Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 20 L 278/02
Tenor
1. Frau U. wird beigeladen.
2. Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außerge- richtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
3. Der Streitwert wird auf 2.125,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Frau Lada U. wird beigeladen, da ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung in dem anhängigen Verfahren berührt werden (§ 65 VwGO). Die in diesem Verfahren ergehenden rechtskräftigen Entscheidungen binden auch die Bei- geladene.
3Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 5. Februar 2002 gegen die Wohnungsverweisung, das Rückkehrverbot und die Zwangsgeldandrohung des Antragsgegners vom 4. Februar 2002 anzuordnen,
5hat keinen Erfolg. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO hat der Widerspruch gegen unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten (hierzu zählen auch die Maßnahmen nach § 34a PolG NRW) und gegen die Andro- hung von Zwangsgeldern (vergl. § 8 AG VwGO NRW) keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wir- kung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag hat Erfolg, wenn die Anordnung oder Maßnahme offensichtlich rechtswidrig ist (Erfolgsaussichtsprü- fung) oder wenn das Interesse des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung das Interesse an deren Beibehaltung überwiegt (Interessenabwägung). Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch eine jeweils getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung zu berücksichtigen.
6Vergl. Schmidt, in. Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, Rdnr. 68 ff. zu § 80; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, Rdnr. 152 ff. zu § 80.
7Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist in Fällen des § 34a PolG NRW grundsätzlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da es sich jedenfalls beim Rückkehrverbot um einen Dauerverwaltungakt handelt und nach dem Sinn und Zweck des § 34a PolG NRW ein aktueller Schutz der möglicher- weise gefährdeten Person bezweckt ist.
8So auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. Januar 2002 - 17 L 117/02 -
9Hier ist die Verfügung des Antragsgegners vom 4. Februar 2002 nicht offensicht- lich rechtswidrig. Nach § 34a PolG NRW kann die Polizei eine Person zur Abwehr einer von ihr ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person aus einer Wohnung, in der die gefährdete Person wohnt, sowie aus deren unmittelbarer Umgebung verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen.
10Dabei sind die Rechtsgüter des "Leibes" bzw. der "Freiheit" nicht erst betroffen bzw. gefährdet, wenn die betroffene Person nachhaltig "verprügelt" bzw. "misshan- delt" wird. Grundsätzlich eröffnet bereits die Anwendung jeder körperlichen Gewalt die Möglichkeit nach § 34a Abs. 1 PolG NRW einzugreifen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift; regelmäßig ist schon die Anwendung einfacher körperlicher Gewalt nach §§ 223, 240 StGB strafbar.
11Vergl. Eser, in: Schönke/Schröder, 26. Aufl. 2001, Rdnr. 3 zu § 223 und Rdnr. 13 zu Vorbem. §§ 234 ff.
12Im übrigen kann ein "Verprügeln" bzw. "Misshandeln" nicht sinnvoll von anderen Formen der körperlichen Gewalt abgegrenzt werden kann. Demnach betrafen hier die Übergriffe des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen durch ein "Festhalten und Ziehen an Armen", "Aufbiegen von Fingern", "Entreißen von Gegenständen" und nicht zuletzt "Treten" die Rechtsgüter des "Leibes" bzw. der "Freiheit" im Sinne des § 34a Abs. 1 PolG. Dass es solche Übergriffe gegeben hat, hat die Beigeladene im Rahmen ihrer - von Übertreibungen freien - polizeilichen Vernehmung vom 6. Febru- ar 2002 nachvollziehbar geschildert und entspricht dem vorgelegten ärztlichem At- test; teilweise hat der Antragsteller diese Übergriffe auch eingeräumt.
13Hier bestand und besteht weiter die gegenwärtige Gefahr, dass es erneut zu kör- perlichen Übergriffen des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen kommt. Diese Prognose ist dadurch gerechtfertigt, dass es in der Vergangenheit nicht nur am 4. Februar 2002, sondern darüber hinaus häufiger zu den geschilderten Übergriffen ge- kommen ist. So hat die Beigeladene plausibel dargelegt, dass Übergriffe der geschil- derten Art - sieht man einmal vom "Treten" ab - regelmäßig vorkommen. Für diese Einschätzung spricht auch, dass es in der Ehe des Antragstellers mit der Beigelade- nen aufgrund sprachlicher Probleme wohl häufiger zu massiven Auseinandersetzun- gen kommt.
14Hier war der Ausspruch der Wohnungsverweisung und des Rückkehrverbots nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass es durch den Antragsteller nach der plausiblen Schilderung der Beigeladenen dauernd zu den oben genannten Übergriffen kam, so dass diese sich - wie sich aus ihrer Schilderung ergibt - nach wie vor nachhaltig bedroht fühlt. Andererseits sind Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot regelmäßig auf 10 Tage befristet (§ 34a Abs. 5 Satz 1 PolG NRW), so dass der Betroffene auch nicht endgültig aus seiner Wohnung "ausgesperrt" wird. Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch er- sichtlich.
15Auch die Zwangsgeldandrohung ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Androhung von Zwangsgeld liegen nach §§ 50, 51, 53 PolG vor. Die Höhe des Zwangsgelds von 500 Euro ist angemessen. Der Antragsgegner hat die Androhung zulässigerweise mit dem Grundverwaltungsakt verbunden und wie erforderlich zugestellt, § 56 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6 PolG.
16Das Interesse des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt hier auch nicht das Interesse an deren Beibehaltung. Dabei ist zunächst die Wertung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, nach der er unmittelbar davon ausging, dass es sich bei Anordnungen und Maßnahmen nach § 34a PolG um unaufschiebbare Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten handelte.
17Vergl. VG Gelsenkirchen, a.a.O.; LT-Drs. 13/1525, S. 14.
18Aber auch der Sache nach ist nicht ersichtlich, weshalb das Interesse des Antragstellers, 10 Tage lang seine Wohnung zu benutzen, das Interesse der Beigeladenen auf Wahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit bzw. Freiheit überwiegen sollte; die Wahrung der letztgenannnten Rechtsgüter geht einem Nutzungsinteresse am Eigentum bzw. Besitz vor. Für die Regelung familienrechtlicher Verhältnisse - Besuchsrechte bezüglich des Kindes - sind die Fa- miliengerichte zuständig.
19Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
20Der Streitwert folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Wegen des vorläufigen Charakters des Rechtsstreits legt die Kammer nur die Hälfte des Auffangstreitwerts zugrunde.
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