Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 20 K 5917/17
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger als Gesamtschuldner und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte, wobei die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen die Kläger zu tragen haben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger zu 2. meldete am 01.03.2017 – mit Konkretisierungen vom 11.03. und 17.03.2017 - beim Beklagten eine öffentliche Versammlung für Freitag, den 28.04.2017, von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr in Bonn an mit dem Thema „Bayer und Monsanto: Finger weg von unserem Essen“. Als Hilfsmittel wurden benannt „u.a. LKW 7,5t, einige Trecker, Anlagen, Großpuppen, Straßentheater, Stände, Banner etc“. Als Kundgebungsort wurde in der Folgezeit der Platz der Vereinten Nationen in Bonn im Bereich des dortigen zur Hauptversammlung der Beigeladenen führenden Eingangs des World Conference Center (WCCB) benannt. Die erwartete Teilnehmerzahl wurde mit ca. 100-200 Personen angegeben, als Veranstalter der Kläger zu 1. und die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft.
3In der Folgezeit fand ein E-Mail-Verkehr zwischen dem Beklagten und dem Kläger zu 2. sowie anschließend Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und dem Prozessbevollmächtigten der Kläger statt, des Weiteren am 23.03.2017 ein Kooperationsgespräch. Gegenstand waren insbesondere der benannte Versammlungsort sowie die der Beigeladenen von der Stadt Bonn am 20.03.2017 erteilte Erlaubnis nach der StVO zur Durchführung einer Straßensperrung vom 25.04.2017 bis zum 29.04.2017 auf dem Platz der Vereinten Nationen.
4Unter dem 21.04.2017 bestätigte der Beklagte die Versammlung für den 28.04.2017 von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr unter 9 beschränkenden Auflagen.
5In Auflage 1 wurde den Klägern für die Kundgebung unter Verweis auf den beigefügten Plan als Versammlungsort der Platz der Vereinten Nationen in südöstlicher Richtung vom Haupteingang zugewiesen.
6Die weiteren Auflagen 2-9 lauteten wie folgt:
72. Die von Ihnen beantragten Gestaltungsmittel Trecker, Kartoffeldampfmaschinen und ein LKW (7,5t), welcher als Bühne genutzt werden soll, können auf dem Platz der Vereinten Nationen nicht als versammlungsimmanente Infrastruktur genutzt werden.
83. Der/Die Leiter/in hat am Versammlungstag spätestens ab 6.30 Uhr als Versammlungsleiter/in persönlich für die Polizei am Versammlungsort ansprechbar zu sein. Seine/Ihre Anwesenheitspflicht gilt im Übrigen für die gesamte Dauer der Versammlung. Er/Sie hat für den ordnungsgemäßen und friedlichen Ablauf der Versammlung zu sorgen. Darüber hinaus hat er/sie dafür Sorge zu tragen, dass die verfügten Auflagen und die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes eingehalten und durchgesetzt werden.
94. Das Handmegaphon oder die Lautsprecheranlage dürfen zur Vermeidung von unverhältnismäßiger Lärmbelästigung von Passanten und Anwohnern nicht lauter eingestellt werden, als es zum Erreichen der Versammlung unbedingt erforderlich ist. Der Schallkörper ist in Richtung der Versammlungsteilnehmer zu richten. Ein Lautsprecherpegel von 90db (A), gemessen in einem Meter Abstand von der Emissionsquelle (Lautsprecher), darf nicht überschritten werden. Die Anlage ist entsprechend einzustellen. Bei polizeilichen Lautsprecherdurchsagen ist der eigene Lautsprecherbetrieb unverzüglich einzustellen.
105. Für je 50 Teilnehmer ist zur Unterstützung der polizeilichen Tätigkeit ein Ordner einzusetzen. Die Ordner müssen volljährig und der deutschen Sprache im erforderlichen Umfang mächtig sein und sich durch eine weiße Armbinde mit der Aufschrift „Ordner“ in lateinischer Schrift kenntlich machen (§ 9 VersG). Ordner, die sich auf der Straße bewegen, sind zusätzlich durch Warnwesten zu sichern.
116. Banner dürfen eine Größe von 300 cm x 100 cm nicht überschreiten. Darüber hinaus ist das Mitführen eines Frontbanners mit einer Größe von 400 cm x 100 cm gestattet. Eine Verknüpfung der Banner untereinander ist untersagt. Banner und Trageschilder müssen so getragen werden, dass Dritte nicht gefährdet werden. Haltestangen und Tragestiele für Fahnen, Flaggen, Banner und Trageschilder dürfen grundsätzlich nur aus Weichholz oder Kunststoffleerrohr bestehen und einen Durchmesser oder eine Kantenlänge von 1 cm aufweisen. Banner und Trageschilder müssen so getragen werden, dass Dritte nicht gefährdet werden.
127. Das Konsumieren von Alkohol ist während der gesamten Dauer der Versammlung verboten.
138. Während der gesamten Versammlung ist das Mitführen von Behältnissen aus Glas und Metall (z.B. Aluminium und Weißblech) verboten.
149. Im Rahmen Ihrer Versammlung dürfen, wie gewünscht und geplant Rede- und Musikbeiträge dargeboten werden. Diese müssen im Wechsel stattfinden, wobei der Anteil der Redebeiträge mindestens 40 und der der Musikbeiträge maximal 60% der jeweiligen Zwischenkundgebung betragen darf. Darüber hinaus sind die einzelnen Musikdarbietungen auf maximal 15 Minuten zu begrenzen.
15.
16Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung der verfügten Auflagen angeordnet.
17Zur Begründung wurde zur Auflage 1 im Einzelnen ausgeführt, dass die Durchführung der Versammlung auf dem Platz der Vereinten Nationen aufgrund der im Hinblick auf die Rechtspositionen der Bayer-AG vorzunehmenden Interessenabwägung nur unter räumlichen Beschränkungen in Betracht komme. Im Rahmen der praktischen Konkordanz müsse auch den Interessen der Beigeladenen im Zusammenhang mit der im WCCB stattfindenden Hauptversammlung Rechnung getragen werden, auch unter Berücksichtigung der der Bayer-AG von der Stadt Bonn erteilten Erlaubnis. Der nunmehr zugewiesene Versammlungsort ermögliche den Klägern, von den ankommenden Aktionären wahrgenommen zu werden und zu interagieren. Die ausschließliche Zuweisung des Platzes hätte zur Folge, dass die Aktionärsversammlung nicht durchführbar wäre, da einerseits der Zugang zum WCCB erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht werden dürfte, andererseits die erforderliche Sicherheitsüberprüfung außerhalb des WCCB in dessen unmittelbarer Nähe nicht erfolgen könnte. Damit hätte die Versammlung der Kläger den Zweck, die Veranstaltung der Beigeladenen zu verhindern und wäre insofern vom Versammlungsgesetz nicht gedeckt. Unter Berücksichtigung der sich bietenden Umstände sei die Auflage auch verhältnismäßig, insbesondere seien keine milderen Mittel zur Abwehr der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ersichtlich.
18Die Kläger haben gegen die verfügten Auflagen 1-4 und 6-9 am 25.04.2017 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und bereits am 24.04.2017 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
19Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die Kammer – nachdem die Kläger und der Beklagte das Verfahren bezüglich der Auflagen 7 und 9 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten - dem Antrag der Kläger auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 26.04.2017 – 20 L 1811/17 – bezüglich der angefochtenen Auflagen 2, 4 und 6 entsprochen, im Übrigen (bezüglich der Auflagen 1 und 8 hat die Kammer den Antrag der Kläger auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Die hiergegen von den Klägern eingelegte Beschwerde hat das OVG NRW mit Beschluss vom 27.04.2017 – 15 B 491/17 – bezüglich der Auflage 1 zurückgewiesen; bezüglich der Auflage 8 hat das OVG NRW die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt.
20Die Kläger haben am 12.05.2009 bezüglich der Auflagen 7 und 9 das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und bezüglich der Auflagen 1, 2, 4, 6 und 8 die Klage im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs.1 Satz 4 VwGO weiterverfolgt.
21Zur Begründung tragen sie vor, dass sich das berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflagen zum einen aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergebe (es solle auch im Jahre 2018 eine Versammlung in der hier angemeldeten und streitgegenständlichen Form durchgeführt werden) sowie des Weiteren aus dem Gesichtspunkt eines tiefgreifenden bzw. sich typischerweise schnell erledigenden Eingriffs in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit.
22In der Sache verweisen sie auf die Ausführungen im Eilverfahren. Bezüglich der Auflage 1 tragen sie ergänzend vor, dass die Voraussetzung einer konkreten, unmittelbaren Gefahr i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG nicht vorgelegen habe, so dass man gar nicht zu einer Herstellung praktischer Konkordanz hätte kommen können. Von Seiten der Kläger sei es in der Vergangenheit bei Versammlungen nie zu unfriedlichem Verhalten gekommen. Eine versammlungsbeschränkende Verfügung könne nicht mit der bloßen Undurchführbarkeit einer anderen Veranstaltung begründet werden. Auch sei die Behauptung des Beklagten und der Beigeladenen, dass die Kapazitäten des WCCB nicht ausreichten, um 3.500 Personen im Innenteil einer Sicherheitskontrolle zu unterziehen, unzutreffend. Der Beklagte habe dies weder näher überprüft noch den Klägern, die zum Ortstermin nicht eingeladen worden seien, zugänglich gemacht. Zudem hätte die Beigeladene ihre Aktionäre auch zu einem früheren Zeitpunkt bestellen können. Auch hätte man das Zelt näher in Richtung Eingang des WCCB oder weiter nach Südwesten hin versetzen können, gleichzeitig hätte man den Platz nicht vollständig sperren müssen. Des Weiteren berufen sich die Kläger auf das Erstanmelderprinzip.
23In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger und der Beklagte bezüglich der Auflagen 2, 4, 6 und 8 das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte erklärt hat, dass diese Auflagen für die Veranstaltung der Kläger im Jahr 2018 nicht nochmals erlassen worden seien und auch nicht beabsichtigt sei, solche Auflagen in Zukunft zu erlassen.
24Der Beklagte hat zudem erklärt, dass er bereit sei, insoweit sowie hinsichtlich der Auflagen 7 und 9 die Kosten des Verfahrens zu übernehmen.
25Die Kläger beantragen nunmehr,
26festzustellen, dass die Auflage 1 aus der Versammlungsbestätigung vom 21.04.2017 rechtswidrig war.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Die Beigeladene beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Der Beklagte hält die Klage bezüglich der Auflage 1 für unbegründet, denn die angegriffene Auflage betreffend die Abänderung des von den Klägern benannten Versammlungsortes sei auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 VersG in rechtmäßiger Weise verfügt worden. Er habe als Versammlungsbehörde im Wege der praktischen Konkordanz die widerstreitenden Interessen ausgleichen müssen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Gesamtfläche des von den Klägern insgesamt beanspruchten Platzes der Vereinten Nationen 1.700 qm betrage, die Zeltfläche hingegen nur 600 qm. Das Angebot zur Durchführung eines gemeinsamen Ortstermins hätten die Kläger nicht angenommen. Weiterhin sei das Sicherheitskonzept der Beigeladenen zu Gunsten der Kläger geändert worden, indem die Zaunanlage näher am Kontrollzelt aufgebaut worden sei, so dass sich die Versammlungsfläche für die Kläger vergrößert habe. Die Versammlungsteilnehmer hätten jederzeit die Möglichkeit gehabt, bis auf „Armlänge“ an die Aktionäre heranzukommen, um mit diesen zu diskutieren und Handzettel zu verteilen.
32Die Beigeladene trägt vor, dass bereits gegen die Zulässigkeit der Klage bezüglich Ziff. 1 des Bescheides des Beklagten vom 21.04.2017 erhebliche Bedenken bestünden, denn ein schützenswertes Rechtsschutzziel im Hauptsacheverfahren sei nicht erkennbar. Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet, denn die widerstreitenden grundrechtlichen Positionen der Kläger und der Beigeladenen (bei der Durchführung der aktienrechtlich gebotenen Hauptversammlung) seien im Wege der praktischen Konkordanz in nicht zu beanstandender Weise in Einklang gebracht worden. Die Wirkung der Versammlung der Kläger sei in keiner Weise geschmälert worden; die Demonstranten hätten in einer Entfernung von 15 bis 20 m sowohl zum Haupteingang des WCCB als auch zum Eingang des Zeltes auf dem Platz der Vereinten Nationen demonstrieren und zugleich den ankommenden Aktionären unmittelbar vor dem eingezäunten Bereich Flugblätter aushändigen können.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 20 L 1811/17 sowie der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsunterlagen (einschließlich einer CD in dreifacher Ausführung) Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
35Soweit die Kläger und der Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
36Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
37Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das berechtigte Interesse der Kläger an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen polizeilichen Maßnahme ergibt sich bereits daraus, dass ein schwerwiegender Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Position der Kläger zu bejahen ist, gegen den Rechtsschutz nur nachträglich durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage möglich ist. Dabei sind in versammlungsrechtlichen Verfahren die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets vor, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt.
38Vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 – 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77, juris, sowie Beschluss vom 08.02.2011 – 1 BvR 1946/06 -, juris .
39Dies ist vorliegend der Fall, denn den Klägern wurde der von ihnen gewählte Versammlungsort teilweise verwehrt. Auch wenn den Klägern die Durchführung der angemeldeten Versammlung nicht weit entfernt vom Eingang zum WCCB ermöglicht wurde, war es für diese von ganz erheblicher Bedeutung, den Platz der Vereinten Nationen auch unmittelber vor dem Haupteingang für ihre Veranstaltung benutzen zu können.
40Darüber hinaus ist das berechtigte Interesse der Kläger auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zu bejahen, denn sie haben schlüssig dargelegt, auch in Zukunft - wie sie es auch bereits schon im Mai 2018 wiederum getan haben – auf dem Platz der Vereinten Nationen anlässlich der im WCCB stattfindenden Hauptversammlung der Beigeladenen demonstrieren zu wollen.
41Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
42Die vom Beklagten in der Versammlungsbestätigung vom 21.04.2017 verfügte – allein noch streitgegenständliche - Auflage 1 betreffend den Versammlungsort war rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
43Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der angefochtenen Auflage ist § 15 Abs. 1 VersG, wonach die zuständige Behörde die Versammlung verbieten oder – wie vorliegend - von bestimmten Auflagen abhängig machen kann, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
44Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insoweit wird zunächst Bezug genommen auf die eingehenden Ausführungen in den Beschlüssen der Kammer vom 26.04.2017 – 20 L 1811/17 – und des OVG NRW vom 27.04.2017 – 15 B 491/17 – im Eilverfahren.
45Diese Ausführungen haben die Kläger im Hauptsacheverfahren nicht zu entkräften vermocht.
46Da es sich ursprünglich um eine Anfechtungsklage handelte, ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt derjenige des Erlasses der Verfügung, also der 21.04.2017. Es kann aber weder festgestellt werden, dass der Beklagte seinerzeit erkennbar einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat, noch dass er bei der im Wege der praktischen Konkordanz vorzunehmenden Güterabwägung bei den sich bietenden Umständen fehlerhaft oder – zu Lasten der Kläger – unverhältnismäßig entschieden hat.
47Es liegt entgegen der von den Klägern geäußerten Auffassung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG auch bei einer Gefährdung geschützter Rechte Dritter oder sonstiger verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter der Allgemeinheit vor. Ist dies der Fall, kommen bei der Wahl des Versammlungsortes (über den grundsätzlich der Veranstalter selbst bestimmen kann) versammlungsrechtliche Auflagen in Betracht, um eine praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz herzustellen (so auch ausdrücklich das OVG NRW in seinem Beschluss vom 27.04.2017).
48Soweit sich die Kläger im Hinblick auf ihre am 01.03.2017 angemeldete Versammlung auf ein „Erstanmelderprinzip“ berufen, greift dieser Einwand nicht durch. So gibt es einen entsprechenden, uneingeschränkt geltenden Grundsatz bereits nicht (das Versammlungsgesetz trifft hierzu keine Aussage), sondern es sind die sich konkret bietenden Gesamtumstände zu würdigen.
49Dabei ist vorliegend festzustellen, dass hier nicht – wie ansonsten in den der hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zumeist zugrunde liegenden Fällen – zwei „konkurrierende“ Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz in Rede stehen, die bei ein- und derselben Versammlungsbehörde angemeldet sind, sondern es handelt sich bei der Veranstaltung der Beigeladenen um eine Aktionärsversammlung in den Räumlichkeiten des WCCB, anlässlich derer der Beigeladenen von der Stadt Bonn am 20.03.2017 eine Erlaubnis nach der StVO zur Durchführung einer Straßensperrung vom 25.04.2017 bis zum 29.04.2017 auf dem Platz der Vereinten Nationen erteilt worden ist sowie die Erlaubnis, auf dem Vorplatz des WCCB einen Zeltbau zu errichten und das Gelände mittels Zaunelementen einzufrieden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Erlaubnis – wie die Kläger vortragen - nichtig wäre, vielmehr haben die Kläger bei der 18. Kammer des erkennenden Gerichts ein Eil- und ein Klageverfahren gegen die Stadt Bonn wegen der Erlaubniserteilung an die Beigeladene geführt, wobei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 26.04.2017 – 18 L 1812/17 – der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage als unbegründet abgelehnt wurde, die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom OVG NRW mit Beschluss vom 27.04.2017 – 11 B 496/17 – zurückgewiesen.
50Die Beigeladene war demnach aufgrund eines wirksamen Verwaltungsaktes der insoweit zuständigen Behörde berechtigt, einen Teil der Platzfläche für das Zelt zur Abwicklung der Sicherheitskontrollen bei der Ankunft der Aktionäre in Anspruch zu nehmen. Dies hat der Beklagte zu Recht berücksichtigt und in seine Rechtsgüterabwägung eingestellt. Andererseits ist zu Gunsten der Kläger die Abwicklung ihrer Versammlung so gestaltet worden, dass die Teilnehmer sich in unmittelbarer Nähe zum Zelteingang bewegen und mit den eintreffenden Aktionären direkten Kontakt haben und an diese Flugblätter verteilen konnten. Dies wird durch die in der mündlichen Verhandlung vorgespielte, vom Beklagten eingereichte CD, die Filmberichte des WDR zum Ablauf der Versammlung zum Gegenstand hat, eindrucksvoll dokumentiert.
51Des Weiteren ist im Rahmen der Kooperation zu Gunsten der Kläger auch auf die zunächst vorgesehenen Sichtblenden verzichtet worden.
52Soweit die Kläger rügen, dass für die durchzuführenden Sicherheitskontrollen beim Einlass das vorgelagerte Zelt im Hinblick auf die ausreichenden Kapazitäten des WCCB gar nicht erforderlich gewesen sei, stellte sich das Sicherheitskonzept der Beigeladenen für den Beklagten jedenfalls als plausibel und nachvollziehbar dar. Auch aus diesem Grunde bestand – unbeschadet des Vorliegens der Erlaubnis der Stadt Bonn – für den Beklagten als Versammlungsbehörde kein hinreichender Anlass, dieses Konzept in Frage zu stellen und etwa weitergehende Erkundungen zur Größe und Gestaltung der Räumlichkeiten des WCCB einzuholen (und im Ergebnis ein eigenes, alternatives Sicherheitskonzept für die Beigeladene zu erstellen). Es sind auch aus Sicht der Kammer keine durchgreifenden Mängel gegen das von der Beigeladenen erstellte Sicherheitskonzept erkennbar.
53Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 2, 161 Abs. 2, 161 Abs. 3 VwGO.
54Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
55Die Kammer hat die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen, §§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 S. 1 VwGO.
56Rechtsmittelbelehrung
57Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte - ERVVO VG/FG - vom 7. November 2012, GV. NRW. S. 548) bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
58Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bei dem Oberverwaltungsgericht, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt; sie muss einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
59Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
60Die Berufungsschrift sollte dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
61Beschluss
62Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
635.000,00 €
64festgesetzt.
65Gründe
66Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG).
67Rechtsmittelbelehrung
68Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
69Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
70Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
71Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
72Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
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