Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 9 L 165/12
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.613,54 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der am 07. Februar 2012 bei Gericht eingegangene Antrag,
3die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller einen Abschlag in Höhe von 7.613,54 EUR auf die beantragte Umzugskostenvergütung für den Umzug von Köln nach Sylt nach der Beendigung seines Dienstverhältnisses am 31.01.2012 zu gewähren,
4hat keinen Erfolg.
5Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen. Erforderlich ist daher ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit der vorläufigen Regelung begründet, und ein Anordnungsanspruch, der mit dem materiellen Anspruch identisch ist. Das Vorliegen beider Voraussetzungen ist glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
6Vgl. zum Ganzen Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 123 VwGO Rz. 6, 23 ff.
7Im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes darf allerdings grundsätzlich die Entscheidung zur Hauptsache weder rechtlich noch faktisch vorweg genommen werden.
8Vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 VwGO Rz. 13f.
9Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist dies jedenfalls faktisch der Fall. Mit seinem Antrag möchte der Antragsteller erreichen, dass ihm die finanziellen Mittel für den Ende Februar geplanten Umzug in voller Höhe in Form einer Abschlagszahlung gewährt werden. Damit erstrebt er aber im Ergebnis eine Rechtsposition, die der Sache nach nur endgültig getroffen werden kann. Zwar wird dadurch die Ermessensentscheidung, die der Antragsteller in der Hauptsache begehrt, ihm für den sogenannten Endumzug die beantragte Umzugskostenvergütung zu gewähren, rechtlich nicht endgültig und irreversibel vorweggenommen. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller eine Abschlagszahlung zu gewähren, führt jedoch möglicherweise insoweit zu irreversiblen Wirkungen für die Zukunft, als auch bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die im Wege der einstweiligen Anordnung gewährte Abschlagszahlung nicht ohne einen - eigenständig angreifbaren - Rückforderungsbescheid nach § 49 SVG von ihm zurückgefordert werden könnte, wenn auch unter erleichterten Bedingungen, insbesondere der verschärften Haftung nach § 820 BGB.
10Zwar kommt mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise auch eine Vorwegnahme der Hauptsache im Rahmen des § 123 VwGO in Betracht, wenn nur so effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann. Dies setzt voraus, dass ohne Ergehen der einstweiligen Anordnung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbare Nachteile für den Antragsteller eintreten. Weiterhin muss glaubhaft gemacht werden, dass das Begehren in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird. Letztlich dürfen gegenläufige öffentliche Interessen der Verwaltung nicht überwiegen. Dabei sind die Belange des Antragstellers und der Allgemeinheit gegenüberzustellen, wobei Bedeutung und Dringlichkeit des geltend gemachten Anspruchs besonders zu beachten sind. Dementsprechend ist anerkannt, dass in Fällen existenznotwendiger Ansprüche, wie z. B. im Bereich der Sozialhilfe oder bei der fristgebundenen Wahrung von Ausbildungs- und Berufschancen, eine Ausnahme von dem Verbot der Vorwegnahme gerechtfertigt ist.
11Vergl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 19.01.2007 - 13 B 2749/06 -, nachgewiesen bei juris, Rz. 2,3 mit zahlreichen Nachweisen; Beschluss vom 20.11.1997 - 17 B 1659/97 -, Umdruck S. 3f. Kopp/Schenke, a. a. O., § 123, Rz. 14 m. w. N.
12Nach diesen Maßstäben kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache durch Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung hier nicht in Betracht.
13Es ist schon nicht glaubhaft gemacht, dass dem Antragsteller ohne die begehrte Regelung unzumutbare Nachteile drohen, die nur durch den Erlass der einstweiligen Anordnung abgewendet werden können. Zwar hat er dargelegt und eidesstattlicher versichert, keine finanziellen Rücklagen zu haben, um die Umzugskosten vorzufinanzieren. Daraus ergibt sich aber nicht, dass er die erforderlichen finanziellen Mittel nicht auf dem privaten Finanzmarkt oder bei dem Dienstherrn als Darlehen zu diesem Zweck aufnehmen und so den Umzug im Februar finanzieren kann. Nach seinen Angaben besitzt er Wohnungseigentum, das er notfalls beleihen kann. Im Übrigen erhält er laufende Versorgungsbezüge nach A15 oder A 16, aus denen er ein derartiges Darlehen zurückzahlen kann.
14Darüber hinaus kann auch nicht festgestellt werden, dass das Begehren des Antragstellers in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird. Es ist - wenn überhaupt - als offen anzusehen, ob der Antragsteller Anspruch auf die begehrte Umzugskostenvergütung nach § 62 Abs. 3 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) hat. Nach dieser Regelung können einem Berufssoldaten, der - wie hier der Antragsteller mit Vollendung des 59. Lebensjahres - vor Erreichen der nach § 45 Abs. 1 des Soldatengesetzes (SG) geltenden allgemeinen Altersgrenze von 62 Jahren in den Ruhestand getreten ist, auf Antrag einmalig die Leistungen nach dem Bundesumzugskostengesetz (BUKG) bewilligt werden, wenn der Umzug an einen anderen Ort als den bisherigen Wohnort zur Begründung eines neuen Berufs erforderlich ist. Ob der Umzug des Antragstellers an einen anderen Ort als den bisherigen Wohnort Köln in diesem Sinn zur Begründung seines neuen Berufs erforderlich ist, hängt davon ab, ob und wenn ja wie das Merkmal der "Erforderlichkeit" im Lichte der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG auszulegen ist. Es ist offen, ob - wie der Antragsteller vertritt - dieses Grundrecht es gebietet, das Merkmal der "Erforderlichkeit" verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Umzug erforderlich ist, wenn der Betroffene den angestrebten neuen Beruf zwar auch am bisherigen Wohnort ausüben kann, sich aber entschieden hat, sich als Freiberufler an einem anderen als dem bisherigen Wohnort niederzulassen und die räumliche Entfernung dieser Orte zum Umzug zwingt.
15Selbst wenn durch die von der Antragsgegnerin vertretene Auslegung und Anwendung des § 62 Abs. 3 SVG in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen werden sollte, erscheint fraglich, ob ein derartiger Eingriff unvereinbar mit Art. 12 GG wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts richtet sich der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gegen jedwede auch nur mittelbar wirkende Beeinträchtigung des Berufs. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung vielmehr nur gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder die zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben. Regelungen und Entscheidungen, die lediglich die Berufsausübung betreffen, sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie als zweckmäßig erscheinen lassen und das Grundrecht nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird.
16Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.09.2010 - 1 BvR 1504/10 -, nachgewiesen in juris Rz. 12
17Die einengende Auslegung des Merkmals der Erforderlichkeit eines Umzugs könnte jedenfalls durch ausreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein, nämlich das Interesse der Allgemeinheit am wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz von Haushaltsmitteln. Es dürfte auch nicht unverhältnismäßig sein, da der Betroffene sich rechtzeitig auf diese Situation vorbereiten und eigene Rücklagen bilden kann, um einen derartigen Umzug zu finanzieren oder sich rechtzeitig um eine andere Finanzierung bemühen.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 und 3 GKG. Wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache ist es angemessen, den Streitwert in Höhe des vollen Streitwerts festzusetzen, wie er im Hauptsacheverfahren mit der Höhe der begehrten Umzugskostenvergütung anzunehmen ist.
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