jedoch nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und sicher und legalen diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
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Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG kann nur derjenige beanspruchen, der Verfolgung bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Diesbezüglich ist eine qualifizierte und bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der konkreten Lage des Antragstellers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine so verstandene wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer „quantitativen“ oder mathematischen Betrachtungsweise für dessen Eintritt ein Grad der Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, der – auch deutlich – unter 50 v. H. liegt. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ist deshalb anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen in ihrer Bedeutung überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung reicht noch nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch würde sie außer Betracht lassen. Ergeben alle Umstände des Einzelfalles jedoch die „tatsächliche Gefahr“ (sog. „real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten oder sich der Gefahr durch Rückkehr in das Heimatland auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden kann, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht (BVerwG, Urt. v. 04.07.2019 – 1 C 37.18 – juris, Rn. 13; Urt. v. 05.11.1991 – 9 C 118.90 – juris, Rn. 17; VGH Mannheim, Urt. v. 30.05.2017 – A 9 S 991/15 – juris, Rn. 25 ff.; Urt. v. 02.05.2017 – A 11 S 562/17 – juris, Rn. 30 ff.).
21 
Wurde der Ausländer bereits im Herkunftsland verfolgt, greift ergänzend zu seinen Gunsten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie) ein. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Ausländer eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind (BVerwG, Urt. v. 04.07.2019 – 1 C 37.18 – juris, Rn. 14).
22 
Die Gründe für seine Verfolgungsfurcht hat der Asylsuchende im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO, § 15 und § 25 Abs. 1 AsylG vorzutragen. Die Glaubhaftmachung der Asylgründe setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Schutzsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Beschl. v. 19.10.2001 – 1 B 24.01 – juris, Rn. 5; Urt. v. 24.03.1987 – 9 C 321.85 – juris, Rn. 9; Urt. v. 22.03.1983 – 9 C 68.81 – juris, Rn. 5).
23 
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
24 
a. Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger in der Türkei vor seiner Ausreise bereits Verfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie erlitten hat.
25 
Das Gericht ist im Laufe der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die türkische Polizei das Elternhaus des Klägers nach der Flucht des älteren Bruders des Klägers immer wieder aufgesucht und durchsucht hat und dabei den Kläger und seinen Vater bedroht, geschlagen und unter Druck gesetzt hat. Insbesondere sind auch die Angaben des Klägers zu seiner Verhaftung im Juni 2017 glaubhaft. Der Kläger hat dem Gericht detailliert und widerspruchsfrei geschildert, wie er und drei weitere Jugendliche im Juni 2017 von den türkischen Sicherheitskräften zehn Stunden lang in Gewahrsam genommen und unter Gewaltanwendung und Bedrohungen befragt wurden. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben spricht, dass sie von inneren Widersprüchen frei waren und sich die auf das Kerngeschehen bezogenen Details – etwa Uhrzeit und Dauer der Inhaftierung – mit den bei der Anhörung durch das Bundesamt gemachten Schilderungen deckten. Für die Glaubhaftigkeit spricht weiterhin, dass der Kläger auch weniger relevantes Randgeschehen – wie etwa den Umstand, dass seine jüngeren Geschwister draußen spielten, als er und weitere Jugendliche im Juni 2017 in seinem Elternhaus in Gewahrsam genommen wurden, oder dass niemand ihnen helfen wollte, nachdem sie von der Polizei am Straßenrand abgesetzt worden waren – geschildert hat. Die detailreichen Schilderungen der Gewalt, der der Kläger während der Inhaftierung und Befragung durch die Polizisten ausgesetzt war, decken sich zudem mit den Angaben der Cousine des Klägers, die das Gericht als Zeugin vernommen hat. Sie hat eindrucksvoll und unter starker emotionaler Berührtheit geschildert, was ihr der Kläger über seine Verhaftung in der Türkei berichtet hat und dass der Kläger nach seiner Ankunft in Deutschland noch unter dem Eindruck der Erlebnisse stand und besonders nachts von Erinnerungen an diese heimgesucht zu werden schien.
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Auch konnte der Kläger das Gericht davon überzeugen, dass er durch das Engagement seines älteren Bruders ... für die YPS und durch seine eigene Nähe zu dieser Organisation in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist. Dass der Kläger selbst die YPS wenigstens logistisch unterstützt und mit der Gruppierung und ihren Zielen sympathisiert hat, ist auch aufgrund des Umstandes glaubhaft, dass der Kläger einige Kenntnisse über die Aktivitäten der YPS besaß. So war der Kläger in der Lage, auf die Fragen des Gerichts die Angabe zu machen, dass die YPS in Idil, der Heimatstadt des Klägers, ab Mitte Januar 2016 Gräben und Barrikaden errichtet hat, um Teile der Stadt der Kontrolle der türkischen Sicherheitskräfte zu entziehen. Diese Angaben sowie die Auskunft des Klägers, die YPS habe diese Aktivitäten im Februar 2016, als eine vierzigtägige Ausgangssperre über Idil verhängt wurde, eingestellt, stimmen sowohl mit den verfügbaren Erkenntnismitteln, als auch mit den Angaben, die sein älterer Bruder ... im Rahmen seines eigenen Asylverfahrens gemacht hat, überein.
27 
Soweit das Bundesamt im behördlichen Verfahren den Vortrag des Klägers für unglaubhaft befunden hat, weil der Kläger angegeben hat, sein Bruder ... sei Anhänger der YPS, nicht etwa der zur HDP zugehörenden Jugendorganisation HDP-Gençlik gewesen, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. Zwar hat der Bruder des Klägers sich selbst im behördlichen Verfahren als Mitglied einer „an die HDP angeschlossenen“ Jugendorganisation (im Türkischen als Gençlik bezeichnet) ausgegeben. Jedoch ist zum einen nicht mehr aufklärbar, auf welche Jugendorganisation sich der Bruder des Klägers damit genau bezogen hat. Insoweit als der HDP in der Türkei immer wieder eine Nähe zur PKK und ihren Untergruppierungen nachgesagt wird (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei, 14.06.2019, S. 10; International Crisis Group, The Human Cost of the PKK Conflict in Turkey: The Case of Sur, 17.03.2016, S. 8), könnte der Bruder des Klägers mit einer „an die HDP angeschlossenen“ Jugendorganisation auch die YPS gemeint haben. Zum anderen ist nicht zu erwarten, dass der Kläger, der zum fraglichen Zeitpunkt 16 Jahre alt war, im Detail zwischen den unterschiedlichen politischen Gruppierungen, denen sein älterer Bruder Ende 2015 und Anfang 2016 nahegestanden haben mag, sowie deren unterschiedlicher Zielsetzungen und Aktivitätsformen zu unterscheiden wusste. Ungereimtheiten in Bezug auf die genaue politische Betätigung seines älteren Bruders, die zeitlich vor der eigenen Politisierung des Klägers lag, vermögen den Angaben des Klägers nicht ihre Glaubhaftigkeit zu nehmen.
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Das Gericht vermag auch der Auffassung des Bundesamts, die Aussagen des Klägers zu seiner Verhaftung im Juni 2017 stünden im Widerspruch zu den Angaben seines älteren Bruders ... , nicht zu folgen. Zwar hat der Bruder des Klägers bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 31.05.2017 auf Nachfrage angegeben, seine Familie habe aktuell keine Probleme mit den türkischen Sicherheitsbehörden. Weil diese Aussage aber zeitlich vor der durch den Kläger geschilderten Verhaftung am 11.06.2017 getätigt wurde, vermag sie den Wahrheitsgehalt der klägerischen Angaben nicht in Zweifel zu ziehen. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte ... bereits durch Schreiben vom 12.07.2017 noch im behördlichen Verfahren vorgetragen, die Familie der Brüder sei zwischenzeitlich von Polizisten aufgesucht worden, die nach dem Kläger im hiesigen Verfahren sowie nach seinem Bruder ... gesucht hätten. Auch im Rahmen seiner informatorischen Anhörung im gerichtlichen Verfahren hat der Bruder des Klägers am 13.06.2018 ausgesagt, sein Elternhaus sei wiederholt von Polizisten durchsucht und sein Vater und sein jüngerer Bruder seien immer wieder geschlagen worden. Sein jüngerer Bruder sei von den Polizisten mitgenommen und gefoltert worden und habe daraufhin die Türkei verlassen. Die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben ernsthaft in Zweifel ziehende Widersprüche zu den Aussagen des Bruders vermag das Gericht nicht zu erkennen.
29 
Weil somit jedenfalls feststeht, dass der Kläger eine Nähe zur YPS aufwies und ihm eine solche auch von Seiten des türkischen Staates vorgeworfen wird, kann die Frage offenbleiben, zu welchem Grad sich der Kläger selbst tatsächlich für die YPS betätigt hat. So ist unerheblich, dass der Kläger seine im Rahmen der Anhörung durch Bundesamt gemachten Angaben, wonach er lediglich ein aktiver Sympathisant der YPS gewesen sei und an deren Versammlungen teilgenommen habe, gesteigert und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, er selbst habe die YPS im Januar und Februar 2016 dabei unterstützt, Gräben auszuheben und Barrikaden zu errichten. Zwar ist die für diesen Widerspruch angebotene Erklärung des Klägers, er habe bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im August 2017 noch unter Schock gestanden und sich gefürchtet, das wahre Ausmaß seiner Unterstützung für die in der Türkei als Terrororganisation geltende YPS offenzulegen, nachvollziehbar. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Anhörung durch das Bundesamt erst 18 Jahre alt war, ist eine Verängstigung und Verwirrung des Klägers naheliegend. Es bleiben allerdings dennoch Zweifel an dem tatsächlichen Ausmaß seiner Beteiligung an den Aktivitäten der YPS bestehen.
30 
Ausgehend von den glaubhaften Angaben des Klägers stellen die geschilderten Handlungen der Polizisten als vom Staat als Verfolgungsakteur i.S.d. § 3c Nr. 1 AsylG ausgehende physische und psychische Gewalt eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG dar. Da sie an der politischen Überzeugung des Klägers anknüpft, liegt auch ein Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG vor. Damit ist der Kläger vorverfolgt ausgereist.
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b. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU ist der Umstand, dass der Kläger vor seiner Ausreise bereits verfolgt wurde, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass der Kläger nicht erneut von solcher Verfolgung bedroht werden wird, liegen nicht vor. Vielmehr geht das Gericht ausgehend von den zu Verfügung stehenden Erkenntnismitteln davon aus, dass Personen, denen eine Nähe zur PKK oder der ihr nahestehenden Gruppierungen, wie der YPS, vorgeworfen wird, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, diskriminierender und unverhältnismäßiger Strafverfolgung ausgesetzt zu sein.
32 
Die YPS (Yekîneyên Parastina Sivîl, kurdisch für „Zivile Volksverteidigungseinheiten“) ist eine Jugendorganisation der PKK (Partiya Karkerên Kurdistanê, kurdisch für Arbeiterpartei Kurdistans), die sich von 2013 bis Dezember 2015 zunächst als YDG-H (Yurtsever Devrimci Gençlik Hareketi, kurdisch für „Patriotisch revolutionäre Jugendbewegung“) bezeichnete (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 6). Die Mitglieder der YPS sind Jugendliche, die die PKK hauptsächlich in den Stadtgebieten einsetzt. Viele von ihnen sind noch relativ untrainiert, nur einzelne Mitglieder haben bereits an Ausbildungslagern teilgenommen. Die YPS verfolgte auf Anweisung der PKK besonders seit Juli 2015 die Strategie, Teile von Städten zu besetzen und sie der staatlichen Kontrolle zu entziehen, etwa indem Gräben gegraben und Barrikaden errichtet wurden, um den Sicherheitskräften den Zugang zu verwehren (EASO, Turkey Country Focus, 01.11.2016, S. 63; Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 7).
33 
Seit dem Wiederaufflammen des gewaltsamen Konflikts zwischen türkischem Staat und PKK im Sommer 2015, gehen die Sicherheitskräfte bedingungslos gegen die PKK vor und nutzen den Vorwurf des Terrorismus für weitgehende Freiheitsbeschränkungen und Repressalien. Dieser Konflikt, der sich zwischen Sommer 2015 und Sommer 2016 vermehrt auch in städtische Zentren verlagerte, forderte erhebliche Opfer auf beiden Seiten sowie unter Zivilisten (vgl. AI, Amnesty Report Türkei 2016, S. 1). Schwere Waffen wie Panzer und Artillerie sollen dabei sogar in Wohngebieten eingesetzt worden sein. Nach Informationen der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) wurden allein in diesem Zeitraum 321 Zivilpersonen getötet (vgl. AI, Auskunft an das VG Magdeburg vom 01.03.2018, S. 2; dazu auch Kamil Taylan, Gutachten an das VG Magdeburg vom 05.11.2017, S. 2 ff.). Seit Spätsommer 2016 hat zwar die Intensität der Kämpfe auf türkischem Territorium deutlich nachgelassen (BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.08.2019, S. 15 a. E.). Weiterhin gehen die türkischen Sicherheitskräfte jedoch gegen Personen, die der Unterstützung der PKK oder ihr nahestehender Gruppierungen verdächtigt werden, vor. Zwischen Sommer 2015 und Juni 2019 sollen gegen mehrere Zehntausend Menschen aufgrund des Vorwurfs, die PKK unterstützt zu haben, Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein (UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020, S. 32). In Hinblick auf Strafverfahren wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ist davon auszugehen, dass die türkischen Gerichte keine Unabhängigkeit besitzen und ein rechtsstaatlichen Grundsätzen genügendes Verfahren nicht gewährleistet ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei, 14.06.2019, S. 14; vgl. UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020). Weiter sind gerade vermeintliche PKK-Unterstützer in staatlichem Gewahrsam mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlung ausgesetzt (Amnesty International, Auskunft an das Verwaltungsgericht Karlsruhe, 23.04.2020, S. 3; US DOS, Turkey 2019 Human Rights Report, 11.03.2020, S. 5, S. 7; vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei, 14.06.2019, S. 16; Europäische Kommission, Turkey 2019 Report, SWD(2019) 220, 29.05.2019, S. 30; vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.12.2017 - 2 BvR 2259/17 – juris).
34 
Die türkischen Sicherheitskräfte führen auch Jahre nach Abflauen der gewaltsamen Auseinandersetzungen regelmäßig Hausdurchsuchungen und Razzien in den betroffenen Städten durch (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 12). Bereits einfache Tätigkeiten wie das Verteilen von Flugblättern, die Teilnahme an Demonstrationen oder Kundgebungen oder das Teilen von Beiträgen in den sozialen Netzwerken können als Grundlage für Terrorismus-Vorwürfe dienen und eine Person in den Fokus der türkischen Sicherheitskräfte rücken (UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020, S. 34; Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 13). Nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist davon auszugehen, dass die Behörden in vielen Fällen Kenntnisse darüber haben, wer Mitglied der YPS gewesen ist oder war bzw. wer diesen als unbewaffneter Sympathisant logistische Unterstützung geleistet hat – unter anderem sollen diese Informationen einzelnen Personen, die in die Hände der Sicherheitskräfte gefallen waren, abgepresst worden sein (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 7 f, S. 12). Als unbewaffneter Unterstützer der PKK bzw. YPS gilt etwa, wer deren Mitglieder mit Wasser und Nahrungsmitteln versorgt oder ihnen Übernachtungsplätze bereitgestellt hat (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 7 f, S. 10). Besonders für Personen, deren Familie aufgrund der Aktivitäten eines anderen Familienmitglieds bereits in den Fokus der Sicherheitsbehörden geraten ist, bestehe ein hohes Risiko, ebenfalls unter Überwachung gestellt zu werden (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 8). Oftmals gerieten auch Freunde und Angehörige von Personen, denen Unterstützung der PKK oder der ihr zugehörigen Gruppen vorgeworfen wird, unter Verdacht und würden von den türkischen Sicherheitskräften bedroht oder unter Druck gesetzt (UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020, S. 29; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei – Gefährdungsprofile, 19.05.2017, S. 12). So kann es für Familienmitglieder von (mutmaßlichen) PKK-Anhängern schwierig sein, einen Reisepass zu erhalten. Zudem wurden in einzelnen bekannt gewordenen Fällen Reisepässe von Angehörigen annulliert (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei – Gefährdungsprofile, 19.05.2017, S. 14). Wenn die Sicherheitskräfte die verdächtige Person, nach der sie suchen, nicht finden können, nehmen sie mitunter an deren Stelle ein Familienmitglied in Gewahrsam. Auch werden die Elternhäuser der verdächtigen Personen oft aufgesucht oder durchsucht (UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020, S. 29). Insbesondere Jugendliche, die die Sicherheitskräfte der Nähe zur PKK verdächtigen, würden im Alltag über sehr lange Zeiträume, teils Jahre, schikaniert, geschlagen, oder psychologisch unter Druck gesetzt (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 12).
35 
Ausgehend von diesen Umständen ist die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie nicht als widerlegt anzusehen. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass die türkischen Sicherheitskräfte nach wie vor gegen den Kläger vorzugehen zu beabsichtigen. Er ist wie auch sein älterer Bruder wegen seiner Nähe zur YPS in den Fokus der Sicherheitsbehörden geraten. Dem Kläger droht daher im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, Vergeltungsmaßnahmen, Demütigungen, willkürlichen Verhaftungen und körperlichen wie psychischen Misshandlungen von Seiten der türkischen Sicherheitskräfte ausgesetzt zu sein. Der Kläger wäre somit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner politischen Überzeugung, einem Verfolgungsgrund gem. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG, von Seiten des türkischen Staates, einem Akteur i.S.d. § 3c Nr. 1 AsylG, Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 1-4 AsylG ausgesetzt.
36 
c. Entgegen den Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 25.01.2018 kann der Kläger auch nicht auf einen internen Schutz im Sinne des § 3e AsylG verwiesen werden. Denn die Verfolgung ging von türkischen Polizisten, also von staatlichen Akteuren aus. Es ist aus diesem Grund nicht ersichtlich, warum der Kläger in einem anderen Teil der Türkei entgegen der Vermutung aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU keine begründete Furcht vor Verfolgung haben sollte. Auch nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe führen die türkischen Sicherheitskräfte auch im Westen der Türkei zielgerichtete Maßnahmen gegen Personen, denen eine Nähe zur PKK vorgeworfen wird, durch (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 14). Personen, die aus dem Osten der Türkei in den Westen zuwanderten und sich oftmals in den ärmeren, kurdisch geprägten Stadtteilen der westtürkischen Metropolen bei Verwandten oder Bekannten niederließen, würden oftmals Personenkontrollen unterzogen (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 14), sodass sie Gefahr liefen, von den dortigen Sicherheitskräften identifiziert zu werden.
37 
d. Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet auch nicht aus dem Grund aus, dass in der Person des Klägers der Ausschlusstatbestand nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG erfüllt wäre.
38 
Nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG ist eine Person nicht Flüchtling i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden. Gem. § 3 Abs. 2 S. 2 AsylG gilt der Ausschlussgrund zudem für Personen, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben. Bei der Beurteilung, ob eine schwere Straftat im Sinne dieser Vorschrift begangen wurde, ist an die deutschen strafrechtlichen Wertungen anzuknüpfen. Danach muss mindestens ein Verbrechen gem. § 12 StGB vorliegen (BeckOK AuslR/Kluth, 25. Ed. 1.3.2020, AsylG § 3 Rn. 23). Auch terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung geprägt sind, sind schwere nicht-politische Straftaten, selbst wenn mit ihnen – vorgeblich – politische Ziele verfolgt werden (NK-AuslR/Keßler, 2. Aufl. 2016, AsylVfG § 3 Rn. 13). Der Ausschlusstatbestand setzt wegen seiner gefahrenabwehrenden Funktion allerdings keine wirksame strafrechtliche Verurteilung wegen einer schweren Straftat voraus. Ausreichend ist vielmehr eine auf schwerwiegende Gründe gestützte Annahme. Darunter werden hinreichende, auf Tatsachen gestützte Feststellungen von einigem Gewicht verstanden (BeckOK AuslR/Kluth, 25. Ed. 1.3.2020, AsylG § 3 Rn. 20). Die bloße Zugehörigkeit zu einer Organisation, die als terroristisch eingestuft wird, reicht nicht aus. Vielmehr ist eine persönliche Verantwortung des Betroffenen für die genannten Verbrechen erforderlich, sodass es jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Feststellung der Beteiligung an den fraglichen Taten bedarf (EuGH, Urt. v. 09.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 – NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urt. v. 19.11.2013 – 10 C 26/12 – juris, Rn. 13; Bergmann/Dienelt/Bergmann, 13. Aufl. 2020, AsylG § 3 Rn. 7-11). Allerdings ist für eine Beteiligung i.S.d. § 3 Abs. 2 S. 2 AsylG kein strafbares Handeln im Sinne einer strafrechtlich relevanten Beteiligung an bestimmten Delikten vorausgesetzt. Vielmehr können auch logistische, propagandistische oder ideologische Unterstützungshandlungen von hinreichendem Gewicht zu Gunsten einer terroristischen Organisation für die Erfüllung des Ausschlusstatbestands nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 AsylG ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.11.2013 – 10 C 26/12 – juris, Rn. 15f).
39 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG nicht erfüllt. Selbst wenn der Kläger die YPS dabei unterstützt haben sollte, in Idil Gräben auszuheben und Barrikaden zu errichten, so ist nicht davon auszugehen, dass er direkt oder indirekt an der YPS zurechenbaren Straftaten beteiligt gewesen ist. Es fehlen jegliche Anzeichen für die Annahme, dass der Kläger an gewaltsamen Angriffen auf türkische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen sein könnte. Dafür spricht neben der Tatsache, dass der Kläger zu der Zeit, als die YPS eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der türkischen Polizei führte, erst 16 Jahre alt war, auch der Umstand, dass die Polizei den Kläger nach der Verhaftung im Juni 2017 bereits nach etwa zehn Stunden wieder freiließ. Wenn die Sicherheitskräfte den Kläger gewaltsamer Handlungen etwa gegen Polizisten verdächtigt hätten, wäre mit einer längeren Inhaftierung des Klägers zu rechnen gewesen.
II.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Gründe

 
I.
16 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, soweit er dem entgegensteht (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
17 
1. Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
18 
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention-, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2a), oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2b).
19 
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). § 3a Abs. 2 AsylG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (Nr. 2) oder unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3). Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylG vom Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (Nr. 3). Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft jedoch nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und sicher und legalen diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
20 
Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG kann nur derjenige beanspruchen, der Verfolgung bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Diesbezüglich ist eine qualifizierte und bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der konkreten Lage des Antragstellers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine so verstandene wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer „quantitativen“ oder mathematischen Betrachtungsweise für dessen Eintritt ein Grad der Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, der – auch deutlich – unter 50 v. H. liegt. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ist deshalb anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen in ihrer Bedeutung überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung reicht noch nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch würde sie außer Betracht lassen. Ergeben alle Umstände des Einzelfalles jedoch die „tatsächliche Gefahr“ (sog. „real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten oder sich der Gefahr durch Rückkehr in das Heimatland auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden kann, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht (BVerwG, Urt. v. 04.07.2019 – 1 C 37.18 – juris, Rn. 13; Urt. v. 05.11.1991 – 9 C 118.90 – juris, Rn. 17; VGH Mannheim, Urt. v. 30.05.2017 – A 9 S 991/15 – juris, Rn. 25 ff.; Urt. v. 02.05.2017 – A 11 S 562/17 – juris, Rn. 30 ff.).
21 
Wurde der Ausländer bereits im Herkunftsland verfolgt, greift ergänzend zu seinen Gunsten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie) ein. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Ausländer eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind (BVerwG, Urt. v. 04.07.2019 – 1 C 37.18 – juris, Rn. 14).
22 
Die Gründe für seine Verfolgungsfurcht hat der Asylsuchende im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO, § 15 und § 25 Abs. 1 AsylG vorzutragen. Die Glaubhaftmachung der Asylgründe setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Schutzsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Beschl. v. 19.10.2001 – 1 B 24.01 – juris, Rn. 5; Urt. v. 24.03.1987 – 9 C 321.85 – juris, Rn. 9; Urt. v. 22.03.1983 – 9 C 68.81 – juris, Rn. 5).
23 
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
24 
a. Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger in der Türkei vor seiner Ausreise bereits Verfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie erlitten hat.
25 
Das Gericht ist im Laufe der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die türkische Polizei das Elternhaus des Klägers nach der Flucht des älteren Bruders des Klägers immer wieder aufgesucht und durchsucht hat und dabei den Kläger und seinen Vater bedroht, geschlagen und unter Druck gesetzt hat. Insbesondere sind auch die Angaben des Klägers zu seiner Verhaftung im Juni 2017 glaubhaft. Der Kläger hat dem Gericht detailliert und widerspruchsfrei geschildert, wie er und drei weitere Jugendliche im Juni 2017 von den türkischen Sicherheitskräften zehn Stunden lang in Gewahrsam genommen und unter Gewaltanwendung und Bedrohungen befragt wurden. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben spricht, dass sie von inneren Widersprüchen frei waren und sich die auf das Kerngeschehen bezogenen Details – etwa Uhrzeit und Dauer der Inhaftierung – mit den bei der Anhörung durch das Bundesamt gemachten Schilderungen deckten. Für die Glaubhaftigkeit spricht weiterhin, dass der Kläger auch weniger relevantes Randgeschehen – wie etwa den Umstand, dass seine jüngeren Geschwister draußen spielten, als er und weitere Jugendliche im Juni 2017 in seinem Elternhaus in Gewahrsam genommen wurden, oder dass niemand ihnen helfen wollte, nachdem sie von der Polizei am Straßenrand abgesetzt worden waren – geschildert hat. Die detailreichen Schilderungen der Gewalt, der der Kläger während der Inhaftierung und Befragung durch die Polizisten ausgesetzt war, decken sich zudem mit den Angaben der Cousine des Klägers, die das Gericht als Zeugin vernommen hat. Sie hat eindrucksvoll und unter starker emotionaler Berührtheit geschildert, was ihr der Kläger über seine Verhaftung in der Türkei berichtet hat und dass der Kläger nach seiner Ankunft in Deutschland noch unter dem Eindruck der Erlebnisse stand und besonders nachts von Erinnerungen an diese heimgesucht zu werden schien.
26 
Auch konnte der Kläger das Gericht davon überzeugen, dass er durch das Engagement seines älteren Bruders ... für die YPS und durch seine eigene Nähe zu dieser Organisation in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist. Dass der Kläger selbst die YPS wenigstens logistisch unterstützt und mit der Gruppierung und ihren Zielen sympathisiert hat, ist auch aufgrund des Umstandes glaubhaft, dass der Kläger einige Kenntnisse über die Aktivitäten der YPS besaß. So war der Kläger in der Lage, auf die Fragen des Gerichts die Angabe zu machen, dass die YPS in Idil, der Heimatstadt des Klägers, ab Mitte Januar 2016 Gräben und Barrikaden errichtet hat, um Teile der Stadt der Kontrolle der türkischen Sicherheitskräfte zu entziehen. Diese Angaben sowie die Auskunft des Klägers, die YPS habe diese Aktivitäten im Februar 2016, als eine vierzigtägige Ausgangssperre über Idil verhängt wurde, eingestellt, stimmen sowohl mit den verfügbaren Erkenntnismitteln, als auch mit den Angaben, die sein älterer Bruder ... im Rahmen seines eigenen Asylverfahrens gemacht hat, überein.
27 
Soweit das Bundesamt im behördlichen Verfahren den Vortrag des Klägers für unglaubhaft befunden hat, weil der Kläger angegeben hat, sein Bruder ... sei Anhänger der YPS, nicht etwa der zur HDP zugehörenden Jugendorganisation HDP-Gençlik gewesen, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. Zwar hat der Bruder des Klägers sich selbst im behördlichen Verfahren als Mitglied einer „an die HDP angeschlossenen“ Jugendorganisation (im Türkischen als Gençlik bezeichnet) ausgegeben. Jedoch ist zum einen nicht mehr aufklärbar, auf welche Jugendorganisation sich der Bruder des Klägers damit genau bezogen hat. Insoweit als der HDP in der Türkei immer wieder eine Nähe zur PKK und ihren Untergruppierungen nachgesagt wird (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei, 14.06.2019, S. 10; International Crisis Group, The Human Cost of the PKK Conflict in Turkey: The Case of Sur, 17.03.2016, S. 8), könnte der Bruder des Klägers mit einer „an die HDP angeschlossenen“ Jugendorganisation auch die YPS gemeint haben. Zum anderen ist nicht zu erwarten, dass der Kläger, der zum fraglichen Zeitpunkt 16 Jahre alt war, im Detail zwischen den unterschiedlichen politischen Gruppierungen, denen sein älterer Bruder Ende 2015 und Anfang 2016 nahegestanden haben mag, sowie deren unterschiedlicher Zielsetzungen und Aktivitätsformen zu unterscheiden wusste. Ungereimtheiten in Bezug auf die genaue politische Betätigung seines älteren Bruders, die zeitlich vor der eigenen Politisierung des Klägers lag, vermögen den Angaben des Klägers nicht ihre Glaubhaftigkeit zu nehmen.
28 
Das Gericht vermag auch der Auffassung des Bundesamts, die Aussagen des Klägers zu seiner Verhaftung im Juni 2017 stünden im Widerspruch zu den Angaben seines älteren Bruders ... , nicht zu folgen. Zwar hat der Bruder des Klägers bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 31.05.2017 auf Nachfrage angegeben, seine Familie habe aktuell keine Probleme mit den türkischen Sicherheitsbehörden. Weil diese Aussage aber zeitlich vor der durch den Kläger geschilderten Verhaftung am 11.06.2017 getätigt wurde, vermag sie den Wahrheitsgehalt der klägerischen Angaben nicht in Zweifel zu ziehen. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte ... bereits durch Schreiben vom 12.07.2017 noch im behördlichen Verfahren vorgetragen, die Familie der Brüder sei zwischenzeitlich von Polizisten aufgesucht worden, die nach dem Kläger im hiesigen Verfahren sowie nach seinem Bruder ... gesucht hätten. Auch im Rahmen seiner informatorischen Anhörung im gerichtlichen Verfahren hat der Bruder des Klägers am 13.06.2018 ausgesagt, sein Elternhaus sei wiederholt von Polizisten durchsucht und sein Vater und sein jüngerer Bruder seien immer wieder geschlagen worden. Sein jüngerer Bruder sei von den Polizisten mitgenommen und gefoltert worden und habe daraufhin die Türkei verlassen. Die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben ernsthaft in Zweifel ziehende Widersprüche zu den Aussagen des Bruders vermag das Gericht nicht zu erkennen.
29 
Weil somit jedenfalls feststeht, dass der Kläger eine Nähe zur YPS aufwies und ihm eine solche auch von Seiten des türkischen Staates vorgeworfen wird, kann die Frage offenbleiben, zu welchem Grad sich der Kläger selbst tatsächlich für die YPS betätigt hat. So ist unerheblich, dass der Kläger seine im Rahmen der Anhörung durch Bundesamt gemachten Angaben, wonach er lediglich ein aktiver Sympathisant der YPS gewesen sei und an deren Versammlungen teilgenommen habe, gesteigert und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, er selbst habe die YPS im Januar und Februar 2016 dabei unterstützt, Gräben auszuheben und Barrikaden zu errichten. Zwar ist die für diesen Widerspruch angebotene Erklärung des Klägers, er habe bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im August 2017 noch unter Schock gestanden und sich gefürchtet, das wahre Ausmaß seiner Unterstützung für die in der Türkei als Terrororganisation geltende YPS offenzulegen, nachvollziehbar. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Anhörung durch das Bundesamt erst 18 Jahre alt war, ist eine Verängstigung und Verwirrung des Klägers naheliegend. Es bleiben allerdings dennoch Zweifel an dem tatsächlichen Ausmaß seiner Beteiligung an den Aktivitäten der YPS bestehen.
30 
Ausgehend von den glaubhaften Angaben des Klägers stellen die geschilderten Handlungen der Polizisten als vom Staat als Verfolgungsakteur i.S.d. § 3c Nr. 1 AsylG ausgehende physische und psychische Gewalt eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG dar. Da sie an der politischen Überzeugung des Klägers anknüpft, liegt auch ein Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG vor. Damit ist der Kläger vorverfolgt ausgereist.
31 
b. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU ist der Umstand, dass der Kläger vor seiner Ausreise bereits verfolgt wurde, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass der Kläger nicht erneut von solcher Verfolgung bedroht werden wird, liegen nicht vor. Vielmehr geht das Gericht ausgehend von den zu Verfügung stehenden Erkenntnismitteln davon aus, dass Personen, denen eine Nähe zur PKK oder der ihr nahestehenden Gruppierungen, wie der YPS, vorgeworfen wird, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, diskriminierender und unverhältnismäßiger Strafverfolgung ausgesetzt zu sein.
32 
Die YPS (Yekîneyên Parastina Sivîl, kurdisch für „Zivile Volksverteidigungseinheiten“) ist eine Jugendorganisation der PKK (Partiya Karkerên Kurdistanê, kurdisch für Arbeiterpartei Kurdistans), die sich von 2013 bis Dezember 2015 zunächst als YDG-H (Yurtsever Devrimci Gençlik Hareketi, kurdisch für „Patriotisch revolutionäre Jugendbewegung“) bezeichnete (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 6). Die Mitglieder der YPS sind Jugendliche, die die PKK hauptsächlich in den Stadtgebieten einsetzt. Viele von ihnen sind noch relativ untrainiert, nur einzelne Mitglieder haben bereits an Ausbildungslagern teilgenommen. Die YPS verfolgte auf Anweisung der PKK besonders seit Juli 2015 die Strategie, Teile von Städten zu besetzen und sie der staatlichen Kontrolle zu entziehen, etwa indem Gräben gegraben und Barrikaden errichtet wurden, um den Sicherheitskräften den Zugang zu verwehren (EASO, Turkey Country Focus, 01.11.2016, S. 63; Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 7).
33 
Seit dem Wiederaufflammen des gewaltsamen Konflikts zwischen türkischem Staat und PKK im Sommer 2015, gehen die Sicherheitskräfte bedingungslos gegen die PKK vor und nutzen den Vorwurf des Terrorismus für weitgehende Freiheitsbeschränkungen und Repressalien. Dieser Konflikt, der sich zwischen Sommer 2015 und Sommer 2016 vermehrt auch in städtische Zentren verlagerte, forderte erhebliche Opfer auf beiden Seiten sowie unter Zivilisten (vgl. AI, Amnesty Report Türkei 2016, S. 1). Schwere Waffen wie Panzer und Artillerie sollen dabei sogar in Wohngebieten eingesetzt worden sein. Nach Informationen der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) wurden allein in diesem Zeitraum 321 Zivilpersonen getötet (vgl. AI, Auskunft an das VG Magdeburg vom 01.03.2018, S. 2; dazu auch Kamil Taylan, Gutachten an das VG Magdeburg vom 05.11.2017, S. 2 ff.). Seit Spätsommer 2016 hat zwar die Intensität der Kämpfe auf türkischem Territorium deutlich nachgelassen (BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.08.2019, S. 15 a. E.). Weiterhin gehen die türkischen Sicherheitskräfte jedoch gegen Personen, die der Unterstützung der PKK oder ihr nahestehender Gruppierungen verdächtigt werden, vor. Zwischen Sommer 2015 und Juni 2019 sollen gegen mehrere Zehntausend Menschen aufgrund des Vorwurfs, die PKK unterstützt zu haben, Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein (UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020, S. 32). In Hinblick auf Strafverfahren wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ist davon auszugehen, dass die türkischen Gerichte keine Unabhängigkeit besitzen und ein rechtsstaatlichen Grundsätzen genügendes Verfahren nicht gewährleistet ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei, 14.06.2019, S. 14; vgl. UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020). Weiter sind gerade vermeintliche PKK-Unterstützer in staatlichem Gewahrsam mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlung ausgesetzt (Amnesty International, Auskunft an das Verwaltungsgericht Karlsruhe, 23.04.2020, S. 3; US DOS, Turkey 2019 Human Rights Report, 11.03.2020, S. 5, S. 7; vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei, 14.06.2019, S. 16; Europäische Kommission, Turkey 2019 Report, SWD(2019) 220, 29.05.2019, S. 30; vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.12.2017 - 2 BvR 2259/17 – juris).
34 
Die türkischen Sicherheitskräfte führen auch Jahre nach Abflauen der gewaltsamen Auseinandersetzungen regelmäßig Hausdurchsuchungen und Razzien in den betroffenen Städten durch (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 12). Bereits einfache Tätigkeiten wie das Verteilen von Flugblättern, die Teilnahme an Demonstrationen oder Kundgebungen oder das Teilen von Beiträgen in den sozialen Netzwerken können als Grundlage für Terrorismus-Vorwürfe dienen und eine Person in den Fokus der türkischen Sicherheitskräfte rücken (UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020, S. 34; Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 13). Nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist davon auszugehen, dass die Behörden in vielen Fällen Kenntnisse darüber haben, wer Mitglied der YPS gewesen ist oder war bzw. wer diesen als unbewaffneter Sympathisant logistische Unterstützung geleistet hat – unter anderem sollen diese Informationen einzelnen Personen, die in die Hände der Sicherheitskräfte gefallen waren, abgepresst worden sein (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 7 f, S. 12). Als unbewaffneter Unterstützer der PKK bzw. YPS gilt etwa, wer deren Mitglieder mit Wasser und Nahrungsmitteln versorgt oder ihnen Übernachtungsplätze bereitgestellt hat (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 7 f, S. 10). Besonders für Personen, deren Familie aufgrund der Aktivitäten eines anderen Familienmitglieds bereits in den Fokus der Sicherheitsbehörden geraten ist, bestehe ein hohes Risiko, ebenfalls unter Überwachung gestellt zu werden (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 8). Oftmals gerieten auch Freunde und Angehörige von Personen, denen Unterstützung der PKK oder der ihr zugehörigen Gruppen vorgeworfen wird, unter Verdacht und würden von den türkischen Sicherheitskräften bedroht oder unter Druck gesetzt (UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020, S. 29; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei – Gefährdungsprofile, 19.05.2017, S. 12). So kann es für Familienmitglieder von (mutmaßlichen) PKK-Anhängern schwierig sein, einen Reisepass zu erhalten. Zudem wurden in einzelnen bekannt gewordenen Fällen Reisepässe von Angehörigen annulliert (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei – Gefährdungsprofile, 19.05.2017, S. 14). Wenn die Sicherheitskräfte die verdächtige Person, nach der sie suchen, nicht finden können, nehmen sie mitunter an deren Stelle ein Familienmitglied in Gewahrsam. Auch werden die Elternhäuser der verdächtigen Personen oft aufgesucht oder durchsucht (UK Home Office, Turkey: Kurdistan Workers Party (PKK), 01.02.2020, S. 29). Insbesondere Jugendliche, die die Sicherheitskräfte der Nähe zur PKK verdächtigen, würden im Alltag über sehr lange Zeiträume, teils Jahre, schikaniert, geschlagen, oder psychologisch unter Druck gesetzt (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 12).
35 
Ausgehend von diesen Umständen ist die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie nicht als widerlegt anzusehen. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass die türkischen Sicherheitskräfte nach wie vor gegen den Kläger vorzugehen zu beabsichtigen. Er ist wie auch sein älterer Bruder wegen seiner Nähe zur YPS in den Fokus der Sicherheitsbehörden geraten. Dem Kläger droht daher im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, Vergeltungsmaßnahmen, Demütigungen, willkürlichen Verhaftungen und körperlichen wie psychischen Misshandlungen von Seiten der türkischen Sicherheitskräfte ausgesetzt zu sein. Der Kläger wäre somit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner politischen Überzeugung, einem Verfolgungsgrund gem. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG, von Seiten des türkischen Staates, einem Akteur i.S.d. § 3c Nr. 1 AsylG, Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 1-4 AsylG ausgesetzt.
36 
c. Entgegen den Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 25.01.2018 kann der Kläger auch nicht auf einen internen Schutz im Sinne des § 3e AsylG verwiesen werden. Denn die Verfolgung ging von türkischen Polizisten, also von staatlichen Akteuren aus. Es ist aus diesem Grund nicht ersichtlich, warum der Kläger in einem anderen Teil der Türkei entgegen der Vermutung aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU keine begründete Furcht vor Verfolgung haben sollte. Auch nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe führen die türkischen Sicherheitskräfte auch im Westen der Türkei zielgerichtete Maßnahmen gegen Personen, denen eine Nähe zur PKK vorgeworfen wird, durch (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 14). Personen, die aus dem Osten der Türkei in den Westen zuwanderten und sich oftmals in den ärmeren, kurdisch geprägten Stadtteilen der westtürkischen Metropolen bei Verwandten oder Bekannten niederließen, würden oftmals Personenkontrollen unterzogen (Schweizer Flüchtlingshilfe, Gefährdung aufgrund von Hilfeleistungen an kurdische Bewaffnete, 24.05.2019, S. 14), sodass sie Gefahr liefen, von den dortigen Sicherheitskräften identifiziert zu werden.
37 
d. Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet auch nicht aus dem Grund aus, dass in der Person des Klägers der Ausschlusstatbestand nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG erfüllt wäre.
38 
Nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG ist eine Person nicht Flüchtling i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden. Gem. § 3 Abs. 2 S. 2 AsylG gilt der Ausschlussgrund zudem für Personen, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben. Bei der Beurteilung, ob eine schwere Straftat im Sinne dieser Vorschrift begangen wurde, ist an die deutschen strafrechtlichen Wertungen anzuknüpfen. Danach muss mindestens ein Verbrechen gem. § 12 StGB vorliegen (BeckOK AuslR/Kluth, 25. Ed. 1.3.2020, AsylG § 3 Rn. 23). Auch terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung geprägt sind, sind schwere nicht-politische Straftaten, selbst wenn mit ihnen – vorgeblich – politische Ziele verfolgt werden (NK-AuslR/Keßler, 2. Aufl. 2016, AsylVfG § 3 Rn. 13). Der Ausschlusstatbestand setzt wegen seiner gefahrenabwehrenden Funktion allerdings keine wirksame strafrechtliche Verurteilung wegen einer schweren Straftat voraus. Ausreichend ist vielmehr eine auf schwerwiegende Gründe gestützte Annahme. Darunter werden hinreichende, auf Tatsachen gestützte Feststellungen von einigem Gewicht verstanden (BeckOK AuslR/Kluth, 25. Ed. 1.3.2020, AsylG § 3 Rn. 20). Die bloße Zugehörigkeit zu einer Organisation, die als terroristisch eingestuft wird, reicht nicht aus. Vielmehr ist eine persönliche Verantwortung des Betroffenen für die genannten Verbrechen erforderlich, sodass es jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Feststellung der Beteiligung an den fraglichen Taten bedarf (EuGH, Urt. v. 09.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 – NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urt. v. 19.11.2013 – 10 C 26/12 – juris, Rn. 13; Bergmann/Dienelt/Bergmann, 13. Aufl. 2020, AsylG § 3 Rn. 7-11). Allerdings ist für eine Beteiligung i.S.d. § 3 Abs. 2 S. 2 AsylG kein strafbares Handeln im Sinne einer strafrechtlich relevanten Beteiligung an bestimmten Delikten vorausgesetzt. Vielmehr können auch logistische, propagandistische oder ideologische Unterstützungshandlungen von hinreichendem Gewicht zu Gunsten einer terroristischen Organisation für die Erfüllung des Ausschlusstatbestands nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 AsylG ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.11.2013 – 10 C 26/12 – juris, Rn. 15f).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG nicht erfüllt. Selbst wenn der Kläger die YPS dabei unterstützt haben sollte, in Idil Gräben auszuheben und Barrikaden zu errichten, so ist nicht davon auszugehen, dass er direkt oder indirekt an der YPS zurechenbaren Straftaten beteiligt gewesen ist. Es fehlen jegliche Anzeichen für die Annahme, dass der Kläger an gewaltsamen Angriffen auf türkische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen sein könnte. Dafür spricht neben der Tatsache, dass der Kläger zu der Zeit, als die YPS eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der türkischen Polizei führte, erst 16 Jahre alt war, auch der Umstand, dass die Polizei den Kläger nach der Verhaftung im Juni 2017 bereits nach etwa zehn Stunden wieder freiließ. Wenn die Sicherheitskräfte den Kläger gewaltsamer Handlungen etwa gegen Polizisten verdächtigt hätten, wäre mit einer längeren Inhaftierung des Klägers zu rechnen gewesen.
II.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

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