Urteil vom Verwaltungsgericht Lüneburg (1. Kammer) - 1 A 114/07

Tatbestand

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Dem Kläger geht es um die Feststellung einer Beförderungspflicht.

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Gegen ihn war im Mai 2004 ein - im September 2005 ausgeweitetes - Disziplinarverfahren eingeleitet worden, das durch Verfügung der Beklagten vom 17. Juli 2006 gem. § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 NDiszG mit der in ihr enthaltenen Feststellung eingestellt wurde, der Kläger habe schuldhaft gegen beamtenrechtliche Pflichten verstoßen und so ein Dienstvergehen gem. § 85 NBG begangen. Diese Feststellung wurde - nach Verweisung des insoweit eingeleiteten Verfahrens vom Verwaltungsgericht Lüneburg (10 A 11/06) an das Verwaltungsgericht Stade (Beschl. v. 22.11.2006) - durch Urteil dieses Gerichts vom 30. April 2007 (9 A 2631/06) aufgehoben.

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Schon im März 2005 hatte der Kläger sein Studium an der Nds. Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege erfolgreich abgeschlossen und daher mit Schreiben vom 2. August 2006 beantragt, ihn nach Einstellung des Disziplinarverfahrens zum Kriminalkommissar zu befördern. Das hatte die Beklagte noch mit Schreiben vom 14. August 2006 abgelehnt, so dass der Kläger am 6. September 2006 bei der erkennenden Kammer Klage mit dem Begehren erhob, ihn (1.) zum Kriminalkommissar zu befördern und (2.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, ihn unverzüglich nach der gen. Einstellungsverfügung vom 17. Juli 2006 schon zu befördern.

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Durch Urkunde vom 28. März 2007 wurde der Kläger zum Kriminalkommissar befördert, so dass er das Klageverfahren bezüglich seines Beförderungsbegehrens für erledigt erklärte und nur noch sein Feststellungsbegehren aufrecht erhielt.

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Nachdem das genannte, rechtskräftige Urteil des VG Stade vom 30. April 2007 ergangen war, teilte die Beklagte mit, dass

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„die Auffassung, die Schuldfrage aus dem bestandskräftig gewordenen Disziplinarverfahren könne ein die Ernennung des Klägers zum frühstmöglichen Zeitpunkt (nach dem 17.07.2006) hemmendes Ereignis sein, nicht mehr aufrechterhalten (werde). Insofern wird der Kläger klaglos gestellt.“

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Hierin sah der Kläger ein Anerkenntnis, da sich ein Feststellungsbegehren nicht erledigen könne und das Fallenlassen einer zuvor geäußerten Rechtsauffassung kein erledigendes Ereignis sei.

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Mit Beschluss der Kammer vom 7. August 2007 wurde das Feststellungsbegehren vom Klageverfahren 1 A 192/06 abgetrennt und unter dem Az. 1 A 114/07 fortgeführt.

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Der Kläger beantragt,

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ein Anerkenntnisurteil im Hinblick auf den Klageantrag zu 2. der Klageschrift vom 6.09.2006 zu erlassen.

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Die Beklagte verzichtet auf eine Stellungnahme und verweist darauf, dass der Kläger klaglos gestellt worden sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Nach § 87 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO entscheidet der Vorsitzende der Kammer über den von der Beklagten anerkannten Klageanspruch gemäß §§ 107, 173 VwGO, 307 ZPO durch Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung, § 307 S. 2 ZPO.

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1. Ein Anerkenntnisurteil ist auch im Verwaltungsprozess zulässig (vgl. (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 107 Rn 5 e); Schoch/Schmidt -Aßmann/Pietzner, VwGO, § 87 a Rdnr. 31; VG Hannover, Nds Rpflg. 2001, 433). BVerwG, NVwZ 1997, 576 = BVerwGE 104, 27 ff:

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„Auch im Verwaltungsrechtsstreit ist es dem Bekl. unbenommen, den Klageanspruch anzuerkennen. Die Möglichkeit eines Anerkenntnisses wird in § 87a I Nr. 2 und § 156 VwGO vorausgesetzt. Die VwGO äußert sich allerdings nicht zur Zulässigkeit eines Anerkenntnisurteils. Indes ist insoweit nach § 173 VwGO auch im Verwaltungsprozeß § 307 ZPO entsprechend anzuwenden. Grundsätzliche Unterschiede der beiden Verfahrensarten schließen dies nicht aus (vgl. BVerwG, RzW 1963, 429 = WM 1963, 327; OVG Hamburg, NJW 1977, 214; VGH Mannheim, NJW 1991, 859; a.A. für die Anfechtungsklage BVerwGE 62, 18). § 307 ZPO ist Ausdruck der Dispositionsmaxime, die den Parteien die Befugnis sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Auch das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird von diesem Grundsatz beherrscht. Der Kl. hat es in der Hand, einen Rechtsstreit durch Klage anhängig zu machen (§ 81 VwGO), ihn durch Klageänderung auf ein anderes Ziel zu richten (§ 91 VwGO) oder ihn durch Klagerücknahme zu beenden (§ 92 VwGO). Er bestimmt den Prozessgegenstand. Das Gericht ist an seine Anträge gebunden (§ 88 VwGO). Schließen die Bet. einen Vergleich (vgl. § 106 VwGO) oder geben sie übereinstimmende Erledigungserklärungen ab (vgl. § 161 II VwGO), so hat auch dies zur Folge, daß sich der Rechtsstreit vollständig oder zum Teil erledigt. Das Anerkenntnis stellt in diesem Zusammenhang ein weiteres geeignetes Mittel dar, um den Kl. ganz oder teilweise klaglos zu stellen.“

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2. Ein Anerkenntnis ist in jeder Lage des Prozesses möglich, u.zw. auch schriftlich (§ 307 S. 2 ZPO / „insoweit“). Es ist bedingungsfeindlich und muss vorbehaltlos und - gemäß den Grundsätzen zur Auslegung von Willenserklärungen (Empfängerhorizont) - uneingeschränkt erklärt sein. Vgl. BGH, Urteil vom 22-03-1989 - VIII ZR 154/88 (Hamm) - NJW 1989, 1673:

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„Erkennt der auf Unterlassung der Verwendung von Vertragsklauseln in Anspruch genommene Bekl. dadurch an, daß er die Klauseln dem Klagevorbringen sinnentsprechend abändert, dann handelt es sich gleichwohl um ein Anerkenntnis gem. § 307 ZPO.“

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3. Hier hat die beklagte Polizeidirektion mit ihrer Erklärung vom 27. Juli 2007, nach der Entscheidung des VG Stade vom 30.4.2007 werde die zuvor vertretene Auffassung „nicht mehr aufrechterhalten“, der Kläger werde „klaglos gestellt“, rechtlich ein Anerkenntnis abgegeben, welches durch den am 8. August 2007 erklärten Verzicht auf weitere Stellungnahmen und die Erklärung, „die Sache sei erledigt“, der Kläger ja doch klaglos gestellt, unterstrichen wird.

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4. Aufgrund dieser Prozesserklärung ist auf Antrag des Klägers ohne weitere Sachprüfung ein Anerkenntnisurteil zu erlassen, wobei auch von der Möglichkeit des § 313 b ZPO Gebrauch gemacht werden kann. Im Tenor ist daher auf die Klageschrift Bezug genommen worden. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe - bezogen auf das Bestehen der geltend gemachten Verpflichtung der Beklagten - wird abgesehen.

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5. Der Beklagte ist hinsichtlich des eingeklagten Anspruchs auch über den Streit-gegenstand verfügungsberechtigt, da er den Kläger im Rahmen seiner Organisationshoheit frühzeitiger als geschehen hätte befördern können. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers konnte deshalb wirksam anerkannt werden.

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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten sind hier nicht gemäß § 156 VwGO dem Kläger aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift fallen die Prozesskosten dem Kläger dann zur Last, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Hier allerdings hat der Beklagte Veranlassung zur Klagerhebung gegeben. Veranlasst ist eine Klage nämlich stets dann, wenn der Beklagte sich vor dem Prozess, wenn auch schuldlos, so verhalten hat, dass ein vernünftiger Kläger annehmen musste, nur durch eine gerichtliche Klage zum Ziel zu kommen. Das ist hier der Fall, wie das Schreiben der Beklagten vom 14. August 2006 ohne Frage belegt.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 


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