Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 4 K 796/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Der Kläger wurde auf Vorschlag der Fraktion Die Linke/BfBB als sachkundiger Bürger zum Mitglied des Ausschusses für Anregungen und Beschwerden sowie zum stellvertretenden Mitglied des Vergabeausschusses des Rates der Beklagten bestellt. Er wird in dieser Funktion von der Fraktion Die Linke/BfBB zu sämtlichen Fraktionssitzungen eingeladen.
3Im Jahr 2011 zahlte ihm die Beklagte für die Zeit bis einschließlich September 2011 antragsgemäß Sitzungsgelder für die Teilnahme an insgesamt 38 von der Fraktion Die Linke/BfBB anberaumten Sitzungen. Für den Monat Oktober 2011 machte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung von Sitzungsgeldern für die Teilnahme an weiteren sechs von der Fraktion Die Linke/BfBB anberaumten Sitzungen geltend.
4Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 29. November 2011 mit, dass nach § 9 Abs. 2 der Hauptsatzung die Anzahl der Teilnahmen von sachkundigen Bürgern an Fraktionssitzungen, für die Sitzungsgeld gezahlt wird, auf 40 Sitzungen im Kalenderjahr beschränkt sei. Der Kläger habe mit seinen Teilnahmen an den Fraktionssitzungen am 4. und 6. Oktober 2011 (AG Löwenpass) die Zahl von 40 Sitzungen im Kalenderjahr 2011 erreicht. Für die Teilnahme an weiteren von der Fraktion anberaumten Sitzungen im Jahr 2011 könnten daher keine Sitzungsgelder mehr gezahlt werden. Es sei beabsichtigt, den Antrag des Klägers für den Monat Oktober 2011 sowie eventuelle weitere Anträge für Teilnahmen an Sitzungen nach dem 6. Oktober 2011 bis einschließlich 31. Dezember 2011 abzulehnen.
5Für die Monate November und Dezember 2011 machte der Kläger die Zahlung weiterer Sitzungsgelder für die Teilnahme an insgesamt neun Fraktionssitzungen, darunter eine ganztägige Klausurtagung, geltend.
6Nachdem der Kläger von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch machte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Dezember 2012 – zugestellt am 24. Dezember 2012 – seine Anträge auf Zahlung von Sitzungsgeldern für die Teilnahme an von der Fraktion Die Linke/BfBB anberaumten Sitzungen in dem Zeitraum nach dem 6. Oktober 2011 bis einschließlich 31. Dezember 2011 ab.
7Der Kläger hat am 23. Januar 2012 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, die Begrenzung auf 40 Sitzungen im Jahr widerspreche dem Grundsatz der Chancengleichheit. Die Fraktionen könnten selbst darüber bestimmen, wen sie zu ihren Sitzungen einladen. Dabei seien die kleinen Fraktionen besonders auf sachkundige Bürger angewiesen. Darüber hinaus widerspreche es dem Gleichheitsgrundsatz, dass die Hauptsatzung der Beklagten die Zahl der Fraktionssitzungen, für die Sitzungsgeld gezahlt wird, für Ratsmitglieder auf 80 Sitzungen im Jahr festsetze. Eine unterschiedliche Behandlung von Rats- und Ausschussmitgliedern sehe die Gemeindeordnung nicht vor.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. Dezember 2011 zu verurteilen, ihm für die Teilnahme an den von der Fraktion Die Linke/BfBB anberaumten Sitzungen am 10. Oktober, 17. Oktober, 24. Oktober, 31. Oktober, 5. November, 7. November, 14. November, 21. November, 26. November, 28. November, 5. Dezember, 12. Dezember und 19. Dezember Sitzungsgelder in Höhe von insgesamt 371,00 € (26,50 € x 14) zu zahlen
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie führt aus: § 45 Abs. 5 Satz 2 GO NRW sehe vor, dass die Zahl der ersatzpflichtigen Fraktionssitzungen in der Hauptsatzung zu beschränken sei. Den Kommunen komme insoweit ein weiter Spielraum zu. Die gewählte Grenze von 40 Sitzungen im Kalenderjahr führe nicht dazu, dass eine sachgerechte Arbeit nicht mehr möglich oder die Funktionsfähigkeit der Fraktionsarbeit über Gebühr eingeschränkt sei. Dies gelte auch für die kleineren Fraktionen. Zwar bedeute für diese die Unterstützung durch sachkundige Bürgerinnen und Bürger einen gewissen Ausgleich zur Arbeit der größeren Ratsfraktionen. Jedoch sei die Institution des sachkundigen Bürgers nur als Ergänzung der anfallenden Arbeit gedacht und solle weder in der Sache noch finanziell zu einer „Waffengleichheit“ im Vergleich mit den größeren Fraktionen führen. Es bleibe den Fraktionen im Übrigen unbenommen, im Falle des Erfordernisses auch über die 40. Sitzungsteilnahme hinaus sachkundige Bürgerinnen und Bürger zu weiteren Sitzungen einzuladen. Verdienstausfälle und Fahrtkosten würden von der Beklagten für diese weiteren Sitzungen grundsätzlich auch erstattet; lediglich die Zahlung von Sitzungsgeldern sei ausgeschlossen. Es verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass die Hauptsatzung für Ratsmitglieder die Anzahl der Teilnahme an Fraktionssitzungen, für die Sitzungsgeld gezahlt wird, auf 80 festsetze. Denn die sachkundigen Bürger seien nicht Fraktionsmitglieder, sondern könnten zu den entsprechenden Fraktionssitzungen lediglich hinzugezogen werden.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges ergänzend Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16Der Kläger kann von der Beklagten keine Sitzungsgelder für die Teilnahme an den von der Fraktion Die Linke/BfBB nach dem 6. Oktober 2011 anberaumten Sitzungen beanspruchen. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
17Rechtsgrundlage für die Zahlung von Sitzungsgeldern an den Kläger als sachkundiger Bürger ist § 45 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 der Hauptsatzung der Beklagten i.V.m. § 2 Nr. 1 der Entschädigungsverordnung in der hier maßgeblichen, bis zum 30. April 2012 geltenden Fassung. Nach § 45 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW erhält ein Ausschussmitglied, das nicht Ratsmitglied ist (sachkundiger Bürger oder sachkundiger Einwohner), unabhängig von einem Anspruch auf Verdienstausfall ein Sitzungsgeld für die im Rahmen seiner Mandatsausübung erforderliche Teilnahme an Ausschuss- und Fraktionssitzungen. Fraktionssitzungen sind dabei gemäß § 45 Abs. 5 Satz 1 GO NRW (vgl. auch § 9 Abs. 3 Satz 1 der Hauptsatzung der Beklagten) auch Sitzungen von Teilen einer Fraktion (Fraktionsvorstand, Fraktionsarbeitskreise).
18Allerdings gibt § 45 Abs. 5 Satz 2 GO NRW zwingend vor, die Zahl der ersatzpflichtigen Fraktionssitzungen pro Jahr in der Hauptsatzung zu beschränken. In der Hauptsatzung der Beklagten in der hier maßgeblichen Fassung der 1. Nachtragssatzung sind insoweit folgende Regelungen getroffen: Für Ratsmitglieder, die eine Aufwandentschädigung in Form eines monatlichen Pauschalbetrages und eines Sitzungsgeldes je Sitzung für die Teilnahme an Rats-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen erhalten, ist die Anzahl der Teilnahmen an den Fraktionssitzungen, für die das Sitzungsgeld gezahlt wird, auf 80 Sitzungen im Kalenderjahr beschränkt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Hauptsatzung). Für sachkundige Bürger ist die Anzahl der Teilnahmen an den Fraktionssitzungen, für die das Sitzungsgeld gezahlt wird, auf 40 Sitzungen im Kalenderjahr beschränkt (§ 9 Abs. 2 Satz 3 Hauptsatzung).
19Dies zugrundegelegt steht dem Anspruch des Klägers auf Zahlung von Sitzungsgeldern für die Teilnahme an den von der Fraktion Die Linke/BfBB anberaumten Fraktionssitzungen in der Zeit vom 7. Oktober 2011 bis 31. Dezember 2011 die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 Hauptsatzung entgegen. Mit der Sitzung AG Löwenpass am 6. Oktober 2011 hat der Kläger die Zahl von 40 Fraktionssitzungen im Kalenderjahr 2011 erreicht.
20Die von dem Kläger gegen die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 3 Hauptsatzung vorgebrachten Rügen greifen nicht durch.
21Die in § 45 Abs. 5 Satz 2 GO NRW zwingend vorgesehene Beschränkung der Fraktionssitzungen, für die Sitzungsgeld gezahlt wird, ist rechtlich zulässig. Insbesondere liegt hierin kein Verstoß gegen das Demokratieprinzip.
22Vgl. dazu ausführlich VG Düsseldorf, Urteil vom 01.08.2003 - 1 K 2912/01 -, juris, Rn. 43 ff.
23Bei der Ausfüllung des § 45 Abs. 5 Satz 2 GO NRW in seiner Hauptsatzung kommt dem örtlichen Satzungsgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der der gerichtlichen Überprüfung Grenzen setzt.
24Vgl. dazu ausführlich OVG NRW, Urteil vom 28.06.2005 - 15 A 4221/03 -, Rn. 46; Bay. VGH, Beschluss vom 03.04.2008 - 4 N 07.1051 -, juris, Rn. 23; VG Düsseldorf, Urteil vom 01.08.2003 - 1 K 2912/01 -, juris, Rn. 45.
25Gerichtlicher Kontrolle unterliegt, ob der Zweck, der der Gewährung von Sitzungsgeld zugrundeliegt, noch gewahrt wird. Bei dem Sitzungsgeld handelt es sich um eine Aufwandsentschädigung, die angemessen sein muss (vgl. § 45 Abs. 4 GO NRW). Aufwandsentschädigungen sind nach allgemeiner Rechtsauffassung keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; sie sollen vielmehr dazu dienen, die mit der ehrenamtlichen, d.h. grundsätzlich unentgeltlichen Tätigkeit verbundenen Beschwernisse und finanziellen Einbußen pauschal auszugleichen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.03.1994 - 2 C 11.93 -, juris, Rn. 17; Bay. VGH Beschluss vom 03.04.2008 - 4 N 07.1051 -, juris, Rn. 25 f.
27Der Gesetzgeber will dazu beitragen, dass die Übernahme eines Ratsmandats bzw. einer Ausschussmitgliedschaft allen Bevölkerungsgruppen tatsächlich offen steht.
28Vgl. Articus/Schneider, GO NRW, Kommentar, 3. Auflage, § 45 Erl. I; Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, Kommentar, § 45, Erl. I.
29Seine äußersten Grenzen findet das Gestaltungsermessen der Gemeinde deshalb auf der einen Seite darin, dass die Entschädigung nicht einer verdeckten Vergütung für die ehrenamtliche Tätigkeit gleichkommen darf. Auf der anderen Seite darf die Entschädigung aber auch nicht so niedrig bemessen sein, dass sie außer Verhältnis zum materiellen und zeitlichen Aufwand steht, der mit dem Ehrenamt verbunden ist.
30Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 03.04.2008 - 4 N 07.1051 -, juris, Rn. 26.
31Gemessen hieran ist die für sachkundige Bürger in § 9 Abs. 2 Satz 3 Hauptsatzung gewählte Begrenzung auf 40 Fraktionssitzungen pro Jahr nicht unverhältnismäßig niedrig. Ausgehend von 52 Kalenderwochen im Jahr und unter Berücksichtigung etwa der Urlaubs- und der Weihnachtszeit kann bei 40 erstattungsfähigen Fraktionssitzungen fast wöchentlich eine Fraktionssitzung stattfinden, für die sachkundigen Bürgern Sitzungsgeld gezahlt wird. In Ansehung dessen ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass die Frak-tionsarbeit nicht ordnungsgemäß und auskömmlich organisiert werden könnte.
32Gerichtlicher Kontrolle unterliegt des Weiteren, ob die in der Hauptsatzung getroffene Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Der Kläger macht insoweit die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die unterschiedliche Behandlung von sachkundigen Bürgern und Ratsmitgliedern in § 9 Abs. 1 und 2 Hauptsatzung geltend.
33Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist von der Gemeinde bei der Gewährung von Aufwandsentschädigungen in seiner Ausprägung als Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten. Die strengeren Maßstäbe des formalisierten Gleichheitssatzes, die das Bundesverfassungsgericht insbesondere für den Wettbewerb unter den Parteien und die Ausübung des Wahlrechts der Bürger entwickelt hat, kommen demgegenüber nicht zur Anwendung.
34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 08.10.2002 - 15 A 4734/01 -, juris, Rn. 30 ff.
35Ausgehend hiervon steht Art. 3 Abs. 1 GG der unterschiedlichen Behandlung von sachkundigen Bürgern und Ratsmitgliedern in § 9 Abs. 1 und 2 Hauptsatzung nicht entgegen. Ein sachlicher Grund für die unterschiedlich hohe Festsetzung der Zahl der Fraktionssitzungen pro Jahr, für die Sitzungsgeld gezahlt wird, liegt etwa schon darin, dass Ratsmitglieder aufgrund ihres Mandats auf Informationen zu allen Themenbereichen angewiesen sind. Bei ihnen kann die Teilnahme an Fraktionssitzungen deshalb in größerem Umfang erforderlich sein als bei sachkundigen Bürgern, die lediglich Mitglied eines oder einzelner Ausschüsse und damit nur für ein begrenztes Themenspektrum „zuständig“ sind. Dass der Satzungsgeber bei Ratsmitgliedern typisierend eine größere Anzahl von Fraktionssitzungen, für die Sitzungsgeld gezahlt wird, festlegt, ist daher sachlich gerechtfertigt.
36Dass - entgegen der Auffassung des Klägers – im Gesetz selbst bereits die Möglichkeit einer unterschiedlichen Behandlung von Ratsmitgliedern und sachkundigen Bürgern bei der Gewährung einer Aufwandsentschädigung angelegt ist, zeigt sich im Übrigen in § 45 Abs. 4 Nr. 1 GO NRW. Danach hat die Gemeinde bei Ratsmitgliedern die Wahl, ob sie die Aufwandsentschädigung nur als (monatliche) Pauschale oder teilweise als Pauschale und teilweise als Sitzungsgeld zahlt. Diese Möglichkeit besteht bei sachkundigen Bürgern nicht.
37Auch unter dem Aspekt der Chancengleichheit der Fraktionen,
38vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.06.2005 - 15 A 4221/03 -, juris, Rn. 38 ff.,
39ist der Gleichheitssatz durch die Regelungen in § 9 Abs. 1 und 2 Hauptsatzung nicht verletzt. Zwar mögen – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung für die Kammer nachvollziehbar dargelegt hat – kleinere Fraktionen in Ermangelung einer ausreichenden Anzahl eigener Ratsmitglieder zur Besetzung der Ausschüsse verstärkt auf nicht dem Rat angehörende sachkundige Bürger angewiesen sein. Dies ist jedoch eine Folge des geringeren Wahlzuspruchs durch die Bürger. Diese aus dem Wählerwillen resultierenden Unterschiede auszugleichen, verlangt selbst der formalisierte Gleichheitssatz vom Gesetz- bzw. Satzungsgeber nicht.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.06.2005 - 15 A 4221/03 -, juris, Rn. 40 ff.
41Schließlich greift auch der Hinweis des Klägers auf die Notwendigkeit des Minderheitenschutzes nicht. Denn es geht bei der Frage einer angemessenen Aufwandsentschädigung von sachkundigen Bürgern nicht um den Schutz kleiner Fraktionen, sondern darum, ob der mit der ehrenamtlichen Tätigkeit verbundene finanzielle Nachteil ausgeglichen wird. Zudem sind für eine unzumutbare Beeinträchtigung der Arbeit der Fraktion keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte erkennbar.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43Gründe für die Zulassung der Berufung im Sinne des § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.
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