Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 10 K 3338/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die am 00.00.0000 ehelich in Lüderitz/Südwestafrika (Namibia) geborene Klägerin beantragte unter dem 01.08.2006 die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises bei dem Bundesverwaltungsamt. Sie gab an, von ihrem Vater, F. G. , durch Abstammung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben zu haben. F. G. wurde am 00.00.0000 in Wilhelmshaven geboren und verzog 1913 in das damalige Deutsch-Südwestafrika. Nach Angaben der Klägerin wurde er 1914 nach Südafrika deportiert und dort bis 1919 in Fort Napier/Natal/Südafrika interniert. Zwischen 1919 und 1927 war er in Kapstadt/Südafrika ansässig. Im Jahre 1927 kehrte er nach Angaben der Klägerin nach Südwestafrika zurück und verblieb dort bis zu seinem Tod im Jahr 1966. Im Jahr 1928 ehelichte er in Simonstown/Südafrika die Mutter der Klägerin, N. G. geb. T. .
3Laut der Government Gazette (Regierungsamtsblatt) vom 25.01.1935 unter dem Titel "Return of Naturalization" (Bericht über die Einwanderung) sowie dem Untertitel "The following return of persons to whom Certificates of Naturalization have been granted during the period 1st July 1934 to 31st December 1934 (inclusive), is published in accordance with the provisions of section twenty-seven (1) (d) of the British Nationality in the Union and Naturalization and Status of Aliens Act, 1926" (Der folgende Bericht über Personen, denen in der Zeit vom 1. Juli 1934 bis einschließlich zum 31. Dezember 1934 eine Einbürgerungsurkunde ausgehändigt wurde, wird gemäß den Vorschriften Abschnitt 27 Abs. 1 lit. d) des Gesetzes über die Britische Nationalität in der Union und Staatsangehörigkeit von Ausländern aus dem Jahre 1926 veröffentlicht) wurden der Klägerin und ihrem Vater am 13.07.1934 eine britische Einbürgerungsurkunde mit der Nummer 00000 ausgehändigt. In der Rubrik "Nationality prior to the grant of a Certificate of Naturalization" (Staatsangehörigkeit vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde) war für den Vater und für die Klägerin "German" (deutsch) vermerkt.
4Die Klägerin legte eine Bescheinigung des Department of Home Affairs (Innenministerium) der Republik Südafrika aus dem Jahre 2007 vor, nach der sie südafrikanische Staatsangehörige durch Geburt sei ("South African citizen by birth").
5Die Klägerin ging am 12.02.1952 in Karasburg/Südwestafrika die Ehe mit dem südafrikanischen Staatsangehörigen K. X. U. ein.
6Mit Bescheid vom 21.02.2008 lehnte das Bundesverwaltungsamt es ab, der Klägerin einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen. Zur Begründung führte es aus, dass die Klägerin zwar zunächst die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt von ihrem Vater erworben, diese jedoch 1934 durch den Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit im Wege der Einzeleinbürgerung auf Antrag des sorgeberechtigten Vaters verloren habe. Spätestens durch die Eheschließung mit einem südafrikanischen Staatsangehörigen im Jahre 1952 habe die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit verloren.
7Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Vater könne die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch einen - angeblichen - Antrag auf Einzeleinbürgerung in den britischen Staatsverband verloren haben, weil er bereits zuvor durch Sammeleinbürgerung gemäß dem South West Africa Naturalization of Aliens Act vom 12.09.1924 (Gesetz Nr. 30/1924) erworben habe. Die Sammeleinbürgerung führe zum einen nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit und zum anderen dazu, dass einer späteren Einzeleinbürgerung allenfalls deklaratorische Wirkung zukomme. Für die Klägerin könne die Einzeleinbürgerung nur deklaratorische Wirkung gehabt haben, weil sie in Südwestafrika geboren worden war und daher bereits die britische Staatsangehörigkeit erworben hatte. Die Klägerin habe ihre deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht durch Eheschließung verloren, da die diese Rechtsfolge anordnende Vorschrift wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig sei.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2009, zugestellt am selben Tag, wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Klägerin zurück. Ergänzend zur Begründung des Ausgangsbescheids führte es aus, dass die Einzeleinbürgerung des Vaters nicht deklaratorischer Natur war, da er nach dem Gesetz Nr. 30/1924 nicht sammeleingebürgert wurde, weil er im maßgeblichen Zeitraum seinen Wohnsitz nicht im Mandatsgebiet Südwestafrika, sondern in Südafrika hatte. Auch für die Klägerin selbst sei die Einzeleinbürgerung nicht nur deklaratorischer Natur gewesen, weil der Erwerb der südafrikanischen Staatsangehörigkeit durch die Geburt in Südwestafrika erst durch den South African Citizenship Act aus dem Jahre 1949 (Gesetz Nr. 44/1949) rückwirkend erfolgte. Zum Zeitpunkt der Antragstellung 1934 sei sie nicht südafrikanische Staatsangehörige gewesen. Jedenfalls sei die Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung über ihren Antrag infolge der Eheschließung nicht mehr deutsche Staatsangehörige.
9Mit ihrer am 22.05.2009 erhobenen Klage wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, bei der Beurteilung der Sammeleinbürgerung des Vaters bzw. der Nichtanerkennung dieser lasse das Bundesverwaltungsamt zu Unrecht dessen Internierung und die anschließende zwangsweise Verbringung in das Kerngebiet Südafrikas außer Betracht. Ferner hätten britische bzw. südafrikanische Regelungen nicht deutsches Staatsangehörigkeitsrecht mit der Maßgabe zu Fall bringen können, dass Deutsche ihrer deutschen Staatsangehörigkeit verlustig gegangen wären. Solche Regelungen - wie hier die Regelung der Rückkehrfrist - wären völkerrechtswidrig und daher nichtig. Kollektive Ausbürgerungen der Deutschen - wie etwa durch das Gesetz Nr. 35 vom 30.04.1942 - seien völkerrechtswidrig. Der Versuch des Bundesverwaltungsamtes, aus britischen bzw. südafrikanischen Regelungen den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit herleiten zu wollen, ginge daher ins Leere. Ferner genügte es für die Sammeleinbürgerung, dass der Vater der Klägerin seinen Wohnsitz im maßgeblichen Zeitpunkt in Südafrika hatte, weil dies mit dem Mandatsgebiet Südwestafrika eine Einheit bildete. Die Fristen für die Rückkehr, sollten diese wirksam sein, hätten sich daher auf ein Gebiet außerhalb von Südafrika und Südwestafrika bezogen. Ferner könne eine gebürtige Südafrikanerin wie die Klägerin nicht durch Eheschließung mit einem Südafrikaner die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben. Auch könne eine Deutsche durch die Eheschließung mit einem Ausländer nicht nur dann nicht die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, wenn sie ansonsten staatenlos wäre, sondern auch, wenn sie ansonsten vergleichbar schutzlos gestellt wäre, wie dies etwa bei einer Eheschließung mit einem islamischen Ausländer der Fall sei. Ferner hätte das Bundesverwaltungsamt in anderen Fällen eine Ausnahme vom Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemacht, wenn dies für Geschwister zu unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten geführt hätte. Auch würde die Ungleichbehandlung von Mann und Frau nicht der gesellschaftlichen Realität zwischen 1949 und 1953 entsprechen. Daran habe sich die Rechtsprechung zu orientieren, ansonsten wäre Art. 3 GG bis 1953 lediglich eine leer laufende Absichtserklärung.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 21.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2009 zu verpflichten, ihr einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.
15Entscheidungsgründe
16Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
17Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG). Sie wird durch die Weigerung der Beklagten, ihr einen solchen zu erteilen, nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), weil nicht festgestellt werden kann, dass sie deutsche Staatsangehörige ist.
18Es kann dahinstehen, ob die Klägerin 1934 aufgrund eines Antragserwerbes die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damaligen Fassung (RuStAG) verloren hat oder dem möglicherweise ein vorheriger Geburtserwerb nach Abschnitt 1 Abs. 1 lit. a) des Gesetzes Nr. 18/1926 entgegenstand,
19vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 27.05.2005 - 19 A 4102/02 -,
20weil die Klägerin eine mögliche deutsche Staatsangehörigkeit jedenfalls im Jahre 1952 durch Eheschließung mit einem südafrikanischen Staatsangehörigen verloren hat. Nach § 17 Nr. 6 RuStAG ging die Staatsangehörigkeit für eine Deutsche durch Eheschließung mit einem Ausländer verloren. Zum Zeitpunkt der Eheschließung der Klägerin galt diese Vorschrift, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG gemäß Art. 117 Abs. 1 GG noch nicht in Kraft war. Wegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG galt die Vorschrift jedoch mit der Einschränkung, dass eine Deutsche dann nicht durch Eheschließung mit einem Ausländer die deutsche Staatsangehörigkeit verlor, wenn sie dadurch gegen ihren Willen staatenlos wurde,
21vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.02.1993 - 9 C 25/92 -, NJW 1993, 2129; OVG NRW, Beschluss vom 25.05.2007 - 12 A 3191/05 - und Beschluss vom 02.11.2004 - 19 A 3023/03 -.
22Diese Einschränkung findet auf die Klägerin keine Anwendung, da sie zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits im Besitz der südafrikanischen Staatsangehörigkeit war und durch die Eheschließung nicht staatenlos wurde.
23Entgegen der Auffassung der Klägerin setzte § 17 Nr. 6 RuStAG nicht voraus, dass durch die Eheschließung die ausländische Staatsangehörigkeit des Mannes erworben werden musste. Vielmehr war es nach der Regelung unerheblich, ob die Frau bereits im Besitz einer anderen Staatsangehörigkeit war oder sie gar keine Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung nach dem Heimatrecht des Mannes erwarb,
24so auch Hofmann/Lichter, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Auflage 1966, S. 135 f.
25Die Auffassung der Klägerin findet weder im Wortlaut der Vorschrift einen Anhaltspunkt, noch vermag sie die einschränkende Anwendung der Vorschrift aufgrund von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG zu erklären. Die Einschränkung wäre dann vielmehr überflüssig gewesen.
26Es ist - jedenfalls vorliegend - auch keine weitere Ausnahme von der Anwendung des § 17 Nr. 6 RuStAG wegen etwaiger Schutzlosigkeit der Frau oder Beeinträchtigung in ihrer Rechtstellung infolge der Eheschließung anzuerkennen. Die Klägerin trägt nicht vor, welche gravierenden Nachteile ihr durch die Eheschließung wiederfahren seien und noch andauern.
27Die von der Klägerin angeführte - angebliche - Verwaltungspraxis der Beklagten, Staatsangehörigkeitsausweise zu erteilen, wenn Geschwister aufgrund von § 17 Nr. 6 RuStAG ansonsten unterschiedliche Staatsangehörigkeiten hätten, ist nicht weiter belegt und auch nicht bekannt. Da die Vorschriften über die Feststellung der deutschen Staatsagenhörigkeit und die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen kein Ermessen einräumen, könnte sich die Klägerin auf eine solche - rechtswidrige - Praxis auch nicht berufen.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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