Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 3083/05
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand: Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zeigte im Juni 1978 das streitgegenständliche Arzneimittel D. R mit den arzneilich wirksamen Bestandteilen Alumini- um oxydatum 1 g, Bismutum subgallicum 2 g, Zincum oxydatum 12 g, Amylum 21 g, Aethylium p-aminobenzoicum 0,9 g, Balsamum peruvianum 0,2 g und den Anwen- dungsgebieten: Brandwunden, Frostschäden, verzögerte Wundheilung, Erosionen, Rhagaden, Decubitus, Ekzeme, Hämorrhoidalleiden, Juckreiz, aufgesprungene und rissige Haut, Säuglings- und Kinderpflege an. Im Kurzantrag von 1989 waren als arzneilich wirksame Bestandteile Benzocain 0,90 g, Basisches Bismutgallat 2,00 g, Zinkoxid 12,00 g, Perubalsam 0,20 g und als Anwendungsgebiete Wunden, insbe- sondere Brandwunden (Sonnenbrand), Frostschäden, Dekubitus, Rhagaden, aufge- sprungene und rissige Haut, Hämorrhoidalleiden, Ekzeme, Säuglings- und Kleinkin- derpflege (Windeldermatitis) angegeben.
2Das Bundesgesundheitsamt wies die Klägerin mit Schreiben von Mai 1991 dar- auf hin, dass es sich bei Perubalsam" um einen Stoff mit allergenen Eigenschaften handele. Es bestehe die Notwendigkeit, Perubalsam weiterhin zu deklarieren und zu den wirksamen, aber nicht arzneilich wirksamen Bestandteilen ggf. mit dem Zusatz Geruchskorrigenz" zu versehen.
3Die Klägerin stellte im August 1993 den sogenannten Langantrag und führte als arzneilich wirksame Bestandteile auf: Benzocain 0,90 g, Basisches Bismutgallat 2,00 g, Zinkoxid 12,00 g, Perubalsam geändert in wirksame, aber nicht arzneilich wirk- same Bestandteile" 0,20 g.
4Die Klägerin beantragte im November 1994 die Aufnahme der Stoffe des streit- gegenständlichen Arzneimittels in die sogenannte Traditionsliste. Mit Schreiben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 26.10.1995 an die Verbände BPI u.a. wurden unter Punkt 3. als häufig wiederkehrende Ablehnungs- gründe für die Aufnahme in die Traditionsliste Toxikologisch bedenkliche Inhaltsstof- fe, z.B. mit hohem Allergierisiko" aufgeführt wie z.B. Perubalsam und Benzocain. Auf Anfrage der Klägerin, ob die Aufführung der beiden Stoffe Perubalsam und Benzo- cain im Brief vom 26.10.1995 im Sinne eines Mängelbescheides zu werten sei, bes- tätigte das Bundesinstitut, dass die vom BfArM bekannt gemachten Aufstellungen der Anwendungsgebiete nach § 109 a Abs. 3 AMG als mitgeteilte Mängel im Sinne des § 105 Abs. 3 a Satz 2, 2. Halbsatz AMG anzusehen seien, soweit eine Änderung aufgrund eines Mängelschreibens bislang nicht erfolgt sei. Das klägerische Präparat enthalte u.a. die Substanzen basisches Bismutgallat und Benzocain. Diese Inhalts- stoffe würden als toxikologisch bedenklich eingestuft.
5In ihrem Schreiben vom Juni 1997 teilte die Klägerin mit, sie habe 1989 die Firma D. und damit das streitgegenständliche Arzneimittel übernommen. D. sei seit 1990 im Handel und habe den Vorteil gegenüber einer reinen Zinksalbe (z.B. Standardzulassung Zinksalbe), dass durch das Lokalanästhetikum Schmerz- und Juckreiz gemildert würden und die Wundheilung, durch die Kombinati- on unterstützt, in Gang gebracht werde. Dass Benzocain und Bismutgallat mittlerwei- le als toxikologisch bedenklich eingestuft würden, sei der Klägerin bis zu dem Zeit- punkt, wo die Wirkstoffe noch hätten ausgetauscht werden können, nicht bekannt gewesen. Die Klägerin sei bereit, sich neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen an- zupassen und Wismutgallat und Benzocain gegen unbedenkliche Substanzen auszu- tauschen, wobei man für einen Vorschlag der Spezialisten des Amtes dankbar wäre. Ohne Austauschmöglichkeit würde sich das klägerische Präparat nicht mehr von den Standardzulassungen abheben und die Klägerin würde ihr Hauptargument verlieren, nämlich die schnelle subjektive Wirkung auf den Patienten durch eine Oberflächen- anästhesie.
6In einer internen Stellungnahme vom 25.11.1997 ist ausgeführt, dass die Aufnahme der Wirkstoffkombination in die Liste nach § 109 a weiterhin abgelehnt werde, da Bismutgallat bas. nicht einschätzbare Risiken berge und Benzocain als starkes Kontaktallergen bekannt sei. Für Wismut-haltige Arzneimittel seien dem BfArM zahlreiche Fälle von neurotoxischen Nebenwirkungen gemeldet worden, darunter drei Fälle von Encephalopathie. Auch für Topika, insbesondere bei der Anwendung auf offene Wunden und in der Schwangerschaft und Stillzeit, sei die Risikolage ungeklärt.
7Die Klägerin reichte am 26.01.2001 die Erklärung und die Unterlagen gemäß dem 10. Änderungsgesetz zum AMG ein.
8Das BfArM wies die Klägerin mit Mängelschreiben vom 20.11.2003 auf die in den beigefügten Stellungnahmen zur Qualität, zur Klinik und der formalpharmazeutischen Stellungnahme aufgeführten Mängel hin und gab ihr Gelegenheit, den Mängeln in- nerhalb von 12 Monaten abzuhelfen. In der Stellungnahme zur Klinik ist ausgeführt, dass die Klägerin keine ausreichenden Belege zur klinischen Wirksamkeit und Un- bedenklichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels vorgelegt habe. Es seien keine prospektiven, randomisierten, doppelblinden klinischen Vergleichsstudien durchgeführt worden. Im klinischen Sachverständigengutachten würden lediglich spärliche Angaben zur Pharmakodynamik der einzelnen arzneilich wirksamen Be- standteile gemacht, die zudem unzureichend dokumentiert seien. Es seien keine Un- tersuchungen zur Dosis-Wirkungs-Beziehung der arzneilich wirksamen Bestandteile vorgelegt worden, für die Behandlung von bestimmten Patientengruppen (Kinder, Leber- und Niereninsuffiziente) würden keine Angaben gemacht. Wirksamkeit, lokale Verträglichkeit und systemische Unbedenklichkeit seien nicht ausreichend begründet worden. Die beanspruchten Indikationen seien aus medizinischer Sicht nicht akzep- tabel. Der Begriff Ekzeme" sei zu allgemein gefasst, aufgesprungene und rissige Haut" sei als solche keine medizinische Indikation sondern ein Symptom. Die An- wendung von Benzocain und Perubalsam sei aufgrund ihrer kontaktallergenen Po- tenz nach aktuellem medizinischem Wissensstand zumindest auf geschädigter Haut kontraindiziert. Es fehle eine Kombinationsbegründung gemäß der europäischen Richtlinie Note for Guidance on fixed combination medicinal products". Es bestehe der begründete Verdacht, dass das Arzneimittel auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen habe, die über das medizinisch vertretbare Maß hinausgingen. Da ausreichende bibliographische und eigenständige Belege fehlten, sei das Arzneimittel als unzureichend geprüft anzusehen. Das klinische Expertengut- achten sei als extrem mangelhaft anzusehen. Im Expertengutachten sollten alle rele- vanten Daten zur therapeutischen Anwendung eines Arzneimittels zusammengefasst und aus fachlich-humanmedizinischer Sicht kritisch beurteilt werden. Dazu gehöre auch eine Diskussion der Hilfsstoffe und des Stellenwertes einer Therapie des streit- gegenständlichen Arzneimittels in den beanspruchten Indikationen (siehe Notice to applicants Vol. 2B, Presentation and content of the dossier", The rules governing medicinal products, EudraLex).
9In ihrem Mängelbeseitigungsschreiben vom 16.11.2004 beantragte die Klägerin die Nachzulassung auf Basis des well established use" und legte ein klinisches Gutachten von Dr. Dietl nebst Literatur vor. In der vorgelegten Fachinformation ist Perubalsam unter sonstige Bestandteile erfasst.
10Das BfArM wies mit Bescheid vom 27.04.2005 den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels mit der Begründung zurück, die mitgeteilten Mängel seien nicht innerhalb der Mängelbeseitigungsfrist behoben worden. Zur Begründung stützte sich die Beklagte auf § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 5 a AMG. Die Beklagte führte aus, dass nach § 22 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AMG auch anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden könne, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten aufgrund dieser Unterlagen bestimmbar sei. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht erfüllt, da sich aus den eingereichten Unterlagen eine hinreichende Bestimmbarkeit von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nicht entnehmen lasse. Bei Arzneimitteln zur topi- schen Anwendung sei eine allgemeine Dokumentation der Verwendung einzelner arzneilich wirksamer Bestandteile nicht ausreichend, da das Arzneimittel in seiner Gesamtformulierung (Summe aus Wirk- und Hilfsstoffen) bzw. die Darreichungsform beurteilt werden müsse. Diese Parameter beeinflussten klinische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit maßgeblich. Zur Begründung eines well established use" gehöre zudem der Nachweis eines kontinuierlichen wissenschaftlichen Interesses an dem zu beurteilenden Arzneimittel. Publikationen aus den letzten 10 Jahren seien für das Arzneimittel nicht vorgelegt worden und für die arzneilich wirksamen Bestandteile nur rudimentär. Keine dieser im aktualisierten klinischen Gutachten angeführten Publikationen belege die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels. Im Gegenteil würden unerwünschte Wirkungen der einzelnen arzneilich wirksamen Bestandteile wie Kontaktsensibilisierung, Enzephalopathie, Methämoglobinämie auch nach topischer Anwendung beschrieben.
11Der Bescheid wurde der Klägerin am 29.04.2005 zugestellt.
12Die Klägerin hat am 25.05.2005 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Beklagte habe wesentliche Nachweise der Wirksamkeit durch Publikationen, welche die Klägerin vorgelegt habe, nicht berücksichtigt. Die im international anerkannten pharmakologischen Standardwerk Martindale (Ausgabe von 2004) gemachten Ausführungen seien bei der Bewertung unberücksichtigt geblieben. Den Abschnitten des Standardwerks Martindale sei zu entnehmen, dass die Kombination der Bestandteile von D. - Zinkoxid, Benzocain und basisches Bismutgallat - mit dem derzeit gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Einklang stehe. Es bestehe auch ein kontinuierliches wissenschaftliches Interesse an den arzneilich wirksamen Bestandteilen. Sowohl die internationale Standardliteratur (Martindale 2004) wie auch die zitierte wissenschaftliche Literatur für Zink (EVM Report 2002) und die Zitate der klinischen Literatur zu Benzocain und Wismut (Rosa et al. 1999, Friedmann 2002) spiegelten das kontinuierliche wissenschaftliche Interesse an den arzneilich wirksamen Bestandteilen wider und seien keineswegs als rudimentär zu bezeichnen. Da in der Kombinationsbegründung die einzelnen sich ergänzenden Wirkungen der Wirkstoffe einschließlich Perubalsam umfassend beschrieben worden seien und diese mit den beanspruchten Indikationen in Einklang stünden, liege insoweit auch eine Begründung für den positiven Beitrag jedes Wirkstoffs vor. Im Sachverständigengutachten seien alle recherchierten, unerwünschten Wirkungen, insbesondere auch die Methämoglobinämie und die Enzephalopathie als in Einzelfällen auftretende unerwünschte Wirkungen bei topischer Applikation dargelegt worden. Eine Bewertung dieser unerwünschten Wirkungen habe zu dem Ergebnis geführt, dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch als sicher einzustufen sei und es ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil besitze. Dieses Ergebnis werde auch durch die durchgeführten Postmarketing Surveillance Daten belegt. Letztendlich spreche auch die jahrelange Produktbeobachtung des Arzneimittels ohne UAW-Meldungen für die Unbedenklichkeit des Präparates.
13Die Klägerin beantragt,
14den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 27. April 2005 aufzuheben und über den Antrag der Klägerin auf Zulassung des Arzneimittels D. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang sowie auf die vorgelegten Dokumentationsunterlagen (Klinik).
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 27.04.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Zulassungsverlängerungsantrags.
21Gemäß § 105 Abs. 4f Satz 1 AMG ist im sog. Nachzulassungsverfahren die Zulassung um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Besteht nach Ansicht der Behörde ein solcher Versagungsgrund, so hat sie in der Regel gemäß § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG die Beanstandung auszusprechen und dem Antragsteller eine angemessene Frist zu deren Beseitigung zu setzen. Erst wenn diese Frist fruchtlos verstreicht, ist gemäß § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG die Versagung auszusprechen. Die Beklagte hat mit Mängelschreiben vom 20.11.2003 die unzureichende Prüfung und mangelhafte Begründung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels sowie die fehlende Kombinationsbegründung beanstandet und zur Beseitigung der Mängel eine entsprechend dem Antrag der Klägerin angemessene Frist gesetzt. Diese ist verstrichen, ohne dass die Klägerin den Beanstandungen innerhalb der Frist abgeholfen hat.
22Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Satz 1 AMG ist die arzneimittelrechtliche Zulassung auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen und auf Grundlage der Sachverständigengutachten zu erteilen, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Ein Versagungsgrund besteht gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 2. Alt. AMG dann, wenn die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist. Auf diesen Versagungsgrund bezieht sich die Beklagte in ihrem Mängelschreiben wie auch in dem versagenden Bescheid zutreffend.
23Die therapeutische Wirksamkeit ist dann unzureichend begründet, wenn die vom Antragsteller eingereichten Unterlagen nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse den geforderten Schluss auf die therapeutische Wirksamkeit nicht zulassen, wenn sie sachlich unvollständig oder inhaltlich unrichtig sind.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.10.1993 - 3 C 21.91 - E 94, 215.
25Zur Begründung der therapeutischen Wirksamkeit ist im Regelfall nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 AMG eine klinische Prüfung des Arzneimittels vorzunehmen. Gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG kann - vereinfacht dargestellt - bei bekannten Wirkstoffen (well established use" im Sinne der zugrunde liegenden Richtlinie 2001/83/EG vom 06.11.2001) anstelle der Ergebnisse der klinischen Prüfung anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden (sog. bezugnehmender oder bibliographischer Antrag). In beiden Fällen sind zudem gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 AMG die erforderlichen Unterlagen in einem Sachverständigengutachten zusammenzufassen und zu bewerten. Im Einzelnen muss sich aus dem klinischen Gutachten u. a. die angemessene Wirksamkeit des Arzneimittels bei den angegebenen Anwendungsgebieten und die Zweckmäßigkeit der Dosierung ergeben, § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AMG. Vgl. VG Köln, Urteile vom 26.07.2006 - 9 K 380/05 - und vom 24.10.2006 - 7 K 6084/04 - .
26Diese Anforderungen werden für das streitgegenständliche Arzneimittel nicht erfüllt. Weder durch das klinische Gutachten des Diplom Biologen U. E. vom 07.01.2001, das im Mängelbeseitigungsverfahren eingereichte klinische Gutachten des Fachpharmakologen Dr. E1. vom 12.11.2004 noch durch die vorgelegte wissenschaftliche Literartur wird die therapeutische Wirksamkeit zureichend begründet.
27Die Klägerin hat keine klinischen Studien oder die Ergebnisse sonstiger ärztlicher Erprobungen des streitgegenständlichen Arzneimittels gem. § 22 Abs. 2 Nr. 3 AMG vorlegt und auch nicht durch anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels für die angegebenen Anwendungsgebiete Frost- schäden, Dekubitus, Rhagaden, aufgesprungene und rissige Haut und Ekzeme, Säuglings- und Kleinkinderpflege (Windeldermatitis), Wunden, insbesondere Brandwunden (Sonnenbrand) und Hämorrhoidalleiden nachgewiesen.
28Das nach § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG vorzulegende wissenschaftliche Erkenntnismaterial muss sich dabei nach Nr. 1 der Vorschrift auf ein Arzneimittel beziehen, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden und deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind. Das Erkenntnismaterial muss dabei nach Sinn und Zweck der Vorschrift sowie nach Art. 10a Satz 2 Richtlinie 2001/83/EG dergestalt beschaffen sein, dass es ein Gewicht hat, das in etwa den Ergebnissen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AMG entspricht. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.05.2007 - 13 A 328/04 - .
29Welchen Anforderungen das wissenschaftliche Erkenntnismaterial zu genügen hat, wird durch die Arzneimittelprüfrichtlinien nach § 26 AMG konkretisiert. Nach Satz 1 des § 26 AMG werden in den Arzneimittelprüfrichtlinien Anforderungen an die in den §§ 22 bis 24 AMG bezeichneten Angaben, Unterlagen und Gutachten sowie deren Prüfung durch die zuständige Bundesoberbehörde geregelt. Sie haben die Rechtswirkungen, die sogenannten antizipierten Sachverständigengutachten zugewiesen werden.
30Vgl. OVG Berlin, Urteil vom 25.11.1999 - 5 B 11.98 - .
31Die Klägerin hat im Rahmen des bibliographischen Antrags nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG nicht nachzuweisen vermocht, dass die einzelnen Wirkstoffe des streitgegenständlichen Arzneimittels - Zinkoxid, Benzocain und Bismut (Wismut) - allgemein medizinisch verwendet werden, ihre Wirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind. Durch § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG wird die Richtlinie 2001/83/EG umgesetzt. Nach Art. 10a Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG hat der Antragsteller in einem bibliographischen Antrag u. a. nachzuweisen, dass die Wirkstoffe des Arzneimittels eine anerkannte Wirksamkeit aufweisen. Nach dem Dritten Abschnitt der Arzneimittelprüfrichtlinie vom 11.10.2004 (BAnz. S. 22037), die Teil II des Anhangs I zur Richtlinie 2001/83/EG umsetzt, sind dabei für den Nachweis, dass Bestandteile von Arzneimitteln allgemein medizinisch verwendet werden, u. a. maßgeblich das Ausmaß des wissenschaftlichen Interesses an der Verwendung des Stoffes (das aus den dazu erschienenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen hervorgeht) und die Einheitlichkeit der wissenschaftlichen Beur- teilung. Die einzureichenden Unterlagen sollen dabei alle Aspekte der Unbedenklichkeits- und/oder Wirksamkeitsbewertung abdecken und müssen einen Überblick über die einschlägigen Veröffentlichungen umfassen bzw. auf einen solchen verweisen. Ob der Wirksamkeitsnachweis für Zinkoxid in der vorliegenden Wirkstoffstärke durch das vorgelegte wissenschaftliche Erkenntnismaterial von der Klägerin geführt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist das im Mängelbeseitigungsverfahren vorgelegte und im Gutachten des Fachpharmakologen Dr. E1. angeführte wissenschaftliche Erkenntnismaterial zu Benzocain und zu Wismut nicht geeignet, die Wirksamkeit in der verwandten Wirkstoffstärke in den angeführten Anwendungsgebieten zu belegen. Die zu Benzocain zitierte Literatur der American Medicinal Association, Drug Evaluations 1986, S. 1019, 1020, ist als Wirksamkeitsnachweis bereits deswegen nicht geeignet, weil zum einen nur allgemeine Ausführungen zu topisch anzuwendenden Anästhetika gemacht werden und zum anderen Salben in einer höheren Wirkstärke (5 % statt 0,9 %) zugrundegelegt wurden. Fischer, 1982, beschreibt nur allgemein den großen Anwendungsbereich von Benzocain. Die Studien von Rosa, 1999, und Vickers, 1992, sind für den Wirksamkeitsnachweis unbrauchbar, da sie die Wirksamkeit von Benzocain im dentalen Bereich bei Anwendung im Gaumen behandeln und also nicht die Wirksamkeit einer Salbe für die beantragten Anwendungsgebiete. Literatur zu Benzocain in einer Stärke von 20% (Collins, 1990) ist als Wirksamkeitsnachweis nicht geeignet, da das streitgegenständliche Arzneimittel nur 0,9 % dieses Wirkstoffs enthält. Einen Wirk- samkeitsnachweis für Benzocain in dieser Stärke folgt auch nicht aus den Untersu- chungen von Dali und Adriani, 1972. Diese prüften Benzocain in einer Stärke ab 2 % und kamen zu dem Schluss, dass unter einer Stärke von 20 % Benzocain auf intakter, sonnenverbrannter Haut ineffektiv ist. Letztendlich wird auch nicht durch Reynolds (Martindale, 2004) die Wirksamkeit des im streitgegenständlichen Arzneimittel enthaltenen Wirkstoffs Benzocain nachgewiesen. Reynolds gibt zwar an, dass Benzocain in Salben bis zu einer Wirkstärke von 20 % für topisch angewandte Anästhetika verwandt wird, er weist aber auch auf die geringe Potenz von Benzocain hin. Ob daher das in der klägerischen Salbe verwandte Benzocain in der Wirkstärke von nur 0,9 % eine Wirksamkeit entfaltet, ist fraglich. Die Wirksamkeit des Wirkstoffs Benzocain in der vorgegebenen Wirkstoffstärke ist für die einzelnen Anwendungsgebiete nicht durch wissenschaftliches Erkenntnismaterial belegt.
32Ebenso ist nicht durch wissenschaftliches Erkenntnismaterial belegt, dass Bismut in der hier vorliegenden Wirkstärke in den beantragten Anwendungsgebieten wirksam ist. Im klinischen Gutachten ist zwar ausgeführt, Wismutgallat werde zur Behandlung von Hautirritationen, Wunden und Brandwunden verwandt. Wissenschaftliche Literatur über die Wirksamkeit von Wismut bei den von der Klägerin beantragten Anwendungsgebieten Wunden und Sonnenbrand fehlt jedoch. Friedman et al., 2002, beschreiben zwar einen Fall der Wundheilung, jedoch wurde Bismut hierbei in einem anderen als dem beantragten Anwendungsgebiet und zusammen mit anderen Medikamenten angewandt. Von Reynolds (Martindale, 2004) wird die Anwendung von Bismut bei Wunden (Sonnenbrand) nicht erwähnt. Die Ausführungen in dem von der Klägerin im Mängelbeseitigungsverfahren vorgelegten Hagers Handbuch von 2001 sprechen vielmehr gegen eine Wirksamkeit bei der Wundbehandlung. Zu den Wirkungen von Bismutgallat, basisches, wird nämlich festgestellt: Die früher der Sz zugeschriebenen antiseptischen Wirkungen haben sich in dem Ausmaß als nicht zutreffend erwiesen. Es hat sich gezeigt, dass die Bismutsalze eine ausreichende antiseptische Wirkung nur im Magen-Darm-Trakt entfalten." Entsprechend heißt es zu den Anwendungsgebieten bei Bismut: Ist noch Bestandteil von Wundpudern und Salben; Gehalt an Bismut subgallic 10 bis 20 %; ähnlich angewendet wird auch Bismutum tribromphenolicum; die Wirksamkeit ist jedoch als nicht ausreichend anzusehen."
33Es ist von der Klägerin auch nicht durch wissenschaftliches Erkenntnismaterial die Wirksamkeit von Bismut für Hämorrhoidalleiden belegt worden. In der Studie von Kirsch et al., 1992, wird nicht die Wirksamkeit von Bismut bei Hämorrhoidalleiden geprüft sondern die Kombinationsbehandlung des Hämorrhoidalleidens mit Salbe und Analtampons, wobei in der Studie beide Zubereitungsformen neben Wismutgallat auch andere Wirkstoffe enthielten. Ein Nachweis der Wirksamkeit von Wismut bei Hämorrhoidalleiden ist daher nicht gegeben. Letztendlich ist auch die Feststellung von Reynolds (Martindale, 2004), dass Bismut bei Hämorrhoidalleiden topisch angewendet wird, kein Beleg für die Wirksamkeit dieses Wirkstoffs, denn auf die Wirksamkeit des Wirkstoffs, die Dosierung, Anwendungsart und -ort geht der Verfasser nicht ein. Die bloße Feststellung der Anwendung des Wirkstoffes ist aber noch kein Nachweis seiner Wirksamkeit. Martindale kann insoweit nicht als wissen- schaftliches Erkenntnismaterial herangezogen werden.
34Die Klägerin kann zum Beleg der Wirksamkeit ihres Präparates im Sinne eines well established medicinal use" nicht auf dessen jahrelange Marktpräsenz verweisen, da D. nur fiktiv zugelassen ist. Die Tatsache der langen Marktpräsenz ist kein wissenschaftlicher Beleg für dessen Wirksamkeit und kann diese nicht ersetzen. Die Wirksamkeit eines nur fiktiv zugelassenen Arzneimittels soll gerade im sog. Nachzulassungsverfahren festgestellt werden. Das aufwändige Nachzulassungsverfahren nach § 105 AMG wäre entbehrlich, wenn es für die Wirksamkeit allein darauf ankäme, dass sich ein Arzneimittel bereits jahrzehntelang im Handel befindet. Die therapeutische Wirksamkeit ist folglich unzureichend gem. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 begründet, da die von der Klägerin im Rahmen des bibliographischen Antrags nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG eingereichten Unterlagen nach dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht den geforderten Schluss auf die therapeutische Wirksamkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels zulassen. Soweit die von der Klägerin eingereichten Gutachten des Dipl. Biologen E. sowie des Fachpharmakologen Dr. E1. die Wirksamkeit der Wirkstoffe im Einzelnen und die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels als solchem in den beantragten Anwendungsgebieten feststellen, vermisst das Gericht eine Diskussion des eingereichten Erkenntnismaterials mit dem streitgegenständlichen Arzneimittel anhand der einzelnen Wirkstoffe in der jeweiligen Konzentration, der Anwendungsart und des Anwendungsortes. Die Schlussfolgerungen der Sachverständigen, welche gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 AMG die nach § 22 Abs. 2 und 3 AMG erforderlichen Unterlagen in einem Gutachten zusammenzufassen und zu bewerten haben, sind anhand des eingereichten wissenschaftlichen Erkenntnismaterials nicht nachvollzieh- bar.
35Da die Versagung des streitgegenständlichen Arzneimittels zu Recht nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG erfolgt ist, braucht das Gericht die Rechtmäßigkeit der weiteren im angefochtenen Bescheid angeführten Versagungsgründe nicht zu überprüfen.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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