Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Lüneburg (3. Kammer) - 3 A 354/06

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Mitgliedschaft bei dem beklagten Verband.

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Der Beklagte als Beregnungsverband ist ein Wasser- und Bodenverband im Sinne des Wasserverbandsgesetzes. Er besteht seit Mitte der 60er Jahre und hat im Wesentlichen zur Aufgabe, Grundstücke durch Beregnung zu bewässern. Mitglieder sind die Grundstückseigentümer im Verbandsgebiet. Die Verwaltungs- und Festkosten des Verbandes werden auf die Mitglieder nach dem Flächeninhalt der Grundstücke umgelegt, die Betriebskosten und das Wasserentnahmeentgelt nach den auf die einzelnen Grundstücke verregneten Wassermengen.

3

Die Klägerin ist Eigentümerin von 23 Hektar Fläche, die im Verbandsgebiet liegen. Im August 2005 beantragte sie beim Beklagten, die Mitgliedschaft aufzuheben. Sie trug vor, bei ihren Flächen handele es sich um Waldflächen, die nicht beregnet werden dürften. Sie habe deshalb keine Vorteile von der Durchführung der Verbandsaufgabe.

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Das Begehren wurde in der Verbandsversammlung vom 1. März 2006 behandelt, und der Vorstand lehnte auf seiner Sitzung am selben Tage das Begehren ab.

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Mit angefochtenem Bescheid vom 3. März 2006 gegenüber der Klägerin wurde der Antrag auf Austritt aus dem beklagten Verband abgelehnt. Der Beklagte führte aus, bei den Flächen handele es sich um Ackerland, welches von der Klägerin nach und nach aufgeforstet worden sei. Der Austritt sei nicht möglich, weil die Klägerin den Vorteil der Beregnungsmöglichkeit von Ackerflächen durch eigene Maßnahmen, nämlich durch die Aufforstung und die Umwandlung zu Wald, beseitigt habe.

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Die Klägerin hat am 4. April 2006 Klage erhoben. Sie trägt vor: Bei den Flächen habe es sich historisch um Waldflächen gehandelt. Sie - die Klägerin - habe über Jahrzehnte versucht, aus den Flächen Ackerland zu machen. Dies sei betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar gewesen. Denn die Flächen seien von Wald vollständig umschlossen und es handele sich um minderwertige Böden. Sie habe nur noch die Möglichkeit gehabt, die Flächen wieder aufzuforsten, und sie in den Zustand zu versetzen, in dem sie sich ursprünglich befunden hätten. Unstreitig dürften Waldflächen nicht beregnet werden. Dementsprechend seien die Flächen seit Jahren nicht mehr bewässert worden. Der Beklagte habe sein Ermessen in keiner Weise ausgeübt, was fehlerhaft sei.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihrem Antrag auf Aufhebung der Mitgliedschaft stattzugeben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert: Der Vorteil für die Mitglieder bestehe darin, die Bewässerungsmöglichkeiten auszunutzen. Selbst wenn man zu dem Ergebnis kommen wolle, der Vorteil für die Klägerin sei entfallen, so begründete dies den Anspruch auf Entlassung aus der Mitgliedschaft nicht. Denn der Vorteil wäre durch freiwillige und eigene Anstrengungen der Klägerin beseitigt worden. Die Flächen seien schon lange gerodet gewesen, bevor die Klägerin die Flächen im Jahre 1998 gekauft habe. Seit dem 19. Jahrhundert bis zum Zeitpunkt des Erwerbs der Flächen durch die Klägerin seien die Flächen als Ackerland genutzt worden. Die Grundstücke der sonstigen Verbandsmitglieder seien von der Bodenqualität nicht besser zu bewerten als die der Klägerin. Trotzdem nutzten die anderen Mitglieder die Flächen wirtschaftlich lohnend zum Ackerbau. Der Zustand der Ackerfläche sei der Klägerin zudem beim Kauf der Flächen bekannt gewesen, und die Klägerin sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich um Verbandsflächen handele. Die Flächennutzung sei von der Klägerin ohne wirtschaftlichen Zwang geändert worden. Der Vorteil sei von der Klägerin selbst beseitigt worden mit der Folge, dass ein Verbandsaustritt nicht möglich sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie das Terminsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte kann nicht verpflichtet werden, dem Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Mitgliedschaft beim beklagten Verband stattzugeben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Der Beklagte ist als Beregnungsverband ein Wasser- und Bodenverband im Sinne des Wasserverbandsgesetzes (§ 1 Abs. 1 seiner Satzung). Auf ihn finden damit die Vorschriften des Wasserverbandsgesetzes Anwendung.

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Die Aufhebung der Mitgliedschaft beim beklagten Verband richtet sich, da die Satzung des Beklagten insoweit Sonderregelungen nicht vorsieht, nach §§ 24 und 25 Wasserverbandsgesetz - WVG -.

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Bei Behandlung des Antrages der Klägerin sind die formellen Verfahrensvoraussetzungen vom Beklagten eingehalten worden. Vor einer Entscheidung über die Aufhebung der Mitgliedschaft ist gem. § 25 Abs. 1 Buchst. c WVG die Verbandsversammlung gehört worden. Über den Antrag hat sodann gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 WVG der Vorstand entschieden.

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Materiell ist ein Anspruch auf Aufhebung der Mitgliedschaft nicht gegeben. Dies folgt aus § 24 Abs. 1 Satz 2 WVG.

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§ 24 Abs.1 WVG lautet:

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Verbandsmitglieder, deren Vorteil aus der Durchführung der Verbandsaufgabe oder deren Last entfallen ist, sind berechtigt, die Aufhebung ihrer Mitgliedschaft zu verlangen. Dies gilt nicht, wenn das Verbandsmitglied den Vorteil durch eigene Maßnahmen beseitigt hat oder wenn durch die Aufhebung der Mitgliedschaft erhebliche Nachteile für das öffentliche Interesse, den Verband oder dessen Gläubiger zu besorgen sind; Nachteile für den Verband sind insbesondere in den Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 und 3 anzunehmen.

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Aus dieser Vorschrift folgt für den vorliegenden Fall:

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Soweit die Flächen der Klägerin Wiesen sind, ist der Vorteil von der Bewässerungsmöglichkeit nach wie vor gegeben, so dass insoweit die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 WVG nicht vorliegen. Soweit die Klägerin ihre Grundstücke nicht mehr bewässern darf, weil es sich um Waldflächen handelt, ist der Vorteil der Klägerin aus der Durchführung der Verbandsaufgabe i.S.d. § 24 Abs. 1 Satz 1 WVG zwar entfallen. Jedoch scheitert die Aufhebung der Mitgliedschaft im Hinblick auf die jetzigen Waldflächen im vorliegenden Fall daran, dass die Klägerin ihren Vorteil durch eigene Maßnahmen beseitigt hat (§ 24 Abs. 1 Satz 2 WVG). Die Aufhebung der Mitgliedschaft ist vom Gesetzgeber nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 WVG davon abhängig gemacht, dass das Mitglied den Vorteil nicht durch eigene Maßnahmen beseitigt hat. Daraus folgt: Wer aus eigenem Entschluss den Vorteil aus den Verbandsaufgaben beseitigt, kann sich nicht von seiner Mitgliederstellung und damit zugleich von seiner Beitragspflicht befreien.

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Im vorliegenden Fall ist der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Mitgliedschaft nach der zwingenden Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 2 WVG ausgeschlossen. Denn die Klägerin hat den ihr gebotenen Vorteil aus der Durchführung der Verbandsaufgabe, nämlich ihre Grundstücke bewässern zu können, durch eigene Maßnahmen beseitigt. Denn sie hat die Ackerflächen (bis auf die Wiesenflächen) aufgeforstet, so dass diese Flächen nunmehr als Wald nicht mehr bewässert werden dürfen. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, seit dem 19. Jahrhundert seien die Flächen als Acker genutzt worden, bis sie die Klägerin 1998 gekauft habe. Erst danach seien sie in Wald umgewandelt worden.

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Ein Anspruch der Klägerin auf Entlassung aus der Mitgliedschaft, obwohl sie aus eigenem Entschluss keinen Vorteil mehr aus der Verbandsaufgabe zieht, folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin vorträgt, der Beklagte habe das notwendige Ermessen bei seiner Entscheidung nicht ausgeübt. Denn die Entscheidung über die Aufhebung der Mitgliedschaft ist keine Ermessensentscheidung. Im Gegensatz zum früher geltenden § 14 WVVO, der ohne nähere Beschreibung der Voraussetzungen die Entlassung von Mitgliedern in das Ermessen der Behörde stellte, gewährt § 24 Abs. 1 WVG Verbandsmitgliedern einen Anspruch auf Aufhebung der Mitgliedschaft, wobei die Verwirklichung des entsprechenden Anspruches allerdings davon abhängig ist, dass das Mitglied nicht den Vorteil durch eigene Maßnahmen beseitigt hat. § 24 WVG ist keine Ermessensvorschrift (Gesetzesbegründung, Bundestagsdrucksache 11/6764 Seite 28 zu § 24; Rapsch, Wasserverbandsrecht, 1993, Rdnr. 158). Damit steht dem beklagten Verband ein Ermessen von vornherein nicht zu.

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Die damit weiter bestehende Mitgliedschaft der Klägerin im beklagten Verband verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht oder ist sonst unverhältnismäßig.

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Zunächst einmal beruht die Begründung der Pflichtmitgliedschaft auf dem Gesetz und ist frei von verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach § 4 WVG sind die Eigentümer von Grundstücken dingliche Verbandsmitglieder, und nach § 22 WVG sind Verbandsmitglieder die Beteiligten, die der Errichtung des Verbandes zugestimmt haben, sowie deren jeweilige Rechtsnachfolger. Dies verstößt nicht gegen Art. 9 GG. Nach dieser Vorschrift haben alle Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden, wobei dieses Grundrecht auch die Freiheit umfasst, Vereinigungen fern zu bleiben (negative Vereinigungsfreiheit). Diese Verfassungsnorm erfasst aber nicht den Schutz vor einer Zwangsmitgliedschaft in juristischen Personen des öffentlichen Rechtes (Rapsch, a.a.O., Rdnr. 137). Vielmehr ist es anerkannt, dass es legitime öffentliche Aufgaben rechtfertigen können, Grundstückseigentümer in einem öffentlich-rechtlichen Wasserverband zusammenzuschließen, sofern dabei schutzwürdige Interessen der Verbandsmitglieder nicht willkürlich vernachlässigt werden (BVerfG, Urt. v. 29.07.1959 - 1 BvR 394/58 -, BVerfGE 10, 354 = DÖV 1959 Seite 698 - „Erftverband“ -).

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Es lässt sich auch mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Verfassungsrecht, vereinbaren, die Aufhebung der dinglichen Mitgliedschaft von bestimmten engen Voraussetzungen abhängig zu machen. § 24 WVG in seinen Regelungen lässt sich deshalb grundsätzlich nicht beanstanden. Die weiter bestehende Mitgliedschaft im Verband dann, wenn durch die Aufhebung der Mitgliedschaft erhebliche Nachteile für das öffentliche Interesse, den Verband oder dessen Gläubiger zu besorgen sind (§ 24 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WVG) ist ohne Weiteres gerechtfertigt, weil das Wohl der Gesamtheit der Verbandsmitglieder eine Einschränkung der persönlichen Grundrechte erfordert (so schon OVG Lüneburg, Urt. v. 03.06.1955, OVGE 9, Seite 474).

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Aber auch das Weiterbestehen der Mitgliedschaft in einem solchen Fall, in dem das Mitglied den Vorteil durch eigene Maßnahmen beseitigt hat, ist mit höherrangigem Recht grundsätzlich vereinbar. Die Ausgestaltung der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in einem öffentlich-rechtlichen Wasser- und Bodenverband verdeutlicht hinreichend, dass weder die Begründung der Mitgliedschaft noch die Beendigung der Mitgliedschaft von der freien Entschließung des Mitgliedes selbst abhängig gemacht werden kann. Besteht für ein Mitglied kein Anspruch auf Fernbleiben vom Verband bei dessen Gründung, besteht auch grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Entlassung, wenn das Mitglied den Vorteil aus der Verbandsaufgabe aus eigenem Entschluss beseitigt. Auch das ist seit jeher anerkannt (vgl. etwa nur Rapsch, Kommentar zur WVVO, § 14 Randnr. 8 m.w.N.). Allenfalls in extremen Ausnahmefällen kann eine andere rechtliche Betrachtungsweise - über den engen Gesetzeswortlaut hinaus - geboten sein. Wenn etwa mit der erforderlichen Gewissheit feststehen würde, dass ein Verbandsmitglied den ihm gebotenen Vorteil „auf immer und ewig“ beseitigt hat, und der Vorteil - objektiv unmöglich - auch nicht erneut entstehen kann, kann sich die Frage stellen, ob die Mitgliedschaft aufgrund des § 24 Abs. 1 Satz 2 WVG „auf ewig“ aufrecht erhalten werden kann. Es ist vorstellbar, dass in einem solchen engen Ausnahmefall ein Anspruch auf Aufhebung der Mitgliedschaft aus verfassungsrechtlichen Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten ist. In einem solchen Ausnahmefall sind jedoch stets auch die Nachteile auf Seiten des Verbandes in den Blick zu nehmen, um unbillige Folgen der Aufhebung der Mitgliedschaft für den Verband zu verhüten (§ 24 Abs. 3 WVG).

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Ob in einem solchen seltenen Ausnahmefall die Vorschrift des § 24 Abs.1 WVG aus Gründen rechtstaatlicher Verhältnismäßigkeit erweiternd ausgelegt werden muss, mag hier unentschieden bleiben. Denn im vorliegenden Fall ist ein extremer Ausnahmefall nicht gegeben. Die Klägerin hat die Flächen 1998 gekauft, so dass die Aufforstungen - von denen nicht feststeht, wann sie vorgenommen worden sind - noch eher den Charakter von Schonungen haben werden als den Charakter eines gewachsenen alten Waldes. Auch wenn der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, bei der Entscheidung, die Flächen wieder aufzuforsten, handele es sich um eine langfristige Entscheidung, fehlt doch für die Kammer die erforderliche Gewissheit, dass der Vorteil aus der Beregnungsmöglichkeit auf Dauer und endgültig beseitigt worden ist und der Vorteil - objektiv unmöglich - nicht doch erneut entstehen kann. Auch unter Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten und dem Gebot eines vernünftigen Interessenausgleiches ist hier kein Anlass gegeben, im Einzelfall von der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers in § 24 Abs. 1 Satz 2 NWG abzuweichen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

 


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