Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 6 L 509/21
Tenor
1.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
21. Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 1514/21 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17.02.2021 wiederherzustellen,sowie die unverzügliche Herausgabe des abgelieferten Führerscheins des Antragstellers anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich vor allem an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Im Rahmen des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht bei Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zudem zu prüfen, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht.
6Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil zum Ausdruck gebracht wird, dass die weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr wegen der Bedenken an der Kraftfahreignung des Antragstellers ein erhebliches Gefahrenrisiko für die Allgemeinheit und den Antragsteller darstellt. Dass diese Begründung sich teilweise mit den Ausführungen zur Begründung der Entziehungsverfügung selbst deckt, liegt in der Natur der Sache und stellt keinen Mangel der Vollziehungsanordnung dar,
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 07.04.2014 – 16 B 89/14 –, juris, Rn. 4.
8Die an dem oben dargestellten Maßstab ausgerichtete Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17.02.2021 erweist sich nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung als offensichtlich rechtmäßig. Zusätzlich besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung.
9Die formelle Rechtmäßigkeit der auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV beruhenden Ordnungsverfügung vom 17.02.2021 begegnet keinen durchgreifenden, zu Erfolgsaussichten des Antrags führenden Bedenken. Insbesondere ist der Antragsteller ordnungsgemäß angehört worden, § 28 VwVfG NRW. Mit Schreiben vom 21.01.2021 ist ihm Gelegenheit gegeben worden, zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis Stellung zu nehmen.
10Auch die materiellen Voraussetzungen der mit Verfügung vom 17.02.2021 ausgesprochenen Fahrerlaubnisentziehung liegen vor.
11Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ein solcher Fall liegt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann vor, wenn Erkrankungen oder Mängel im Sinne der Anlage 4 der FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Der Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetz (ausgenommen Cannabis) schließt im Regelfall gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Kraftfahreignung aus. Betäubungsmittel sind nach § 1 Abs. 1 BtMG die in den Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Stoffe. Dazu zählen auch Amfetamine (frühere Schreibweise: Amphetamine). Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung lässt insoweit bereits der einmalige Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes die Kraftfahreignung entfallen und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss der Betäubungsmittel ein Kraftfahrzeug geführt wurde.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23.07.2015 – 16 B 656/15 –, juris, Rn. 5, vom 07.04.2014 – 16 B 89/14 –, juris, Rn. 5, und vom 24.07.2013 – 16 B 718/13 –, juris, Rn. 6, jeweils m. w. N.
13Dass der Antragsteller Betäubungsmittel – hier Amfetamine – konsumiert hat, ergibt sich vorliegend aus der Untersuchung der am 11.08.2020 im Rahmen der aufgrund der auffälligen Fahrweise des Antragstellers durchgeführten Verkehrskontrolle entnommenen Blutprobe. Ausweislich des wissenschaftlichen Gutachtens zur chemisch-toxikologischen Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik M. vom 30.09.2020 (Bl. 13 ff. d. BA 1) wurden 56 ng/ml Amfetamin im Blut des Antragstellers nachgewiesen.
14Die von dem Antragsteller erhobenen Zweifel an der Verwertbarkeit des rechtsmedizinischen Gutachtens teilt der Einzelrichter nicht. Solche Zweifel ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die am 11.08.2020 entnommene Blutprobe im Zeitraum vom 17.08.2020 bis 02.09.2020 untersucht worden ist. Die zur Feststellung der Amfetaminkonzentration durchgeführte immunchemische Untersuchung erfolgte am 27.08.2020 (Bl. 12 d. BA 1). Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Behauptung des Antragstellers, wonach eine ordnungsgemäße Feststellung von Amfetaminwerten nur innerhalb einer Nachweiszeit von bis zu 24 Stunden nach der Entnahme des Blutes erfolgen könne, sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller überträgt offenbar die mit Blick auf die Abbauprozesse im Körper eingeschränkte Nachweisdauer im Blut ab dem Zeitpunkt der Einnahme auf die vorliegende Konstellation des Substanznachweises innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nach Gewinnung der Blutprobe.
15Vgl. zur Nachweisdauer von Amfetaminen im Blut in Bezug auf den Konsumzeitpunkt: BayVGH, Beschluss vom 23.02.2016 – 11 CS 16.38 –, juris, Rn. 10; Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, 9. Aufl. 2019, Vor §§ 29 ff. BtMG, Rn. 394.
16Dabei übersieht er, dass die Blutprobe in einer eigens dafür vorgesehenen Venüle mit Fluorid als Stabilisator (Bl. 14 d. BA 1) unter Beachtung rechtsmedizinischer Bedingungen aufbewahrt wird, um nachweiserschwerende Veränderungen der gewonnenen Blutprobe zu verhindern. Für die Annahme, dass der vorliegende Untersuchungszeitraum bzw. der genaue Untersuchungszeitpunkt zu fehlerhaften Ergebnissen der Blutprobenanalyse geführt hätte, fehlt es vor diesem Hintergrund an Anhaltspunkten.
17Zweifel an der Richtigkeit der rechtsmedizinischen Feststellungen ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass das Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung von Amfetamin gestanden habe. Unabhängig davon, dass es nach dem oben Gesagten für den Wegfall der Fahreignung schon nicht darauf ankommt, ob der Betroffene ein Kraftfahrzeug unter Betäubungsmitteleinfluss geführt hat, greift der Einwand des Antragstellers auch in der Sache nicht durch. Soweit er ausführt, dass das Gutachten „angeblich festgestellte psychosomatische Auffälligkeiten sowie Konzentrationsmängel (...) [berücksichtigt habe], welche in dem ärztlichen Bericht des Kreiskrankenhauses I. aber nicht dokumentiert“ seien, verkennt er, dass das Gutachten den Umstand, dass während der im Krankenhaus durchgeführten Blutentnahme keine Auffälligkeiten festgestellt wurden, ebenfalls berücksichtigt hat. Dennoch kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass die dokumentierten Auffälligkeiten mit der Wirkung von Amfetamin plausibel zu erklären seien.
18Besondere Umstände, die es im Fall des Antragstellers rechtfertigten, eine Abweichung vom Regelfall im Sinne der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV anzunehmen, sind nicht erkennbar. Der Antragsteller kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, Antidepressiva einzunehmen. Unabhängig davon, dass dieser Vortrag ohnehin nicht geeignet ist, den festgestellten Konsum von Amfetamin und der sich daraus ergebende Verlust der Fahreignung in Zweifel zu ziehen, konnte bei der Untersuchung der Blutprobe des Antragstellers das angeblich von ihm eingenommene Präparat Trazodon nicht nachgewiesen werden (Bl. 15 d. BA 1).
19Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins beruht auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV und begegnet angesichts des sofort vollziehbaren Entzugs der Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken.
20Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung folgt daraus, dass das Interesse an der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer Vorrang vor den Interessen des Antragstellers hat. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis für den Antragsteller mit Härten – hier dem geltend gemachten Verlust des Arbeitsplatzes – verbunden sein kann. Dieser Gesichtspunkt muss hier jedoch zurückstehen. Denn die Allgemeinheit hat ein dringendes Interesse daran, dass Kraftfahrer, von deren mangelnder Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei summarischer Überprüfung auszugehen ist, sofort von einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen werden. Im Interesse der Verkehrssicherheit gilt dies auch dann, falls dem Antragsteller – wie hier geltend gemacht – durch die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis berufliche Nachteile entstehen sollten.
21Angesichts der nach summarischer Prüfung offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins an den Antragsgegner fehlt jegliche Grundlage für einen Anspruch auf Anordnung der Herausgabe des Führerscheins an den Antragsteller auf der Grundlage von § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
232. Der gemäß § 52 Abs. 1, 2 § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG festgesetzte Streitwert entspricht in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Hälfte des Betrags, der im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist der Streitwert in Hauptsacheverfahren wegen der Entziehung einer Fahrerlaubnis regelmäßig auf den Auffangbetrag festzusetzen. Ein streitwerterhöhendes besonderes Interesse liegt nicht vor.
24Rechtsmittelbelehrung
25Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
26Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
27Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
28Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
29Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
30Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
31Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
32Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
33Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 16 B 656/15 1x (nicht zugeordnet)
- 16 B 89/14 2x (nicht zugeordnet)
- 6 K 1514/21 1x (nicht zugeordnet)
- 16 B 718/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 55a 3x