Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 4 L 3117/96
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der au- ßergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
2. Der Streitwert wird auf 100.000 DM festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Antragstellerin betreibt ein System, das flächendeckend im Einzugsgebiet der abfallentsorgungspflichtigen öffentlich- rechtlichen Körperschaften, unter anderem auch im Gebiet der zum Oberbergischen Kreis gehörenden Beigeladenen zu 2), eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher oder in der Nähe des Endverbrauchers gewähr- leisten soll. Die Feststellung der Erfüllung der genannten, sich aus § 6 Abs. 3 der Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung - VerpackV) vom 12. Juni 1991 (BGBl. I 1234) ergebenden Anforderungen wurde unter dem 18. Dezember 1992 durch das zuständige Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nord- rhein-Westfalen bekanntgemacht. Die Feststellung zugunsten der Antragstellerin erfolgte unter der Bedingung der Vorlage der vollständigen Erklärungen der entsorgungspflichtigen Körper- schaften über die Abstimmung mit den vorhandenen Entsorgungs- systemen nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV. Zu den entsorgungs- pflichtigen Körperschaften gehören auch der Oberbergische Kreis und der Rheinisch-Bergische Kreis, die sich im Antrags- gegner in Form eines kommunalen Zweckverbandes nach § 5 Abs. 7 Landesabfallgesetz (LAbfG) zusammengeschlossen haben.
4Zur Erfüllung der Anforderungen der VerpackV bedient sich die Antragstellerin vertraglicher Instrumentarien. Mit Vertrag vom 20. Oktober 1992 beauftragte sie die C. X. -T. mbH (C. -GmbH). Gegenstand des Un- ternehmens der C. -GmbH ist das Sammeln, Transportieren, Sortieren und Entsorgen unter anderem der auch im Gebiet der Beigeladenen zu 2) anfallenden Verkaufsverpackungen und der Aufbau eines Systems nach § 6 Abs. 3 VerpackV. Auch der Abschluß einer Abstimmungsvereinbarung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV gehört zu den Pflichten der C. -GmbH. Demgemäß schlossen die Antragstellerin, die C. -GmbH und der Antrags- gegner gleichfalls am 20. Oktober 1992 eine Abstimmungsverein- barung, in der sich die C. -GmbH zum Aufbau eines entspre- chenden Systems verpflichtete.
5Beteiligt an der C. -GmbH sind zu 49 % private Entsorger- firmen. 25,5 % der Geschäftsanteile werden über den Antrags- gegner von den beiden Landkreisen, in deren Gebiet die C. - GmbH tätig ist, gehalten, dies sind der Oberbergische Kreis und der Rheinisch-Bergischen Kreis. Die restlichen 25,5 % be- finden sich im Eigentum des Bergischen Transportverbandes (BTV). Bei diesem handelt es sich um einen Zweckverband, dem auch die Beigeladene zu 2) durch Beschluß vom 29. Oktober 1992 beigetreten ist. Zweck des Verbandes ist nach § 1 Abs. 2 der Satzung die Sammlung und der Transport von "Verpackungsabfäl- len" gemäß § 3 VerpackV zu einer vom Antragsgegner oder in seinem Auftrag betriebenen Sortieranlage bzw. Umladestation; dazu kann sich der Verband auch Dritter bedienen. Der BTV be- auftragte dementsprechend mit Vertrag vom 12. Januar 1993 die C. -GmbH mit der Sammlung und dem Transport von Wertstoffen aus Verkaufsverpackungen und von anderen in das System nach § 6 Abs. 3 VerpackV einbezogenen Wertstoffen unter anderem im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2). Die Abstimmungsverein- barung vom 20. Oktober 1992 wurde ausdrücklich in den Vertrag einbezogen.
6Mit Vertrag vom 3./5. Mai 1993 beauftragte die C. -GmbH die Firma F. mit der Erfüllung der ihr gemäß der Ver- einbarung vom 20. Oktober 1992 mit der Antragstellerin oblie- genden Pflichten auch für das Gebiet der Beigeladenen zu 2). Von dieser Vereinbarung waren gemäß § 9 diejenigen Leistungen nicht erfaßt, die außerhalb der VerpackV liegen, insbesondere verpackungsfremde Papiere. Parallel dazu bestand zwischen der Firma F. und der Beigeladenen zu 2) ein Vertrag vom 3. Dezember 1986, in dem sich die Firma als allein berechtigte Unternehmerin zur Vermietung der erforderlichen Müllgefäße so- wie in einem "Ergänzungsvertrag" vom gleichen Tag zur separa- ten turnusmäßigen Sammlung aller vorsortierten Abfälle, zu de- ren Transport zur Abfallsortieranlage sowie zu deren Aufberei- tung und Vermarktung verpflichtete. Diese Verträge waren erst- mals zum 31. Dezember 1996 kündbar, wovon die Beigeladene zu 2) Gebrauch gemacht hat.
7Bis zu diesem Datum wurden in den hier allein interessierenden "grünen Tonnen" sowohl die PPK-Abfälle gesammelt, zu deren Sammlung sich die Firma F. gegenüber der C. -GmbH verpflichtet hatte, als auch die sonstigen, nicht der Verpflichtung unterfallenden PPK-Abfälle, zu deren Einsammlung die Firma F. aufgrund der mit der Beigeladenen zu 2) bis zum 31. Dezember 1996 bestehenden vertraglichen Bindung verpflichtet war.
8Die Beigeladene zu 2) einigte sich nach Kündigung der Verträge mit der Firma F. mit der Beigeladenen zu 1), deren alleiniger Gesellschafter der Antragsgegner ist, beginnend mit dem 1. Januar 1997 die PPK - soweit es sich nicht um von der Übertragung der Befugnisse auf den BTV erfaßte Verkaufsverpackungen handelte - durch die Beigeladene zu 1) oder durch von dieser beauftragte Dritte (Containerdienste) einsammeln zu lassen. Zu diesem Zweck sind im August/September 1996 mit der Beigeladenen zu 1) mehrere vertragliche Vereinbarungen getroffen worden. Mit den dafür erforderlichen Vorbereitungsarbeiten ist am 10. Dezember 1996 (Aufstellung von neuen grünen Tonnen) begonnen worden. Am 15. Januar 1997 wurde der Gesellschaftsvertrag der Beigelade- nen zu 1) aufgrund eines vorhergehenden Beschlusses des Antragsgegners neu gefaßt. In der Einleitung zur notariellen Beurkundung der Neufassung heißt es, "Der BAV unterhält zur Erfüllung seiner Aufgaben abfallwirtschaftliche Anlagen. ... Die Verbandsversammlung des BAV hat am 21.09.1994 beschlossen, zukünftig die betrieblichen Einrichtungen in privater Rechtsform zu führen."
9Parallel zu den vor dem Verwaltungsgericht Köln geführten Rechtsstreitigkeiten sind vor dem Landgericht Bonn Verfahren zwischen der C. -GmbH und der Firma F. einerseits und den Beigeladenen andererseits anhängig, in denen einstweilige Anordnungen ergingen. Wegen der Einzelheiten wird insofern auf Bl. 52 bis 64 der Gerichtsakte verwiesen.
10Am 3. Dezember 1996 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag gestellt. Einen weiteren am 2. Dezember 1996 gestellten Antrag gegen die Beigeladene zu 2) hat das Gericht mit von der Antragstellerin nicht angefochtenem Beschluß vom 24. Januar 1997 abgelehnt (4 L 3105/96).
11Die Antragstellerin sieht durch die von der Beigeladenen zu 2) getroffene Änderung der Entsorgung der PPK-Abfälle die ihr nach der VerpackV obliegende Erfüllung bestimmter Einsammelquoten gefährdet, was Voraussetzung für die Feststellung des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft gewesen sei. Sie meint, ihr Begehren sei öffentlich-rechtlich und damit der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Mit ihrer Funktion als paralleles System für die Wertstoffsammlung erfülle sie auch Funktionen der öffentlich- rechtlichen Abfallentsorgung im Hinblick auf die um- weltpolitischen Ziele der Abfallvermeidung und Gewinnung von Sekundärrohstoffen. Das Funktionieren ihres Systems liege damit zumindest zugleich im öffentlichen Interesse, wie sich auch aus der ausdrücklichen Erwähnung des Systems in den einschlägigen Normen ergebe. Zudem folge der öffentlich- rechtliche Charakter des streitigen Rechtsverhältnisses daraus, daß die Beigeladene zu 2) die ihr nach § 5 Abs. 6 LAbfG obliegenden Entsorgungszuständigkeiten überschreite. Schließlich präge der öffentlich-rechtliche Charakter der Abstimmungsvereinbarung das gesamte Rechtsverhältnis.
12Die Antragstellerin beantragt,
13dem Antragsgegner im Wege der Sicherungsanordnung zur vorläufigen Aufrechterhaltung des bestehenden Rechtszustandes zu untersagen, a) auf dem Gebiet der Beigeladenen zu 2) selbst oder durch Dritte neue grüne Papiertonnen ab dem 10. Dezember 1996 aufzustellen oder aufstellen zu lassen, b) die vorhandenen grünen Papiertonnen auf dem Gebiet der Beigeladenen zu 2) selbst oder durch andere einsammeln zu lassen sowie c) durch eigene Handlungen oder Beauf- tragungen Dritter zu verhindern, daß die Einsammlung und Verwertung der Papier-, Pappe- und Kartonfraktion im Rahmen der sich aus der Verpackungsverordnung und den Verträgen ergebenden Form bis auf weiteres wie bisher auf dem Gebiet der Beigeladenen zu 2) zur Verwertung erfolgen kann.
14Der Antragsgegner beantragt,
15den Antrag abzulehnen.
16Er rügt bereits die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs, da es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele. Auch ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Die Beigeladene zu 1), bei der es sich um eine eigenständige juristische Person handele, habe von der Beigeladenen zu 2) nur den Auftrag erhalten, die nicht unter die Verpackungsverordnung fallenden Abfälle einzusammeln. Ein Verstoß gegen die Abstimmungsvereinbarung könne darin nicht gesehen werden. Vielmehr habe es die Antragstellerin verabsäumt, eine ihre alleinige Befugnis zur Einsammlung aller Abfälle festschreibende Vereinbarung zu treffen. Das ehemals und derzeit bestehende doppelte Einsammlungssystem werde vom Regelungsbereich der Abstimmungsvereinbarung nicht erfaßt.
17Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 4 L 3105/96 und die von den Beteiligten überreichten Anlagen zu den Schriftsätzen Bezug genommen.
19II.
201. Für die vorliegende Streitigkeit ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Dies ist trotz der insoweit erhobenen Rüge des An- tragsgegners im Rahmen der Entscheidung über den Antrag festzustellen, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG ist nach Auffassung des Gerichts insoweit nicht anzuwenden. Zwar wird in einem Teil der Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, die §§ 17 - 17b GVG seien auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unmittelbar oder entsprechend anzuwenden.
21Bejahend BayVGH, BayVBl. 1993, 309; BayVBl. 1994, 117; VGH BW, NJW 1993, 2194; NJW 1994, 1362; NJW 1994, 2372; DVBl. 1995, 159; OVG Berlin, NVwZ 1992, 685; HessVGH (3. Senat), NJW 1996, 474 (475); HessVGH (6. Senat), NJW 1997, 211; OVG NW (5. Senat), Beschluß vom 29.06.1993 - 5 B 1106/93 -; (22. Senat), NVwZ 1994, 178; (4. Senat) Beschluß vom 15.03.1996 - 4 E 1049/95 -; OVG SH, NVwZ-RR 1993, 670; Kopp, VwGO. Kommentar, 10. Aufl. 1994, § 41 Rdnr. 2a; Ehlers, in Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO. Kommentar. Loseblatt (Stand: 1. April 1996), § 41 Vorb. § 17 GVG Rdnr. 17; a. A. HessVGH (11. Senat), NJW 1994, 145; ESVGH 43, 252 (254); OVG Rh.-Pf., DVBl. 1993, 260; Redeker/von Oertzen, VwGO, 11. Aufl. 1994, Anh. zu § 41 Rdnr. 5; zum Streitstand vgl. weiter Ehlers, a.a.O. § 41 Vorb. § 17 GVG Rdnr. 14 ff.
22Ob und inwieweit dem für den Fall der Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtszweigs bei Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs zu folgen ist, kann hier offenbleiben.
23Die Regelungen der §§ 17 ff. GVG sollen insbesondere dazu dienen, das aus der für die Normierung maßgeblichen Sicht des Klägers mißliche Ergebnis zu vermeiden, daß die Klage mangels Rechtswegeröffnung als unzulässig abgewiesen wird.
24Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, Bundestagsdrucksache 11/7030 S. 37 f.
25Das mag dafür sprechen, die Regelungen der §§ 17 ff. GVG grundsätzlich auch auf Eilverfahren entsprechend anzuwenden. Soweit daraus aber gefolgert wird, im Interesse effektiven Rechtsschutzes müsse die Rechtswegfrage auch in Eilverfahren wegen der aufdrängenden Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG stets durch Vorabentscheidung endgültig geklärt werden, um insbesondere einen negativen Kompetenzkonflikt zu vermeiden, vermag dies nicht zu überzeugen.
26Ein Bedürfnis für eine Vorabentscheidung besteht jedenfalls vor dem Hintergrund der Effektivität des Eilrechtsschutzes dann nicht, wenn das angerufene Gericht den Rechtsweg bejaht; insoweit muß es genügen, wenn mit der Entscheidung in der Sache auch über den Rechtsweg entschieden wird. Andernfalls wäre der Eilcharakter der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu gewährleisten; er steht einer entsprechenden Anwendung der Regelungen über die Vorabentscheidung entgegen: Bei einer Anwendung des Vorabentscheidungsverfahrens hätte es der Antragsgegner stets in der Hand, durch eine Rüge des beschrittenen Rechtsweges die Entscheidung des Gerichts hinauszuzögern.
27vgl. dazu Redeker/von Oertzen, a.a.O., Anh. § 41 Rdnr. 5 m. w. Nachweisen; Ehlers a.a.O., Rdnr. 17.
28Dies gilt erst recht nach Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung. Nach § 146 Abs. 1 VwGO können Vorabentscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtsweges nach wie vor mit der Beschwerde angefochten werden, Beschlüsse nach §§ 80, 80a und 123 VwGO gemäß § 146 Abs. 4 VwGO aber nur dann, wenn die Beschwerde vom Oberverwaltungsgericht zugelassen worden ist. Es nicht einleuchtend, warum der Rechtsmittelzug im Zwischenverfahren (mit der möglichen Einschaltung der Bundesgerichte) weitergehend sein soll als der Rechtszug im Eilverfahren selbst.
29Vgl. OVG Rh.-Pf., a.a.O., DVBl. 1993, 260; Ehlers, a.a.O., Rdnr. 16.
30Rechte der übrigen Beteiligten werden dadurch nicht geschmälert, da mangels Vorabentscheidung § 17a Abs. 5 GVG keine Anwendung findet.
31Vgl. BGH, NJW 1993, 470; NJW 1996, 1890; BayVGH, BayVBl. 1994, 117 (118).
32Eine unmittelbare Anwendung des § 17a GVG scheidet schon deshalb aus, weil er nur die Klageverfahren betrifft,
33dazu überzeugend Ehlers a.a.O, Rdnrn. 15 f.; Redeker/von Oertzen, a.a.O.
342. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg für die vorliegende - nichtverfassungsrechtliche - Streitigkeit nur dann gegeben, wenn sie öffentlich-rechtlich ist; eine auf- oder abdrängende Sonderzuweisung ist nicht gegeben. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich ist, richtet sich danach, ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu entscheiden ist. Damit kommt es entscheidend auf die Natur des Rechtsverhältnisses an, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, wobei nicht auf das allgemein zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis, sondern konkret auf die im Einzelfall geltend gemachten Rechtsbeziehungen abzustellen ist.
35Ehlers, a.a.O., § 40 Rdnr. 207; Kopp, a.a.O., § 40 Rdnr. 6b; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 40 Rdnr. 6, jeweils m. w. Nachw.
36Maßgeblich ist insoweit allerdings die wahre Rechtsnatur des Begehrens, die durch das Gericht festzustellen ist, nicht jedoch die rechtliche Einordnung durch den Rechtsschutzbegehrenden.
37BGH, NJW 1996, 3012; Ehlers, a.a.O., § 40 Rdnr. 214 f.; Kopp, a.a.O., § 40 Rdnr. 6b; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 40 Rdnr. 6, jeweils m. w. Nachw.
38Entscheidend für die Qualifizierung einer Streitigkeit als öffentlich-rechtlich ist demnach, ob die Anspruchsgrundlagen, die den geltend gemachten Ansprüchen zugrunde liegen, öffent- lich-rechtlicher Natur sind.
39Vor diesem Hintergrund kommt das Gericht zum Ergebnis, daß der von der Antragstellerin nicht näher benannte Anspruch, über den in einem Hauptsacheverfahren zu befinden wäre und dessen Durchsetzungsfähigkeit durch die begehrte einstweilige Anordnung sichergestellt werden soll, im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen ist.
40Maßgeblich für die Entscheidung des Rechtsstreits ist das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten, das unter anderem entscheidend durch die sogenannte Abstimmungsvereinbarung vom 20. Oktober 1992 geprägt wird. Der Abschluß der Abstimmungsvereinbarung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 bis 5 VerpackV dient der Verzahnung des Dualen Systems mit den vorhandenen, überwiegend schlicht-hoheitlich betriebenen Entsorgungssystemen der entsorgungspflichtigen Körperschaften und zugleich deren Schutz. Es spricht vieles dafür, daß die Abstimmungsvereinbarung schon deswegen als auch öffentlich- rechtlichen Charakter tragend zu qualifizieren ist, weil sie zwingende Voraussetzung für die in Form eines feststellenden Verwaltungsakts ergehende Feststellung der Flächendeckung ist und die öffentlich-rechtliche Verpflichtung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV umsetzt. Auch aus der konkreten Abstimmungsvereinbarung im vorliegenden Fall - wie sie bundes- weit üblich ist - ergeben sich deutliche Anhaltspunkte für eine Qualifizierung als zumindest teilweise öffentlich- rechtlich. In § 5 Abs. 2 der Abstimmungsvereinbarung wird den kommunalen Gebietskörperschaften das Recht eingeräumt, unter anderem aus dringenden Gründen des Gemeinwohls Weisungen an den Entsorger zu erteilen oder unaufschiebbare Maßnahmen durchzuführen. Damit werden einem Hoheitsträger besondere Befugnisse zur Wahrung öffentlicher Interessen eingeräumt und damit zu dessen Gunsten ein Sonderrecht bzw. ein Über- /Unterordnungs-verhältnis geschaffen, was ein deutliches Kriterium für die Einordnung einer Regelung als öffentlich- rechtlich ist.
41Vgl. nur Ehlers, a.a.O., § 40 Rdnr. 223 ff.
42Im übrigen ist nicht ersichtlich ausgeschlossen,
43s. dazu BGH, a.a.O., NJW 1996, 3012.
44daß der Antragstellerin auch aus dem Gesamtgefüge der gegebenenfalls streitentscheidenden öffentlich-rechtlichen Normen der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehen kann,
45vgl. dazu den Beschluß des Gerichts vom 24. Januar 1997 im Verfahren 4 L 3105/96.
46so daß der Verwaltungsrechtsweg nach Auffassung des Gerichts gegeben ist.
473. Die Anträge sind jedoch unbegründet.
48Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der danach erforderliche Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Zwar erscheint nach der im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens allein möglichen summarischen Prüfung ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich ausgeschlossen (a). Die Antragstellerin hat jedoch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (b).
49a) Ein Anordnungsanspruch, gerichtet auf die Beibehaltung des derzeitigen Sammlungssystems der einheitlichen Wertstoffsammlung betreffend die PPK-Fraktion, wird durch die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (aa) sowie die zwischen Antragstellerin und Antragsgegner bestehende Abstimmungsvereinbarung (bb) nahegelegt. Dieser Anspruch wäre auch gegebenenfalls aufgrund der beherrschenden Stellung des Antragsgegners als alleinigem Gesellschafter gegenüber der Beigeladenen zu 1) durchsetzbar.
50aa) Für die Unzulässigkeit einer das bestehende Sammlungssystem einseitig abändernden Maßnahme spricht zunächst das sich aus § 6 Abs. 3 VerpackV und § 5 Abs. 5 LAbfG ergebende Normengefüge:
51Für Verkaufsverpackungen im Sinne des § 3 Abs. 1 VerpackV besteht nach § 6 Abs. 1 bis 3 VerpackV eine Rücknahmeverpflichtung der Vertreiber und des Versandhandels sowie eine Wiederverwendungs- oder Verwertungspflicht der Hersteller und Vertreiber. Diese Verpflichtungen entfallen für solche Hersteller und Vertreiber, die sich an einem System beteiligen, das flächendeckend eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher gewährleistet sowie weitere, im Anhang zur VerpackV genannte Anforderungen erfüllt, § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV. Die Erfüllung der Anforderung "flächendeckend" bedarf nach § 6 Abs. 3 Satz 6 VerpackV der Feststellung, in Nordrhein- Westfalen des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft; die Feststellung kann nach § 6 Abs. 4 VerpackV widerrufen werden. Das System ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV auf vorhandene Sammel- und Verwertungssysteme der entsorgungspflichtigen Körperschaften abzustimmen; die Abstimmung, bei der die Belange der entsorgungspflichtigen Körperschaften besonders zu berücksichtigen sind, ist Voraussetzung für die Feststellung des flächendeckenden Charakters, § 6 Abs. 3 Sätze 3 und 4 VerpackV.
52Das Abstimmungserfordernis, das im ursprünglichen Entwurf der Verordnung nicht enthalten war,
53vgl. Bundesratsdrucksache 817/90, S. 7
54wurde im Verlauf der Ausschußberatungen eingefügt. Es soll nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht nur der Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile zu Lasten derjenigen Kommunen dienen, die ein vergleichbares System bereits eingerichtet haben, sondern vielmehr war die "Harmonisierung" aus Sicht der Ausschüsse auch für die "Effektivität sowohl der kommunalen Entsorgung wie des dualen Systems ... notwendig".
55Bundesratsdrucksache 817/1/90, S. 22; Bundesratsdrucksache 236/91, S. 16.
56Wird ein System nach § 6 Abs. 3 VerpackV errichtet, sind nach § 5 Abs. 5 Satz 1 LAbfG die Interessen an einer geordneten Entsorgung sicherzustellen, was in der Regel durch die Übernahme der Sammlung durch die entsorgungspflichtigen Körperschaften selbst bzw. durch von ihnen beauftragte Dritte gewährleistet ist. Einer derartigen Beauftragung kann der Träger des Systems - hier die Antragstellerin - nach § 5 Abs. 5 Satz 2 LAbfG beitreten.
57Sowohl § 6 Abs. 3 VerpackV als auch § 5 Abs. 5 LAbfG erfordern demnach zunächst eine Rücksichtnahme des einzurichtenden Systems auf "vorhandene Sammel- und Verwertungssysteme der entsorgungspflichtigen Körperschaften": es ist mit ihnen abzustimmen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV), dabei sind die öffentlichen Interessen an einer geordneten Entsorgung sicherzustellen (§ 5 Abs. 5 Satz 1 LAbfG). Wegen der sich hieraus ergebenden Wechselbeziehungen zwischen dem System nach § 6 VerpackV und den vorhandenen Systemen spricht vieles dafür, daß den Rücksichtnahmepflichten des übergreifenden Systems nach erfolgter Abstimmung auch entspre- chende Pflichten der entsorgungspflichtigen Körperschaften auf Rücksichtnahme gegenüber diesem System korrespondieren. Zwar fordert § 6 Abs. 3 VerpackV ausdrücklich nur eine Abstimmung des neu einzurichtenden Systems auf vorhandene Systeme. Da das neue System jedoch flächendeckend einzurichten ist, ist es jedenfalls denkbar, daß der Verordnungsgeber davon ausging, daß die Flächendeckung eines einmal eingerichteten Systems nachträglich nicht mehr einseitig durch Änderung der vorhandenen Systeme in Frage gestellt werden darf und daraus entsprechende Abwehransprüche des eingerichteten Systems folgen. Hierfür spricht neben dem in den Materialien genannten umweltpolitischen Gesichtspunkt der Effektivität auch, daß die Voraussetzung für die Zulassung der Antragstellerin, nämlich die Gewährleistung flächendeckender Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen, nicht durch einseitige Abweichung von der Abstimmung über das Zusammenwirken zwischen vorhandenen Systemen und dem neu einzurichtenden System in Frage gestellt werden darf.
58bb) Davon geht wohl auch die zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner und der C. getroffene Abstimmungsver- einbarung aus, wenn sie in § 9 vorsieht, daß Änderun- gen/Ergänzungen der Systeme vor Ort nur einvernehmlich vorzunehmen sind.
59Fraglich ist insoweit allerdings, ob davon die gesamte Sammlung der PPK-Fraktion betroffen ist oder nur die der VerpackV unterfallenden Wertstoffe. Die Abstimmungsvereinbarung ist insoweit nicht eindeutig: Nach § 1 der Vereinbarung übernimmt die Antragstellerin den Aufbau eines Systems für die Verkaufsverpackungen. Nach § 2 der Abstimmungsvereinbarung stellt sie die nach § 5 Abs. 6 Satz 1 LAbfG einsammlungspflichtigen Gemeinden von dieser Pflicht frei; die insoweit bestehenden Verträge werden "zum Ruhen gebracht" und "modifiziert". Bereits an dieser Stelle ist nicht ersichtlich, ob insoweit auch die nicht zu den Verpackungen zu rechnenden Wertstoffe erfaßt sind bzw. ob eine Anpassung der genannten Verträge erfolgt ist. Nach § 3 Abs. 1 der Abstimmungsvereinbarung will die Antragstellerin das Ziel einer einheitlichen Wertstofferfassung erst erreichen; in Abs. 2 der Vorschrift verpflichtet sie sich zur zukünftigen Einbeziehung in das System "nach Abstimmung mit der entsorgungspflichtigen Körperschaft", will aber nach Abs. 3 und 4 schon jetzt bestimmte Nichtverpackungsmaterialien einbeziehen, d. h. wohl mit einsammeln. Letzteres gilt insbesondere für Druckerzeugnisse, für die ein Kosten- und damit Sammlungsanteil von 75 % zugrundegelegt wird. Diese auch kostenmäßige Bindung sollte nach § 3 Abs. 4 Satz 2 der Abstimmungsvereinbarung allerdings nur bis zum 31. Juli 1995 gelten; danach wollten die "Parteien über die weitere Behandlung der Druckerzeugnisse ... verhandeln". Hinzu kommt die hier gleichfalls zu berücksichtigende Vereinbarung vom 3./5. Mai 1993 zwischen der weiteren Beteiligten an der Abstimmungsvereinbarung, der C. -GmbH, und der für das Gebiet der Beigeladenen zu 2) tätigen Firma F. , bei der die Nichtverpackungsmaterialien ausdrücklich ausgeklammert wurden. Auch dies läßt es zumindest nicht ausgeschlossen erscheinen, daß die Abstimmungsvereinbarung jedenfalls im Gebiet der Beigeladenen zu 2) nur die Verpackungsmaterialien erfaßt.
60Aus diesen Regelungen ist nicht ersichtlich, ob die nicht zu den Verpackungen zu zählenden Wertstoffen mittlerweile einer eigenständigen Regelung unterliegen oder ob sie nach wie vor vom System erfaßt werden und damit möglicherweise einer abweichenden Regelung des Erfassungssystems "vor Ort" aufgrund der Bindung des Antragsgegners entzogen sind.
61Dies kann im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Denn ausweislich des zwischen den Beigeladenen vereinbarten "Einsammlungs- und Beförderungsvertrags" vom 6. August/2. September 1996 sollen zumindest auch die ausschließlich von der Antragstellerin einzusammelnden Verpackungen von der Neuregelung des Systems vor Ort betroffen sein. Dies ergibt sich jedenfalls aus der Vergütungsregelung des § 6 Abs. 2 des Vertrages für Papier: Danach hat die Beigeladene zu 2) den - wohl dem Sammlungsanteil an Nichtverpackungsmaterialien entsprechenden - Anteil der Kosten von 75 % der Beigeladenen zu 1) zu zahlen, während "bezüglich des 25 % DSD-Anteils" die Beigeladene zu 1) mit der bisherigen, von der C. -GmbH beauftragten Entsorgerfirma F. eine einvernehmliche Lösung treffen soll.
62Demnach könnte zumindest ein teilweiser Abwehranspruch, der sich gegen die Änderung des Einsammlungssystems für die Verkaufsverpackungen richtet, Gegenstand einer einstweiligen Regelung sein. Ob dieses partielle Abwehrrecht wegen der Unsinnigkeit oder Unmöglichkeit einer getrennten Einsammlung - durch zwei "grüne Tonnen" - zu einem vollständigen Abwehranspruch erstarken könnte, bedarf aus den nachstehenden Gründen keiner Entscheidung.
63(b) Denn die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Regelung nicht glaubhaft gemacht. Der Erlaß der vorliegend von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung setzt voraus, daß die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus sonstigen - gewichtigen - Gründen erforderlich ist. Dies ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
64Offenbleiben kann, ob die Antragstellerin eventuell nachteiligen Folgen der Änderung des Einsammlungssystems im Gebiet der Beigeladenen zu 2) nicht bereits durch die in § 5 Abs. 2 LAbfG vorgesehene Beitrittsmöglichkeit begegnen könnte.
65Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, daß die Erfüllung der Voraussetzungen für die Feststellung nach § 6 Abs. 3 Satz 6 VerpackV durch die Vereinbarung zwischen den Beigeladenen gefährdet ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß es hier um den Wechsel des Unternehmens vor Ort zur Beigeladenen zu 1) an Stelle der bisher von der C. beauftragten Firma F. im Gebiet einer einzelnen kreisangehörigen Gemeinde geht. Der Charakter kommunaler Entsorgungssysteme ist von vornherein lokal begrenzt und begrenzbar,
66vgl. dazu Frenz, Das Duale System zwischen öffentlichem und privatem Recht, GewArch 1994, 145 (154).
67so daß schon im Ansatz fraglich erscheint, ob durch eine kleinräumig sich auswirkende Änderung die Funktionsweise des Dualen Systems berührt werden kann. Daß sich aufgrund dieses Einzelfalls Gefahren für die Einhaltung der Einsammlungsquote bzw. die sonstigen Voraussetzungen nach der Anlage zu § 6 Abs. 3 VerpackV ergeben, ist nicht erkennbar oder durch Vorlage von Zahlenmaterial vorgetragen. Auch ist nicht geltend gemacht, daß weitere kreisangehörige Gemeinden dem Beispiel der Beigeladenen zu 2) folgen werden, zumal dies von den jeweils bestehenden individuellen vertraglichen Vereinbarungen abhängig ist. In diese Richtung gehende Befürchtungen der Antragstellerin reichen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht aus. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß das zuständige Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen den Widerruf der Feststellung gemäß § 6 Abs. 4 VerpackV aufgrund der Veränderungen im vorliegenden Fall in Erwägung zieht.
68Die Kostenentscheidung folgt aus den § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für nicht erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Sachantrag gestellt, sich auch sonst nicht am Verfahren beteiligt und sich damit nicht dem Kostenrisiko ausgesetzt haben.
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