Urteil vom Verwaltungsgericht Lüneburg (1. Kammer) - 1 A 114/02

Tatbestand

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Der Kläger begehrt für sein drittes Kind die Nachzahlung kinderbezogener Gehaltsbestandteile in seinen Bezügen für verschiedene Zeiträume von 1990 bis 1998.

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Er steht als Oberstaatsanwalt im niedersächsischen Landesdienst und ist Vater von drei Kindern. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 -, BVerfGE 99, 300 = NJW 1999, 1013) entschieden hatte, dass die Besoldung verheirateter Beamter mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern in den Jahren 1988 bis 1996 nicht dem Alimentationsprinzip entsprochen hatte, und nachdem in Umsetzung dieses Beschlusses das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999 (BBVAnpG 99) vom 19. November 1999 (BGBl. I S. 2198) erlassen worden war, beantragte der Kläger erstmals mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 an das Justizministerium unter Hinweis auf den genannten Beschluss und die weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 22. März 1990 (- 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363) die Nachzahlung der monatlichen Erhöhungsbeträge im Orts- bzw. Familienzuschlag für den Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis zum 30. September 1992 und vom 1. März 1994 bis zum 31. Januar 1998 für sein drittes Kind auf der Grundlage von 115 v. H. des jeweils durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbetrages eines Kindes. Der gesetzliche Ausschluss in Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 derjenigen Beamten, die - wie er - seinerzeit keinen schriftlichen Antrag gegenüber ihrem Dienstherrn gestellt hätten, verstoße gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Besoldung sei von Amts wegen auf gesetzlicher Grundlage zu gewähren, eines gesonderten Antrages bedürfe es nicht. Daher habe nicht erwartet werden können, dass ein Beamter seinem Dienstherrn gegenüber schriftlich geltend mache, was zu seinen Gunsten das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1990 entschieden habe. Dies habe sein Dienstherr in der Vergangenheit ebenso gesehen, da er einer Klägerin in einem Klageverfahren vor dem VG Hannover mitgeteilt habe, sie möge sich bis zu einer gesetzlichen Regelung gedulden. Auch er - der Kläger - habe die verfassungsrechtlich gebotene gesetzliche Regelung abwarten können und müssen. Die rein formale Anknüpfung an das Kriterium eines schriftlichen Antrages sei sachwidrig und damit willkürlich.

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Mit Bescheid vom 29. Januar 2002 lehnte das beklagte Landesamt den Antrag ab, den Widerspruch des Klägers wies es mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2002 zurück.

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Daraufhin hat der Kläger am 18. März 2002 Klage erhoben, zu deren Begründung er seinen bisherigen Vortrag vertieft; zugleich regt er an, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG vorzulegen und das Verfahren auszusetzen.

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Der Kläger beantragt,

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das beklagte Landesamt unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2002 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis zum 30. September 1992 und vom 1. März 1994 bis zum 31. Dezember 1998 für das dritte im Ortszuschlag bzw. Familienzuschlag zu berücksichtigende Kind monatliche Erhöhungsbeträge, die sich auf der Grundlage von 115 v. H. des jeweiligen durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfes eines Kindes der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, BVerfGE 99, 300 bestimmten Maßgaben errechnen, festzusetzen und an ihn auszuzahlen,

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hilfsweise festzustellen,

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dass die ihm für die genannten Zeiträume gezahlte Besoldung der Höhe nach nicht der Alimentationspflicht des Dienstherrn entspricht und ihm insoweit ein Anspruch auf höhere Besoldung zusteht,

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weiter hilfsweise festzustellen,

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dass die gesetzliche Regelung des BBVAnpG 99 für die genannten Zeiträume hinsichtlich der familienbezogenen Anteile für das dritte Kind rechtswidrig ist.

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Das beklagte Landesamt beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist es auf die gesetzliche Regelung des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99, die nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der Vergleichsgruppe derjenigen Beamten, die ihre Rechte durch eigene Initiative durchgesetzt hätten, stünden diejenigen Beamten gegenüber, die - wie der Kläger - von sich aus keinen Versuch unternommen hätten, die von ihnen beklagte unzureichende Alimentation zu ihrem Vorteil zu ändern. Dieser Gesichtspunkt biete einen hinreichenden Grund einer sachlichen Differenzierung. Der Gesetzgeber sei auch gerade nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, den Kreis der Berechtigten über die in Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 genannten „Kläger und Widerspruchsführer“ hinaus auszudehnen. Diese gesetzliche Regelung halte sich insbesondere im Rahmen der Vorgaben der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 22. März 1990 und 24. November 1998.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.

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Der Kläger hat keinen Anspruch aus dem allein in Betracht kommenden Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999) - BBVAnpG 99 - vom 19. November 1999 (BGBl. I S. 2198) auf Nachzahlung von Besoldungsbezügen für den geltend gemachten Zeitraum. Der angefochtene Bescheid des beklagten Landesamtes vom 29. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2002 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Auf das allein in Betracht kommende Schreiben des Klägers vom 6. Dezember 2001 kann er seinen Anspruch nicht stützen. Denn nach Art. 9 § 1 Satz 3 BBVAnpG 99 erfolgt die Nachzahlung frühestens mit Wirkung ab dem 1. Januar des Haushaltsjahres, in dem das Vorverfahren begonnen hat. Diese Regelung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, das ausdrücklich entschieden hat, dass sich die rückwirkende Korrektur auf solche Beamte beschränken kann, die ihren Anspruch auf amtsangemessene Alimentation „zeitnah, also während des laufenden Haushaltsjahres“, gerichtlich oder durch Widerspruch geltend gemacht haben (Nds. OVG, Beschl. v. 11.11.2002 - 5 LA 188/02 - unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 22.3.1990, BVerfGE 81, 363, 385 f.; Beschl. v. 24.11.1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, BVerfGE 99, 300, 330 = NJW 1999, 1013, 1020). Der Einwand des Klägers, die Besoldung sei von Amts wegen auf gesetzlicher Grundlage zu gewähren und eines gesonderten Antrages bedürfe es daher nicht, greift angesichts der gerade in diesem Zusammenhang ergangenen eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht durch. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 24. November 1998 ausdrücklich an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, wonach eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes nicht geboten ist, sondern sich die rückwirkende Korrektur auf solche Beamte beschränken kann, die ihren Anspruch auf amtsangemessene Alimentation zeitnah, also während des laufenden Haushaltsjahres, gerichtlich oder durch Widerspruch geltend gemacht haben. Das Bundesverfassungsgericht hat dies aus den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses gefolgert. Eine - wie vom Kläger hilfsweise beantragt - Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG kommt mithin nicht in Betracht.

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Da weitere gesetzliche Anspruchsgrundlagen, die nach § 2 Abs. 1 BBesG aber gerade erforderlich sind, nicht gegeben sind, kann die Klage insgesamt keinen Erfolg haben. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes Frankfurt a. M. vom 17. Juni 2002 (- 9 E 1862/01 (V) -, PersV 2002, 470), auf das sich der Kläger für seine gegenteilige Ansicht beruft, führt zu keinem anderen Ergebnis, da in jenem Verfahren Streitgegenstand die Höhe des dem dortigen Kläger für sein drittes Kind zu zahlenden Familienzuschlags ab dem Jahr 2000 gemäß Art. 9 § 2 BBVAnpG 99 war. Der vom Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. entschiedene Fall ist mithin mit dem des Klägers des hier vorliegenden Verfahrens nicht vergleichbar.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.

 


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