Urteil vom Verwaltungsgericht Lüneburg (4. Kammer) - 4 A 74/99
Tatbestand
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Die Kläger begehren von dem Beklagten die Erteilung von Bescheinigungen über ihre Aufenthaltsgestattung.
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Die Kläger sind jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit. Die Kläger zu 1. bis 5., die aus dem Kosovo stammen, reisten im März 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Die am 6. Mai 1994 in Deutschland geborene Klägerin zu 6. wurde in das Asylverfahren einbezogen. Mit Bescheid vom 27. Oktober 1994 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge der Kläger ab. Die dagegen erhobene Klage wies die Kammer mit Urteil vom 20. November 1997 (4 A 1063/94) ab.
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Am 13. März 1998 stellten die Kläger Anträge auf Durchführung weiterer Asylverfahren. Diese Anträge wurden mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. April 1998 abgelehnt. Mit Urteil vom 1. März 1999 (4 A 524/98) hob die erkennende Kammer den Bescheid des Bundesamtes vom 9. April 1998 auf und verpflichtete die beklagte Bundesrepublik Deutschland, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Auf Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ließ das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. Juli 1999 (3 L 1138/99) dagegen die Berufung zu. In dem Berufungsverfahren (3 L 2802/99) ist bisher keine Entscheidung ergangen.
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Am 4. März 1999, dem Tag der Zustellung des Urteils der Kammer vom 1. März 1999, beantragten die Kläger bei dem Beklagten unter Hinweis auf das Urteil die Erteilung von Aufenthaltsgestattungen. Mit Schreiben vom 9. März 1999 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger ab. Er wies darauf hin, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung seien die Kläger weder Asylberechtigte noch Asylbewerber, denen eine Aufenthaltsgestattung zustehe. Sie blieben vielmehr weiter im Besitz einer Duldung und könnten analog § 58 Abs. 4 AsylVfG vorübergehend den Geltungsbereich der Duldung ohne Erlaubnis verlassen. Ein entsprechender Vermerk werde in ihrer Duldung angebracht. Außerdem ende gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 AsylbLG mit der Verpflichtung zur Asylanerkennung die Leistungsberechtigung nach diesem Gesetz, so dass die Kläger wieder die höheren Leistungen nach dem BSHG erhalten würden.
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Die Kläger haben am 15. April 1999 Klage erhoben.
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Zur Begründung tragen sie vor, dass ihnen ein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsgestattungen zustehe. Es könne nicht sein, dass Asylsuchende, die in einer Instanz obsiegt hätten, sich aufenthaltsrechtlich in einem Status befänden, der keine Rechtmäßigkeit vermittele.
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Die Kläger beantragen,
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den Bescheid des Beklagten vom 9. März 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen jeweils eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung zu erteilen, sowie festzustellen, dass ihr Aufenthalt ab dem 4. März 1999 gestattet gewesen ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 1. März 1999 nicht als Durchführung eines weiteren Asylverfahrens im Sinne von § 55 AsylVfG angesehen werden könne, zumal das Urteil noch nicht rechtskräftig sei.
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Die Kammer hat den Klägern mit Beschluss vom 5. Januar 2001 Prozesskostenhilfe bewilligt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 9. März 1999 ist rechtswidrig. Die Kläger haben gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Ausstellung von Bescheinigungen über die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
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Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet (Aufenthaltsgestattung). Nach der Rechtsprechung und herrschenden Meinung kann sich der Folgeantragsteller nicht auf die Gestattungswirkung des § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG berufen (siehe Nachweise bei Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, § 55 Rdnr. 22). Denn die Aufenthaltsgestattung wird nur "zur Durchführung des Asylverfahrens" gewährt. Ein Asylverfahren wird im Falle eines Folgeantrages gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG aber nur durchgeführt, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Erst nach der Feststellung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, wird somit ein Asylverfahren durchgeführt, so dass erst zu diesem Zeitpunkt die funktionell auf die Durchführung des Asylverfahrens begrenzte Aufenthaltsgestattung entsteht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucksache 12/2062, S. 36 f., abgedruckt in GK-AsylVfG, unter § 55 AsylVfG).
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Im vorliegenden Verfahren ist der Antrag der Kläger auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. April 1998 abgelehnt worden. Mit dem - nicht rechtskräftigen - Urteil der Kammer vom 1. März 1999 (4 A 524/98) ist allerdings dieser Bescheid aufgehoben und die beklagte Bundesrepublik Deutschland verpflichtet worden, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorliegen. Dass ab diesem Zeitpunkt der Aufenthalt der Kläger nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestattet gewesen ist, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
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Die gesetzliche Aufenthaltsgestattung knüpft nach Sinn und Zweck an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, die von der Kammer in dem Urteil vom 1. März 1999 festgestellt worden sind. Dass das Bundesamt nicht verpflichtet worden ist, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, folgt allein aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Gericht verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (BVerwG, Urteil vom 10.2.1998 - BVerwG 9 C 28.97 -, BVerwGE 106, 171). Zulässig ist danach ausschließlich die Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte, innerhalb derer sowohl über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG als auch über die Asylberechtigung zu entscheiden ist. Dass infolge der geänderten Rechtsprechung nicht mehr das Bundesamt das Folgeverfahren durchführt, sondern das Verwaltungsgericht, sofern Wiederaufnahmegründe vorliegen, selbst über das Asylbegehren entscheidet, darf aber nicht dazu führen, dass der Folgeantragsteller aufenthaltsrechtlich schlechter gestellt wird als nach der alten Rechtsprechung, nach der er gegen die Ablehnung des Bundesamtes, ein neues Asylverfahren einzuleiten, mittels einer Verpflichtungsklage die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens durch das Bundesamt durchsetzen konnte. Denn wenn der Folgeantragsteller nach der alten Rechtsprechung die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vor dem Verwaltungsgericht erstritten hätte, wäre sein Aufenthalt zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestattet gewesen. Entscheidend ist daher nicht, ob das Bundesamt ein Asylfolgeverfahren durchführt, sondern ob - entweder durch das Bundesamt oder durch das Verwaltungsgericht - die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG festgestellt worden sind. Dadurch, dass die Kammer mit Urteil vom 1. März 1999 die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bejaht hat, ist der Aufenthalt der Kläger nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestattet gewesen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Urteil der Kammer vom 1. März 1999 nicht rechtskräftig ist. Denn wenn das Bundesamt die Voraussetzungen für ein weiteres Asylverfahren als gegeben ansieht und dieses durchführt, bleibt die Aufenthaltsgestattung bestehen, bis die Entscheidung des Bundesamtes unanfechtbar geworden ist (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG), so dass lediglich das Erlöschen der Aufenthaltsgestattung, nicht aber deren Entstehen von der Bestandskraft bzw. Rechtskraft der die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bejahenden Entscheidung abhängt.
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Die Klage hat auch insoweit Erfolg, als die Kläger die Feststellung begehren, dass ihr Aufenthalt ab dem 4. März 1999 gestattet gewesen ist.
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Da die Aufenthaltsgestattung kraft Gesetzes entsteht und nach § 63 AsylVfG lediglich eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ausgestellt wird, können die Kläger im Hinblick auf den vergangenen Zeitraum nur mit der Feststellungsklage ihre Rechte verfolgen.
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Die Kläger haben auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Das erforderliche schutzwürdige Interesse ist gegeben, weil für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung der Kläger erheblich sein kann, von welchem Zeitpunkt an ihr Aufenthalt gestattet gewesen ist. Zwar ist zu berücksichtigen, dass den Klägern bisher Duldungen erteilt worden sind und bei zahlreichen Vorschriften des Ausländergesetzes wie z. B. § 100 Abs. 1 AuslG nicht zwischen Gestattung und Duldung unterschieden wird, so dass sich der aufenthaltsrechtliche Status insoweit im Ergebnis nicht auswirkt. Allerdings gibt es auch Vorschriften, die auf die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes abstellen, ohne den Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung zu verlangen (vgl. §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Während der Aufenthalt nach unanfechtbarer Anerkennung als Asylberechtigter (vgl. § 55 Abs. 3 AsylVfG) in den Zeiten, in denen eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vorlag, rechtmäßig war, kann die Duldung keinen rechtmäßigen Aufenthalt begründen.
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Dass der Aufenthalt der Kläger ab dem 4. März 1999 nach § 55 AsylVfG gestattet gewesen ist, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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