Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 16 K 1916/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist ein am 20.03.2015 gegründeter eingetragener Verein und steht der Partei Alternative für Deutschland (AfD) nahe. Seit 2016 führt er Seminare in der gesamten Bundesrepublik durch. Der Bundesvorstand der AfD erkannte den Kläger mit Beschluss vom 13.04.2018 als ihr nahestehende Stiftung an. Der Beschluss wurde am 30.06.2018 vom AfD-Bundesparteitag bestätigt.
3Die Beklagte gewährt parteinahen Stiftungen Zuwendungen nach dem jeweils gültigen Haushaltsgesetz. Der Kläger beantragte erstmalig am 23.04.2018 die Gewährung einer Zuwendung in Form eines Globalzuschusses in Höhe von 480.000 EUR für das Haushaltsjahr 2018. Dieser Antrag, die entsprechenden Anträge für die Haushaltsjahre 2019 und 2021 sowie die auf diese Anträge ergangenen Ablehnungsbescheide in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide sind Gegenstand des bei der Kammer anhängigen Verfahrens 16 K 2526/19.
4Unter dem 25.03.2019 erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde u. a. gegen die vorangegangenen Ablehnungsbescheide für die Förderjahrgänge 2018 und 2019. Mit Beschluss vom 20.05.2019 nahm das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an (2 BvR 649/19).
5Am 07.05.2019 beantragte der Kläger bei dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) für das Haushaltsjahr 2020 eine Zuwendung in Form eines Globalzuschusses in Höhe von 900.000 EUR aus dem Bundeshaushaltsplan 2020, Einzelplan 06, Kapitel 0601, Titel 685 12-144. Im Bundeshaushaltsplan 2020 wurden die parteinahen Stiftungen, die durch Globalzuschüsse gefördert werden sollten, einzeln aufgelistet. Der Kläger gehörte nicht zu den genannten Stiftungen.
6Mit Erlass vom 11.06.2019 leitete das BMI den Antrag des Klägers an das Bundesverwaltungsamt (BVA) mit der Bitte um Übernahme zuständigkeitshalber weiter und wies auf die bereits in den Förderjahrgängen 2018 und 2019 aufgeworfenen Rechtsfragen hin. Zu den Einzelheiten des Erlasses wird auf Bl. 1 der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
7Mit Bescheid vom 15.01.2020 lehnte das BVA den Antrag des Klägers für das Haushaltsjahr 2020 ab. Der Bescheid wurde dem Kläger am 30.01.2020 zugestellt.
8Am 03.03.2020 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 15.01.2020 ein. Zugleich beantragte er hinsichtlich des Widerspruchs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
9Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, er sei ab dem 15.02.2020 mit erheblichem Fieber erkrankt gewesen. Ab dem 25.02.2020 habe er auf eigenen Wunsch die Arbeit wieder aufgenommen. Er habe jedoch vorrangig andere Fristen zu wahren gehabt und dringende auswärtige Termine wahrnehmen müssen. Daher habe er den Widerspruch erst am 03.03.2020 einlegen können. Ein Organisationsverschulden sei ihm nicht vorzuwerfen, da er die ursprünglich bestehende Organisation krankheitsbedingt nicht habe aufrechterhalten können. Es liege schließlich nur eine Verspätung von 12 Stunden vor.
10Mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2020 wies das BVA den Widerspruch als unzulässig zurück und lehnte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Der Widerspruch gegen den am 30.01.2020 zugestellten Ablehnungsbescheid sei verfristet eingelegt worden, da die Widerspruchsfrist aufgrund des vorherigen Wochenendes mit Ablauf des 02.03.2020 geendet habe, der Widerspruch aber erst am 03.03.2020 eingelegt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da die Verzögerung nicht kausal auf der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten des Klägers beruhe. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers seien nach dem Ende seiner Erkrankung auch unter Berücksichtigung der übrigen Arbeitsbelastung genügend Arbeitstage verblieben, um den Widerspruch fristgemäß einlegen zu können. Auch seien keine Angaben zu dem Zeitraum von der Zustellung des Ablehnungsbescheids am 30.01.2020 bis zum Zeitpunkt der Erkrankung am 15.02.2020 gemacht worden. Es sei unklar, wann der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten mit der Einlegung des Widerspruchs beauftragt habe. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.03.2020 zugestellt.
11Der Kläger hat am 17.04.2020 Klage erhoben und zunächst beantragt, die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2020, Az. 000 0 0 – 000, dem Kläger auf dessen Antrag vom 03.03.2020 hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und seinen Widerspruch, ebenfalls vom 03.03.2020, in der Sache zu bescheiden.
12Zur Begründung trägt der Kläger vor, die Beklagte habe den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen. Der Kläger streite seit 2018 in mehreren Verfahren mit der Beklagten über die Frage, ob dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Globalzuschüsse zustehe. Die Begründungen sowohl des Klägers als auch der Beklagten in den vorgegangenen Verfahren für die Haushaltsjahre 2018 und 2019 seien in weiten Teilen wortlautidentisch mit dem in diesem Verfahren geführten Schriftwechsel. Angesichts dessen sei allen Beteiligten stets klar gewesen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch für das Haushaltsjahr 2020 Widerspruch gegen einen Ablehnungsbescheid einlegen würde, welchen die Beklagte mit der gleichen Begründung wie in den vorherigen Jahren zurückweisen würde. Das Widerspruchsverfahren sei daher eine redundante Formsache ohne inhaltliche Bedeutung und seinem Sinn und Zweck nach im hiesigen Verfahren eigentlich überflüssig, sodass dem Kläger die Fristversäumung im Widerspruchsverfahren nicht entgegengehalten werden könne. Es sei nämlich offensichtlich, dass das BVA angesichts der Sachlage einem Widerspruch des Klägers nicht abhelfen könne. Jedenfalls habe ihm die Beklagte für den Widerspruch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgrund von Erkrankung an der Fristwahrung gehindert gewesen sei. Nach der Wiederaufnahme der Arbeit am 25.02.2020 habe er zunächst vorrangige Fristangelegenheiten bearbeiten müssen, für die es anders als im Widerspruchsverfahren keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebe, darunter Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Zudem habe er am 28.02.2020 an einer Veranstaltung in Konstanz teilnehmen und am 02.03.2020 dringend und unerwartet einen Mandanten aufsuchen müssen. Der Widerspruch sei nur 12 Stunden verspätet gewesen. Die Beklagte verkenne, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers als Freiberufler und Einzelanwalt eine Vielzahl von Rechtsfällen parallel bearbeiten müsse und der Prozessbevollmächtigte in seiner Arbeitsfähigkeit noch eingeschränkt gewesen sei. Es sei widersinnig, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vorzuhalten, dass er sich nicht um einen Bevollmächtigten bemüht habe, der statt seiner den Widerspruch fertige, da in einem solchen Fall der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Widerspruch auch selbst verfassen könne. Zudem sei der Prozessbevollmächtigte des Klägers Staatsrechtslehrer und übernehme Fälle, die üblicherweise von Universitätsprofessoren vertreten würden, sodass ein Vertreter nicht einfach zu finden sei. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass gegenüber der AfD nahestehenden Staatsrechtslehrern mediale Hetze betrieben werde. Die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags beruhe ersichtlich auf behördlichen Machtmissbrauch aus politischen Gründen.
13Der Kläger beantragt nunmehr wörtlich,
14die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 15.01.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2020 zu verpflichten, den Förderantrag der Klägerin vom 30.04.2019 im Hinblick auf einen Teil des ursprünglich beantragten Förderbetrages in Höhe von 10.000 Euro unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Begründung im Widerspruchsbescheid trägt die Beklagte vor, das Widerspruchsverfahren diene der Entlastung der Gerichte, ermögliche eine zusätzliche Kontrolle des Verwaltungshandelns zugunsten der Bürger und sei insoweit nicht redundant und auch keine bloße Formsache. Der Widerspruch sei erst nach Ablauf der Frist des § 70 VwGO eingelegt worden. Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung seien nicht glaubhaft gemacht worden. Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 25.02.2020 die Arbeit wieder aufgenommen habe, habe ihm ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, selbst oder durch einen Vertreter formal Widerspruch einzulegen und eine Begründung nachzureichen. Es sei Sache des Prozessbevollmächtigten des Klägers, für den Krankheitsfall Vorkehrungen zu treffen, um eine Vertretung zu ermöglichen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Über den Rechtsstreit konnte im Verwaltungsrechtsweg entschieden werden, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Es liegt insbesondere keine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art vor. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits auf eine Verfassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 20.05.2019 festgestellt, in welchem es ausgeführt hat:
21„a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art.
22aa) Für die Bestimmung der Rechtsnatur des Streits kommt es auf das Rechtsverhältnis an, in dem die geltend gemachten Ansprüche wurzeln; dabei ist maßgebend auf das verfassungsrechtliche Grundverhältnis abzustellen. Auf die Vorstellung des Beschwerdeführers und die von ihm behauptete Rechtsnatur des Streitverhältnisses kommt es hingegen nicht an (vgl. BVerfGE 42, 103 <110 f., 113>; 62, 295 <313>; 109, 1 <6 f.>).
23Ein verfassungsrechtliches Rechtsverhältnis kann nur zwischen Faktoren bestehen, die am Verfassungsleben beteiligt sind (BVerfGE 1, 208 <221>; 27, 240 <245 f.>; vgl. auch BVerfGE 64, 301 <312 f.>). Die geltend gemachten Ansprüche müssen sich aus einem beide Teile umschließenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnis ergeben (vgl. BVerfGE 2, 143 <159>; 13, 54 <72 f.>), mithin aus Rechtsbeziehungen, die zwischen Verfassungsorganen oder am Verfassungsleben beteiligten Organen zueinander bestehen (BVerwGE 36, 218 <228>; 51, 69 <71>).
24bb) Dies ist beim Beschwerdeführer, einem eingetragenen Verein, nicht der Fall. Er steht zwar der Alternative für Deutschland (AfD) nahe, hebt aber in seiner Verfassungsbeschwerde selbst hervor, dass er von dieser Partei deutlich abgegrenzt, nach seiner Satzung rechtlich selbständig und organisatorisch unabhängig ist. Die Abwehr einer Grundrechtsverletzung ist auch nicht allein deshalb dem Verfassungsrechtskreis zuzurechnen, weil nicht eine Verwaltungsbehörde, sondern ein Verfassungsorgan gehandelt hat oder weil sich die Maßnahme ihrerseits nach Verfassungsrecht beurteilt (vgl. BVerfGE 1, 208 <221>; 13, 54 <72 f.>; 27, 240 <246>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 1987 - 2 BvR 64/87 -, NVwZ 1988, S. 817 f.; BVerwG, Urteil vom 28. November 1975 - VII C 53/73 -, NJW 1976, S. 637 <638>; BVerwGE 51, 69 <71>)“
25BVerfG, Beschluss vom 20. Mai 2019 – 2 BvR 649/19 –, Rn. 3 - 6, juris.
26Die Umstellung des Klageantrags des Klägers von der Verpflichtung, den Widerspruch des Klägers in der Sache zu bescheiden, auf die Verpflichtung zur Neubescheidung des im Verwaltungsverfahren gestellten Sachantrags in Höhe von bis zu 10.000 EUR unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ist zulässig. Die Voraussetzungen einer Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO liegen vor, weil die Klageänderung jedenfalls sachdienlich ist. Eine Klageänderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient, und zwar auch, wenn die geänderte Klage als unbegründet abgewiesen werden müsste. Voraussetzung ist allerdings, dass der Streitstoff im Wesentlichen unverändert bleibt.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 – 4 C 13.04 –, Rn. 22, juris m. w. N.
28Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, weil die Klageänderung einerseits eine Entscheidung über die dem Verfahren zugrunde liegenden rechtlichen Streitpunkte ermöglicht und andererseits auf Basis des bisherigen Streitstoffs entschieden werden kann. Insbesondere eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses ist durch die Klageänderung nicht zu befürchten.
29Es begegnet auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass der Kläger den bei der Beklagten geltend gemachten Anspruch nur in einer Höhe von 10.000 EUR gerichtlich geltend macht und sein Klagebegehren gegenüber dem im Verwaltungsverfahren beantragten Betrag insoweit einschränkt. Anders als im Fall der (Teil-)Anfechtungsklage kommt es in einem solchen Fall nicht auf die Frage der Teilbarkeit des Versagungsbescheids der Beklagten an, weil nicht dieser Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist, sondern der begehrte materielle Anspruch.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – 4 C 33.13 –, Rn. 18, juris m. w. N; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 A 796/09 –, Rn. 18, juris; SchochKoVwGO/Riese, 41. EL Juli 2021, VwGO § 113 Rn. 209.
31Dass eine Teil-Verpflichtungsklage grundsätzlich möglich ist, ergibt sich aus der Formulierung des § 113 Abs. 5 VwGO („soweit“). Daher steht es dem Kläger grundsätzlich frei, diesen Anspruch im Rahmen seiner Disposition in einem geringeren Umfang als im Verwaltungsverfahren gerichtlich geltend zu machen, solange der materielle Anspruch selbst einer teilweisen Geltendmachung zugänglich ist – mit der Konsequenz, dass auch im Erfolgsfalle nur über den Anspruch im rechtshängigen Umfang entschieden wird und einem eventuell darüber hinaus gehenden Anspruch jedenfalls die Bestandskraft des Versagungsbescheids entgegenstünde. Da der Kläger hier einen Anspruch auf Neubescheidung seines auf Geldzahlung gerichteten Förderantrags geltend macht und keine materiellen Gründe gegen die Möglichkeit einer bloß teilweisen Geltendmachung des Anspruchs in Form der Verpflichtungsklage ersichtlich sind, kann der Kläger seinen Klageantrag auf Neubescheidung in der beantragten Höhe beschränken.
32Soweit danach über die Klage in der geänderten Form zu entscheiden ist, bleibt sie ohne Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
33Der Zulässigkeit der Klage steht die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom 15.01.2020 entgegen. Wird durch einen Versagungsbescheid ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts abgelehnt und erwächst diese Ablehnung in Bestandskraft, führt dies zur Unzulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage.
34Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. September 1994 – 22 A 2426/94 –, Rn. 5, juris; Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichts-ordnung, 8. Aufl. 2021, § 70 VwGO, Rn. 23; Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 42 Rn. 32; Schoch/Schneider/Pietzcker/Marsch, 42. EL Februar 2022, VwGO § 42 Abs. 1 Rn. 118.
35Gemäß § 68 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO ist vor Erhebung der Verpflichtungsklage die Recht- und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Der Widerspruch ist grundsätzlich innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, einzulegen, § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO.
36Die Durchführung des Vorverfahrens war hier nicht entbehrlich. Etwas anderes folgt insbesondere nicht daraus, dass die Beteiligten bereits für die Haushaltsjahre 2018 und 2019 bei im Wesentlichen vergleichbarem Sachverhalt Widerspruchsverfahren durchgeführt haben und die Beklagte die entsprechenden Widersprüche zurückgewiesen hat. Zwar sind neben den in § 68 Abs. 1 VwGO angeordneten gesetzlichen Ausnahmen von der Notwendigkeit eines Vorverfahrens in der ständigen Rechtsprechung weitere ungeschriebene Ausnahmen vorgesehen. Ein Vorverfahren soll danach entbehrlich sein, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen wurde oder sein Zweck sich ohnehin nicht mehr erreichen lässt.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. August 1993 – 11 C 15.92 –, Rn. 14, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. September 2020 – 12 A 3006/19 –, Rn. 45, juris.
38Davon ist etwa dann auszugehen, wenn bei mehreren aufeinander folgenden Zeiträumen und im Wesentlichen unveränderter Sachlage die Behörde über die gleichen Sach- und Rechtsfragen erneut entscheiden würde und der Verwaltungsakt insofern wiederholt wird. Denn in einem solchen Fall wäre es eine nach dem Zweck des Widerspruchsverfahrens, eine Nachprüfung der Verwaltungsentscheidungen zum Rechtsschutz der Bürger und zur Entlastung der Gerichte zu ermöglichen, nicht erforderliche Förmelei, auf die Durchführung eines im Ergebnis ohnehin feststehenden Widerspruchsverfahrens zu bestehen.
39Vgl. NK-VwGO/Max-Emanuel Geis, 5. Aufl. 2018, VwGO § 68 Rn. 173; BeckOK VwGO/Hüttenbrink, 61. Ed. 1.4.2022, VwGO § 68 Rn. 23; SchochKoVwGO/Dolde/Porsch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 68 Rn. 24; SchochKoVwGO/Dolde/Porsch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 68 Rn. 24, 25; Eyermann/Rennert, 15. Aufl. 2019, VwGO § 68 Rn. 34.
40Eine Ausnahme nach dieser Fallgruppe kann aber jedenfalls dann keine Anwendung finden, wenn und soweit sich der Widerspruch gegen eine Ermessensentscheidung richtet. Denn auch bei mehreren aufeinander folgenden Zeiträumen und im Wesentlichen unveränderter Sachlage muss eingeräumtes Ermessen für jede einzelne Entscheidung neu ausgeübt und gegebenenfalls gerichtlich überprüft werden können.
41So auch: SchochKoVwGO/Dolde/Porsch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 68 Rn. 24; NK-VwGO/Max-Emanuel Geis, 5. Aufl. 2018, VwGO § 68 Rn. 174; offen gelassen bei BVerwG, Urteil. vom 27. Februar 1970 – IV C 28.67, BeckRS 1970, 106668.
42Danach war hier das Vorverfahren durchzuführen, weil die Gewährung der vom Kläger beantragten Globalzuschüsse im Ermessen der Beklagten steht und insoweit von der Widerspruchsbehörde eine eigenständige neue Ermessensausübung vorzunehmen war.
43Soweit die Kläger sich darauf beruft, dem BVA habe aufgrund der haushaltsrechtlichen Vorgaben kein eigener Entscheidungsspielraum zugestanden, dringt er damit nicht durch. Denn auch wenn die Widerspruchsbehörde grundsätzlich an die Zuweisung der Mittel im Haushaltsgesetz des Bundes gebunden ist, so wäre die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht sinnlos. Auch in einem solchen Fall bestehen für die Widerspruchsbehörde nämlich Möglichkeiten, im Fall der Annahme eines begründeten Widerspruchs Maßnahmen zu ergreifen, die eine Abhilfeentscheidung ermöglichen. Gegebenenfalls ist die zuständige Behörde verpflichtet, auf die Bereitstellung neuer Mittel hinzuwirken und eine über- oder außerplanmäßige Erfüllung eines Förderanspruchs zu ermöglichen, wenn sie im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu dem Schluss kommt, dass die beantragte Zuwendung doch bewilligt werden soll – sei es aus Rechts- oder aus Zweckmäßigkeitserwägungen.
44Ähnlich Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 22. Februar 1995 – 1 UE 1660/91 –, Rn. 34, juris hinsichtlich der Verpflichtung eines Dienstherrn, auf die Schaffung von Planstellen hinzuwirken; vgl. auch Huck/Müller/Müller, 3. Aufl. 2020, VwVfG § 40 Rn. 13.
45Dies gilt insbesondere dann, wenn die Widerspruchsbehörde zu dem Schluss kommt, dass ein Förderanspruch aus Gründen der Gleichbehandlung rechtlich geboten ist.
46Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte als Widerspruchsbehörde aufgrund politischer Weisungen von vornherein daran gehindert wäre, auf die Schaffung einer Abhilfemöglichkeit hinzuwirken. Insbesondere ist der Einwand des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dem BVA sei aufgrund bestehender Erlasslage bereits angeordnet worden, den Antrag des Klägers und einen eventuellen Widerspruch auf jeden Fall abschlägig zu bescheiden, nicht zutreffend. Eine solche Anordnung liegt in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten nicht vor. Konkret bezogen auf den Förderantrag des Klägers für das Jahr 2020 findet sich insoweit nur ein Erlass des BMI vom 30.04.2019 vor, mit dem das BVA gebeten wurde, den Antrag des Klägers für das Jahr 2020 zuständigkeitshalber zu übernehmen. Eine inhaltliche Anweisung, den Antrag negativ zu bescheiden, findet sich im Erlass nicht. Erst recht finden sich dort keine Angaben zu einem eventuellen Widerspruchsverfahren. Soweit im Erlass Bezug genommen wird auf die Antragsverfahren 2018 und 2019 sowie die zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Gerichtsverfahren, kann auch hieraus keine Anweisung abgeleitet werden, nach der zwingend entsprechend der vorherigen Jahrgänge zu verfahren sein müsste. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass zum Erlasszeitpunkt – was der Erlass auch betont – die Haushaltsberatungen für das Jahr 2020 noch nicht abgeschlossen waren.
47Hiergegen kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass die Beklagte im hiesigen Fall eine entsprechende Prüfung bereits für die Haushaltsjahre 2018 und 2019 durchgeführt und einen Anspruch des Klägers verneint hat. Denn wie bereits dargelegt muss auch bei ähnlichen Sachverhalten für jede (Widerspruchs-)Entscheidung das eingeräumte Ermessen auch tatsächlich ausgeübt werden. Insoweit ist es nicht ausgeschlossen, dass die Widerspruchsbehörde auch unter Berücksichtigung ihrer vorherigen Entscheidungen eine Änderung ihrer bisherigen Ermessens- und Entscheidungspraxis vornimmt, etwa wenn im späteren Widerspruchsverfahren neue Argumente in die Diskussion eingeführt werden.
48Da ein Widerspruchsverfahren nach alledem durchzuführen war, begann die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO am 31.01.2020 zu laufen, da der Ablehnungsbescheid vom 15.01.2020 dem Kläger am 30.01.2020 zugestellt wurde, §§ 55 Abs. 2 VwGO i. V. m. 222 ZPO i. V. m. 187 Abs. 1 BGB. Die Widerspruchsfrist endete damit grundsätzlich mit Ablauf des 29.02.2020, §§ 55 Abs. 2 VwGO i. V. m. 222 ZPO i. V. m. 188 Abs. 3 BGB. Da es sich hierbei um einen Samstag handelte, endete die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages, also mit Ablauf des 02.03.2020, §§ 55 Abs. 2 VwGO i. V. m. 222 ZPO i. V. m. 193 BGB. Der Widerspruch des Klägers ging am 03.03.2020 und damit verfristet bei der Beklagten ein.
49Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, §§ 70 Abs. 2, 60 VwGO. Da die Einhaltung der Widerspruchsfrist aufgrund ihrer Wirkungen für die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage darstellt, ist das Gericht von Amts wegen verpflichtet, die Einhaltung der Frist zu überprüfen und hat insoweit auch eigenständig zu prüfen, ob dem Kläger hinsichtlich des Widerspruchs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren gewesen wäre.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. März 1983 – 1 C 34.80 –, Rn. 15 ff., juris m. w. N.; NK-VwGO/Max-Emanuel Geis, 5. Aufl. 2018, VwGO § 70 Rn. 56-58 m. w. N. auch zu der Gegenansicht in der Literatur.
51Nach den §§ 70 Abs. 2, 60 Abs. 1 – 2 VwGO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, und er innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachholt. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung liegen hier nicht vor, weil die Fristversäumung hinsichtlich der Widerspruchsfrist jedenfalls auf dem Verschulden des Klägers beruht.
52Verschuldet ist die Versäumung einer Frist immer dann, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten müssen sich die Beteiligten dabei wie eigenes zurechnen lassen, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 51 Abs. 2, 85 ZPO.
53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2021 – 2 B 59.20 –, Rn. 3, juris m. w. N.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Februar 2022 – 2 A 2940/21 –, Rn. 2 - 5, juris.
54Eine schwere Erkrankung kann, insbesondere bei plötzlichem Auftreten, für ihre Dauer ein Wiedereinsetzungsgrund sein, wenn sie den Beteiligten daran hindert, einen Bevollmächtigten zu beauftragen oder – im Falle der Erkrankung des Bevollmächtigten selbst – diesen daran hindert, selbst tätig zu werden oder einen weiteren Bevollmächtigten zu beauftragen.
55Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Mai 2021 – 1 A 3230/20 –, Rn. 14, juris.
56Unter Anwendung dieses Maßstabs muss sich der Kläger das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der versäumten Widerspruchsfrist zurechnen lassen.
57Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hierzu im Wesentlichen angegeben, er sei ab dem 15.02.2020 fiebrig erkrankt gewesen und habe die Arbeit am 25.02.2020 wieder aufgenommen. Wann er mit der Einlegung des Widerspruchs mandatiert worden sei, könne er nicht mehr angeben. Vom 25.02.2020 bis zum einschließlich 27.02.2020 habe er vorrangige andere Verfahren bearbeiten müssen, in denen es das Institut der Wiedereinsetzung nicht gebe, darunter Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Am Freitag, dem 28.02.2020 habe er an einer Veranstaltung in Konstanz teilnehmen müssen und sei erst am Samstag, dem 01.03.2020 in der Nacht heimgekehrt. Am Montag, dem 02.03.2020 habe er eigentlich den Widerspruch fertigen wollen, dann aber dringend einen anderen Mandanten aufsuchen müssen.
58Bereits aus dem eigenen Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers ergibt sich, dass allein seine Erkrankung kein unverschuldetes Hindernis begründen kann. Denn nach den eigenen Angaben des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat er zum 25.02.2020 und damit vor Fristablauf die Arbeit wieder aufgenommen.
59Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich für den Zeitraum ab dem 25.02.2020 auf die Bearbeitung vorrangiger anderer Fristsachen beruft, macht er letztlich nicht seine Erkrankung, sondern eine akute Arbeitsüberlastung für die Versäumung der Frist verantwortlich. Eine Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig kein Wiedereinsetzungsgrund. Nur dann, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar eingetreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit erheblich eingeschränkt wird, kommt ein unverschuldetes Hindernis in Betracht.
60Vgl. Eyermann/Hoppe, 16. Aufl. 2022, VwGO § 60 Rn. 17.
61Grundsätzlich kann auch eine aus einer vorhergehenden Erkrankung resultierende plötzliche und unvorhergesehene Arbeitsüberlastung einen Grund für eine Wiedereinsetzung bieten. Aufgrund ihrer beruflichen Sorgfaltspflicht haben Rechtsanwälte in einem solchen Fall allerdings im Rahmen ihrer Möglichkeiten Vorsorge zu tragen, dass fristwahrende Schriftsätze die Kanzlei rechtzeitig verlassen. Gegebenenfalls sind sie verpflichtet, einen Vertreter zu beauftragen, der die notwendigen Prozesshandlungen vornimmt.
62Vgl. NK-VwGO/Detlef Czybulka/Sebastian Kluckert, 5. Aufl. 2018, VwGO § 60 Rn. 76.
63Danach liegt hier im Ergebnis keine unverschuldete Versäumung der Widerspruchsfrist vor. Denn während der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit vom 25.02.2020 bis einschließlich dem 02.03.2020 bestand ausreichende Gelegenheit, um entweder selbst fristgerecht Widerspruch einzulegen oder für die Erhebung des Widerspruchs einen Vertreter zu beauftragen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachten besonderen Belastungssituation aufgrund krankheitsbedingten Arbeitsrückstaus.
64Zunächst wäre es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ohne erheblichen Aufwand möglich gewesen, selbst den Widerspruch einzulegen. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass es zur fristwahrenden Einlegung des Widerspruchs nicht notwendig gewesen wäre, diesen bereits mit einer umfassenden Begründung zu versehen. Vielmehr wäre es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers möglich gewesen, einen lediglich wenige Zeilen umfassenden förmlichen Widerspruch vorab einzulegen und eine Fristverlängerung für die Vorlage der Widerspruchsbegründung zu beantragen. Der Arbeitsaufwand hierfür hätte voraussichtlich nur wenige Minuten betragen. Dabei hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zudem auf Vorarbeiten aus den vorherigen Förderjahrgängen zurückgreifen können, in denen er den Kläger ebenfalls bereits in den zugehörigen Widerspruchsverfahren vertreten hat.
65Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Blick auf eine krankheitsbegründete Überlastung sogar hieran gehindert gewesen wäre, wäre es ihm möglich gewesen, einen Vertreter mit der Einlegung eines fristwahrenden Widerspruchs zu beauftragen. Dass ihm dies aufgrund der „ständigen politischen Hetze seitens der politischen Konkurrenz und der Massenmedien“ nicht möglich gewesen sein soll, hat der Prozessbevollmächtigte nicht glaubhaft gemacht. Es ist allgemein bekannt, dass es – auch über den Prozessbevollmächtigten des Klägers hinaus – Rechtsanwälte gibt, die der von der AfD vertretenen politischen Strömung nahestehen. Für die fristwahrende Einlegung eines förmlichen Widerspruchs wäre es auch nicht erforderlich gewesen, einen besonders spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen, da wie bereits dargelegt ein wenige Zeilen umfassender Widerspruch zur Fristwahrung genügt hätte. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nur versucht hat, einen anderen Rechtsanwalt als Vertreter zu beauftragen.
66Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall nicht einmal eine rechtsanwaltliche Vertretung notwendig gewesen wäre, da es im Widerspruchsverfahren keinen Zwang zur anwaltlichen Vertretung gibt. Daher hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers etwa auch den Kläger durch einen kurzen Anruf veranlassen können, den Widerspruch aufgrund seiner Belastungssituation fristwahrend selbst zu erheben. Dass ihm selbst für einen derartigen kurzen Anruf im Zeitraum vom 25.02.2020 bis einschließlich dem 02.03.2020 kein ausreichender Zeitraum zur Verfügung stand, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere am 27.02.2020, wo der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich nach eigenen Angaben den ganzen Tag auf einer Tagung aufgehalten hat, dürfte ein solcher Anruf – und sei es in einer Tagungspause – ohne Weiteres möglich gewesen sein.
67Zu keinem anderen Ergebnis führt das Argument des Klägers, der Widerspruch sei bereits am 03.03.2020 und nur etwa 12 Stunden und 30 Minuten verspätet eingegangen. Es liegt in der Natur von in absoluten Zeiträumen bestimmten Fristen, dass es für die Versäumung der Frist und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen unerheblich ist, ob die Frist um Wochen, Tage, Stunden oder auch nur Minuten versäumt wird. Insoweit gilt allein die Regelung des § 60 Abs. 2 S. 3 VwGO, nach der die versäumte Rechtshandlung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen ist. Eine besonders zügige Nachholung kann aber – unabhängig von der Frage, ob eine solche hier vorliegt – keinen Einfluss auf die Frage haben, ob eine unverschuldete Fristversäumung im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO vorliegt.
68Ebenfalls dringt der weitere Einwand des Klägers nicht durch, es bedürfe hier nach Sinn und Zweck der Fristenregelung des § 70 VwGO nicht des Schutzes des Vertrauens in die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom 15.01.2020, da am Verwaltungsverfahren keine privaten Dritten oder Grundrechtsträger beteiligt seien und Kläger und Beklagte über andere Förderjahrgänge stritten, sodass durch eine Bestandskraft auch kein Rechtsfrieden hergestellt würde. Dass der Eintritt der Bestandskraft eines Verwaltungsakts nicht von der Beteiligung eines Dritten am Verwaltungsrechtsverhältnisses abhängt, ergibt sich aus den Fristenregelungen der §§ 70, 74 VwGO, die Rechtsbehelfsfristen völlig unabhängig von der Beteiligung Dritter vorsehen. Auch endgültiger Rechtsfrieden kann durch die Wirkung der Bestandskraft jedenfalls für das Förderjahr 2020 erreicht werden.
69Ohne Erfolg bleibt es schließlich, wenn der Kläger sich auf eine dem Auswärtigen Amt in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin gewährte Fristverlängerung beruft. Denn dabei handelte es sich um eine in einem gerichtlichen Verfahren durch das zuständige Gericht gesetzte Frist zur Stellungnahme, deren Dauer im Ermessen des Gerichts steht und von diesem unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände festgesetzt und gegebenenfalls auch auf Antrag verlängert werden kann. Eine solche Fristsetzung ist nicht vergleichbar mit einer gesetzlichen Frist, die von der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Gericht gerade nicht verlängert werden kann und wie sie in § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO normiert ist.
70Vgl. Schoch/Schneider/Dolde/Porsch, 42. EL Februar 2022, VwGO § 70 Rn. 13, 14; BeckOK VwGO/Hüttenbrink, 61. Ed. 1.4.2022, VwGO § 70 Rn. 1.
71Wegen der Unzulässigkeit der Klage kommt es nicht mehr darauf an, ob diese gegebenenfalls begründet gewesen wäre und dem Kläger für das Haushaltsjahr 2020 ein Anspruch auf die Bewilligung von Globalzuschüssen für seine gesellschaftspolitische Bildungsarbeit gegen die Beklagte zugestanden hätte.
72Vgl. hierzu aber das Urteil der erkennenden Kammer vom 12. August 2022, – 16 K 2526/19 –, hinsichtlich der Förderjahre 2018, 2019 und 2021.
73Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
74Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. 709 ZPO.
75Rechtsmittelbelehrung
76Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
77- 78
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
- 80
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- 81
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
84Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
85Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
86Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
87Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
88Beschluss
89Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
9010.000 €
91festgesetzt.
92Gründe
93Der festgesetzte Betrag entspricht der Höhe der streitigen Geldleistung (§ 52 Abs. 3 GKG).
94Rechtsmittelbelehrung
95Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
96Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
97Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
98Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
99Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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