Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 23 L 2254/18
Tenor
1.
Der Antrag wird abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.250 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage – 23 K 6740/18 – gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 30. August 2018 wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen,
4ist zulässig, aber nicht begründet.
5Das Gericht stellt die vorliegend nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 sowie Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW entfallende aufschiebende Wirkung der Klage dann wieder her bzw. ordnet sie an, wenn das Interesse des Antragstellers, vorerst von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an deren sofortigem Vollzug überwiegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der streitige Bescheid bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren alleine möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Hingegen überwiegt in der Regel das öffentliche Interesse, wenn der Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist. Lässt sich bei summarischer Prüfung weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes feststellen, so ist dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben, wenn bei einer allgemeinen Abwägung der beiderseitigen Interessen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.
6Ausgehend von diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die angegriffene Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig.
7Die Antragsgegnerin durfte ihre Verfügung auf § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW stützen. Danach können die Bauaufsichtsbehörden nach pflichtgemäßen Ermessen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, wenn bei der Errichtung, Änderung und Nutzung einer baulichen Anlage sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW die öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
8Der Wintergarten des Antragstellers entspricht nicht den brandschutzrechtlichen Vorgaben des § 31 Abs. 1 BauO NRW. Danach sind Gebäudeabschlusswände herzustellen bei Gebäuden, die weniger als 2,50 Meter von der Nachbargrenze entfernt errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 Meter zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen Gebäuden öffentlich-rechtlich gesichert ist.
9Nach Maßgabe dieser Norm bedarf der Wintergarten des Antragstellers an der Grenze zu Flurstück 000 einer Gebäudeabschlusswand, denn er ist grenzständig errichtet. Ein Mindestabstand von 5 Metern zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen Gebäuden ist nicht öffentlich rechtlich gesichert: Die 1990 bewilligte Baulast ist mangels Eintragung nicht wirksam geworden. Hieran ändert weder der zivilrechtliche Vertrag vom 9. Februar 1990 noch die von Frau E. unter dem 6. März 1999 abgegebene Verpflichtungserklärung zur Eintragung einer Abstandflächenbaulast zugunsten des Flurstücks 000 auf ihrem Grundstück etwas. Maßgeblich für die Wirksamkeit der Baulast ist die Eintragung im Baulastenverzeichnis.
10Überdies wäre die bewilligte Baulast - wenn sie eingetragen worden wäre - nicht ausreichend, um den Belangen des Brandschutzes zu genügen: Mit einer Breite von 3,00 Meter und einer Tiefe von 3,03 Meter wäre nur die erforderliche Abstandfläche von 3,00 Meter gesichert, nicht aber der in § 31 Abs. 1 BauO NRW geforderte 5-Meter Bereich. Dieser wäre jedenfalls hinsichtlich privilegierter Vorhaben, die keine Abstandfläche einhalten müssen, nicht gewahrt.
11Der Verstoß gegen § 31 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW ist auch nicht wegen der Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung unbeachtlich.
12Ausweislich der im Zeitpunkt der Genehmigung maßgeblichen Norm des § 27 Abs. 1 Nr. 1 LandesbauO NRW bedarf es einer Gebäudeabschusswand bei Gebäuden, die weniger als 2,50 Meter von der Nachbargrenze entfernt errichtet werden.
13Den Vorgaben dieser Norm entspricht die unter dem 21. März 1990 erteilte Baugenehmigung nicht. Sie enthält hinsichtlich der Ausgestaltung der Wand an der Grenze zu Flurstück 000 eine widersprüchliche Regelung und ist daher nichtig. Während die Grenzwand im Grundriss/Schnitt als feste Wand ausgeführt ist, lautet die Baubeschreibung im Antrag vom 6. September 1988 dahingehend, dass die Wände aus einer weißen Alu-Konstruktion sowie einem schlanken ungedämmten System mit Isolierglas bestehen. Diese Angaben sind widersprüchlich. Der Baugenehmigung lässt sich nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen, welche bauliche Ausgestaltung der Grenzwand dem Antragsteller durch die Baugenehmigung gestattet wird.
14Auf etwaige Unterlagen, die nicht mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehen sind, kommt es nicht an, weil sie nicht Gegenstand der Baugenehmigung geworden sind. Auch mündliche bzw. stillschweigende Abreden nehmen nicht am Inhalt der Baugenehmigung teil,
15vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2014 – 2 A 1690/13 –, juris Rn. 19.
16Aus diesem Grunde dürfte es keine Rolle spielen, dass bei der Antragsgegnerin zeitweise die Vorstellung bestanden haben mag, eine Abstandflächenbaulast sei geeignet, auch die Belange des Brandschutzes abzusichern. Dies hat keinen Niederschlag in der erteilten Baugenehmigung gefunden.
17Mithin kommt der am 26. März 1990 erteilten Baugenehmigung keine Legalisierungswirkung zu.
18Des Weiteren erweist sich die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Beseitigung des brandschutzwidrigen Zustandes zu fordern, als ermessensgerecht.
19Aus der Tatsache, dass die Ausgestaltung der Grenzwand zu Flurstück 000 in der vorliegenden Form seit mehr als 2 Jahrzehnten besteht und auch eine Bauabnahme durchgeführt worden ist, folgt weder ein materieller Bestandsschutz, noch durfte der Antragsteller das Verhalten der Bauaufsichtsbehörde als eine weiteres bauaufsichtliches Einschreiten hindernde Duldung des rechtswidrigen Zustandes werten. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs bestand bei der Antragsgegnerin ab 2016 Kenntnis von der Baurechtswidrigkeit des Wintergartens des Antragstellers.
20Hinzu kommt, dass die Vorschriften über Gebäudeabschlusswände dem vorbeugenden baurechtlichen Brandschutz und damit dem Schutz höchstrangiger Schutzgüter wie Leib und Leben dienen. Besteht eine konkrete Gefahr für diese Schutzgüter, ist die Aufgabe der Beseitigung dieser Gefahr nebst Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung regelmäßig geboten.
21Vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 22. Mai 2002 – 2 S 10.02 – juris; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, § 61 Rn. 175.
22Nicht Gegenstand des Verfahrens ist es, welche rechtlichen Konsequenzen aus der unterbliebenen Eintragung der Baulast im Jahr 1990, der Erteilung der Baugenehmigung für einen Wintergarten auf dem Flurstück 000 sowie der ggf. erfolgten Duldung dieses Bauvorhabens durch den Antragsteller folgen. Ebenso wenig spielt es im hiesigen Verfahren eine Rolle, welche zivilrechtlichen Folgen aus der letztlich 1995 nur teilweise realisierten Abstandflächenbaulast resultieren. Im vorliegenden Verfahren geht es allein um den Aspekt der Gefahrenabwehr aufgrund der mit den brandschutzrechtlichen Vorgaben der Bauordnung nicht im Einklang stehenden baulichen Anlage des Antragstellers.
23Die Zwangsgeldandrohung beruht auf § 55 Abs. 1, 57 Nr. 2, 60 und 63 VwVG NRW. Sie begegnet keinen Bedenken.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
25Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG und berücksichtigt die Bedeutung des Rechtsstreits für den Antragsteller.
26Rechtsmittelbelehrung
27Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
28Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
29Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
30Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
31Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
32Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
33Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
34Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
35Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
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- VwGO § 80 1x
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- 2 A 1690/13 1x (nicht zugeordnet)
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