Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 14 L 2000/21
Tenor
1.Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 5631/21 gegen die Regelungen 1.a) und 1.b) des Bescheids der Antragsgegnerin vom 15.10.2021 wiederherzustellen und gegen die auf die Regelungen 1.a) und 1.b) bezogenen Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des Bescheids anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist zulässig. Insbesondere ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, weil die in der Hauptsache erhobene Klage auf „Aufhebung des gesamten Bescheides“ gegen die Regelungen 1.a) und 1.b) wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 2 des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und die Klage gegen die entsprechenden Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des Bescheids von Gesetzes wegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
6Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Regelungen 1.a) und 1.b) des Bescheides vom 15.10.2021 (unten I.) und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohungen (unten II.) sind unbegründet.
7I. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Regelungen 1.a) und 1.b) des Bescheides vom 15.10.2021 ist unbegründet, da die formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO erfüllt sind und die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zulasten des Antragstellers ausgeht.
81. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung (Regelung 1.a)) und Absperranordnung (Regelung 1.b)) entspricht dem formalen Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO.
9Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei aber nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich - in aller Regel - nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.11.2016 – 8 B 1395/15 –, juris, Rn. 6 m. w. N.
11Gemessen hieran hat die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid auf den Einzelfall abstellend noch hinreichend begründet, warum ihrer Ansicht nach die von dem Antragsteller errichtete Stellplatzfläche im Naturschutzgebiet zum Schutz der „vorhandenen landschaftlichen Strukturen mit ihren jeweiligen Lebensräumen für Pflanzen und Tiere“, einem „besonderen öffentlichen Interesse“, ab sofort (also nicht erst nach Bestandskraft der Verfügung) nicht weiter als Parkplatz genutzt werden soll.
122. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung durch das Gericht fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
13Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die Behörde wie hier die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, wenn das Interesse des Adressaten, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Eilverfahren regelmäßig allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als (offensichtlich) rechtswidrig darstellt, denn an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung hingegen (offensichtlich) rechtmäßig, so überwiegt das Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegeben ist.
14Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 – 7 VR 5.14 –, juris, Rn. 9.
15Ausgehend hiervon sind bei summarischer Prüfung die Nutzungsuntersagung und Absperranordnung in den Regelungen 1.a) und 1.b) der angefochtenen Ordnungsverfügung (offensichtlich) rechtmäßig (unten a). Die weitere Interessenabwägung geht zulasten des Antragstellers aus (unten b).
16a) Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Regelungen ist § 3 Abs. 2 BNatschG i. V. m. § 23 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. den Verbotsvorschriften des Landschaftsplans der Stadt Köln.
17Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG überwachen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden - hier gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LNatSchG NRW die Antragsgegnerin als untere Naturschutzbehörde - die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
18§ 3 Abs. 2 Halbs. 2 BNatSchG statuiert eine an die polizeiliche Generalklausel angelehnte Eingriffsermächtigung, die grundsätzlich neben konkurrierende Eingriffsbefugnisse anderer Behörden tritt und von der zuständigen Naturschutzbehörde in ihrer Eigenschaft als Sonderordnungsbehörde vollzogen wird.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 1.6.2017 – 9 C 2/16 –, juris, Rn. 21 f.
20Als Gegenstand einer Anordnung nach § 3 Abs. 2 BNatSchG kommen Pflichtverletzungen der Ge- und Verbote des BNatSchG, insbesondere etwa der Ge- und Verbote in Schutzgebieten der §§ 23 bis 29 BNatSchG und auf dessen Grundlage erlassener Rechtsvorschriften, in Betracht.
21Vgl. Heß/Wulff, in: Landmann/Rohmer, Loseblattsammlung zum Umweltrecht, 96. EL September 2021, § 3 BNatSchG Rn. 18.
22Hier liegt ein Verstoß gegen § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG i. V. m. dem Landschaftsplan der Stadt Köln vom 28.4.1991 (in der Fassung der 12. Änderung, Bekanntmachung vom 20.1.2021) vor, weil der streitgegenständliche Stellplatz in einem Naturschutzgebiet liegt (dazu unter aa)) und die Befestigung des Stellplatzes gegen verschiedene dort nach Maßgabe des Landschaftsplans geltende Verbote verstößt (dazu unter bb)). Daher konnte die Antragsgegnerin die Nutzungsuntersagung und Absperranordnung gegenüber dem Antragsteller als Störer (dazu unter cc)) ermessensfehlerfrei anordnen (dazu unter dd)).
23aa) Der streitgegenständliche Stellplatz liegt in einem Naturschutzgebiet.
24Naturschutzgebiete sind nach § 23 Abs. 1 BNatSchG rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen aus näher benannten Gründen erforderlich ist.
25Die in dem Landschaftsplan der Stadt Köln vom 28.4.1991 als N1 „XXXXXXXXXXXX“ gekennzeichnete Fläche von ca. 257 ha ist als Naturschutzgebiet festgesetzt. Sie umfasst auch die auf der Höhe des Bauernhofes des Antragstellers zwischen L1. und Rhein gelegenen Wiesen.
26Nach den Angaben des Antragstellers hatte sein Vater dort schon vor der Betriebsübergabe 1998 eine Fläche von ca. 30 qm mit Sand und anderen Materialien, u.a. gebrochenen Steinstücken, befestigt und darauf Traktoren, Mähdrescher und sonstige landwirtschaftliche Fahrzeuge abgestellt. Wohl im Jahr 2019 ließ der Antragsteller dort einen „Kundenparkplatz“ mit einer durchgehenden Schotterschicht auf ca. 120 qm entlang seiner Grundstücke Gemarkung X.--, errichten.
27Die Fläche auf den genannten Flurstücken neben der Straßenbegrenzungslinie des L. Wegs liegt entgegen der Ansicht des Antragstellers innerhalb der für das Naturschutzgebiet festgelegten Grenzen. Insoweit verweist die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung zurecht auf die Planzeichnung (Auszug Blatt 163 des Verwaltungsvorgangs) und die klarstellenden Hinweise zu der zeichnerischen Darstellung der Schutzgebietsgrenzen in Ziffer 3.1.1 der Erläuterungen zum Landschaftsplan (S. 59, s. auch S. 83, wonach Ziffer 3.1.1 auch für das Naturschutzgebiet N1 gilt). Danach verläuft die Grenze zwischen zwei Schutzgebieten – wie hier zwischen dem Naturschutzgebiet und dem Landschaftsschutzgebiet L 4 „S. X.-- -N. “, in das das Naturschutzgebiet eingelagert ist – entlang des befestigten Straßenrandes der die beiden Gebiete trennenden Gemeindestraße (hier des L. Wegs), weil die Straßenoberfläche selbst nicht Teil des Schutzgebiets sein kann.
28Andere Planzeichnungen sind für die rechtsverbindliche Festsetzung des Naturschutzgebietes i.S.v. § 23 Abs. 1 BNatSchG nicht relevant, sodass die Einzeichnung einer „Nebenfläche“ zum L. Weg etwa in den Geodaten, die dem von dem Antragsteller eingewandten Ausdruck vom 5.7.2020 zugrunde lagen und möglicherweise auf die von seinem Vater als Traktor-Abstellfläche genutzte Fläche zurückzuführen sind, nichts an der eindeutigen Lage des Stellplatzes neben der Straßenbegrenzungslinie im Naturschutzgebiet ändert.
29Soweit der Antragsteller hilfsweise einwendet, dass eine Einbeziehung der Fläche in das Naturschutzgebiet im Landschaftsplan im Jahr 1991 jedenfalls fehlerhaft erfolgt sei, weil die Plangeberin die Nutzung der Fläche zum Abstellen und Parken landwirtschaftlicher Geräte hätte berücksichtigen müssen, dringt er hiermit nicht durch. Der Antragsteller hat zum einen weder ausdrücklich behauptet noch belegt, dass sein Vater bereits vor Inkrafttreten des Landschaftsplanes 1991 eine Abstellfläche am streitigen Ort behelfsmäßig befestigt hätte. Zum anderen wäre dies nach seinem Vortrag jedenfalls zu landwirtschaftlichen Zwecken erfolgt, sodass die frühere Nutzung – wohl wegen der gebietsspezifischen Ausnahme für die Nutzung der bisherigen Landwirtschaftsflächen als Weideland oder Mähwiesen im Naturschutzgebiet N1 (Ziffer 3.2.2, s. S. 85) – zulässig gewesen sein dürfte.
30bb) Die Errichtung und Nutzung der Stellplätze verstößt gegen Verbote des Naturschutzgebiets.
31Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG sind alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Die maßgeblichen Verbote ergeben sich vorliegend aus § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG i.V.m. der Konkretisierung im Landschaftsplan, u.a. „Allgemeine textliche Festsetzungen für Naturschutzgebiete“ (Ziffer 3.2.1, S. 67 ff.), in Zusammenschau mit den Regelungen der „Gebietsspezifischen textlichen Festsetzungen für Naturschutzgebiete, N1 S. -N. “ (Ziffer 3.2.2, S. 83 ff.).
32(1) Nach dem Allgemeinen Verbot in Naturschutzgebieten Nr. 1 des Landschaftsplanes Köln dürfen u.a. Bäume, Sträucher oder sonstige Pflanzen nicht beseitigt werden. Hiergegen verstößt die Befestigung des Parkplatzes, weil die dort zuvor als Wiese gewachsenen Pflanzen – zumindest auf der Erweiterungsfläche von 90 qm – entfernt wurden. Der Antragsteller verkennt in seiner Antragsbegründung insofern, dass es sich nicht um Bäume oder Sträucher oder nur bedrohte Pflanzen handeln muss. Dass es sich ausschließlich um von dem Verbot unberührte „Problempflanzen“, also im einzelnen aufgeführte invasive Neiphyten und Giftpflanzen, gehandelt hätte, hat der Antragsteller nicht vorgetragen, sondern in seiner eidesstattlichen Versicherung die Ansicht vertreten, auf der entfernten Oberfläche hätten sich aus seiner Sicht nur „Unkraut“ und keine schützenswerten Pflanzen befunden. Zudem erscheint es fernliegend, dass jedenfalls auf der Erweiterungsfläche von 90 qm nicht auch einfache Wiesenpflanzen vorhanden gewesen sein sollen.
33(2) Bei summarischer Prüfung ist auch die Tatbestandsvariante der Allgemeinen Verbote Nr. 4 erfüllt, nach der Maßnahmen zur Verdichtung des Bodens vor dem Hintergrund der beabsichtigten Erhaltung des Lebensraumes von Insekten und sonstigen Kleinstlebewesen verboten sind. Anders als der Kläger meint, bezieht dieses sich seinem Wortlaut und Sinn nach offensichtlich nicht nur auf Feldwege und Flächen unter Bäumen sondern auch auf andere Flächen wie die hier u.a. durch den Schotterauftrag verdichteten 120 qm der jetzigen Stellplatzfläche.
34(3) Jedenfalls aber verstößt die Errichtung des Parkplatzes gegen das Allgemeine Verbot Nr. 5, bauliche Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 BauO NRW zu errichten oder ihre Nutzung zu ändern. Entgegen der nicht begründeten Ansicht des Antragstellers handelt es sich bei dem angelegten Kundenparkplatz eindeutig um eine bauliche Anlage. Nach § 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 1. und 5. BauO NRW sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen sowie u.a. Aufschüttungen und Abgrabungen und Stellplätze für Kraftfahrzeuge, die nach Abs. 8 als Flächen definiert sind, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen außerhalb der öffentlichen Verkehrsflächen dienen. Dies ergibt sich auch aus der Regelung des § 62 Abs. 1 Nr. 14 BauO NRW, wonach nur nicht überdachte Stellplätze für Personenkraftwagen bis zu 100 qm keiner Baugenehmigung bedürfen.
35(4) Schließlich treffen die Ausführungen der Antragsgegnerin – auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird – zu einer Verletzung des Verbots Nr. 7 von Aufschüttungen, Verfüllungen, Abgrabungen oder Verfestigungen des Bodens durch das Abtragen des Mutterbodens und Auftragen einer Schotterschicht zu, ohne dass es auf eine von dem Antragsteller angenommenen Größenvergleich zwischen der Fläche des Naturschutzgebietes und der befestigten Fläche ankäme.
36cc) Die Antragsgegnerin konnte den Antragsteller als Zustands- und Verhaltensstörer entsprechend §§ 17 und 18 OBG NRW heranziehen, da er nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten Eigentümer der betroffenen Grundstücke ist, den Parkplatz hat anlegen lassen und ihn als Kundenparkplatz nutzen will.
37dd) Es sind keine Ermessensfehler ersichtlich.
38Die Antragsgegnerin hat ihr Entschließungsermessen erkannt und dahingehend ausgeübt, verschiedene Maßnahmen zur Beseitigung der Verstöße gegen die Verbote des Landschaftsplanes anzuordnen, darunter die hier – allein – streitige Nutzungsuntersagung und entsprechende Absperrungsaufforderung. Soweit der Antragsteller hiergegen sinngemäß einwendet, von der angelegten Park- und Abstellfläche gehe keine Gefährdung für umliegende Bäume, Sträucher und Pflanzen aus, ist dies weder ein Tatbestandsmerkmal noch ein Umstand, den die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung hätte berücksichtigen müssen. Der Schutz der vorgenannten naturschutzrechtlichen Regelungen ist nicht abstrakt oder gar konkret auf „umliegende Bäume und Sträucher“ beschränkt.
39Ebenso wenig liegt ein Ermessensfehler darin, dass die Antragsgegnerin nicht auch gegen den südöstlich des vom Antragsteller hergestellten Stellplatzes, ebenfalls im Naturschutzgebiet gelegenen Camping-Platz vorgeht. Hierfür hat sie sachliche Gründe vorgebracht, dass der Camping-Platz schon seit 1970 besteht und aus Bestandsschutzgründen in der derzeitigen Form geduldet werde. Ungeachtet dessen könnte der Antragsteller im vorliegenden Fall aus einer Untätigkeit der Antragsgegnerin in Ansehung von – unterstellt – nicht genehmigten verdichteten Flächen auf dem Campingplatz keinen Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten, auch seinen neu angelegten Stellplatz zu dulden. Ein planloses bzw. willkürliches Einschreiten nur gegen den Stellplatz des Antragstellers ohne sachliche Unterscheidungsgründe ist auch vor dem Hintergrund nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin dargelegt hat, auch gegen die Herstellung eines Wohnmobilstellplatzes in 80 m Entfernung zu der Fläche des Antragstellers vorgegangen zu sein. Dieser Fall ist offenbar vergleichbar, da auch der Antragsteller eine neue Stellplatzfläche errichtet hat.
40Entgegen der Einwendungen des Antragstellers kommt der Fläche des Stellplatzes nämlich kein Bestandsschutz zu. Ein Bestandsschutz für rechtmäßig errichtete Anlagen gegenüber späteren Rechtsänderungen kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil selbst wenn der jedenfalls 2015 auf Fotos erkennbare Zustand einer behelfsmäßig befestigten Fläche am Straßenrand von dem Vater des Antragstellers bereits vor Inkrafttreten des Landschaftsplanes 1991 bestanden haben sollte, ein etwaiger Bestandsschutz sich nicht auf den 2019 geschaffenen Zustand beziehen würde. Zum einen liegt eine Nutzungsänderung vor, da die Fläche zuvor zum Abstellen landwirtschaftlich genutzter Geräte genutzt worden sein und jetzt als Kundenparkplatz für Besucher des Hofladens dienen soll. Zum anderen wurde eine auf dem Flurstück 15 maximal 30 qm große, allenfalls grob befestigte Fläche sowohl in Länge als auch Breite auf den Flurstücken 14 und 15 um 90 qm erweitert und auf 120 qm mit einer durchgängigen Schotterschicht verdichtet. Die ursprüngliche Abstellfläche ist also durch eine komplett neue (bauliche) Anlage ersetzt worden, sodass selbst ein unterstellter Bestandsschutz erloschen wäre.
41Zudem genügt die Nutzungsuntersagung und Absperranordnung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wie sich aus der Regelungssystematik des Bescheides ergibt, hat die für sofort vollziehbar erklärte Regelung vorübergehenden Charakter, weil sie die erst nach Bestandskraft des Bescheids vollziehbare Anordnung des Rückbaus und der Wiederherstellung einer Wiesenfläche flankiert, bis über deren Rechtmäßigkeit entschieden ist. Die Einstellung der Nutzung zum Parken und Lagern und deren Absicherung durch ein Flatterband führt dazu, dass die durch Errichtung der Stellplätze erfolgten Verstöße im Naturschutzgebiet bis zur Entscheidung über deren Rückbau nicht weiter perpetuiert werden, etwa auch durch Nachahmer. Hierdurch wird dem Naturschutz gerade in einem Naturschutzgebiet Wirksamkeit verliehen, verpflichtet doch das „absolute Veränderungsverbot“ in § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG im Rahmen der Unterschutzstellung ein Verbotsregime zu etablieren, das grundsätzlich jede Veränderung des Gebietes oder seiner Teile unterbindet.
42Vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Loseblattsammlung zum Umweltrecht, 96. EL September 2021, § 23 BNatSchG Rn. 16.
43Angesichts dieses hohen Schutzstatus vermag der Antragsteller auch nicht erfolgreich einzuwenden, es liege nur ein marginaler Eingriff in das Naturschutzgebiet vor, weil die streitige Fläche nur im „Promillebereich“ gegenüber der Gesamtgröße liege.
44Hinter dem öffentlichen Interesse des Naturschutzes muss das privatwirtschaftliche Interesse des Antragstellers zurücktreten, durch Zurverfügungstellen eines Kundenparkplatzes auf einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück eine Umsatzsteigerung zu erzielen. Die aus dem Landschaftsplan den Antragsteller treffenden Verbote stellen eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar.
45Vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 23.4.2021 – 1 B 2/21 –, juris, Rn. 67.
46Soweit er sich auf einen mittelbaren „Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb“ (Art. 14 GG) beruft, weil wegen fehlender Parkmöglichkeiten „mit Sicherheit“ von einem „deutlichen Umsatzrückgang“ auszugehen sei, hat er den Anlass für die Nutzungsuntersagung und angeblich daraus folgenden Umsatzverluste selbst gesetzt, indem er den Parkplatz ohne Beantragung einer baurechtlichen oder naturschutzrechtlichen Genehmigung hat errichten lassen. Die vorliegenden Luftbilder legen im Übrigen nahe, dass der angeblich 75 cm höher als der L. gelegene Hof des Antragstellers mit Kraftfahrzeugen befahren und diese dort abgestellt werden können.
47Im Hinblick auf die formelle Illegalität käme eine Unverhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung und Absperranordnung schon wegen des vorübergehenden Charakters allenfalls in Betracht, wenn die bauliche Anlage ganz offensichtlich genehmigungsfähig wäre.
48Vgl. zur baurechtlichen Nutzungsuntersagung st. Rspr. OVG NRW, Beschluss vom 14.2.2014 – 2 A 1181/13 –, jurs, Rn. 9 f.
49Dies ist hier nicht der Fall. Abgesehen davon, dass der Antragsteller keinerlei Genehmigung beantragt hat, hat die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung zurecht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine naturschutzrechtliche Befreiung nach § 67 BNatSchG offensichtlich nicht vorliegen dürften.
50b) Die weitere, von dem Gericht unabhängig von der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin vorzunehmende Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO fällt zulasten des Antragstellers aus. Sein Aussetzungsinteresse muss hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Regelungen 1.a) und 1.b) der Ordnungsverfügung zurücktreten.
51Für eine Maßnahme nach § 3 Abs. 2 BNatSChG kann die Anordnung der sofortigen Vollziehung u.a. zur Verhinderung einer unerwünschten Nachahmungswirkung bzw. negativen Vorbildwirkung gerechtfertigt sein.
52Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.12.2015 – 4 ME 270/15 –, juris, Rn. 13; Heß/Wulff, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 96. EL September 2021, § 3 BNatSchG, Rn. 27.
53Vorliegend bestünde ohne die nach der Regelungssystematik des angefochtenen Bescheides auf die Nutzungsuntersagung und Absperrverfügung beschränkte Anordnung der sofortigen Vollziehung die Gefahr, dass der Verstoß gegen die Verbote des Landschaftsplanes bis zu der Entscheidung im Hauptsacheverfahren über die Rechtmäßigkeit des Rückbaus der Schotterfläche, Wiederaufbau mit Mutterboden und Ansäen mit regionalem Saatgut und das ordnungsbehördliche Vorgehen nicht in der Örtlichkeit ersichtlich wären und Nachahmer entsprechende Anlagen – wie dem in 80 m Entfernung liegende Wohnmobilstellplatz, gegen den die Antragsgegnerin ebenfalls eingeschritten ist – in der Annahme errichten könnten, dies sei naturschutzrechtlich zulässig.
54Demgegenüber muss das rein finanzielle Aussetzungsinteresse des Antragstellers, der den Parkplatz – ohne Beantragung einer Genehmigung – errichtet hat, um den Umsatz seines Hofladens zu steigern, bis zur Entscheidung in der Hauptsache zurücktreten.
55II. Rechtsgrundlage der Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides ist § 55 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 1, § 63 Abs. 1 VwVG NRW. Deren Erlass ist im Hinblick auf die Ausführungen unter I. rechtlich nicht zu beanstanden.
56III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
57Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. In Einklang mit Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit war der für das Hauptsacheverfahren festzusetzende Wert wegen der Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens zu halbieren. Das bei Zuwiderhandlung gegen die streitgegenständlichen Regelungen jeweils in Höhe von 100,00 Euro angedrohte Zwangsgeld wirkt sich nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs nicht streitwerterhöhend aus.
58Rechtsmittelbelehrung
59Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
60Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
61Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
62Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
63Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
64Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
65Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
66Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
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