Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 2 L 2870/18
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2) sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
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Gründe
2Das vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragstellerin mit den Anträgen,
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1. die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 8338/18 gegen die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 15. Oktober 2018 (Az.: ) anzuordnen,
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2. „dem Beizuladenden aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und fortan alle Maßnahmen zur Ausführung des genehmigten Vorhabens zu unterlassen,“
ist zulässig, aber nicht begründet.
8Die im Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Beigeladenen zu 1) an der weiteren Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung und dem Interesse der Antragstellerin, die weitere Ausnutzung vorerst zu verhindern, fällt zum Nachteil der Antragstellerin aus. Denn die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 15. Oktober 2018 zum Neubau eine HIT-Verbrauchermarktes verletzt die Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in ihren Rechten als Eigentümerin des Grundstücks C.------straße 00 in N. , mit der Folge, dass ihre Klage 2 K 8338/18 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
91. Die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin verstößt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegen Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz der Rechte der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind.
10Das Vorhaben des Beigeladenen zu 1) wird im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 25 „Ortskern N. “, 27. Änderung, der Beigeladenen zu 2) realisiert. Einem durch ein Bauvorhaben betroffenen Nachbarn wird insoweit Nachbarschutz nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 BauNVO vermittelt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Eine Störung kann auch – wie hier vorgetragen – darin bestehen, dass die öffentlichen Straßen durch den von einer Anlage verursachten Verkehr so stark belastet werden, dass die Nutzbarkeit der Grundstücke im Baugebiet selbst und darüber hinaus unzumutbar beeinträchtigt wird,
11vgl. nur Roeser in: König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 3. Auflage, 2014, § 15 Rn. 27.
12Das in dem unbestimmten Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit enthaltene Rücksichtnahmegebot ist verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird,
13vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 –, BRS 32 Nr. 77; Beschluss vom 13. Februar 1981 –, BRS 38 Nr. 82.
14Zur Bestimmung der Unzumutbarkeit bedarf es einer Bewertung des jeweiligen Einzelfalls, bei der auch die Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit von Bauherrn und Nachbarn in den Blick zu nehmen ist,
15vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1992 – 4 C 50/89 – juris.
16Voraussetzung für die wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten ist, dass die Nutzung, die für sich eine Rücksichtnahme reklamiert, tatsächlich legal ausgeübt wird. Der „Schwarznutzer“ kann keine Rücksichtnahme verlangen. Abzustellen ist darauf, welche Nutzung bauaufsichtlich genehmigt ist. Denn nur die Beeinträchtigungen einer legalen Nutzung können im Rahmen des vom Gebot der Rücksichtnahme geforderten Interessenausgleichs berücksichtigt werden. Nutzungen, die zwar faktisch ausgeübt werden, aber nicht genehmigt worden sind und auch nicht hätten genehmigt werden können, unterliegen keiner Rücksichtnahmepflicht,
17vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 – 4 C 19.90 –, BRS 55 Nr. 175, Beschluss vom 11. Juli 1994 – 4 B 134.94 –, BRS 56 Nr. 164.
18Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich im vorliegenden Verfahren für das Gericht nicht feststellen, dass vom streitigen Bauvorhaben unzumutbare Belästigungen oder Störungen für den Speditionsbetrieb auf dem Grundstück der Antragstellerin ausgehen. Denn die Antragstellerin ist nicht schutzwürdig, da es an einer legalen Nutzung ihres Grundstücks für die Zwecke des Betriebs einer Spedition fehlt.
19Formal fehlt es vorliegend an einer Baugenehmigung, die den Betrieb einer Spedition auf dem Grundstück der Antragstellerin legalisiert. In den von dem Beklagten vorgelegten Bauakten befinden sich lediglich Bauscheine vom 10. Juni 1949 (Nr. ) für den Einbau einer Tankanlage, vom 28. Juli 1953 für den Bau eines Lagers (Nr. ) für eine Baustoff- und Kohlehandlung, vom 14. August 1964 für die Aufstockung eines Lagergebäudes („Baustoffe“) (Nr. ), vom 11. November 1969 für „Heizöl Lagerung“ (Nr. ), vom 22. Juni 1970 einen Nachtrag für „Heizöl Lagerung“ (Nr. ) sowie Baugenehmigungen vom 05. Mai 1977 zur Umstellung der Heizungsanlage auf Ölfeuerung (Az. ), vom 28. April 2010 zur Nutzungsänderung Ladenlokal in Postfiliale (Az.: ) und vom 08. Juni 2011 ein Nachtrag zur Nutzungsänderung Ladenlokal in Postfiliale. Weitere Baugenehmigungen liegen dem Gericht nicht vor; die Antragstellerin hat auf Anforderung des Gerichts keine weiteren baurechtlichen Genehmigungen betreffend die Nutzung ihres Grundstücks für den Betrieb einer Spedition vorgelegt.
20Dass der Betrieb der Spedition auf dem Grundstück der Klägerin materiell legal wäre, ist für die Kammer derzeit nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch nicht glaubhaft gemacht. Dem Gericht ist es nicht möglich, die materielle Legalität des Speditionsbetriebs auf dem Grundstück C.------straße 00 in N. zu beurteilen. Das gilt schon deshalb, weil es sowohl an einem Bauantrag nach § 70 BauO NRW 2018 als auch an den grundsätzlich zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit erforderlichen Bauvorlagen nach den Vorgaben der BauPrüfVO mangelt. Erforderlich zur Beurteilung wären – in jedem Fall – ein Lageplan gemäß § 3 BauPrüfVO, auf dem – u.a. – auch die Erschließung des Grundstücks darzustellen wäre, Bauzeichnungen nach § 4 BauPrüfVO, eine Bau- und Betriebsbeschreibung nach § 5 BauPrüfVO, aus denen sich – u.a. – die Betriebszeiten sowie die Anzahl der vorhandenen LKW ergäben sowie mit Blick auf schützenswerte Wohnbebauung in der näheren Umgebung eine belastbare Immissionsprognose.
21Eine Verletzung weiterer nachbarschützender Bestimmungen zu Lasten der Antragstellerin ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgetragen.
222. Hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg, so ist auch für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach Maßgabe des Antrags zu 2. kein Raum.
23Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) nicht für erstattungsfähig zu erklären, da die Beigeladenen keine Sachanträge gestellt und sich damit auch selbst keinem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) unterworfen haben.
24Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie trägt der anzunehmenden Bedeutung der Sache aus Sicht der Antragstellerin Rechnung. Wird die Beeinträchtigung eines gewerblichen Betriebs von einem Nachbarn geltend gemacht, ist der Streitwert im Rahmen von 7.500,00 Euro bis 120.000,00 Euro festzusetzen (vgl. Ziffer 7.) b.) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW, i.d.F.v. 22. Januar 2019). Danach erscheint hier im Klageverfahren ein Betrag von 60.000,00 Euro als angemessen, der wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert wird (vgl. Ziffer 14.) a.) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW).
25Rechtsmittelbelehrung
26Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
27Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
28Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
29Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
30Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
31Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
32Die Beschwerde ist schriftlich, zur Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
33Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
34Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
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