Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 6 L 1246/20
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag,
3der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben,
41. den Antragsteller zur Schwerpunktbereichsaufsichtsarbeit (......) am 00.07.2020 von 10:30 - 14:30 Uhr ohne die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Sitzplatz zuzulassen, soweit ein Mindestabstand von 1,50 m zum nächsten Prüfling oder Prüfer besteht,
52. den Antragsteller zur schwerpunktersetzenden Aufsichtsarbeit (.........) am 00.07.2020 von 12:00 -16:00 Uhr ohne die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Sitzplatz zuzulassen, soweit ein Mindestabstand von 1,50 m zum nächsten Prüfling oder Prüfer besteht,
63. dem Antragsteller die gleichen Rechte wie in Ziffern 1. - 2. zuzugestehen, soweit die dort genannten Aufsichtsarbeiten verschoben werden sollten,
7hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag im Sinne von § 123 VwGO ist nicht begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller muss zum einen als Anordnungsanspruch glaubhaft machen, dass das behauptete subjektive Recht besteht; zum anderen muss er als Anordnungsgrund die Dringlichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes wegen einer drohenden Gefahr für die Rechtsausübung glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache vorwegnimmt, ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist und das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung zu tragen.
8Für die Begründetheit des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO sind die formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen glaubhaft zu machen; daher kommt es vorliegend auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage der hinreichenden Ermächtigungsgrundlage und damit der formellen Rechtmäßigkeit des Gebots, während der Prüfung eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, nicht an.
9Der Antragsteller hat hinsichtlich der Anträge zu 1. - 3. einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Als Anspruchsgrundlage für die Teilnahme an den streitgegenständlichen Prüfungen ohne Mund-Nasen-Bedeckung kommt Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. § 2 Abs. 1 Fall 1, § 28 Abs. 4 JAG NRW, § 46 Abs. 1 Buchst. a), Abs. 2 der Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Rechtswissenschaft mit Abschluss erste Prüfung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Antragsgegnerin vom 24.07.2014 in der Fassung vom 26.09.2018 (StudPrO) in Betracht.
10Die formellen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor; insbesondere hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin am 08.07.2020 die Prüfungsteilnahme ohne die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes am Sitzplatz beantragt. Die Antragsgegnerin hat den Antrag am 09.07.2020 unter Verweis auf Ziffer III.1.1 des Rektoratsbeschlusses „Regelungen für Veranstaltungen und Arbeiten in Präsenz“ vom 19.06.2020 abgelehnt.
11Jedoch sind die materiellen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Prüfungen, die den Nachweis erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten für die Aufnahme eines Berufs erbringen sollen, greifen in die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ein und müssen verfassungs- und prüfungsrechtlichen Grundsätzen genügen. Das Recht auf Prüfung genießt auch in organisatorischer Hinsicht Grundrechtsschutz. So dürfen Regelungen der Prüfungsdurchführung nach Art und Umfang nicht ungeeignet, unnötig oder unzumutbar sein.
12Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.1991 – 1 BvR 419/81 u.a. –, juris, Rn. 37.
13Ein Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG auf die vom Antragsteller begehrte Art der Leistungserbringung ist nur dann glaubhaft gemacht, wenn ihn deren Versagung nach den besonderen Umständen des Einzelfalls in unverhältnismäßiger Weise in seiner Grundrechtsposition beeinträchtigt. Dies ist bei einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht der Fall. Das Erfordernis, in den hier streitgegenständlichen Schwerpunktbereichsaufsichtsarbeiten eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, zielt auf einen legitimen Zweck und ist für dessen Erreichung geeignet, erforderlich sowie angemessen.
14Die Verpflichtung, bei Präsenzprüfungen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, verfolgt gemeinsam mit dem Gebot, zu anderen Personen einen Abstand von 1,50 bis 2 m einzuhalten, und der Vorgabe einer ausreichender Raumbelüftung das legitime Ziel, Infektionen mit COVID-19 während der Prüfungen zu vermeiden und schützt damit die Gesundheit sowohl der Prüfungsbeteiligten als auch der Allgemeinheit.
15Diese Vorkehrungen erscheinen im Zusammenspiel mit weiteren Hygienemaßnahmen auch geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen. Dies gilt insbesondere für die hier streitige Verpflichtung zur Bedeckung von Mund und Nase während der Prüfung am Sitzplatz. Ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder erreichbar ist, vielmehr genügt die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung.
16Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.1984 – 1 BvR 1494/78 –, juris, Rn. 52.
17Die Bedeckungspflicht bewegt sich mit Rücksicht auf die konkreten Bedingungen und Umstände innerhalb des Einschätzungsspielraums der Antragsgegnerin. Auf die von anderen Universitäten mit Blick auf die dortigen Verhältnisse ergriffenen Maßnahmen kommt es daher entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht an. Art. 3 Abs. 1 GG würde bei etwaigen Unterschieden schon deshalb keine eigene Rechtsposition des Antragstellers begründen, weil es sich um verschiedene Träger öffentlicher Gewalt handelt.
18Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch die Atmung keine oder nur noch wenige infizierte Tröpfchen in die Luft gelangen und andere dadurch weniger wahrscheinlich die infizierten Tröpfchen einatmen und sich anstecken. Zwar ist die Eignung sogenannter Behelfsmasken als Mittel zur Verringerung der Infektionszahlen bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Nach der aktuellen Empfehlung des Robert-Koch-Instituts, auf die die Antragsgegnerin sich beruft, ist bei dem derzeitigem Erkenntnisstand aber davon auszugehen, dass auch gegebenenfalls privat hergestellte textile Mund-Nasen-Bedeckungen eine (wenn auch im Vergleich zu einem chirurgischen Mund-Nasen-Schutz geringere) Filterwirkung auf Tröpfchen und Aerosole entfalten können, die zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft führen kann. Hierdurch erscheint es wiederum möglich, dass ihr Tragen einen Beitrag zur weiteren Verlangsamung der Ausbreitung des von Mensch zu Mensch übertragbaren Coronavirus leistet.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.05.2020 – 13 B 557/20.NE –, juris, Rn. 90 ff. m. w. N.
20Bei Aerosolen handelt es sich um feine Partikel, die anders als die beim Husten oder Niesen ausgestoßenen Tröpfchen, nicht schnell zu Boden sinken, sondern länger in der Luft schweben – teilweise Minuten oder sogar Stunden. Ob und wie schnell Aerosole absinken, hängt auch von Faktoren wie Raumtemperatur oder Luftfeuchtigkeit ab. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht zunehmende Indizien dafür, dass sich das neuartige Coronavirus auch über mehrere Meter hinweg in der Luft übertragen kann. Eine Gruppe aus 239 internationalen Wissenschaftlern hat angesichts der weltweiten Lockerungen bei den Corona-Einschränkungen auf Studien verwiesen, wonach sich das Coronavirus auch über einen Abstand von mehr als zwei Metern in der Luft übertragen kann. In einem in der Fachzeitschrift „Clinical Infectious Diseases“ veröffentlichten Artikel warnen diese Experten davor, dass sich das Virus über „kleine bis mittlere Distanzen“ in der Luft übertragen könne. Diese Distanzen reichten von „mehreren Metern bis zur Größe eines Raums“. Eine im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich – allerdings künstlich hergestellte – Partikel bis zu drei Stunden lang in der Luft nachweisen lassen. Derzeit ist wohl davon auszugehen, dass von einer erhöhten Infektionsgefahr bedroht ist, wer sich eine längere Zeit mit vielen anderen Menschen in einem geschlossenen Raum mit wenig Luftaustausch aufhält. Stoßlüften mit weit geöffneten Fenstern sorgt für den schnellsten Luftaustausch und verringert die Gefahr einer Ansteckung über Aerosole, ohne diese jedoch auszuschließen.
21Vgl. deutschlandfunk.de, „Welche Rolle spielen Aerosol-Partikel bei der Übertragung des Coronavirus?“, 12.07.2020, https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-welche-rolle-spielen-aerosol-partikel-bei-der.1939.de.html?drn:news_id=1150318 m. w. N (zuletzt abgerufen am 17.07.2020).
22Die reine Bearbeitungszeit der Schwerpunktbereichsaufsichtsarbeiten beträgt nach § 46 Abs. 2 StudPrO nicht weniger als 120 und nicht mehr als 180 Minuten. Dies kann durchaus zu Aufenthaltszeiten von bis zu vier Stunden in einem geschlossenen Raum führen. Für den Prüfungstermin am 00.07.2020 in Hörsaal , wo neben anderen Schwerpunktbereichsprüfungen des Prüfungspools 0 die Aufsichtsarbeit (.....) geschrieben wird, sind nach Angaben der Antragsgegnerin insgesamt 85 Prüflinge angemeldet. Für den Prüfungstermin am 00.07.2020 in der Aula , wo unter anderem die Aufsichtsarbeit (.......) im Prüfungspool 00 geschrieben wird, wird mit insgesamt 95 Prüflingen gerechnet. Die Räumlichkeiten verfügen nicht über Fensteröffnungen, nach Angaben der Antragsgegnerin jedoch über ein Belüftungssystem. Angesichts dieser räumlichen, zeitlichen und quantitativen Umstände erscheint das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zur Abwehr der beschriebenen Infektionsgefahr durch Aerosole geeignet.
23Die Verpflichtung, während der Prüfung eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, dürfte auch erforderlich sein. Mildere aber gleich effektive Mittel sind nicht ersichtlich. Die vom Antragsteller als ausreichend erachtete Wahrung des Abstandsgebots sowie die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit der anwesenden Personen oder der von ihm vorgeschlagene Aufbau von Plexiglasscheiben zwischen Prüflingen sowie Aufsichtspersonen sind nicht in gleicher Weise wirksam, Ansteckungen zu verhindern. Denn diese Maßnahmen können nicht ebenso effektiv wie Masken die Verbreitung von Aerosolen verringern. Dieser Gefahr lässt sich auch nicht durch die vom Antragsteller vorgeschlagenen organisatorischen Entzerrungen in gleich wirksamer Weise begegnen. Zwar wäre mit der Aufteilung der Prüfungstermine auf das jeweilige Prüfungsthema eine Reduktion der Teilnehmerzahl und damit wahrscheinlich auch des Ansteckungsrisikos verbunden. Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin ist dies jedoch aus organisatorischen Gründen nicht möglich. Demnach habe sie aufgrund der Einschränkungen der Corona-Pandemie die Prüfungsplanung und -organisation komplett umstellen müssen. Soweit wie möglich würden Prüfungen in Online-Formaten durchgeführt. Für das Ende des Sommersemesters 2020 seien gesamtuniversitär 243 Prüfungen identifiziert worden, die zwingend in Präsenz stattfinden müssten. An diesen Prüfungen würden insgesamt voraussichtlich mindestens 31.696 Prüflinge teilnehmen, wobei mögliche Wiederholungsprüfungen noch nicht berücksichtigt seien. Für die Durchführung dieser Prüfungen stünden nur ausgewählte Räume zur Verfügung, in denen die Hygienevorschriften umgesetzt werden könnten. Um die Abstandsregelungen einzuhalten, hätten die Räume eine eingeschränkte Kapazität von 20 %. Aus diesen Gründen stünden für die 243 Prüfungen lediglich 20 Räume zur Verfügung, die zusammen maximal für 961 Personen zur gleichen Zeit Platz böten. Der größte Hörsaal für Präsenzprüfungen fasse unter diesen Bedingungen maximal 116 Personen. Dementsprechend müssten Prüfungen mit relativ vielen Prüflingen auf mehrere Räume verteilt werden, wodurch unter anderem mehr Aufsichtspersonal benötigt werde. Zudem müssten ausreichende Zeiten für den Einlass und das Verlassen der Räume unter Beachtung der Abstandsregelungen und der Desinfektion der Räume eingeplant werden. Jede Präsenzprüfung müsse nach den Hygiene- und Infektionsschutzregelungen vorbereitet und begleitet werden, was die Antragsgegnerin detailliert ausführt. Um diese Vorgaben zu erfüllen und möglichst sicher zu stellen, dass mehrere von Prüflingen zu absolvierende Prüfungen nicht parallel liegen, hätten die Fakultäten – wie oben beschrieben – Prüfungspools angelegt. Angesichts dessen sei eine weitere Aufteilung von Prüfungsterminen in praktischer und zeitlicher Hinsicht kaum durchführbar. Das Gericht hält diese Darlegungen und Einschätzungen bei summarischer Prüfung für plausibel.
24Schließlich ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während der Prüfungen auch angemessen. Insbesondere beeinträchtigt dies den Antragsteller nicht unverhältnismäßig in seiner Grundrechtsposition. Die Bedeckungspflicht bedeutet zwar einen Eingriff in sein durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistetes Recht auf Prüfung. Dieser Eingriff steht jedoch zu dem verfolgten Ziel des Schutzes von Leben und Gesundheit der anderen Prüflinge (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht außer Verhältnis. Das grundsätzlich schutzwürdige Interesse des Antragstellers, an den Prüfungen ohne Mund-Nasen-Bedeckung teilzunehmen, tritt in der Gesamtwürdigung gegenüber den drohenden erheblichen Gefahren für Leib und Leben der anderen Teilnehmer, die bis zum Tod führen können, zurück.
25So im Ergebnis bereits: VG Köln, Beschluss vom 06.07.2020 – 6 L 1197/20 –, juris.
26Die für den Antragsteller mit der Bedeckungspflicht einhergehenden Beeinträchtigungen sind ihm zumutbar. Maßstab ist insoweit nicht die individuell-konkrete Empfindlichkeit des Antragstellers, sondern diejenige des „Durchschnittprüflings“
27Vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 11.08.1993 – 6 C 2.93 –, juris, Rn. 47.
28Die Beeinträchtigungen sind bei einer Bearbeitungszeit von 120 - 180 Minuten begrenzt und überschaubar. Sie werden zudem durch weitere Regelungen abgemildert. So darf nach Ziffer III.1.1 des Rektoratsbeschlusses die Mund-Nasen-Bedeckung bei Bedarf zum Essen oder Trinken kurz angehoben werden, sofern die Abstände gewahrt sind; das Anheben soll dabei auf das notwendige Maß beschränkt bleiben. Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Antragstellers, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während einer Prüfung beeinträchtige spürbar die Konzentration des Prüflings.
29A. A. VG Göttingen, Beschluss vom 27.05.2020 – 4 B 112/20 –, BA S. 3.
30Vorliegend kommt es aber auf die Entscheidung dieser Frage ebenso wenig an wie auf den Vortrag des Antragstellers, eine Mund-Nasen-Bedeckung würde ihn als Brillenträger wegen des Beschlagens der Gläser gegenüber Prüflingen ohne Sehhilfe benachteiligen. Denn die Antragsgegnerin hat ihm mit ihrer Ablehnungsentscheidung vom 09.07.2020 die Nutzung eines Gesichtsvisiers gestattet, wobei an dieser Stelle dahinstehen kann, ob dies zur Aerosoleindämmung gleichermaßen effektiv ist. Dem Einwand des Antragstellers, ein auf dem Kopf zu tragendes Gesichtsvisiers sei zu schwer und störe seine Konzentrationsfähigkeit, kann das Gericht nicht folgen. Auf dem Markt verfügbare Gesichtsvisiere stellen mit einem Gewicht von ca. 100 Gramm keine beachtliche Störung dar.
31Für die Angemessenheit der Bedeckungspflicht sprechen auch weitere prüfungsrechtliche Regelungen: Werden Prüfungen wie die streitgegenständlichen nicht bestanden, gelten sie als nicht unternommen (Freiversuchsregelung). Zudem besteht bei – vom Antragsteller nicht vorgetragenen – gesundheitlichen Einschränkungen die Möglichkeit, im Wege eines zu beantragenden Nachteilsausgleichs Prüfungen ohne Mund-Nasen-Bedeckung in einem gesonderten Raum zu schreiben.
32Die mit der Mund-Nasen-Bedeckung (oder dem Gesichtsvisier) für den Antragsteller einhergehenden konkreten Beeinträchtigungen stehen zum verfolgten Ziel auch nicht außer Verhältnis. Sie sind gegenüber dem überragenden Interesse am Gesundheitsschutz der übrigen Prüfungsteilnehmer (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) vergleichsweise gering. Nach den obigen Ausführungen besteht bei einem Aufenthalt von 85 bzw. 95 Prüflingen in einem fensterlosen Raum mit Belüftungssystem während einer Dauer von bis zu vier Stunden unter Berücksichtigung der atmungsintensiven Erbringung von Prüfungsleistungen ein reales Risiko einer Virenübertragung durch Aerosole, welches wahrscheinlich durch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen reduziert werden kann. Den von der Antragsgegnerin ergriffenen Maßnahmen kommt ein besonderes Gewicht zu, weil derzeit weder ein Impfstoff noch ein zugelassenes und klinisch erprobtes Arzneimittel zur Bekämpfung des neuartigen und in vielerlei Hinsicht noch unerforschten Coronavirus zur Verfügung stehen. Im Übrigen würde ein Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit einer Universitätsprüfung nicht nur die Gesundheit der Prüfungsteilnehmer bedrohen, sondern vermutlich auch den weiteren Prüfungsbetrieb bei der Antragsgegnerin im Sommersemester 2020 und damit die Prüfungsansprüche anderer Studierender (Art. 12 Abs. 1 GG) in Bezug auf später terminierte Prüfungen gefährden.
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache hat das Gericht davon abgesehen, den Streitwert zu reduzieren.
35Rechtsmittelbelehrung
36Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
37Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
38Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
39Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
40Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
41Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
42Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
43Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
44Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
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- 6 L 1197/20 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 112/20 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 55a 3x