Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 21 L 2339/20
Tenor
1.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der wörtliche Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage auf der Grundlage von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherzustellen,
4ist gem. §§ 122 Abs. 1, 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin hinsichtlich der Verfügung in Ziffer I. des Bescheids des Antragsgegners vom 8. Dezember 2020 die Wiederherstellung, hinsichtlich Ziffer II. des nämlichen Bescheids hingegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 9. Dezember 2020 erhobenen Anfechtungsklage begehrt, § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 bzw. 1 VwGO.
5Der so ausgelegte, zulässige Antrag ist unbegründet, und zwar sowohl im Hinblick auf die begehrte Wiederherstellung (hierzu I.) als auch im Hinblick auf die begehrte Anordnung (hierzu II.) der aufschiebenden Wirkung.
6I.
7Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Ziffer I. des Bescheids ist unbegründet.
8Zunächst begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziff. III des angegriffenen Bescheids formell keinen Bedenken. Der in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO niedergelegten Pflicht, in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der Vollziehung eines Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist die erlassende Behörde nachgekommen. Sie hat unter Berufung auf die im konkreten Einzelfall bestehende Gefahr für das Tierwohl begründet, warum die Untersagung des Transports aus Sicht der Behörde sofort und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft vollzogen werden muss. Hierbei hat sie insbesondere auf die Schwere der ihrer Ansicht nach zu erwartenden tierschutzrechtlichen Verstöße abgestellt und insoweit im Einzelnen auf die Ernährung, Haltung, den Transport, die Vorbereitung zur Schlachtung sowie die Schlachtung selbst Bezug genommen. Diese Begründung wird ihrer Informationsfunktion im Hinblick auf die Adressatin ebenso gerecht wie ihrer Warnfunktion gegenüber der Behörde selbst.
9Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Bei der im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts sind die dem Rechtsbehelf bei summarischer Prüfung beizumessenden Erfolgsaussichten von erheblicher Bedeutung. Ergibt die summarische Prüfung, dass der eingelegten Klage offensichtlich Erfolg beschieden sein wird, ist ihre aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Im entgegengesetzten Fall der offensichtlich fehlenden Erfolgsaussichten der Klage bleibt auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO erfolglos, sofern sich die Behörde - wie hier aus den in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genannten Gründen - auf ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse berufen kann.
10Sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zwar nicht unter Heranziehung eines Offensichtlichkeitsmaßstabs bestimmbar, aber doch im Rahmen einer summarischen Prüfung voraussichtlich abschätzbar, so ist eine zusätzliche Interessenabwägung anzustellen. Ist der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig und ergibt die Interessenabwägung, dass das Aufschubinteresse des Antragstellers nicht überwiegt, ist der Antrag abzulehnen. Ist der Verwaltungsakt hingegen bei summarischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig und ergibt die Interessenabwägung, dass das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners nicht überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
11Sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs auch danach nicht eindeutig feststellbar, bestimmt sich das Ergebnis nach dem Resultat einer Folgenabwägung, bei der die Folgen einer Aussetzung der Vollziehung des Bescheides trotz späterer Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage den Folgen einer sofortigen Vollziehung trotz späterem Obsiegen in der Hauptsache gegenübergestellt werden.
12Daran gemessen überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse. Die Erfolgsaussichten der Klage sind offen (hierzu 1.). Die Abwägung des öffentlichen Vollziehungsinteresses mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin geht zu Lasten der Antragstellerin aus (hierzu 2.).
131.
14Die Erfolgsaussichten der Klage VG Köln 21 K 6700/20 sind offen, da derzeit im Rahmen der anzustellenden summarischen Prüfung in der Kürze der für eine Entscheidung zur Verfügung stehenden Zeit nicht festgestellt werden kann, ob der angegriffene Verwaltungsakt voraussichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Klar ist allerdings, dass der Antragsgegner seine Entscheidung auf eine zutreffende Ermächtigungsgrundlage gestützt hat. Nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße gegen Vorschriften des TierSchG notwendigen Anordnungen. Der Behörde steht dabei kein Entschließungsermessen zu. Sie darf bei festgestellten oder drohenden Verstößen gegen das TierSchG nicht untätig bleiben, sondern muss einschreiten. Das „Wie“ des Einschreitens, d. h. die Wahl der konkreten Maßnahmen, steht dabei im Ermessen der Behörde; ihr Auswahlermessen wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet und beschränkt.
15Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Köln, Beschluss vom 18. November 2020 - 21 L 2135/20 -, juris Rn. 36 ff.
16Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift hier vorliegen, ist offen. Ein Verstoß gegen das Tierschutzrecht der darauf beruht, dass ein Tier aus Deutschland in das Ausland verbracht wird, wo es dann tierschutzwidrig misshandelt wird, ist allerdings dann relevant, wenn der Verstoß konkret und mit hinreichender Sicherheit droht und wenn er ein ganz erhebliches Ausmaß erreicht (hierzu a.). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen sind, ist allerdings offen (hierzu b.).
17a.
18Im Rahmen des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des TierSchG ist ein Verstoß gegen das Tierschutzrecht der darauf beruht, dass ein Tier aus Deutschland in das Ausland verbracht wird, wo es dann tierschutzwidrig misshandelt wird, dann relevant, wenn der Verstoß konkret und mit hinreichender Sicherheit droht und zudem ein erhebliches Ausmaß erreicht.
19Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG ist anerkannt, dass es erforderlich, aber auch hinreichend für ein Einschreiten der Behörde ist, dass ein tierschutzwidriger Vorgang in absehbarer Zeit mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die Behörde braucht, wie sich bereits dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („Verhütung künftiger Verstöße“) entnehmen lässt, nicht abzuwarten, bis ein Verstoß gegen das Tierschutzrecht stattgefunden hat. Genügend veranlasst ist eine solche Anordnung dementsprechend außer im Fall bereits aussagekräftig begangener Zuwiderhandlungen auch dann, wenn ein Verstoß gegen § 2 TierSchG nach prognostischer Abschätzung bei ungehindertem Fortgang des Geschehens hinreichend wahrscheinlich im Sinne einer ordnungsrechtlichen Gefahr ist. Es gilt der elastische Gefahrbegriff des Polizei- und Ordnungsrechts, d. h.: an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und schwerer der möglicherweise eintretende Schaden wiegt.
20Vgl. zu alldem VG Köln, Beschluss vom 18. November 2020 - 21 L 2135/20 -, juris Rn. 36 ff.
21Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Gefahr eines Verstoßes gegen das Tierschutzrecht darauf beruht, dass ein Tier aus Deutschland in das Ausland verbracht wird, wo es dann tierschutzwidrig misshandelt wird (hierzu aa.). Allerdings ist solchen Fällen ein Verstoß gegen die Bestimmungen des nationalen Tierschutzrechts nur dann relevant, wenn der oder die Verstöße konkret und mit hinreichender Sicherheit drohen und wenn sie ein ganz erhebliches Ausmaß erreichen (hierzu bb.).
22aa.
23Die Entscheidungsmaßstäbe nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG gelten grundsätzlich auch dann, wenn die Gefahr von Verstößen gegen das Tierschutzrecht darauf beruht, dass ein Tier aus Deutschland in das Ausland verbracht wird, wo es dann tierschutzwidrig misshandelt wird. Denn auch die Weggabe eines Tiers kann den Tatbestand des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG erfüllen, wenn tierschutzrechtliche Verstöße im Anschluss an die Weggabe nach dem vorstehend dargelegten Maßstab mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind.
24Vgl. zu alldem VG Köln, Beschluss vom 18. November 2020 - 21 L 2135/20 -, juris Rn. 36 ff.
25Das tierschutzrechtlich relevante gefahrerhöhende Verhalten liegt in diesen Fällen bereits in der Weggabe des Tieres. Findet diese - wie im Falle eines Tiertransports - ihren Ursprung im Inland, kommt es nicht darauf an, ob die späteren Verstöße im Ausland stattfinden. Das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip ist nicht verletzt, denn Anknüpfungspunkt und Gegenstand der Verfügung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG ist das Handeln des Tiertransporteurs auf dem Boden der Bundesrepublik. Dass sich der Schutz durch das deutsche Tierschutzgesetz grundsätzlich auch auf Fälle bezieht, in denen Tiere aus Deutschland in Länder abgegeben werden, in denen ihnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine tierschutzwidrige Behandlung droht, folgt auch aus § 12 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG. Danach wird das Bundesministerium ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist, das Verbringen bestimmter Tiere aus dem Inland in einen anderen Staat zu verbieten. Dass eine solche Verordnung hier nicht ergangen ist, steht dem Erlass von Anordnungen nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG nicht entgegen.
26Diese Auslegung des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG steht nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 19. November 1997 – 13 B 2070/97 –, in dem das Gericht für den Fall eines Tiertransports nach Frankreich ein Einschreiten gegen den inländischen Transporteur mit dem Argument abgelehnt hat, die in diesem Fall in Rede stehende Art und Weise der Tötung der Tiere sei durch Normen des Gemeinschaftsrechts geregelt, zu deren Durchsetzung auf seinem Territorium der jeweilige Mitgliedstaat (allein) berufen sei.
27Denn die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts widerspricht nicht dem Vorgesagten, dass der Transport aus dem Inland ein gefahrerhöhendes Verhalten und damit tauglicher Anknüpfungspunkt einer Verfügung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG ist, sondern lehnt ein Einschreiten deutscher Behörden vielmehr mit dem Argument des Anwendungsvorrang des Unionsrechts ab. In der vorliegenden Konstellation, die die tierschutzwidrige Behandlung der zu transportierenden Rinder in einem nicht-EU-Staat betrifft, liegt hingegen ein Verstoß gegen diesen Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht vor. Die Haltung und Schlachtung von Tieren in Drittstaaten unterfällt dem Territorialprinzip folgend nicht den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts über das Halten bzw. Schlachten von Tieren.
28Vgl. zu alldem VG Köln, Beschluss vom 18. November 2020 - 21 L 2135/20 -, juris Rn. 46 ff.
29bb.
30Allerdings ist in solchen Fällen - wenn es um eine Ausfuhr von Tieren in Drittstaaten geht, die nicht der Europäischen Union angehören - ein Verstoß gegen die Bestimmungen des nationalen Tierschutzrechts nur dann relevant i. S. v. § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG, wenn der oder die Verstöße konkret und mit hinreichender Sicherheit drohen und wenn sie zudem ein erhebliches Ausmaß erreichen.
31Diese Einschränkung der behördlichen Eingriffsbefugnisse nach dem TierSchG ist sowohl der Sache nach als auch aus Gründen des Vorbehalts des Gesetzes geboten. Legte man nämlich an Fälle, in denen Tiere aus Deutschland in das Ausland verbracht werden, die gleichen Entscheidungsmaßstäbe an, wie sie für den „Normalfall“ der Anwendung des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG in Deutschland gelten, so würde dies dazu führen, dass die Maßstäbe des deutschen Tierschutzrechts (einschließlich aller detaillierten Regelungen, beispielsweise der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischen Produkte gehaltenen Tiere bei ihrer Haltung oder der Verordnung Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung) im Ergebnis weltweite Geltung beanspruchten; deutsche Behörden und deutsche Gerichte wären bei Tierexporten gezwungen, weltweit über die Einhaltung deutscher tierschutzrechtlicher Maßstäbe zu wachen, wenngleich die konkrete Beherrschung des Umgangs mit den im Ausland befindlichen Tieren dem deutschen Staat völkerrechtlich (und auch praktisch) nicht möglich wäre. Zugleich würde es faktisch zu einer nicht unerheblichen Beschränkung der Ausfuhr von Tieren aus Deutschland kommen, ohne dass es hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung gäbe (vgl. §§ 4, 5 AWG).
32Umgekehrt steht einer allzu weitgehenden Beschränkung der behördlichen Eingriffsbefugnisse auf Sachverhalte mit Auslandsbezug entgegen, dass der Tierschutz in Deutschland gem. Art. 20a GG Verfassungsrang besitzt. Dieser – bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu berücksichtigenden – Staatszielbestimmung
33vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Art. 20a GG Rn. 29
34widerspräche es jedenfalls, wenn der Staat Tiertransporte ins Ausland uneingeschränkt dulden würde, obgleich es absehbar ist, dass die Tiere dort konkret und mit hinreichender Sicherheit massiv tierschutzwidrig behandelt werden. Denn die Vorschrift des Art. 20a GG ist auch bei der Anwendung und Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu berücksichtigen. Hinzu tritt - wie gesagt -, dass das deutsche Tierschutzrecht aus sich heraus durchaus auch auf Tierexporte anzuwenden ist.
35Bei alldem ist in den Blick zu nehmen, dass die Gesetzes- und Verfassungsbindung der deutschen Staatsgewalt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Modifikationen insbesondere hinsichtlich der Intensität dieser Bindung unterliegt und dass diese Bindung abnimmt, je weniger Kontrolle die deutsche Staatsgewalt über das Geschehen hat.
36Vgl Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblatt Stand April 2020, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 79 ff.
37Dies vorausgeschickt, kommt die Untersagung der Verbringung von Tieren in das außereuropäische Ausland auf Grundlage des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG wegen dort zu erwartender tierschutzwidriger Behandlung nur dann in Betracht, wenn der oder die Verstöße gegen Tierschutzrecht konkret und mit hinreichender Sicherheit drohen und zudem ein erhebliches Ausmaß erreichen. Ob und wann dies der Fall ist, lässt sich nur im jeweiligen Einzelfall unter Einbeziehung aller Umstände - insbesondere der Anzahl, der Wahrscheinlichkeit, der zeitlichen Nähe und der Intensität der Verstöße - entscheiden.
38Ein solcher Fall kommt etwa dann in Betracht, wenn Tiere aus Deutschland ins Ausland verbracht werden, um sie dort unter Anwendung massiv tierschutzwidriger Methoden zu schlachten. Vgl. dazu VG Köln, Beschluss vom 18. November 2020 - 21 L 2135/20 -, juris Rn. 57 ff.
39b.
40Dies zugrunde gelegt, ist der Ausgang des Rechtsstreits offen.
41Dem Antragsteller ist zunächst zuzugeben, dass jedenfalls nicht zu erwarten ist, dass die Tiere in Marokko sofort im Anschluss an den Transport der Schlachtung zugeführt werden. Er hat unter Vorlage verschiedener Erklärungen und Verkaufsunterlagen des marokkanischen Erstabnehmers der streitgegenständlichen Tiere sowie allgemeiner wirtschaftlicher Kennzahlen nachvollziehbar dargelegt, dass die Tiere in Marokko – jedenfalls zunächst – der Milchproduktion und nicht als Schlachtvieh dienen werden; der Antragsgegner hat dem nicht widersprochen.
42Zugleich hat der Antragsgegner aber unter Angabe konkreter Anhaltspunkte nachvollziehbar dargelegt, dass die Haltung der auf die Milcherzeugung spezialisierten Hochleistungsrinder unter den in Marokko herrschenden Bedingungen nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist, insbesondere im Hinblick auf die Ernährung der Tiere und ihre Versorgung mit Wasser. Der Antragsgegner hat insoweit dargelegt, dass die Haltung von Milchkühen in Marokko ganz überwiegend in Klein- und Kleinstbetrieben mit weniger als fünf Kühen stattfindet,
43vgl. Agentur für Wirtschaft und Entwicklung, Länderanalyse Marokko, 21. September 2020, S. 23,
44in denen die stete Gefahr besteht, dass die Tiere aufgrund der mangelhaften Versorgung mit Futter und Flüssigkeit unproduktiv und bereits nach einer Laktationsperiode der Schlachtung zugeführt werden,
45vgl. Wirths, Deutsches Tierärzteblatt 2020, 973 (974); Animals‘ Angels, „Milch“kühe aus der EU in Marokko – auf lokalen Märkten gehandelt und geschlachtet, November 2020; Deutscher Tierschutzbund e. V., Eignen sich deutsche Zuchtrinder zur Milcherzeugung in Drittstaaten, Mai 2020, S. 6,
46die auf einer Vielzahl von Tiermärkten in Marokko nach den einschlägigen Berichten in der Regel mit erheblichen Leiden für die Tiere verbunden ist.
47Vgl. Animals‘ Angels, „Milch“kühe aus der EU in Marokko – auf lokalen Märkten gehandelt und geschlachtet, November 2020 sowie die weiteren Nachweise bei VG Köln, Beschluss vom 18. November 2020 - 21 L 2135/20 -, juris Rn. 62 ff.
48Schon im Vorfeld einer etwaigen Schlachtung drohen den Tieren, insbesondere dann wenn sie an vorerwähnte Klein- und Kleinstbetriebe veräußert werden sollten, tierschutzrechtliche Verstöße von einigem Gewicht im Hinblick auf mangelhafte Ernährung, Pflege, Unterbringung und tierärztliche Versorgung. Auch dies hat der Antragsgegner nachvollziehbar und unter Bezugnahme auf konkrete Berichte vorgetragen.
49Vgl. Deutscher Tierschutzbund e. V., Eignen sich deutsche Zuchtrinder zur Milcherzeugung in Drittstaaten, Mai 2020, S. 22; Wirths, Deutsches Tierärzteblatt 2020, 973 (974).
50Legte man diesen Vortrag des Antragsgegners zugrunde, spricht einiges dafür, dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG gegeben sind. Denn insoweit würden die streitgegenständlichen Tiere in Marokko zunächst einmal tierschutzwidrig gehalten bzw. transportiert um sie dann nach relativ kurzer Zeit der Nutzung als Milchvieh unter Anwendung massiv tierschutzwidriger Methoden zu schlachten.
51Diesem Vortrag des Antragsgegners ist die Antragstellerin zwar auf zweierlei Weise entgegengetreten: Zum einen hat sie vorgetragen, dass es in Marokko entgegen der Darstellung des Antragsgegners sehr wohl Milchbetriebe gebe, die Milchvieh sowohl nachhaltig als auch unter Einhaltung tierschutzrechtlicher Standards hielten. Hierzu hat sie u. a. sowohl Links zu im Internet verfügbaren Videos der größten Kooperative in Mittel-Marokko als auch Beispiele derartiger Betriebe von der Homepage einer deutsch-marokkanischen Gesellschaft zur Förderung der Landwirtschaft vorgelegt; ferner eine Stellungnahme der Rinderzucht Schleswig-Holstein eG, laut der sich die Milchproduktion in Marokko seit 1965 mehr als verfünffacht habe und aus Deutschland nach Marokko praktisch ausschließlich Zucht- und keine Schlachtrinder exportiert würden, sowie Informationen des Deutsch-Marokkanischen Exzellenzzentrums über die Verwendung von deutschen Rindern für die Milchviehzucht in Marokko. Zusätzlich zu diesen Ausführungen zur allgemeinen Situation in Marokko hat die Antragstellerin zudem Erklärungen und Rechnungen des marokkanischen Erstabnehmers der streitgegenständlichen Tiere vorgelegt, aus denen sich sowohl die Namen vergangener Käufer von I. -Milchkühen als auch die Namen der nunmehr ins Auge gefassten Endabnehmer ergeben.
52Dabei ist der Antragstellerin zuzugeben, dass sich aus den von ihr vorgelegten Unterlagen ebenso wie aus den im Übrigen vom Gericht herangezogenen Erkenntnismitteln zunächst einmal ergibt, dass in Marokko sehr wohl Betriebe existieren, in denen Milchvieh erfolgreich gezüchtet und gehalten wird und in denen angemessene tierschutzrechtliche Standards eingehalten werden. Dies wird jedoch auch vom Antragsgegner nicht in Abrede gestellt, denn auch nach dessen Vortrag spielen sich die drängendsten tierschutzrechtlichen Probleme insbesondere in kleinen Betrieben ab, die aber in Marokko nun einmal die Mehrheit bilden.
53Dies alles vorausgeschickt, stellt sich die tatsächliche Lage als offen dar. Es ist von der Antragstellerin nicht belegt – und wird sich in der knapp bemessenen Zeit bis zum Termin des Transports auch nicht mehr klären lassen – ob die Endabnehmer der Rinder zu den von ihr beispielhaft genannten „vorbildlichen“ Betrieben gehören, oder ob sie zu den Betrieben zählen, in denen den Tieren die beschriebenen massiven tierschutzrechtlichen Verstöße bei Haltung und Schlachtung drohen würden. Im Gegenteil ist es dem Gericht im Rahmen einer Internetrecherche nur im Hinblick auf einen der in den Rechnungen genannten Betriebe – namentlich die Cooperative El Hamra in Sakia – gelungen, überhaupt an konkrete Informationen zu gelangen, in diesem Fall Videoaufnahmen von insgesamt ca. 3 Minuten Länge, die allerdings – soweit sich dies unter diesen Umständen überhaupt bewerten lässt – den Eindruck einer im Wesentlichen erfolgreichen und tierschutzgerechten Haltung vermitteln.
54Vgl. die Videoaufnahmen unter den URLs https://www.youtube.com/watch?v=BPE91x5u01E; https://www.youtube.com/watch?v=AzHOGVptkCo.
55Auch bleibt letztlich offen, ob die transportierten Tiere tatsächlich an die von dem Erstabnehmer genannten Betriebe weitergegeben würden; verbindlicher Mitteilungen darüber hat sich der Erstabnehmer der Antragstellerin enthalten. Auch hat der Erstabnehmer der Antragstellerin in der Vergangenheit Tiere auch an Privatpersonen weitergegeben, die nunmehr nicht in der Liste der Personen aufgeführt werden, an die Tiere weitergegeben würden. Auch insgesamt konnten in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit die tatsächlichen Angaben der Antragstellerin – aber auch die des Antragsgegners – nicht abschließend gewürdigt bzw. gewichtet werden.
562.
57Bei der hiernach anzustellenden Abwägung des Suspensivinteresses der Antragstellerin mit dem öffentlichen Vollziehungsinteresse überwiegt das letztgenannte.
58Dabei muss die Abwägung, sind die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits – wie hier – offen, nach Maßgabe einer Doppelhypothese erfolgen, bei der die Folgen einer Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes trotz späterer Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage den Folgen einer sofortigen Vollziehung trotz späterem Obsiegen in der Hauptsache gegenübergestellt werden.
59Vgl. Buchheister, in: Wysk, VwGO, 3. Auflage 2020, § 80 Rn. 51.
60Dies zugrunde gelegt, überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse. Würde die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und erwiese sich der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig, so drohte ein schwerwiegender und irreparabler Eingriff in das von Art. 20a GG geschützte Rechtsgut des Tierwohls. Demgegenüber stehen drohende Vermögensschäden der Antragstellerin, die daran gehindert wäre, den von ihr vertraglich übernommenen konkreten Tiertransport durchzuführen, wobei dies lediglich eine entgangene "wirtschaftliche Chance" darstellt. Dass ihr zudem ein wirtschaftlicher Schaden von „existenzbedrohendem Ausmaß“ droht, hat sie nicht plausibel gemacht. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen, weshalb „zahlreiche Kunden“ wegen eines untersagten Tiertransports in ein bestimmtes Zielland davon abgehalten werden sollten, die Antragstellerin mit anderen Transporten zu beauftragen, zumal die marokkanischen Endabnehmer, mit denen die die Untersagungsverfügung letztlich in Zusammenhang steht, nicht einmal Kunden der Antragstellerin, sondern Kunden des Käufers ihrer Auftraggeberin sind, weshalb auch eine irgendwie geartete Rufschädigung nicht ersichtlich ist.
61In diesem Rahmen kann hier auch nicht durchgreifend berücksichtigt werden, dass die Ordnungsverfügung des Antragsgegners erst am gestrigen Tag erging, obschon der Antragsgegner bereits am 25. November 2020 von dem beabsichtigten Transport erfuhr. Zwar mag es Gründe dafür geben in Fällen, in denen einer verzögerte Bearbeitung durch eine Behörde dazu führt, dass Sachverhaltsermittlungen nicht in hinreichend gründlicher Weise erfolgen können, dass „Risiko“ eines offenen Sachverhaltes im Eilverfahren der Behörde aufzuerlegen. Indes kann hier letztlich aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Eilverfahrens von einer verzögerten Behandlung durch die Behörde nicht die Rede sein. Der vorliegende Sachverhalt betrifft rechtliches Neuland und musste zunächst einmal - ohne dass in größerem Umfang bereits Erkenntnisse aus der Verwaltungspraxis vorlagen - umfassend aufgearbeitet werden. Schließlich belegen auch Umfang und Art der angegriffenen Verfügung, dass das Erlassdatum der Verfügung nicht prozesstaktisch motiviert war.
62II.
63Auch soweit die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Ziffer II. des angegriffenen Bescheids beantragt, ist dieser Antrag unbegründet.
64Das Gericht kann gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage in der Hauptsache ganz oder teilweise anordnen, wenn diese, wie im Falle des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 JustG NRW kraft Gesetzes entfällt. Voraussetzung hierfür ist jedoch analog § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher erscheint als ein Misserfolg.
65Vgl. Saurenhaus/Buchheister, in: Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. (2016), § 80 Rn. 46, 48 m. w. Nachw.
66Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Zwangsgeldandrohung bestehen nicht. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben.
67Die Zwangsgeldandrohung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 63, 60, 57 Abs. 1 Nr. 2, 56 Abs. 1, 55 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 50.000,00 Euro liegt im mittleren Bereich des durch § 67 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW vorgegebenen Rahmens und berücksichtigt in Übereinstimmung mit Satz 2 dieser Vorschrift das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der Nichtbefolgung der Untersagungsverfügung.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
69Der Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes wobei das Gericht in Ermangelung genauer Anhaltspunkte hinsichtlich der konkreten wirtschaftlichen Bedeutung der Ziffer I. des angegriffenen Bescheids unter Anwendung von Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes zugrunde gelegt und diesen Betrag angesichts der begehrten Hauptsachevorwegnahme nicht halbiert hat.
70Rechtsmittelbelehrung
71Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
72Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
73Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
74Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
75Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
76Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
77Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
78Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
79Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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