Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 3 L 1203/99.A
Tenor
Der Antragsgegnerin zu 1. wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der für die Abschiebung zuständigen Stelle mitzuteilen, daß vor einer erneuten Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung der Antragsteller nicht vollzogen werden darf; im übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin zu 1. trägt die Kosten des Verfahrens.
1
G r ü n d e
2Der Antrag gegen die Antragsgegnerin zu 1. hat Erfolg.
3Die Antragsteller machen im einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 123 VwGO) geltend, daß die Antragsgegnerin zu 1. gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG nicht die für eine Abschiebung erforderliche Mitteilung aussprechen darf, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen; bzw., falls eine derartige Mitteilung bereits an die für die Abschiebung zuständige Behörde ausgesprochen worden ist, die Antragsgegnerin zu 1. verpflichtet wird, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, daß vor einer erneuten Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung der Asylbewerber nicht vollzogen werden darf.
4Vgl. VG Freiburg, Beschluß vom 07.12.1993 - A 1 K 13897/93 -, NVwZ 1995, 197; Bundestags- Drucksache 12/4450, Nr. 35, Seite 27, Kanein/Renner, AsylVfG, 6. Aufl., § 71 Rd.Nr. 43, 49.
5Dieser Antrag ist begründet.
6Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte und wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
7Vorliegend haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch und -grund, nämlich von einer Abschiebung in ihr Heimatland vorläufig verschont zu bleiben, glaubhaft gemacht.
8Die Antragsteller können sich - nach Einschätzung des Gerichts im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung - in dem notwendigen Umfang i. S. v. § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG auf eine neue, ihnen günstige Sachlage berufen.
9Es kann offenbleiben, ob sich dies bereits aus dem neuerlichen Vorbringen der Antragsteller im Asylverfahren ergibt. Jedenfalls folgt aus dem "ad hoc-Bericht zur aktuellen Lageentwicklung in der Türkei nach der Festnahme Öcalans" des Auswärtigen Amtes vom 25. Februar 1999 (514-516.80/3 Tur), daß derzeit "ein erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung für abzuschiebende Türken kurdischer Volkszugehörigkeit" besteht. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß diese Einschätzung von dem diesbezüglich mit besonderer Sachnähe und mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Auswärtigen Amt vorgenommen worden ist und - wenn auch knapp - nachvollziehbar mit der "zur Zeit hochemotionalisierten Atmosphäre im Zusammenhang mit der Inhaftierung Öcalans" begründet worden ist, bedarf es weiterer Aufklärung, ob daraus auch für die Antragsteller eine im Rahmen der Beurteilung ihres Asylgesuchs oder von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG relevante Rückkehrgefahr folgt. Jedenfalls gehören die Antragsteller nach ihrem bisherigen Vortrag nicht zu denjenigen Personen, bei denen aufgrund ihrer Herkunft oder einer gänzlich fehlenden politischen Orientierung ausgeschlossen werden kann, daß sie von einer infolge der besonderen Situation nach der Verhaftung des PKK-Führers Öcalan möglicherweise eingetretenen In- tensivierung der Gefahr asylerheblicher Repressionen bei einer Abschiebung in die Türkei betroffen sein könnten.
10Das Gericht weist darauf hin, daß dieser Beschluß bei Vorliegen weiterer Erkenntnisse hierzu oder bei einer weiteren Änderung der Sachlage von Amts wegen oder auf Antrag eines der Beteiligten ggf. zu einem späteren Zeitpunkt in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO geändert werden kann.
11Der gegen den Antragsgegner zu 2. gerichtete Antrag ist abzulehnen, weil er nicht statthaft ist.
12Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
13Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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