Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Köln - 20 K 1953/22.A
Tenor
Der Bescheid vom 04.03.2022 wird – mit Ausnahme von Ziffer 3 Satz 4 des Bescheides - aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.
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T a t b e s t a n d
2Der am 00.00.1990 in Latakia/Syrien geborene Kläger zu 1) und seine am 00.00.1991 in Damaskus geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2), sind syrische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten am 15.11.2021 in die Bundesrepublik ein und stellten am 24.11.2021 formelle Asylanträge bei der Beklagten. In Bulgarien wurde den Klägern bereits internationaler Schutz gewährt.
3Im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und der Anhörung zur Zulässigkeit der Anträge am 21.02.2022 gab der Kläger zu 1) an, er habe Syrien im September 2018 verlassen und sei u.a. über den Irak, Iran, die Türkei und Bulgarien nach Deutschland gereist. In Bulgarien sei er 2018 eingereist, er habe sich dort 2 Jahre aufgehalten. In Bulgarien sei ihm im Dezember 2019 internationaler Schutz zuerkannt worden. Die Klägerin zu 2) erklärte, sie habe Syrien im Dezember 2020 verlassen und sei u.a. über den Libanon, die Türkei und Bulgarien gereist. Sie habe dort 2021 ebenfalls internationalen Schutz und ein 3 Jahre gültiges Aufenthaltsdokument erhalten. Sie habe sich 11 Monate in Bulgarien aufgehalten.
4Am 23.02.2022 fanden weitere Anhörungen zur Zulässigkeit der Anträge statt. Dort erklärte die Klägerin zu 2), sie sei im Wege der Familienzusammenführung nach Bulgarien gereist. Sie hätten in Sofia in einer 2-Zimmerwohnung zur Miete gewohnt, die Miete habe ca. 700 – 800 Lev, ca. 400 €, gekostet. Ihr Mann habe versucht, selbständig zu arbeiten, meistens habe er die Unterstützung von seinen Eltern bekommen. Er habe gelegentlich auf dem Bau gearbeitet, aber nicht immer seinen Lohn erhalten. Die meiste Zeit sei er arbeitslos gewesen. Sie hätten versucht, Sozialleistungen zu erhalten. Ihnen sei gesagt worden, dass für sie nichts zu machen sei. Sie hätten einen Uni-Abschluss, sie hätten damit nicht arbeiten können. Sie hätten versucht, die Abschlüsse anerkennen zu lassen, aber das sei nicht gegangen. Sie hätten versucht, beim Arbeitsamt Arbeit zu bekommen, aber es habe keine Arbeit für sie gegeben. Man habe gesagt, für Flüchtlinge gebe es kein Geld in Bulgarien. Sie habe einen Sprachkurs bei der Caritas bekommen, wegen Corona sei alles abgesagt worden. Als sie schwanger gewesen sei, habe sie zur Untersuchung gemusst. Sie habe dafür immer 30 – 50 € zahlen müssen. Für die Entbindung hätte sie auch aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Der Kläger zu 1) machte entsprechende Angaben. Er sei immer gependelt. Er habe in einem Hostel gewohnt, danach in einer Wohnung. In den ersten 3 Monaten habe er versucht, eine Unterkunft zu finden. Die bulgarischen Menschen vermieteten ihnen keine Wohnung. Später habe er eine Wohnung gefunden. Er habe mit Arabern gearbeitet, manchmal sei er bezahlt worden und manchmal auch nicht. Es sei Schwarzarbeit gewesen. Das Camp habe er eine Woche nach seiner Anerkennung verlassen müssen. Er habe dann gar nichts mehr bekommen. Er habe sich auch bei der Krankenkasse anmelden wollen, aber ihm sei gesagt worden, er müsse jetzt 5 Jahre nachzahlen. Er habe auch kein Bankkonto eröffnen können, weil er Syrer sei. Western Union habe ihm auch kein Geld auszahlen wollen. Es habe inoffizielle Möglichkeiten gegeben, sein Vater habe Menschen in Syrien Geld gegeben und deren Familienangehörige in Bulgarien hätten dann ihm das Geld gegeben. Er habe versucht, dort zu leben, aber es habe nicht gepasst. Für die Entbindung hätte er 1.500,00 € bezahlen müssen.
5Mit Bescheid vom 04.03.2022 lehnte die Beklagte die Anträge als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und forderte die Kläger unter Abschiebungsandrohung nach Bulgarien auf, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3). Die Kläger dürften nicht nach Syrien abgeschoben werden (Ziffer 3 Satz 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt (Ziffer 5). Der Bescheid wurde den Klägern am 15.03.2022 ausgehändigt.
6Am 28.03.2022 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Es sei den Klägern nicht möglich, in Bulgarien ein menschenwürdiges Leben zu führen. Zwischenzeitlich sei in der Bundesrepublik Deutschland ein Kind geboren, so dass die Klägerin zu 2) nicht arbeiten könne. Der Kläger zu 1) könne angesichts der Verhältnisse in Bulgarien den Lebensunterhalt für seine Familie alleine nicht sicherstellen. Im Übrigen seien aufgrund der vielen Flüchtlinge aus der Ukraine mehrere osteuropäische Länder nicht mehr bereit, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Flüchtlinge zurückzunehmen. Es seien dieses insbesondere die Länder Polen, Tschechien, Rumänien und Bulgarien. Zwar seien hier die Kläger bereits als Schutzberechtigte anerkannt, die Situation stelle sich aber genauso dar wie für Dublin-Rückkehrer. Ein menschenwürdiges Leben sei dort nicht möglich, außerdem würden die bulgarischen Behörden in absehbarer Zeit Flüchtlinge nicht zurücknehmen.
7Mit Bescheid vom 04.05.2022 wurde der hier geborenen Tochter der Kläger der subsidiäre Schutz zuerkannt (0000000-000).
8Die Kläger beantragen,
9den Bescheid der Beklagten vom 04.03.2022 aufzuheben,
10hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass bezüglich der Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgarien vorliegen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung. Die Kläger könnten keinen Familienschutz von ihrer Tochter ableiten, da die Klägerin zu 2) mit dieser noch nicht in Syrien schwanger gewesen sei. Bulgarien habe auch bislang keine Erklärung abgegeben, Überstellungen aufgrund der ankommenden ukrainischen Schutzsuchenden generell abzulehnen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu einer Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheides gehört worden sind ( § 84 Abs. 1 VwGO).
17Mit dem auf Aufhebung des Bescheides gerichteten Anfechtungsantrag ist die Klage überwiegend zulässig und begründet. Soweit der Anfechtungsantrag auch das in Ziffer 3 Satz 4 des Bescheides enthaltene Abschiebungsverbot in Bezug auf Syrien erfasst, erweist sich die Klage allerdings als unzulässig, da die Kläger hierdurch nicht beschwert sind. Für eine Anfechtungsklage fehlt es daher insoweit an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse.
18Im Übrigen ist der Bescheid vom 04.03.2022 rechtswidrig und verletzt die Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Asylanträge der Kläger sind insbesondere entgegen Ziffer 1 des Bescheides zulässig. Dies gilt sowohl mit Blick auf systemische Mängel des Asylsystems in Bulgarien als auch mit Blick auf den der Tochter der Kläger in Deutschland gewährten subsidiären Schutz.
191.
20Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Das ist hier zwar geschehen, dennoch ist es dem Bundesamt aus Gründen höherrangigen Rechts verwehrt, die Asylanträge der Kläger auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abzulehnen.
21Gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 (Verfahrensrichtlinie) können die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ansehen, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat. Dies gilt auch in Situationen, in denen einem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat kein Recht auf Asyl, sondern lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Diese Befugnis gilt jedoch nur, wenn der Antragsteller keinen ernsthaften Gefahren ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh zu erfahren.
22Vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17 (Ibrahim) u.a. und Urteil vom gleichen Tage – C 163/17 (Jawo) – sowie Urteil vom 13.11.2019 – C-540/17 (Hamed und Omar); BVerwG, Urteil vom 21.04.2020 – 1 C 4.19 –.
23Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens verlangt grundsätzlich zwar von jedem Mitgliedstaat, dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten. Es gilt daher im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernsthafte Gefahr besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, in diesem Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. In diesem Kontext ist es in Anbetracht des allgemeinen und absoluten Charakters des Verbots in Art. 4 GRCh für dessen Anwendung gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, eine solche Behandlung zu erfahren.
24Vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17 (Ibrahim) u.a. und Urteil vom gleichen Tage – C 163/17 (Jawo) – sowie Urteil vom 13.11.2019 – C-540/17 (Hamed und Omar); EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – Rs C 411/10 und C-493/10, N.S. und M.E. –; EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 – M.S.S./Belgien u. Griechenland - und Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 – Tarakhel/Italien -.
25Daher sind die Gerichte bei Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für ein solches Risiko verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen. Bei der Beurteilung der Situation in einem Mitgliedstaat und der für einen Asylbewerber/Schutzsuchenden dort bestehenden tatsächlichen Risiken im Falle einer Überstellung sind Stellungnahmen des UNHCR ebenso heranzuziehen wie regelmäßige und übereinstimmende Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie sonstige Berichte der europäischen Institutionen, insbesondere der Kommission.
26Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – Rs C 411/10 und C-493/10, N.S. und M.E. –; EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17 (Ibrahim) u.a. und Urteil vom gleichen Tage – C 163/17 (Jawo) – sowie Urteil vom 13.11.2019 – C-540/17 (Hamed und Omar); BVerwG, Urteil vom 21.04.2020 – 1 C 4.19 –.
27Derartige Schwachstellen fallen allerdings nur dann unter Art. 4 der Charta, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit ist etwa dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hat, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist. Große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person reichen nicht aus, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, die einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
28Vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17 (Ibrahim) u.a. und Urteil vom gleichen Tage – C 163/17 (Jawo) – sowie Urteil vom 13.11.2019 – C-540/17 (Hamed und Omar); EGMR, Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 – Tarakhel/Italien –; BVerwG, Urteil vom 21.04.2020 – 1 C 4.19 –.
29Der Umstand, dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser Antragsteller dort tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Antragsteller aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände. Bloße Unterschiede in den Sozialhilfeleistungen und/oder Lebensverhältnissen reichen insoweit nicht aus.
30Vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17 (Ibrahim) u.a. und Urteil vom gleichen Tage – C 163/17 (Jawo) – sowie Urteil vom 13.11.2019 – C-540/17 (Hamed und Omar); BVerwG, Urteil vom 21.04.2020 – 1 C 4.19 –.
31Die Ausführungen des EuGH stehen in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des EGMR, auf die er sich ausdrücklich bezieht. Eine Situation extremer materieller Armut kann danach stets eine für Art. 3 EMRK relevante Frage darstellen kann, wenn Personen vollkommen von staatlicher Unterstützung abhängig sind und in einer Lage schwerwiegender Entbehrungen und Not, die nicht mit der Menschenwürde vereinbar ist, mit behördlicher Gleichgültigkeit konfrontiert sind. Stets ist eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation der betroffenen Person vorzunehmen, was die Möglichkeit von Differenzierungen zwischen dem schon sprichwörtlichen „gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann“ und etwa alten und kranken Menschen impliziert. Zu berücksichtigen ist aber stets, dass Asylsuchende generell eine besonders unterprivilegierte und verletzliche Gruppe darstellen und besonderen Schutz benötigen.
32Vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 – Tarakhel/Italien -.
33Hinsichtlich Bulgarien entspricht es der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, das dort systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorliegen, die alle Bereiche des bulgarischen Asylsystems erfassen und die für jeden einzelnen das tatsächliche Risiko begründen, einer Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu sein.
34Die Lage von Personen mit Schutzstatus in Bulgarien ist aussichtslos. Seit dem Auslaufen des Nationalen Integrationsprogramms im Jahr 2013 gibt es bis heute kein operatives Integrationsprogramm mehr in Bulgarien und damit ist auch in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen. Das Jahr 2020 war das siebte „Zero Integration Year“ in Folge. Seit dem 19.07.2017 gibt es eine Integrationsverordnung, die den Abschluss von Integrationsvereinbarungen zwischen anerkannten Flüchtlingen und Bürgermeistern von Gemeinden zu allen wichtigen Lebensbereichen wie z.B. Unterkunft, Sprachkurse und Schule vorsieht. In der Praxis ist diese allerdings nahezu wirkungslos. Personen mit Schutzstatus haben zwar formal bis zu einem Zeitraum von 6 Monaten nach der positiven Entscheidung einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung in Höhe des Minimums der staatlichen Sozialhilfe in Bulgarien. Dieser Betrag reicht jedoch anerkanntermaßen nicht aus, um selbst grundlegende Bedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft zu befriedigen oder Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erlangen. Die einzige Option zur Erlangung einer Unterkunft während dieser sechsmonatigen Zeit besteht in dem weiteren Verbleib in einem der Aufnahmezentren, was nur ausnahmsweise der Fall ist. Haben Schutzberechtigte eine Unterkunft zwischenzeitlich aus irgendwelchen Gründen verlassen, werden sie dort regelmäßig nach einer Rückkehr nicht mehr untergebracht. Außerhalb der Aufnahmezentren besteht ein hohes Risiko von Obdachlosigkeit, das wegen des Fehlens eines Integrationsprogramms dadurch erhöht wird, dass Flüchtlinge keinerlei finanzielle Unterstützung wie Wohngeld erhalten und auch keine Unterkunft in Obdachlosenunterkünften oder Sozialwohnungen finden können. Der Erhalt eines Schutzstatus bedeutet daher in der Regel Obdachlosigkeit. Ohne Wohnung ist auch der Zugang zu jeglichen anderen staatlichen und medizinischen Leistungen unmöglich, da hierfür eine Meldeadresse vorgewiesen werden muss. Mangels Integrationsprogramm, ohne Sprachkenntnisse und in Abwesenheit von Sozialarbeitern ist dies Schutzberechtigten nahezu unmöglich. Ebenso aussichtslos sind die Möglichkeiten, sich durch Erwerbstätigkeit das Existenzminimum zu sichern, zumal unter den in Bulgarien herrschenden schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer ohnehin hohen Arbeitslosenquote. Nur wenige Schutzberechtigte haben bislang überhaupt eine Arbeit gefunden und wenn, dann entweder in schlecht bezahlten unqualifizierten Jobs oder bei Arbeitgebern gleicher Herkunft, die sich vornehmlich in Sofia ein Geschäft aufgebaut haben. Auch der Zugang zu Schule/Bildung ist für Flüchtlingskinder erschwert. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für Personen mit Schutzstatus ebenfalls nicht gewährleistet. Der monatliche Beitrag für das Gesundheitssystem muss selbst bezahlt werden, eine staatliche Unterstützung gibt es hierfür nicht. Selbst wenn der Beitrag irgendwie aufgebracht werden kann, sind Aufwendungen für Arzneimittel und psychologische Behandlung nicht abgedeckt. Auch kassenfinanzierte Leistungen können kaum in Anspruch genommen werden, da man hierzu auf eine Patientenliste eines Hausarztes gelangen muss, was oft mit unüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden ist.
35Vgl. aida, Country Report Bulgaria – jährliche Updates 2018, 2019, 2020 und zuletzt 2021; bordermonitoring.eu, Get Out! Zur Situation von Geflüchteten in Bulgarien, Juni 2020; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Bericht vom 30.08.2019: Bulgarien – Aktuelle Situation für Asylsuchende und Personen mit Schutzstatus; Auswärtiges Amt, Auskünfte an VG Potsdam vom 16.01.2019, an Niedersächsisches OVG vom 18.07.2017, an VG Stuttgart vom 23.07.2015 und an VG Hamburg vom 30.11.2015; Botschaft Sofia, Auskunft an das Auswärtige Amt vom 01.03.2018; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Anfragebeantwortung vom 19.07.2021 zu Bulgarien – Situation von subsidiär Schutzberechtigten und Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 27.11.2017; Rechtsanwältin Dr. Valeria Ilareva, Expertise zu der aktuellen rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien vom 04.04.2017 und Bericht über die derzeitige rechtliche, wirtschaftliche und soziale Lage anerkannter Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien vom 27.08.2015; Muiznieks-Report (Menschenrechtskommissar des Europarats) vom 22.06.2015; UNHCR, Überblick über den Zugang zu Bildung für Personen unter dem Mandat von UNHCR in Bulgarien, Juni 2015.
36Auch wenn konkrete Zahlen über obdachlose Schutzberechtigte nicht vorliegen und teilweise davon ausgegangen wird, dass die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen im Ergebnis dazu führe, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gebe,
37vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Potsdam vom 16.01.2019,
38bleibt anhand der vorstehenden Auskunftslage das Problem der Obdachlosigkeit eines der drängendsten Probleme für anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien. Dies wird durch aktuelle Erkenntnismittel bestätigt. So geht u.a. UNHCR unverändert von einem „real risk of homelessness“ aus.
39Vgl. UNHCR, Submission For the Office oft he High Commissioner for Human Rights‘ Compilation Report, UPR: 3rd Cycle, 36th Session, Bulgaria, vom Januar 2020; bordermonitoring.eu, Get Out! Zur Situation von Geflüchteten in Bulgarien, Juni 2020; SFH, Bericht vom 30.08.2019: Bulgarien und Pressemitteilung vom 12.10.2021 https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/bulgarien-ist-kein-sicherer-drittstaat.
40Zusätzlich muss in den Blick genommen werden, dass sich die Situation von Schutzberechtigten und Inländern auch bei formaler Gleichbehandlung strukturell und grundlegend unterscheidet. Bei Sozialleistungen, die – wie in Bulgarien unbestritten der Fall – so bemessen sind, dass sie objektiv nicht zum Überleben ausreichen und nicht die grundlegendsten Bedürfnisse an Unterkunft und medizinischer Versorgung decken, ist der Schutzberechtigte ohne Sprachkenntnisse, ohne jegliche sozialen Kontakte oder familiären Netzwerke und ohne eigene Mittel zu einem menschenunwürdigen Leben am Rande des Existenzminimums verdammt. Zudem stehen ihnen bei einem weitgehend verschlossenen Arbeitsmarkt auch keine Ausweichmöglichkeiten zur Existenzsicherung, wie etwa die Abwanderung auf andere Arbeitsmärkte in der EU, zur Verfügung, da sie anders als Inländer keine Freizügigkeit genießen. Insofern erweist sich bei der gegebenen völligen Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen das Fehlen eines Integrationsprogramms als Ausdruck einer institutionellen manifesten Gleichgültigkeit, die nach der Rechtsprechung des EGMR auch ohne die besonderen Gewährleistungen der Qualifikationsrichtlinie bereits zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen kann.
41Zu dem Fehlen nahezu jeglicher staatlicher Unterstützung bei der Sicherung des Existenzminimums und der Befriedigung elementarster Bedürfnisse kommen weit verbreiteter Rassismus und Intoleranz hinzu, dem staatliche Behörden und Politiker nur selten entgegentreten. Es mehren sich im Gegenteil Berichte über Gewaltanwendung von staatlichen Sicherheitskräften gegenüber Flüchtlingen und eine Überlastung des Aufnahmesystems. Das Versäumnis staatlicher bulgarischer Verfolgungsbehörden, möglichen rassistischen Motiven für eine Gewaltanwendung gegenüber dem sudanesischen Beschwerdeführer nachzugehen, hat in der Vergangenheit bereits zu einer Verurteilung Bulgariens durch den EGMR wegen einer Verletzung von Art. 3 EMRK geführt.
42Vgl. UNHCR, Submission For the Office oft he High Commissioner for Human Rights‘ Compilation Report, UPR: 3rd Cycle, 36th Session, Bulgaria, vom Januar 2020; bordermonitoring.eu, Get Out! Zur Situation von Geflüchteten in Bulgarien, Juni 2020; SFH, Bericht vom 30.08.2019: Bulgarien; Muiznieks-Report (Menschenrechtskommissar des Europarats) vom 22.06.2015; EGMR, Urteil vom 11.03.2014 – Nr. 26827/08 – Abdu/Bulgarien; Human Rights Watch, Bericht vom 16.02.2016, Dispatches: What Bulgaria’s „Respect“ for Refugees Really Looks Like; n-tv.de vom 25.11.2016, Ausschreitungen in Bulgarien – Polizei nimmt 200 Flüchtlinge fest.
43Das Gericht hat nach alledem keinen Zweifel, dass für Personen mit Schutzstatus in Bulgarien unverändert das tatsächliche Risiko einer Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GR-Charta besteht. Soweit dies für die Zeit vor Ausbruch der Corona-Pandemie jedenfalls für die Gruppe arbeitsfähiger junger Männer anders bewertet worden ist,
44vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.12.2019 – 11 A 228/15.A -; Sächsisches OVG, Urteil vom 13.11.2019 – 4 A 947/17.A -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.10.2019 – A 4 S 2476/19 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.07.2019 – 4 LB 12/17 -,
45scheinen die Arbeitsmöglichkeiten in Nischenbereichen (etwa Callcenter für die arabische Sprache) zur Sicherung des Lebensunterhalts stark überbewertet zu sein.
46Die Situation hat sich zusätzlich durch die sozio-ökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie erheblich verschärft. Am härtesten wirkte sich die wirtschaftliche Krise auf den Dienstleistungssektor, auf Verkauf, Transport, Hotels, Restaurants, Kultur- und Unterhaltungssektor aus. Viele Ausländer haben ihren Arbeitsplatz verloren.
47Vgl. hierzu u.a.: OVG NRW, Beschluss vom 15.02.2022 – 11 A 1625/21.A -; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 14.01.2022 – 20 K 4854/21.A -.
48Hinzukommen seit dem 24.02.2022 die Auswirkungen des Zustroms ukrainischer Flüchtlinge nach Bulgarien. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind mehr als 300.000 Menschen in Bulgarien angekommen, ca. 90.000 – 120.000 haben nach Angaben der Regierung vorübergehenden Schutz und Unterkunft erhalten. Ein großzügiges Unterbringungsprogramm für die Flüchtlinge in Hotels an der Schwarzmeerküste wurde zwischenzeitlich beendet. Viele Ukrainer, geschätzt mindestens 30.000, wurden in staatliche Unterkünfte im Landesinneren verlegt.
49Vgl. Bordermonitoring.eu, Bulgarien – Update Juli 2022 - https://bordermonitoring.eu/bulgarien/2022/07/update-bulgarien/; spiegel online vom 30.05.2022 – Bulgarien will Flüchtlinge aus Hotels verbannen.
50Von ausreichenden freien Aufnahmekapazitäten in Bulgarien, in denen Asylsuchende und Schutzberechtigte zur Vermeidung von Obdachlosigkeit vorübergehend Unterkunft finden könnten,
51so noch: OVG NRW, Beschluss vom 15.02.2022 – 11 A 1625/21.A -,
52kann daher vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklungen nicht mehr ausgegangen werden. Auch geringfügige Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie sind unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der europaweit grassierenden Inflation obsolet geworden. Gegenwärtig wird von einer weiter steigenden Arbeitslosenquote von 5,4 % und einer Inflationsrate von 11,9 % - 12,5 % ausgegangen.
53Vgl. GTAI, Bulgarien – Wirtschaftsdaten kompakt, Mai 2022 - https://www.gtai.de/de/trade/wirtschaftsumfeld/wirtschaftsdaten-kompakt/bulgarien/wirtschaftsdaten-kompakt-bulgarien-156708; European Commission, Economic Forecast for Bulgaria, Summer 2022 - https://economy-finance.ec.europa.eu/economic-surveillance-eu-economies/bulgaria/economic-forecast-bulgaria_en.
54Ukrainische Flüchtlinge konkurrieren zudem objektiv sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch bei der Unterbringung mit Flüchtlingen aus anderen Aufnahmeländern und dürften ihnen insoweit erheblich bevorteilt sein.
55Die Möglichkeit einer Existenzsicherung durch eigene Erwerbstätigkeit muss vor diesem Hintergrund daher weiterhin als ausgeschlossen betrachtet werden.
56Im Rahmen der vorzunehmenden individuellen Betrachtung ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass syrische Schutzsuchende infolge der lang andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen in ihrem Heimatland regelmäßig in erheblichem Maße traumatische Erfahrungen gemacht haben und häufig bereits einmal ihre gesamte Existenzgrundlage verloren haben. Sie sind daher in besonders hohem Maße vulnerabel und schutzbedürftig. Die Kläger haben zudem nun einen Säugling zu versorgen und gehören auch aus diesem Grund zu einem besonders vulnerablen Personenkreis.
572.
58Der Ablehnung der Asylanträge als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Ziffer 1 des Bescheides steht zudem entgegen, dass die Kläger einen Anspruch auf die Gewährung von Familienschutz gemäß § 26 Abs. 3 und 5 AsylG haben.
59Die in § 26 Abs. 3 und 5 AsylG ausdrücklich normierten Voraussetzungen des Familienschutzes, abgeleitet von dem hier geborenen stammberechtigten Kind B. , liegen vor, da diesem im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) internationaler Schutz in Form des subsidiären Schutzes zuerkannt ist und dieser nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
60Nicht erforderlich ist zur Überzeugung des Gerichts, dass das stammberechtigte Kind bereits im Verfolgerstaat geboren ist oder – wie die Beklagte meint – die Mutter zumindest mit diesem Kind bereits im Herkunftsstaat schwanger gewesen sein muss.
61Weder dem Gesetzeswortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG noch der Gesetzesbegründung zu § 26 Abs. 3 AsylG kann entnommen werden, dass der Stammberechtigte bereits vor der Einreise der Familie geboren sein muss. Gefordert wird lediglich die Minderjährigkeit und Ledigkeit des Stammberechtigten zum Zeitpunkt der Asylantragstellung der Eltern bzw. der minderjährigen Geschwisterkinder und ein Zusammenhang zwischen der Asylantragstellung der Familienmitglieder und dem Aufenthalt des Stammberechtigten in der Bundesrepublik Deutschland. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift, wonach die Familie i. S. d. Art. 2 Buchstabe j der Qualifikationsrichtlinie schon in dem Staat bestanden haben muss, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird. Ausreichend ist insoweit vielmehr, dass es bereits im Herkunftsstaat einen Familienverband gegeben haben muss, dem der minderjährige Stammberechtigte angehört und in den er hineingeboren wurde.
62Vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 19.05.2017 – A 3 K 3301/16; VG Wiesbaden, Urteil vom 26.09.2018 – 7 K 3271/17.WI.A -; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 27.11.2020 – 10 K 1085/17.A. -; a.A. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.02.2022 – 4 L 85/21 – m.w.N; VG Aachen, Urteil vom 01.06.2021 – 2 K 922/18.A.
63Die vorstehende Auslegung steht mit der durch die Regelungen des Familienasyls verfolgten gesetzgeberischen Absicht, die im Wesentlichen auf eine Entlastungs- und Vereinfachungsfunktion, aber auch auf die Förderung einer raschen Integration und die Sicherung eines einheitlichen Rechtsstatus der Kernfamilie abzielte, in Einklang.
64Die Regelungen des Familienschutzes genießen in ihrem Anwendungsbereich auch Vorrang gegenüber dem hier in Rede stehenden Unzulässigkeitsgrund des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2020 – 1 C 8/19 –; OVG NRW vom 09.10.2019 – 11 A 2229/19.A –; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2019 – 4 L 201/17 –; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.05.2020 – 10 LA 104/20 –.
66Erweist sich die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides demnach als rechtswidrig und unterliegt der Aufhebung, so war auch die Entscheidung hinsichtlich der Abschiebungsverbote in Ziffer 2 aufzuheben, da sie jedenfalls verfrüht ergangen ist. In gleicher Weise unterliegen die Ziffern 3 (mit Ausnahme von Satz 4) bis 5 des Bescheides der Aufhebung. Die Beklagte wird nun gehalten sein, die Asylanträge der Kläger sachlich zu bescheiden.
67Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, 83b AsylG.
68Rechtsmittelbelehrung
69Den Beteiligten steht die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
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1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
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2. der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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3. ein in § 138 Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheides schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, zu beantragen. Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
75Die Begründung ist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
76Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten und ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
77Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten wahlweise statt dessen auch innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mündliche Verhandlung beantragen.
78Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
79Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
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Referenzen
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- 4 L 85/21 1x (nicht zugeordnet)
- § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG 2x (nicht zugeordnet)
- 11 A 2229/19 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 155 1x
- 4 S 2476/19 1x (nicht zugeordnet)
- 3 K 3301/16 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, 83b AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- 11 A 1625/21 2x (nicht zugeordnet)
- 20 K 4854/21 1x (nicht zugeordnet)
- 10 K 1085/17 1x (nicht zugeordnet)
- 11 A 228/15 1x (nicht zugeordnet)
- 4 LB 12/17 1x (nicht zugeordnet)
- § 26 Abs. 3 und 5 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG 4x (nicht zugeordnet)
- 1 C 8/19 1x (nicht zugeordnet)
- 2 K 922/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
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