Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 22 L 955/22.A
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 3344/22.A gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Mai 2022 (Gesch.-Z.: 0000000-000) wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Antragsgegnerin.
1
Gründe
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Mai 2022 (Gesch.-Z.: 0000000-000) anzuordnen,
4hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
5Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat nach den allgemeinen Grundsätzen zu § 80 Abs. 5 VwGO bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids und dem Interesse der jeweiligen Antragstellerin bzw. des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung ihres bzw. seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragstellerin bzw. des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
6Hiervon ausgehend hat die gegen Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gerichtete Anfechtungsklage des Antragstellers unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage voraussichtlich Erfolg (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weswegen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
7Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Hiernach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es steht bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht mehr im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Überstellung nach Italien durchgeführt werden kann. Voraussetzung ist, dass eine Überstellung in den jeweiligen Zielstaat nicht nur rechtlich zulässig, sondern zeitnah auch tatsächlich möglich ist.
8Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 18. März 2022 – 6 L 156/22.A –, juris, Rn. 7 ff. m. w. N.
9Die Feststellung, dass eine Überstellung tatsächlich zeitnah durchführbar ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt bei summarischer Prüfung nicht getroffen werden. Der Antragsteller ist am 00.00.2020 in H. zur Welt gekommen. Eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien hängt daher davon ab, ob sich die den Eltern des Antragstellers gegenüber ausgesprochene Abschiebungsanordnung als rechtmäßig erweist. Nur und erst dann, wenn die Eltern des Antragstellers vollziehbar ausreisepflichtig sind und deren Überstellung nach Italien rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist, kann gegenüber dem Antragsteller in rechtmäßiger Weise eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG erlassen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Denn mit Beschluss vom 19. November 2018 hat das Verwaltungsgericht Aachen im Verfahren 9 L 1700/18.A die aufschiebende Wirkung der Klage der Eltern des Antragstellers gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 8. November 2018 enthaltene Abschiebungsanordnung mit dem Aktenzeichen 9 K 3958/18.A angeordnet. Die Klage ist derzeit noch anhängig. Wann mit einer rechtskräftigen Entscheidung zu rechnen ist, ist nicht bekannt, so dass die Durchführbarkeit einer Überstellung derzeit nicht feststeht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
10Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
11Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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Referenzen
- 22 K 3344/22 1x (nicht zugeordnet)
- 6 L 156/22 1x (nicht zugeordnet)
- 9 L 1700/18 1x (nicht zugeordnet)
- 9 K 3958/18 1x (nicht zugeordnet)