Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 6316/08
Tenor
Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu je ½.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Beigeladenen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
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T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind Eigentümer des von ihnen bewohnten Hausgrundstücks L.---straße 000 in C. I. mit größerem Garten. Das Grundstück grenzt westlich an die Bundesstraße 42 an. Südlich liegt das Grundstück der Beigeladenen.
3Im Jahre 2006 stellten die Kläger ihren Angaben zufolge auf ihrem Grundstück Ratten und Mäuse fest und ließen in der Folgezeit durch ein Fachunternehmen L1. Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen im Fraßköderverfahren durchführen. Trotz wiederholter Bekämpfungsmaßnahmen erfolgte nach Darstellung der Klägerseite auch in der Folgezeit weiterhin eine Köderannahme durch Ratten und Mäuse. In der Folgezeit wandten sich die Kläger wiederholt an die Beklagte und baten um Maßnahmen zur Beseitigung des Nagetierproblems. Sie verwiesen insbesondere darauf, dass der Zulauf der Tiere aus dem Bereich der angrenzenden B 42, eines städtischen Bauhofes, einer Kläranlage sowie vom angesprochenen Nachbargrundstück aus erfolge. Trotz eines finanziellen Aufwandes von 1.500,-- Euro für Bekämpfungsmaßnahmen sei keine Besserung eingetreten. Die Kläger verwiesen auf ein Schreiben des Schädlingsbekämpfers L1. vom 17.08.2007, wonach es notwendig sei, auch auf den Nachbargrundstücken Bekämpfungsmaßnahmen durchzuführen.
4Die Beklagte verwies mit Schreiben an die Kläger vom 20.09.2007 darauf, dass die jährliche Rattenbekämpfung im Auftrag der Stadt am 18.06.2007 stattgefunden habe. Die beauftragte Firma habe eine Übersicht der auffälligen Bereiche erhalten. Eine auf lange Sicht dauerhaft wirkende Rattenbekämpfung werde aber kaum möglich sein. Im Jahr 2007 werde gleichwohl eine weitere Rattenbekämpfung durchgeführt. Unter dem 17.10.2007 teilte die Beklagte mit, dass laut einer schriftlichen Bestätigung der Eigentümer von sieben umliegenden Grundstücken kein Rattenbefall festzustellen und die bisherige Dunglagerung in Zusammenhang mit einer Schafhaltung auf dem Nachbargrundstück eingestellt sei. Sie – die Beklagte – betrachte die Angelegenheit daher als erledigt. Die Kläger traten dem mit Schreiben vom 26.10.2007 entgegen und hielten an ihrer Forderung fest. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 07.11.2007 konnte die Beklagte bei einer Ortsbesichtigung keine Anzeichen für einen Rattenbefall in der Umgebung des klägerischen Grundstücks feststellen.
5Die Kläger wiederholten mit anwaltlichem Schreiben vom 03.07.2008 ihren Standpunkt und setzten der Beklagten eine Frist zum Nachweis geeigneter Bekämpfungsmaßnahmen bis zum 18.07.2008.
6In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 11.07.2008 heißt es:
7„Am 10.07.2008 wurde auf Grund des neuesten Schreibens des Anwalts der Familie M. vom 03.07.2008 ein Ortstermin auf dem Anwesen der Familie M1. durchgeführt, um selbst ein Bild von den angeblichen Missständen zu gewinnen. Von Der Verwaltung waren Herr U. und Unterzeichner vor Ort.
8Bereitwillig wurde das ganze Anwesen von den Eheleiten M1. gezeigt. Es machte einen sehr gepflegten und übersichtlichen Eindruck. Selbst in den aufgeräumten, leeren Nebengebäuden wies nichts auf Rattenpräsenz hin. Dungstätten, die als Unterschlupf für Ratten dienen könnten, waren entgegen der Behauptung des Anwalts nicht vorhanden.
9In einem längeren Gespräch mit der Familie M1. wurde deutlich, dass offenbar lang andauernde nachbarschaftliche Unstimmigkeiten vorliegen, in die die Behauptung des Rattenvorkommens einbezogen wird.
10Anmerkung:
11Ein Blick auf das Grundstück der Familie M. ergab, dass dieses sehr dicht bewachsen ist, durch hohe Bäume kaum Licht eindringen kann, so dass eher dort Unterschlupfmöglichkeiten für Ratten vermutet werden können.“
12Nach wiederholter Fristsetzung haben die Kläger am 23.09.2008 die Klage 7 K 6257/08 erhoben, mit der sie ein Handeln der Beklagten auf städtischem Grund einforderten und hinsichtlich der Beigeladenen zudem beantragten,
13die Beklagte zu verurteilen,
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1 gegenüber Frau C1. M1. und der Frau I1. M1. -I2. , beide wohnhaft L.---straße 000 in 00000 C. I. , anzuordnen, den sich auf dem gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstück in der L.---straße 000, welches auf der der Klage beigefügten Planskizze mit der Parzellennummer 0000 bezeichnet ist, befindlichen Schafstall zu beseitigen;
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2 gegenüber der Frau C1. M1. , wohnhaft L.---straße 000, 00000 C. I. , anzuordnen, die sich auf ihrem großen Wiesengrundstück, welches auf der der Klage beigefügten Planskizze mit der Parzellennummer 0000 bezeichnet ist, befindlichen Gulli- und Revisionsöffnungen, sowie die dort am Hügel befindliche, mit einem großen Gitter versehene Revisionsanlage in der Weise zu verschließen oder abzuschirmen, dass es für Ratten und Mäuse unmöglich ist, aus diesen Öffnungen heraus auf das vorbezeichnete Grundstück der Kläger in der L.---straße 000 in C. I. zu gelangen;
hilfsweise,
18die Beklagte zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zur Beseitigung der aufgrund des Ratten- und Mäusebefalls des vorbezeichneten Grundstücks der Kläger in der L.---straße 000 bestehenden Gesundheitsgefahr vorzunehmen.
19Zur Begründung haben die Kläger ihre Ausführungen zum Ratten- und Mäusebefall aus den genannten Bereichen wiederholt und vertieft.
20Mit Beschluss vom 25.09.2008 hat die Kammer das Verfahren hinsichtlich der die Beigeladenen betreffenden Anträge abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen fortgeführt.
21Die Kläger beantragen nunmehr noch,
22die Beklagte zu verpflichten, gegenüber den Beigeladenen geeignete Maßnahmen zur Beseitigung des von ihrem Grundstück ausgehenden Ratten- und Mäusebefalls anzuordnen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie tritt dem Vorbringen entgegen.
26Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat Herr U. von der beklagten Stadt ausgeführt, dass weiterhin regelmäßig Bekämpfungsmaßnahmen durchgeführt würden. In der Vergangenheit sei dies zweimal jährlich geschehen. Gegenwärtig sei dies aber im gesamten Stadtgebiet nur noch einmal jährlich der Fall. Aus dem Bereich L.---straße seien keine Meldungen über Rattenbefall mehr eingegangen. Der Rattenbekämpfer nehme in dem fraglichen Bereich Kontakt zu den Anwohnern auf, damit diese auch eigene Bekämpfungsmaßnahmen durchführten. Mit der Klägerseite habe aber kein Kontakt hergestellt werden können.
27Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
28die Klage abzuweisen.
29Sie bestreiten, dass ein das normale Maß übersteigender Ratten- und Mäusebefall vorhanden sei.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
31Ferner wird auf die zum weiterhin nicht abgeschlossenen Beweissicherungsverfahren Landgericht Bonn 1 OH 13/08 vorliegenden Unterlagen, insbesondere die bereits erstellten Gutachten verwiesen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33Soweit die Kläger das Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung – bezogen auf die Beigeladenen – auf den bisherigen Hilfsantrag beschränkt und die Klage damit teilweise zurückgenommen haben, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
34Im Übrigen ist die Klage nicht begründet.
35Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Anordnung von Bekämpfungsmaßnahmen hinsichtlich des angenommenen Ratten- und Mäusebefalls im Bereich des Grundstücks der Beigeladenen.
36Gemäß § 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz (IfSG) hat die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen, wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.
37Die Beklagte hat nachvollziehbar und unwidersprochen dargelegt, dass die Bekämpfung von Ratten und Mäusen im Stadtgebiet gegenwärtig einmal jährlich nach einem bestimmten Plan durch ein Fachunternehmen durchgeführt wird. Dabei wird insbesondere versucht, mit den betroffenen Anliegern in Befallsgebieten Kontakt aufzunehmen, um diese auch zu eigenen Bekämpfungsmaßnahmen anzuhalten. Damit geht die Beklagte in generell angemessener Art und Weise gegen das in jedem Habitat gegebene Auftreten von Ratten und Mäusen vor. Die Beklagte hat ebenso nachvollziehbar dargelegt, dass im Bereich um das klägerische Grundstück kein weiterer Handlungsbedarf gesehen wird, weil mit Ausnahme der Kläger keine Meldungen aus der Bürgerschaft über einen entsprechenden Befall vorlagen und auch aktuell nicht vorliegen.
38Vor diesem Hintergrund haben die Kläger keinen Anspruch auf Bekämpfungsmaßnahmen, die über die derzeit praktizierten hinausgehen. Allgemein liegt es im pflichtgemäßen Ermessen einer jeden (Sonder-)Ordnungsbehörde zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Beseitigung einer abstrakten oder konkreten Gefahr ergriffen werden. Ein Anspruch des Bürgers auf ein bestimmtes ordnungsbehördliches Eingreifen besteht regelmäßig nicht. Es kommt nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn sich das der Behörde eingeräumte Ermessen bei der Mittelauswahl – etwa im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit des Einzelnen – in der Weise verdichtet hat, dass nur eine bestimmte Form des Handelns zugunsten der Rechte des Einzelnen geboten ist (Ermessensreduzierung auf Null). Dies gilt auch dann, wenn – wie im hier unterstellten Fall des § 17 Abs. 2 IfSG – das Eingreifen selbst nicht in das (Entschließungs-)Ermessen der Behörde gestellt ist.
39Vgl. zum Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten: VG Köln, Urteil vom 28.08.2012 - 2 K 4020/11 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2010 - 4 K 5592/09 -; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 03.09.2009 - 4 K 464/09.NW -.
40In besonderem Maße gilt dies, wenn ein ordnungsbehördliches Einschreiten in der Weise verlangt wird, dass die Behörde Maßnahmen gegen Dritte durch Verwaltungsakt ergreift, da in diesem Fall deren (Grund-)Rechte betroffen sind und Berücksichtigung verdienen.
41Die Voraussetzungen eines solchen subjektiv-öffentlichen Rechts liegen nicht ansatzweise vor. Die teils unrichtigen, teils spekulativen Angaben der Klägerseite lassen nicht den Schluss zu, es herrsche eine Zulauf von Ratten und Mäusen auf ihr Grundstück, dem durch besondere (weitere) Bekämpfungsmaßnahmen auf dem Grundstück der Beigeladenen zu begegnen sei. So haben die mit der Schädlingsbekämpfung in dem fraglichen Bereich befassten Fachunternehmen in neuerer Zeit keinen Befall festgestellt, der über das allgemeine Vorkommen der Tiere hinausginge. Die anderen Eigentümer der Nachbargrundstücke haben eine derartige Plage in ihrer schriftlichen Äußerung ebenfalls verneint. Auch das Beweissicherungsverfahren vor dem LG Bonn, dessen Abschluss bei diesem Sachstand nicht abgewartet werden muss, hat in dieser Hinsicht nichts erbracht. In besonderer Weise sinnfällig wird dies durch die Äußerungen des Sachverständigen S. in seinem Ergänzungsgutachten vom 28.05.2011. Dem ist aus gerichtlicher Sicht nichts hinzuzufügen. Auch die Klägerseite hat in neuerer Zeit nichts Weitergehendes vorgetragen. Sollten die Kläger weiterhin des Öfteren Ratten auf ihrem Grundstück sehen, so ist es in erster Linie an ihnen, Vorbeuge- und Bekämpfungsmaßnahmen durchzuführen. Denn die Zustandsverantwortlichkeit für das Grundstück trifft diese selbst, nicht die Allgemeinheit oder die Nachbarn. Ratten folgen zuvörderst ihren Nahrungsquellen. Ein Aufenthalt an Orten, an denen kein Futterangebot besteht, ist für sie weitgehend sinnlos. Ein solches Futterangebot besteht auf dem Grundstück der Beigeladenen seit Jahren nicht mehr. Dessen ungeachtet ist eine gewisse Mäuse- und Rattenpopulation gerade in ländlicheren Gebieten und in der Nähe von Gewässern durchaus normal und lässt nicht automatisch den Schluss auf besondere Gesundheitsgefahren zu.
42Ein Anspruch auf zusätzliche Bekämpfungsmaßnahmen ist auch nicht aus § 16 Abs. 1 IfSG oder § 14 Abs. 1 der Ordnungsbehördengesetzes (OBG NRW) abzuleiten, da die vorgenannten Grundsätze hinsichtlich eines Rechts auf ordnungsbehördliches Einschreiten auch dort gelten.
43Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, den Klägern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt haben.
44Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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