Urteil vom Verwaltungsgericht Lüneburg (1. Kammer) - 1 A 151/01
Tatbestand
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Der Kläger begehrt für den Stichtag des 1. Mai 1999 eine Neubeurteilung im Rahmen des Aktuellen Leistungsnachweises für den Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis 30. April 1999.
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Der Kläger ist Polizeihauptmeister im BGS. Er erhielt zum Stichtag des 1. Mai 1998 für den Zeitraum vom 1. April 1994 bis zum 30. April 1998 noch im Statusamt eines Polizeiobermeisters im BGS eine Regelbeurteilung, in der ihm die zu jener Zeit bestmögliche Note (Wertungsstufe“9“ –„übertrifft die Anforderungen in besonderem Maße“) erteilt wurde. Im Anschluss hieran erhielt er zum Stichtag des 1. Mai 1999 einen Aktuellen Leistungsnachweis der Bundesgrenzschutzabteilung ... für den Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis 30. April 1999, und zwar wegen einer zwischenzeitlichen Beförderung am 24. September 1998 nunmehr im Statusamt eines Polizeihauptmeisters im BGS. Dieser Leistungsnachweis endet mit der Gesamtnote „6“ – „entspricht den Anforderungen“. Zur Begründung ist in diesem Leistungsnachweis ausgeführt, die Einstufung sei aufgrund der Beförderung des Klägers zum Polizeihauptmeister am 24. September 1998 erfolgt.
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Mit Schriftsatz vom 8. September 1999 erklärte der Kläger sich mit der Herabsetzung der Gesamtnote von „9“ auf „6“ nicht einverstanden. Er bat daher um Prüfung und Abänderung des aktuellen Leistungsnachweises.
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Mit Bescheid vom 30. September 1999 lehnte die Bundesgrenzschutzabteilung ... diesen Abänderungsantrag ab. Zur Begründung führte sie an, dass Beamte, die im Zeitraum zwischen der Stellung der letzten Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Mai 1998 und den nunmehr zu fertigenden aktuellen Leistungsnachweisen befördert worden seien, in dem neuen statusrechtlichen Amt ihre bisherige Note noch nicht wieder erreicht haben könnten. Es entspreche ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Beamter nach seiner Beförderung in der Beurteilungsnote falle und im früheren statusrechtlichen Amt erst durch entsprechende Leistungen wieder seine frühere Bewertung erreichen könne. Demgemäß sei davon auszugehen, dass ein Beamter nach einer Beförderung grundsätzlich nicht besser als mit der Notenstufe „5“ bzw. „6“ beurteilt werden könne. Nach den Vorgaben der Beurteilungsrichtlinien sei bei der Interpretation der Ermessensanwendung zweifelsfrei davon auszugehen, dass die Beurteilung eines Beamten nach Beförderung bis zu drei Noten abgesenkt werden müsse. Ausnahmen in Einzelfällen seien dabei aber möglich. Da die Beförderung des Klägers zum Polizeihauptmeister zu einem sehr fortgeschrittenen Zeitpunkt innerhalb des Beurteilungszeitraumes erfolgt sei, stehe die Absenkung der Gesamtnote um drei Noten den vorgenannten Bestimmungen nicht entgegen.
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Der Kläger legte Widerspruch mit der Begründung ein, nach der Beurteilungspraxis und der dadurch erfolgten Veränderung der Bewertungsskalen seien über 50 % aller Beamten besser als mit der Gesamtnote „6“ beurteilt worden, so dass es sich bei der Gesamtnote „6“ entgegen der Notendefinitionen der Beurteilungsrichtlinien, die von einer Durchschnittsbewertung ausgingen, tatsächlich um eine äußerst ungünstige Beurteilung handele, die überdies einer hinreichenden, bisher aber nicht erfolgten Plausibilisierung bedürfe. Die in dem angefochtenen Bescheid gegebene Begründung für die Runterstufung um drei Notenpunkte überzeuge nicht. Zwar folge aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Beamter nach einer Beförderung eine ungünstigere Beurteilung erhalte, wenn er seine Leistungen nach einer Beförderung nicht gesteigert habe und andere Beamte seines neuen statusrechtlichen Amtes im Vergleich dazu besser zu bewerten seien. Eine Abwertung um drei Einzelnoten könne jedoch nicht allein auf eine inzwischen erfolgte Beförderung und die damit geltenden früheren Beurteilungsanforderungen gestützt werden. Die nur hierauf gestützte Herabsetzung der Bewertung seiner Leistung und Befähigung um drei volle Noten sei unverhältnismäßig. Es gebe jedenfalls keinen beamtenrechtlich haltbaren Erfahrungssatz, dass ein Beamter, der in der Beurteilung die bestmögliche Gesamtnote erhalten habe, nach einer Beförderung um drei Noten zurückfalle und nur noch eine Durchschnittsnote erhalten könne. Der Dienstherr sei seiner insoweit bestehenden Plausibilisierungspflicht nicht nachgekommen. Die Beurteiler hätten auch verkannt, dass die Befähigungsbeurteilung aus der Leistungsbeurteilung abzuleiten sei. Anders sei es nicht zu erklären, dass ein Widerspruch zwischen der lediglich durchschnittlich bewerteten Initiative in der Leistungsbeurteilung und der überdurchschnittlich bewerteten Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit in der Befähigungsbeurteilung bestehe. Bei der Gesamtnote „6“ handele es sich nach der Beurteilungspraxis nicht um ein durchschnittliches Gesamturteil, sondern um eine unterdurchschnittliche dienstliche Beurteilung. Zudem sei die Zusammenfassung von Beamten verschiedener Laufbahnen in einer Vergleichsgruppe unzulässig.
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Mit Bescheid vom 17. Januar 2000 – zugestellt am 7. Februar 2000 – wies das Grenzschutzpräsidium Nord den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach den Beurteilungsrichtlinien sei das statusrechtliche Amt des Beamten für den Vergleichsmaßstab dienstlicher Beurteilungen maßgeblich. Zum Stichtag des 1. Mai 1999 sei der Kläger somit für den gesamten Beurteilungszeitraum im statusrechtlichen Amt eines Polizeihauptmeisters im BGS zu beurteilen gewesen. Die Vorgabe von Richtwerten durch den Dienstherrn sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Die Vorgabe der Richtwerte in den Beurteilungsrichtlinien seien auch eingehalten worden. Die Gesamtnote „6“ liege an der Schwelle zur nächst höheren Notenstufe und stelle somit auch im tatsächlichen Vergleich innerhalb der Vergleichsgruppe keine ungünstige Beurteilungsnote dar. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine weitergehende Plausibilisierung der Beurteilung. Da die von der Rechtsprechung geforderte Erläuterung der Werturteile durch Differenzierung im Beurteilungsformblatt bereits erreicht sei und eine Pflicht zum Beweis der Werturteile anhand von tatsächlichen Gegebenheiten nicht bestehe. Die Absenkung der Beurteilungsnote nach einer Beförderung im Beurteilungszeitraum um drei Noten sei auch nicht unverhältnismäßig. Entgegen der Ansicht des Klägers stehe die Leistungsbeurteilung im Einklang mit der Befähigungsbeurteilung. Der Kläger rüge des Weiteren zu Unrecht die Zusammenfassung verschiedener Laufbahnen zu einer Vergleichsgruppe, da diese den Beurteilungsrichtlinien entspreche.
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Daraufhin hat der Kläger am 28. Februar 2000 Klage erhoben.
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Während des Klageverfahrens erhielt der Kläger für den Beurteilungszeitraum vom 1. Mai 1998 bis zum 30. September 2002 eine neue förmliche dienstliche Beurteilung zum Stichtag des 1. Oktober 2002, die ihm am 18. Dezember 2002 ausgehändigt wurde und die die Gesamtnote "6" aufweist.
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Zur Begründung seiner Klage vertieft und ergänzt er seinen bisherigen Vortrag. Der Rechtsstreit habe sich nicht erledigt. Nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer könnten Aktuelle Leistungsnachweise unabhängig vom Vorliegen späterer Regelbeurteilungen isoliert angefochten werden. Der angegriffene Aktuelle Leistungsnachweis sei auch in der Sache rechtswidrig, da er allein wegen einer zwischenzeitlich erfolgten Beförderung um drei volle Notenpunkte und damit um zwei volle Notenstufen schlechter beurteilt worden sei als im vorangegangenen, vierjährigen Beurteilungszeitraum. Dies sei zurückzuführen auf eine Dienstbesprechung vom 25. März 1999 für den Bereich des Grenzschutzpräsidiums Nord, in welcher vereinbart worden sei, dass ein Beamter nach Beförderung generell in der dienstlichen Beurteilung um drei Noten abgesenkt werden müsse. Eine solche pauschalierte Handhabung verstoße gegen das Gebot, dienstliche Beurteilungen jeweils einzelfallgerecht zu erstellen. Es gebe auch keinen Erfahrungswert, aus dem hergeleitet werden könne, dass nach der Beförderung eines Beamten und des dann geltenden strengeren Beurteilungsmaßstabes selbst bei gleichbleibender Leistung diese um drei Noten schlechter zu beurteilen wäre. Vielmehr müsse auf den Einzelfall abgestellt werden. Die im Bereich des Grenzschutzpräsidiums Nord praktizierte Handhabung stelle sich unabhängig davon auch in zweierlei Hinsicht als gleichheitswidrig dar. Zum einen würden dadurch Beamte wie er, die vor der Beförderung die bestmögliche Note „9“ erreicht hätten, generell schlechter behandelt als solche, die in der letzten dienstlichen Beurteilung vor der Beförderung nur die Note „8“ oder „7“ erreicht hätten. Wenn wie in seinem Fall generell nach Beförderung um drei Noten schlechter beurteilt werde, führe dies für Beamte mit der früheren Bestnote „9“ zwangsläufig dazu, dass sie nur noch mit der Note „6“ beurteilt würden. Diese sei jedoch der Vollnotenstufe „entspricht den Anforderungen“ zugeordnet, so dass im Ergebnis eine Verschlechterung um zwei Vollnoten vorliege. Demgegenüber würden nach der genannten pauschalierten Regelung Beamte, die vor der Beförderung mit der Note „8“ oder „7“ beurteilt worden seien, auf die Note „5“ oder „4“ herabgesetzt werden, was nach der Notenskala nur eine Herabstufung um eine Vollnotenstufe bedeute. Zum anderen werde die generelle Absenkung der Note nach einer Beförderung um drei Notenstufen nach seinem Kenntnisstand nur im Bereich des Grenzschutzpräsidiums Nord praktiziert. Im Bereich anderer Grenzschutzpräsidien sei eine solche Handhabung nicht bekannt. Durch die pauschalierte Absenkung seiner früheren Bestnote sei er im Rahmen von Bewerbungsverfahren, in denen sich Beamte anderer Grenzschutzpräsidien beteiligten, chancenlos. Des Weiteren beanstande er, dass er während des gesamten Beurteilungszeitraumes als Sachbearbeiter "Vorgangsbearbeitung" höherwertige Tätigkeit wahrgenommen habe, die nach Besoldungsgruppe 9 bis 11 BBesG bewertet worden seien. Dies komme in der Beurteilung jedoch nicht zum Ausdruck. Überdies seien für den Beurteilungszeitraum zwei Beurteilungsbeiträge eingeholt worden, die im Ergebnis eine wesentlich bessere Leistung bestätigten, als sie tatsächlich mit der Note „6“ ausgedrückt werde. Da diese Beurteilungsbeiträge im aktuellen Leistungsnachweis zum Stichtag des 1. Mai 1999 nicht erwähnt worden seien, sei indiziell davon auszugehen, dass sie keine Berücksichtigung gefunden hätten.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Bundesgrenzschutzabteilung Uelzen vom 30. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Grenzschutzpräsidiums Nord vom 17. Januar 2000 zu verurteilen, für ihn zum Stichtag des 1. Mai 1999 für den Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis zum 30. April 1999 nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Aktuellen Leistungsnachweis zu erstellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, der Klage fehle es bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Denn dem streitgegenständlichen Aktuellen Leistungsnachweis zum Stichtag des 1. Mai 1999 komme angesichts der neuen förmlichen Beurteilung zum Stichtag des 1. Oktober 2002 zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Bedeutung für Personalauswahlentscheidungen mehr zu, so dass er aus der Personalakte des Klägers entfernt werde könne. Unabhängig davon sei dieser Leistungsnachweis aber auch in der Sache auf der Grundlage der Beurteilungsrichtlinien sowie der Beförderungsrichtlinien in beurteilungs- und ermessensfehlerfreier Weise erstellt worden. Gerichtlich nachprüfbare Mängel der Beurteilung lägen nicht vor. Die dem Kläger zuerkannte Note „6“ stelle keineswegs eine schlechte Beurteilung dar, sondern sei im Rahmen der Beurteilungsstufe „entspricht den Anforderungen“ sogar die bestmögliche Bewertung, da die Notenskala für diese Beurteilung von „4“ bis „6“ reiche. Dabei sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das statusrechtliche Amt als Maßgabe für die dienstliche Beurteilung anzusehen. Es entspreche zudem ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Beamter bei gleichbleibender Leistung nach einer Beförderung in der Bewertung falle und sich erst wieder zu seiner früheren Benotung hocharbeiten müsse. Entgegen der Ansicht des Klägers sei auch in seinem Fall nicht nur auf die Übereinkunft zwischen Amtsleiter und Abteilungsführer für den Geschäftsbereich des Grenzschutzpräsidiums Nord, die nur empfehlenden Charakter habe, sondern auch auf seinen Einzelfall abgestellt worden. Die Absenkung der Benotung des Klägers um drei Punkte sei Ausdruck eines gleichbleibenden Leistungsstandes des Klägers. Eine Leistungssteigerung, die eine bessere Benotung rechtfertigen würde, sei nicht ersichtlich. Überdies komme auch dem Gesichtspunkt der Dauer der Bewertung im Statusamt Bedeutung zu. Dieser dürfe im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung bei Personalentscheidungen berücksichtigt werden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor. Die vom Kläger angesprochenen zwei Beurteilungsbeiträge seien lediglich unselbständige Beurteilungsbeiträge, die lediglich der Erkenntnisgewinnung dienten und in ihrer Tendenz für den Beurteiler nicht bindend seien. Zudem spreche die Einholung von Beurteilungsbeiträgen hier gerade dafür, dass eine unfassende Einzelfallprüfung stattgefunden habe, in die auch andere Vorgesetzte des Klägers einbezogen worden seien. Es sei auch die gesamte Tätigkeit des Klägers beurteilt worden und dabei sei auch berücksichtigt worden, dass er teilweise höherwertige Tätigkeiten wahrgenommen habe. Dass dies nicht aus dem formularmäßig erstellten aktuellen Leistungsnachweis hervorgehe, liege im Formular begründet und bedeute nicht, dass es bei der Beurteilung keine Rolle gespielt habe.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Sie ist mangels fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, nachdem der Kläger zwischenzeitlich für die Zeit vom 1. Mai 1998 bis zum 30. September 2002 eine neue förmliche dienstliche Beurteilung erhalten und der streitgegenständliche Aktuelle Leistungsnachweis sich damit erledigt hat.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.6.1985 - 2 C 6.83 -, ZBR 1985, 347, 348; Urt. v. 28.8.1986 - 2 C 26.84 -, ZBR 1987, 44), der das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Nds. OVG, Urt. v. 26.1.1993 - 2 L 111/88 -;Urt. v. 13.9.1995 - 2 L 636/91 -) und auch die erkennende Kammer folgen, ist ausschlaggebend für die Gewährung von Rechtsschutz gegen dienstliche Beurteilungen deren Zweckbestimmung, als Auswahlgrundlage für künftige, am Leistungsprinzip orientierte Personalentscheidungen zu dienen. Entfällt diese Zweckbestimmung, so hat sich das Begehren auf Änderung der Beurteilung erledigt mit der Folge, dass die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen ist.
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So liegt es - anders als noch in den vom Kläger als Vergleichsfälle angeführten Klageverfahren 1 A 80/00 und 1 A 152/01, die die Kammer durch Urteile vom 20. März 2002 zugunsten der dortigen Kläger entschieden hat - im hier vorliegenden Klageverfahren. Denn der Aktuelle Leistungsnachweis zum Stichtag des 1. Mai 1999 hat durch die nunmehr zum Stichtag des 1. Oktober 2002 erstellte förmliche dienstliche Regelbeurteilung seine eigene rechtliche Bedeutung verloren. Die förmlichen dienstlichen Beurteilungen bleiben für den gesamten Werdegang eines Beamten von Bedeutung. Es besteht danach für eine gegen die Beurteilung gerichtete Klage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis unabhängig davon fort, ob der Beamte inzwischen erneut beurteilt oder befördert worden ist. Denn auch in diesen Fällen kann im Allgemeinen nicht davon ausgegangen werden, dass die Beurteilung ihre Zweckbestimmung verliert. Das gilt insbesondere dann, wenn Bewerber um einen höheren Dienstposten nach der letzten dienstlichen Beurteilung im Wesentlichen gleich wie ihre Mitbewerber beurteilt worden sind und der Dienstherr bei einer Auswahlentscheidung als sog. Hilfskriterien auf frühere Beurteilungen zurückgreifen kann. Von einem Fortbestehen der Zweckbestimmung dienstlicher Beurteilungen kann jedoch nicht für solche Leistungsbewertungen ausgegangen werden, die außerhalb des vorgeschriebenen regelmäßigen Turnus von vier Jahren (Regelbeurteilung) und ohne einen besonderen Anlass (Anlass- oder Bedarfsbeurteilung) für eine Beurteilung zwischendurch erstellt werden und die den Leistungsstand lediglich für die im folgenden Jahr anstehenden Personalentscheidungen aktualisieren sollen, die aber auch später in einer regulär zu erstellenden (Regel- oder Bedarfs-)Beurteilung, die auch - wie hier - den für den aktuellen Leistungsstand geltenden Leistungszeitraum mitumfasst, aufgehen (vgl. zu alledem Nds. OVG, Urt. v. 22.4.1997 - 2 L 2818/96 -).
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Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, die Aktuellen Leistungsnachweise würden ausschließlich für die im folgenden Jahr anstehenden Beförderungsentscheidungen erstellt. Nach Ablauf eines Jahres werde ein neuer aktueller Leistungsstandsbericht erstellt. Ob damit - wie die Beklagte meint - der bisherige aktuelle Leistungsstand "verbraucht" sei, begegnet allerdings nach der Rechtsprechung der Kammer wie auch des Nds. OVG rechtlichen Bedenken: Denn als Grundlage für Personalentscheidungen sind außer den im Vordergrund stehenden letzten dienstlichen Beurteilungen alle vorhandenen, nachprüfbaren Angaben, die sich auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen beziehen und aus denen sich das aktuelle Leistungsbild der Bewerber ergibt, heranzuziehen. Daraus folgt gemäß dem Gebot, bei einer Auswahl einen vollständigen Sachverhalt zugrunde zu legen, dass die vorhandenen Unterlagen, die als Grundlage für einen aktuellen Leistungsvergleich irgendwie geeignet und relevant sind, bei der Auswahlentscheidung stets vollständig herangezogen und ausgeschöpft werden müssen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 25.10.1995 - 2 M 1478/95 -). Dies kann allerdings nur solange gelten, als den Angaben und Wertungen, die das Leistungs- und Befähigungsbild aktualisieren sollen, eine selbständige ergänzende Bedeutung zukommt. Das ist jedoch von dem Zeitpunkt an nicht mehr der Fall, wenn die zwischenzeitlichen Leistungsaussagen des Aktuellen Leistungsnachweises von einer förmlichen dienstlichen Beurteilung miterfasst und mit einem Gesamturteil bewertet worden sind. Mit der Abfassung der förmlichen dienstlichen Beurteilung haben die zwischendurch erteilten aktualisierenden Leistungsaussagen in Form der Aktuellen Leistungsnachweise ihre Aufgabe erfüllt. An ihre Stelle tritt die förmlich erstellte dienstliche (Regel- oder Anlass-)Beurteilung, die dann für ihren Geltungsbereich und den von ihr erfassten Zeitraum rechtlich allein noch relevant ist.
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Ein Fortbestehen der rechtlichen Bedeutung einer als aktueller Leistungsstand erteilten Beurteilung in Form eines Aktuellen Leistungsnachweises kann der Kläger auch nicht daraus herleiten, dass allen Beurteilungen eine "Fortschreibewirkung" zukomme. Die Kammer kann - ebenso wie das Nds. OVG in dem genannten Urteil vom 22. April 1997 - offen lassen, ob eine solche Wirkung tatsächlich besteht, anzuerkennen ist und welche rechtliche Bedeutung sie hat. Denn jedenfalls würde auch eine solche Wirkung durch eine förmliche dienstliche Regelbeurteilung, die - wie hier - den für einen aktuellen Leistungsstand maßgebenden Zeitraum mitumfasst, aufgezehrt werden. Hinzu kommt, dass dem Beamten die Möglichkeit erhalten bleibt, die einen aktuellen Leistungsstandsbericht oder mehrere Berichte betreffenden Einwendungen im Rahmen des Verfahrens einer förmlichen Beurteilung zur Nachprüfung zu stellen. Er kann dies nur nicht mehr selbständig und losgelöst von der förmlichen Beurteilung tun.
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Ist die Zweckbestimmung des streitgegenständlichen - zum Stichtag des 1. Mai 1999 erstellten - Aktuellen Leistungsnachweises danach mit Abfassung der zum Stichtag des 1. Oktober 2002 erstellten förmlichen Regelbeurteilung entfallen, so hat sich damit das Begehren auf Änderung des angefochtenen Aktuellen Leistungsnachweises erledigt. Auf die Einwände des Klägers in der Sache kommt es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich an.
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