Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 7 L 2009/13
Tenor
1.
Die Anträge werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Die Kammer geht davon aus, dass sich das vorläufige Rechtsschutzziel auch auf die in Ziffer 4 des angegriffenen Bescheids enthaltene Zwangsgeldandrohung bezieht, der Antragsteller also begehrt,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 7 K 8036/13 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16.12.2013 hinsichtlich der Anordnung des Ruhens der Approbation und Übersendung der Approbationsurkunde wiederherzustellen sowie hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
4Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg.
5Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in bezug auf das Ruhen der Approbation und die Aushändigung der Approbationsurkunde entspricht in formeller Hinsicht den Anforderungen aus § 80 Abs. 3 VwGO. Hiernach ist in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
6Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.08.2008 - 13 B 1022/08 -, Rn. 2, juris.
7Die Ausführungen des Antragsgegners zur Anordnung der sofortigen Vollziehung genügen den vorgenannten Anforderungen. Er hat hinreichend deutlich gemacht, dass er sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war und vor dem Hintergrund der Gesamtumstände des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens sowie der Tatsache, dass § 174 c Strafgesetzbuch - StGB - den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses unter Strafe stellt, von einer bestehenden potentiellen Gefahr für die vom Antragsteller behandelten Patientinnen ausgeht, zu deren Schutz er schnellstmöglich wirksame Maßnahmen für erforderlich hält. Unschädlich ist, dass er dabei die Gründe für den Sofortvollzug in Zusammenhang ausdrücklich mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts gestellt hat. Das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung können – gerade im Gefahrenabwehrrecht – durchaus zusammenfallen, wobei die Frage, ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, keinen Aspekt des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO darstellt.
8Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.08.2008 - 13 B 1122/08 -, Rn. 4, 6, juris.
9Die sofortige Vollziehung begegnet auch im Übrigen keinen durchgreifenden Bedenken.
10Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Die Interessenabwägung fällt in Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse zu Lasten des Antragstellers aus. Bei summarischer Prüfung erweist sich die angegriffene Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig; deren sofortige Vollziehung ist im öffentlichen Interesse geboten.
11Ermächtigungsgrundlage für die in Ziffer 1 des Bescheides getroffene Anordnung des Ruhens der Approbation des Antragstellers ist § 6 Abs. 1 Nr. 1 Bundesärzteordnung (BÄO), in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.04.1987 (BGBl. I S. 1218), zuletzt geändert durch Art. 4c des Gesetzes vom 20.02.2013 (BGBl. I S. 277).
12Deren tatbestandliche Voraussetzungen sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
13- vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, Rn.61 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.07.1991 - 9 S 1227/91 -, Rn. 5, sämtlich in juris -
14erfüllt. Die Staatsanwaltschaft Köln hat gegen den Antragsteller Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses gemäß § 174 c StGB in mehreren Fällen eingeleitet. Für die Einleitung eines Strafverfahrens genügt ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, das als erster Verfahrensabschnitt Teil des Strafverfahrens ist; nicht erforderlich ist, dass bereits Anklage erhoben wurde.
15Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.07.2013 - 13 A 1300/12 -.
16Bei der Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation handelt es sich um eine vorübergehende Maßnahme, die dazu bestimmt ist, in unklaren Fällen oder in Eilfällen einem Arzt die Ausübung ärztlicher Tätigkeit für die Dauer eines schwebenden Strafverfahrens zu untersagen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung und zum Schutz von Patienten vor einem Tätigwerden von Personen, deren Zuverlässigkeit und Würdigkeit zweifelhaft geworden ist, geboten ist; Sie erfasst deshalb Fälle, in denen eine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht endgültig feststeht.
17Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O. m.w.N.
18Auch unter Berücksichtigung der gebotenen einschränkenden Auslegung der Befugnisnorm infolge ihrer berufsgrundrechtlichen Relevanz begegnet die getroffene Ruhensanordnung keinen rechtlichen Bedenken. Nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen ist von der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung,
19vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, Rn. 63 ff., juris, m.w.N.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.07.2003 - 8 ME 96/03 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.06.1988 - 5 B 309/88 -, MedR 1989, 44, 45; Narr, Ärztliches Berufsrecht, Band I, 2. Auflage, Stand: 20. EL 2010, Rn. 82,
20auszugehen. In diesem Zusammenhang ist es nicht von Relevanz, dass der Bejahung oder Verneinung der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine Unsicherheit im Verhältnis zu dem tatsächlichen Ausgang des Strafprozesses immanent ist. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht gehalten, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise oder gar in eine Amtsermittlung einzutreten und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen.
21Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, Rn. 83, juris.
22Allerdings sind an den strafrechtlichen Vorwurf insbesondere in einem frühen Ermittlungsstadium strenge Anforderungen zu stellen. Der Verdacht einer Straftat muss sich bereits so konkretisiert haben, dass die Gründe, die ein weiteres Zuwarten ausschließen, in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen; die Straftat muss vom Deliktscharakter, von der Begehungsweise oder von den Tatfolgen her gravierend und die Anordnung des Ruhens der Approbation zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten sein.
23Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.07.2013 - 13 A 1300/12 -.
24Diese Anforderung sieht die Kammer hier als erfüllt an.
25Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse hat sich der strafrechtliche Verdacht so weit verdichtet, dass bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen ist, dass der Antragsteller mit erheblicher Wahrscheinlichkeit wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses gemäß § 174 c Abs.1 StGB verurteilt werden wird. Diese Einschätzung stützt die Kammer maßgeblich auf die Aussagen der Patientin C. , die sich aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Köln 34 Js 190/13 ergeben. Danach hat Frau C. , die seit etwa 12 Jahren Patientin des Antragstellers ist, am 19.11.2013 einen Termin zur Untersuchung und Behandlung einer Pilzinfektion bei dem Antragsteller wahrgenommen. Der Antragsteller hat die Patientin, die auf dem Behandlungsstuhl lag, nach deren Angabe wegen eines angeblichen Ausflusses in und im äußeren Bereich der Vagina mit einer Salbe eingerieben, das Einreiben dann im kompletten Bereich der Oberschenkel mit Öl fortgesetzt, da sie trockene Haut habe und dabei mehrfach nachgefragt, ob dies unangenehm sei, sie aufgefordert, diese „Behandlung“ zu genießen sowie sich zu entspannen und ihr Komplimente über ihren „tollen Körper“ gemacht. Unter dem Vorwand, die Oberschenkel auch von hinten einzureiben, hat er die Patientin dazu veranlasst, sich mit dem Rücken zu ihm vor den Untersuchungsstuhl zu stellen und den Oberkörper auf der Rückenlehne des hierzu umgebauten Behandlungsstuhls abzulegen. Nachdem er ihr angekündigt hatte, sie nochmals von hinten „mit einem dickeren Finger“ einreiben zu wollen, führte er seinen Penis in ihre Vagina ein und fasste ihre Brust an. Die Kammer hält die Darstellung der Patientin für glaubhaft. Der Vorfall ist äußerst detailliert, widerspruchsfrei und plausibel geschildert; die Angaben umfassen neben dem eigentlichen Tatgeschehen sowie den Einzelheiten des Gesprächs zwischen dem Antragsteller und der Patientin zahlreiche Randbeobachtungen und geben darüber hinaus die Empfindungen und Gedanken der Patientin im Einzelnen wieder. Dabei hat die Zeugin insbesondere anschaulich und nachvollziehbar beschrieben, wie sie aufgrund ihres „blinden“ Vertrauens als langjährige Patientin und der Tatsache, dass der Antragsteller bereits sexuell motivierte, unmerklich eindeutiger werdenden Verhaltensweisen jeweils mit angeblich medizinisch angezeigten Behandlungen bemäntelte, erst im Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs realisiert hat, dass sie sexuell missbraucht wurde. Für die Richtigkeit der Angaben spricht zusätzlich, dass die Zeugin in ihren Vernehmungen nach der unabhängig voneinander geäußerten Einschätzung der jeweiligen Vernehmungsbeamten einen massiv getroffenen Eindruck machte, und unter erheblicher Scham litt, weil sie die Übergriffe erst spät als solche erkannt hatte.
26Die dichte und plausible Schilderung der Patientin hat der Antragsteller nicht zu erschüttern vermocht. Hierzu hätte es zumindest einer eigenen ausführlichen Darstellung des Vorfalls bedurft, die sich im Einzelnen mit den Vorwürfen der Patientin auseinandersetzt. Der Antragsteller, der, in der Nacht nach dem Vorfall von Polizeibeamten in seiner Wohnung aufgesucht, diesen erklärte, er könne sich denken, warum sie bei ihm seien, aber zur Sache keine Angaben machte, hat auch in der Folgezeit keine konkrete Schilderung des Zusammentreffens mit Frau C. in seiner Praxis abgegeben. Der stattdessen unternommene Versuch, die Patientin in ihrer Glaubwürdigkeit herabzusetzen, veranlasst die Kammer nicht, die Richtigkeit ihrer Darstellung in Zweifel zu ziehen. Welche Gründe die Patientin veranlasst haben sollten, falsche Vorwürfe zu erheben, ist nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller eine Distanz bei der Patientin anlässlich eines Aufeinandertreffens mit dem Antragsteller und dessen Ehefrau bei dem Arbeitgeber der Patientin erwähnt und diese mit weiblichen Verletztheiten und Konkurrenzideen als Ursache wahnhafter Gefühle verknüpft, ist eine tatsächliche Grundlage für derart vage und spekulative Vorhaltungen auch nicht ansatzweise zu erkennen. Die Kammer teilt zudem nicht die Schlussfolgerung, die der Antragsteller daraus ableitet, dass die Patientin ihm im Jahr 2012 anvertraut hatte, sie habe private Probleme und vermute bei sich eine Art Depression und dass sie auf seinen Rat hin eine – aus ihrer Sicht – erfolgreiche psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen hat; allein die Möglichkeit einer noch nachwirkenden depressiven Belastung ohne erkennbare psychotische Ausprägung erlaubt es nicht, die Schilderungen der Patientin als nur in ihrer Vorstellungswelt stattgefundenes Erlebnis bzw. als verzerrte Wahrnehmung einer psychisch erkrankten bzw. „psychisch auffälligen“ Person ohne Beweiswert abzuqualifizieren. Soweit der Antragsteller seine diesbezügliche Mutmaßung damit stützen will, dass die Patientin sofort auf das Berühren der Brust reagiert habe, nicht jedoch bei der angeblichen Wahrnehmung des Lösens der Gürtelschnalle und Einführen des Penis, blendet er aus, dass er die Patientin zuvor in eine Position gebracht hatte, in der er ihren Blicken entzogen war und weiterhin vorgab, medizinische Behandlungen bei ihr vorzunehmen; das metallische Geräusch beim Lösen des Gürtels hätte dabei ebenso vom Hantieren mit medizinischen Geräten stammen, das Einführen des Penis mit der unmittelbar zuvor angekündigten erneuten Vaginalbehandlung in Verbindung gebracht werden können. Für die Richtigkeit der Angaben der Patientin C. spricht im Gegenteil, dass weitere Patientinnen den Antragsteller beschuldigen, gynäkologische Untersuchungen und Behandlungen zu sexuellen Übergriffen genutzt zu haben; auch diesen Vorwürfen geht die Staatsanwaltschaft Köln seit Januar 2013 in einem Ermittlungsverfahren nach (34 Js 63/13).
27Dass es sich bei der dem Antragsteller vorgeworfenen Straftat aufgrund der Art des Delikts und der Begehungsweise um eine gravierende Verfehlung handelt, aus der sich dessen Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt, liegt auf der Hand. Unwürdig im Sinne des § 6 Abs.1 Nr.1 BÄO ist ein Arzt, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen besitzt. Wer eine Straftat nach § 174 c StGB begeht, erweist sich ohne weiteres als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes.
28Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.07.2003 – 8 ME 96/03 -, juris.
29Der Antragsteller hat nach der hier gebotenen vorläufigen Prüfung das für seine Berufsausübung unabdingbare Ansehen und Vertrauen dadurch verloren, dass er nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis eine aufgrund des Behandlungsverhältnisses bestehende Autoritäts- und Vertrauensstellung gegenüber seinem Opfer zur Vornahme sexueller Handlungen missbraucht hat; er hat gerade seine ärztliche Stellung dazu benutzt, vordergründig medizinische Untersuchungen und Behandlungen vorzunehmen, die in Wahrheit seiner eigenen sexuellen Erregung dienen und das Opfer zur Duldung seiner Übergriffe veranlassen sollten. Dies verletzt in eklatanter Weise seine Berufspflichten und die gegenüber den Patientinnen bestehenden Schutzpflichten. Ein Frauenarzt, der die Lage einer Patientin, die ihm während der gynäkologischen Behandlung in gewisser Weise ausgeliefert ist, zu sexuellem Missbrauch ausnutzt, genießt keinerlei Vertrauen und Ansehen der Bevölkerung mehr.
30Vgl. VG Minden, Beschluss vom 17.11.2004 - 7 L 905/04 -, juris.
31Unabhängig davon ergibt sich aus dem strafrechtlichen Vorwurf auch die Unzuverlässigkeit des Antragstellers zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Unzuverlässig als Arzt ist, wer nicht die Gewähr dafür bietet, den Beruf als Arzt künftig ordnungsgemäß auszuüben.
32Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.1993 - 5 B 1412/93 -, juris.
33Das Verhalten des Antragstellers, wie es sich aus den Aussagen der Patientinnen in den genannten Ermittlungsverfahren ergibt, lässt befürchten, dass er auch künftig nicht ordnungsgemäß als Arzt arbeiten und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht seiner Patientinnen und deren körperliche sowie seelische Integrität respektieren wird. Denn schon das gegen ihn bereits Anfang letzten Jahres eingeleitete Ermittlungsverfahren hat ihn nach derzeitigem Sachstand nicht davon abgehalten, in der Folgezeit eine weitere Patientin in noch erheblich massiverer Art sexuell zu missbrauchen.
34Mit Rücksicht auf die erhebliche Verurteilungswahrscheinlichkeit, die Schwere des Delikts, seinen engen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und den hohen Rang der vor potentiellen künftigen Verletzungen zu schützenden Rechtsgüter erweist sich die seitens des Antragsgegners getroffene Anordnung des Ruhens der Approbation als ermessensfehlerfrei, insbesondere als verhältnismäßig. Der Antragsgegner hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung und an der Gewährleistung des Patientenschutzes das konkrete Interesse des Antragstellers an der Ausübung seines Berufes überwiegt, auch wenn die Ruhensanordnung in die durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit eingreift. Der abstrakte Schutz des unverzichtbaren Vertrauens der Öffentlichkeit in den Berufsstand der Frauenärzte und der individuelle Schutz der Patientinnen verlangen es, einen Frauenarzt, der sich aufgrund des begründeten Verdachts, unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses des sexuellen Missbrauchs von Patientinnen als berufsunwürdig und -unzuverlässig zeigt, von der Ausübung des frauenärztlichen Berufs vorläufig fernzuhalten. Ein milderes, zur Erreichung des mit der Ruhensanordnung verfolgten Ziels gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Die ärztliche Approbation berechtigt ihren Inhaber stets zur uneingeschränkten ärztlichen Berufsausübung; Auflagen sieht die BÄO nicht vor. In diesem Zusammenhang vom Antragsteller angeführte Untersuchungsdokumentationen und eine Hinzuziehung von Angestellten schließen im Übrigen die Möglichkeit eines weiteren Fehlverhaltens bei einer fortgesetzten ärztlichen Tätigkeit nicht hinreichend aus und eigenen sich nicht dazu, dem Vertrauensverlust zu begegnen. Die mit der Ruhensanordnung zwangsläufig verbundenen wirtschaftlichen Einbußen des Antragstellers werden durch die gestattete vertretungsweise Fortführung der Praxis hinreichend kompensiert. Diese Möglichkeit sieht § 6 Abs.4 BÄO ausdrücklich vor, weshalb davon auszugehen ist, dass der Arzt, der die Praxis des Antragstellers aufgrund behördlicher Zulassung fortführt, auch die Vertretung der vertragsärztlichen Tätigkeit entsprechend § 32 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte übernehmen kann. Durch diese Maßnahme ist die berufliche und wirtschaftliche Existenz des Antragstellers bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens in ausreichendem Maß sichergestellt.
35Die in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides enthaltene Aufforderung, dem Antragsgegner die Approbationsurkunde auszuhändigen, begegnet wegen der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ermächtigungsgrundlage für das Herausgabeverlangen ist § 52 Sätze 1 und 2 VwVfG NRW. Hiernach kann die Behörde eine Urkunde zurückfordern, die aufgrund eines Verwaltungsaktes, dessen Wirksamkeit aus einem anderen Grund als Rücknahme oder Widerruf nicht mehr gegeben ist, erteilt worden ist.
36Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.05.1990 – 5 A 1692/89 –, juris.
37Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da die Wirksamkeit der Approbation des Antragstellers infolge der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung nicht mehr gegeben ist. Auf Rechtsfolgenseite hat der Antragsgegner das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und hiervon in zweckentsprechender Weise Gebrauch gemacht. Zutreffend begründet der Antragsgegner die Aufforderung zur Herausgabe damit, dass bei nicht erfolgender Rückgabe der Urkunde etwaige Missbrauchsmöglichkeiten hinsichtlich der weiteren Ausübung des ärztlichen Berufes bestehen bleiben.
38Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Ruhens der Approbation und des mit ihr verbundenen Zwecks, das unabdingbare Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand und den Schutz des Vertrauens potentieller künftiger Patientinnen des Antragstellers in den ärztlichen Berufsstand sicherzustellen, überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der angefochtenen Verfügung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Im Hinblick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Anordnung des Ruhens der Approbation nur um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die dazu bestimmt ist, in unklaren Fällen oder – wie hier – in Eilfällen einem Arzt die Ausübung ärztlicher Tätigkeit für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz von Patienten geboten ist. Sie erfasst insbesondere die Fälle, in denen eine Ungeeignetheit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht endgültig feststeht. Daher ist die Anordnung des Ruhens der Approbation, wenn sie den ihr zugedachten Zweck einer Präventionsmaßnahme zur Abwehr von Gefahren für einen unbestimmten Patientenkreis und damit zum Schutz der Allgemeinheit erfüllen soll, von ihrer Natur her insofern auf einen schnellen Vollzug angelegt, als es sich um eine vorläufige Berufsuntersagung und um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die nach § 6 Abs. 2 BÄO aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die Ruhensanordnung mit den begrenzten Auswirkungen in zeitlicher Hinsicht dient letztlich dem Schutz einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, bei der es sich um ein hochrangiges Gut der Allgemeinheit handelt, und speziell dem Schutz der Patienten vor einem Tätigwerden von Personen, deren Eignung zur Ausübung des Arztberufs zweifelhaft (geworden) ist. Dies rechtfertigt es, die Ruhensanordnung kurzfristig wirksam werden zu lassen, um so ihrem Charakter als Präventivmaßnahme schnellstmöglich gerecht zu werden.
39Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.03.2012 - 13 B 228/12 -; Beschluss vom 05.06.2007 - 13 A 4748/06 -, Rn. 8, juris.
40Würde dem Antragsteller die Möglichkeit belassen, bis auf weiteres seinem Beruf als Arzt weiter nachzugehen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen der Ruhensanordnung erfüllt sind, entstünde eine konkrete Gefährdung des öffentlichen Interesses. Dies kann auch für eine begrenzte Übergangszeit, welche die Durchführung des Strafverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens noch in Anspruch nehmen wird, nicht hingenommen werden. Das öffentliche Ansehen der Ärzteschaft muss durchgängig vor Gefährdung in Schutz genommen werden, um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren Behandlung die Patienten sich begeben; dieses für das Arzt-Patienten-Verhältnis konstitutive damit auch für das hochrangige Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung unerlässliche Vertrauen würde zerstört durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von Ärzten, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild eines Arztes nicht zu vereinbaren ist.
41Vgl. VGH Lüneburg, Beschluss vom 21.05.2013 - 8 LA 54/13 -, juris.
42Die aus der Mehrzahl der Vorwürfe abgeleitete Befürchtung, der Antragsteller könne in Zukunft wieder ähnliche Straftaten begehen, lässt es zudem als dringend notwendig erscheinen, Patientinnen kurzfristig vor der Gefahr erneuter Übergriffe zu schützen.
43Auch die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen der insoweit maßgeblichen Rechtsgrundlage des § 63 Abs. 1 bis 3, 5, 6 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen sind erfüllt.
44Ist danach die sofortige Vollziehung des angefochtenen Bescheids rechtmäßig, bleibt auch für die hilfsweise begehrte Anordnung der Aufhebung etwa erfolgter Vollziehungsmaßnahmen kein Raum.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.
46Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs.1, 53 Abs.2 Nr.2 GKG. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend die Anordnung des Ruhens der Approbation die Hälfte des im Hauptsacheverfahren angesetzten Streitwerts festzusetzen.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2012 – 13 B 228/12 -, juris.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 9 S 1227/91 1x (nicht zugeordnet)
- 8 LA 54/13 1x (nicht zugeordnet)
- 34 Js 190/13 1x (nicht zugeordnet)
- 5 B 309/88 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 4x
- Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 1 R 12/05 3x
- 7 K 8036/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 2 BÄO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 8 ME 96/03 2x (nicht zugeordnet)
- 7 L 905/04 1x (nicht zugeordnet)
- 34 Js 63/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs.1, 53 Abs.2 Nr.2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 1122/08 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 228/12 1x
- 13 A 4748/06 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 228/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs.1 Nr.1 BÄO 1x (nicht zugeordnet)
- 5 B 1412/93 1x (nicht zugeordnet)
- 5 A 1692/89 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 174c Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses 3x
- § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 1022/08 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs.4 BÄO 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 A 1300/12 2x