Urteil vom Verwaltungsgericht Lüneburg (1. Kammer) - 1 A 1015/05

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen ihren Personal- und Befähigungsnachweis vom 22. November 2005.

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Die am 8. September 1955 geborene und zu 50 v. H. schwerbehinderte Klägerin wurde mit Wirkung vom 16. Juni 1986 zur Justizhauptsekretärin (BesGr. A 8) ernannt und war seitdem bis zum 28. März 2004 bei der Staatsanwaltschaft H. tätig. Seit dem 29. März 2004 ist sie bei dem Amtsgericht U. - B. - als Sachbearbeiterin für C. eingesetzt.

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Am 30. September 2005 bewarb sich die Klägerin auf die in der Niedersächsischen Rechtspflege vom 15. September 2005 ausgeschriebene Stelle für eine Justizamtsinspektorin/einen Justizamtsinspektor bei Gerichten im Landgerichtsbezirk L.. Aus Anlass dieser Bewerbung erhielt sie den Personal- und Befähigungsnachweis vom 22. November 2005, der mit der Gesamtnote „sehr gut (mittlerer Bereich)“ abschließt. In Ziffer 15. des Nachweises ist unter der Rubrik „Gesundheitszustand“ u.a. vermerkt „dienstunfähig erkrankt seit 01.07.2005“. Kooperation und Sozialverhalten der Klägerin werden unter Ziffer 21. mit der Note „entspricht den Anforderungen weniger“ bewertet. Ergänzend heißt es hierzu u.a.: „Gegenüber den gleichgestellten Kolleginnen und Kollegen hat Frau X jedoch ein ausgeprägtes Dominanzverhalten entwickelt, welches Konflikte in der Abteilung geschürt hat und Lösungen erschwert“. Ihre vorherige Beurteilung vom 11. Januar 2005 hatte das Gesamtergebnis „sehr gut (oberer Bereich)“ für den Zeitraum 29. März 2004 bis zum 11. Januar 2005. Ältere Beurteilungen vom 26. November 2003 und 30. November 1998 schlossen jeweils mit dem Gesamtergebnis „sehr gut (mittlerer Bereich)“.

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Gegen den Personal- und Befähigungsnachweis vom 22. November 2005 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 21. November 2005 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Es sei nicht zulässig, im Beurteilungsformular unter „Gesundheitszustand“ zu vermerken, dass sie seit dem 01.07.2005 erkrankt sei. Ausführungen zu vorübergehenden Umständen beträfen nicht den Gesundheitszustand und seien daher zu streichen. Vor allem sei die Bewertung „Kooperation und Sozialverhalten“ zu beanstanden, die hierzu abgegebene Begründung sei sachlich unrichtig. Nicht die Klägerin habe gegenüber Kollegen ein ausgeprägtes Dominanzverhalten entwickelt, vielmehr hätten zwei Kolleginnen gezielt gegen sie intrigiert. Grund hierfür sei sachlich berechtigte Kritik der Arbeit von Kollegen gewesen. Im Übrigen enthalte die vorherige Beurteilung 11. Januar 2005, ebenfalls aus Anlass einer Bewerbung erstellt, keinen Hinweis auf mangelnde Kooperationsbereitschaft. Da die Klägerin ihr Verhalten gegenüber Kollegen nicht geändert habe, sei die nunmehr abgegebene Begründung zur Bewertung des Sozialverhaltens nicht nachvollziehbar.

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Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Bei der in der Beurteilung vermerkten Erkrankung der Klägerin handele es sich nicht um einen vorübergehenden unbedeutenden Umstand, da sie seit dem 1. Juli 2005 durchgehend dienstunfähig erkrankt sei. Durch die Angabe der Erkrankung werde deutlich, dass die Klägerin in fast der Hälfte des Beurteilungszeitraumes ihren Dienst nicht wahrgenommen habe. Soweit die Beurteilung nunmehr eine geänderte Einschätzung des Sozialverhaltens enthalte, sei dieses darauf zurückzuführen, dass die vorhandenen Probleme zwischen den Kollegen in der Abteilung der Klägerin erst nach längerer Zeit und ausführlichen Gesprächen bekannt geworden seien.

6

Die Klägerin hat am 30. Dezember 2005 Klage erhoben. Sie ergänzt ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren dahingehend, dass die in der Abteilung vorhandenen Probleme auf eine andere Mitarbeiterin zurückzuführen seien, die falsche Behauptungen über die Klägerin aufgestellt habe. Dieses habe dazu geführt, dass auch andere Mitarbeiter sich über die Klägerin beschwert hätten mit der Folge, dass sie in ihrer Abteilung isoliert gewesen sei.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Widerspruchbescheids vom 19. Dezember 2005 zu verurteilen, über die Klägerin einen neuen Personal- und Befähigungsnachweis für den Zeitraum 12. Januar 2005 bis 22. November 2005 nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts zu fertigen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und beruft sich ergänzend auf die im Schriftsatz vom 3. April 2006 wiedergegebenen Stellungnahmen der Justizobersekretärinnen D. und E., des Rechtspflegers F., der Rechtspflegerin G. und der Justizsekretärin z.A. H. zur Arbeitssituation in der Abteilung der Klägerin (Bl. 30 ff. GA).

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Anlassbeurteilung für den Zeitraum 12. Januar 2005 bis 22. November 2005. Die Anlassbeurteilung ist von Gerichts wegen nicht zu beanstanden. Der die Beurteilung bestätigende Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2005, der auf den unmittelbar gegen die Beurteilung eingelegten Widerspruch ergehen durfte (vgl. dazu Urteil der Kammer vom 20.9.2006 - 1 A 209/05 -), ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

15

Die dienstliche Beurteilung von Beamten ist nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung - die vom Bundesverfassungsgericht für unbedenklich gehalten wird (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 29.5.2002 - 2 BvR 723/99 -, DÖD 2003, 82; Beschl. v. 6.8.2002 - 2 BvR 2357/00 -, ZBR 2003, 31) - zwar nur in einem eingeschränkten Umfang überprüfbar. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich aber darauf zu erstrecken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Wenn der Dienstherr Verwaltungsvorschriften über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat und diese auch praktiziert, hat das Gericht des Weiteren zu prüfen, ob im konkreten Fall die Richtlinien eingehalten worden sind oder ob diese mit den Regelungen der Laufbahnvorschriften in Einklang stehen (BVerwG, Urt. v. 19.12.2002 - 2 C 31.01 -, aaO; Urt. v. 26.8.1993 - 2 C 37.91 -, aaO; OVG Lüneburg, Urt. v. 23.5.1995 - 5 L 3777/94 - aaO, Urt. v. 28.1.2003 - 5 LB 40/02 - und Urt. v. 22.6.2005 - 5LB 308/04 -). Auch im Rahmen der eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle erstreckt sich diese nach dem Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschl. v. 29.5.2002, a.a.O.) insbesondere voll auf den Sachverhalt, soweit Einzelvorkommnisse in der dienstlichen Beurteilung konkret benannt werden (vgl. BVerwGE 97, 128 [129] = NVwZ-RR 1995, 340, und schon BVerwGE 60, 245 [246]). Wird die Beurteilung auf allgemein gehaltene Tatsachenbehauptungen oder auf allgemeine oder pauschal formulierte Werturteile gestützt, hat der Dienstherr diese auf Verlangen des Beamten im Beurteilungsverfahren zu konkretisieren bzw. plausibel zu machen (so BVerwGE 60, 245 [251] m.w. Nachw.). Im nachfolgenden Verwaltungsgerichtsprozess kann das Gericht auch insoweit voll kontrollieren, ob der Dienstherr von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist (so z.B . BVerwGE 21, 127 [130]; BVerwGE 97, 128 [129] = NVwZ-RR 1995, 340; BVerwG , NVwZ-RR 2000, 619 = ZBR 2000, 303 [304]).

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Nach diesen Grundsätzen begegnet die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung der Klägerin keinen durchgreifenden, von Gerichts wegen nachprüfbaren Rechtsfehlern. Insbesondere kann hinsichtlich der erfolgten Bewertung des Sozialverhaltens nicht festgestellt werden, dass insoweit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist bzw. die der Sache nach auch von der Klägerin eingeräumten Schwierigkeiten im kollegialen Umgang in unzulässiger Weise einseitig der Klägerin zugerechnet werden. Die Beurteilung beruht u. a. auf einem Beurteilungsbeitrag des Abteilungsleiters I. vom 28. Oktober 2005, der das Sozialverhalten unter dem Aspekt der Kooperation wie folgt beurteilt hat: „ist gegenüber Publikum/Telefonanrufern höflich und entgegenkommend“ mit „sehr gut“, „verhält sich kollegial und hilfsbereit“ mit „befriedigend“, „ist teamfähig und bei Konflikten bereit, an Lösungen mitzuarbeiten“ mit „befriedigend“ und „sucht selbst Kontakt und fachlichen Meinungsaustausch mit Mitarbeitern“ mit „gut“. Dies lässt darauf schließen, dass abweichend von früheren Beurteilungen im Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung die Klägerin zutreffend mit „entspricht den Anforderungen weniger“ beurteilt worden und die Qualifizierung mit „übertrifft die Anforderungen bei weitem“ bzw. „übertrifft die Anforderungen herausragend“ bei dem streitgegenständlichen Beurteilungskriterium nicht gerechtfertigt ist (vgl. bereits Beschluss der Kammer vom 30. März 2006 - 1 B 7/06 -). Gestützt wird die Bewertung des Sozialverhaltens zudem durch die mit Schriftsatz des Beklagten vom 3. April 2006 wiedergegebenen Stellungnahmen von Mitarbeitern in der Abteilung der Klägerin. Aus diesen geht hervor, dass die Klägerin mit mehreren Kollegen in ihrer Abteilung im kollegialen Umgang Schwierigkeiten gehabt hat. Sowohl die Justizsekretärin D. als auch die Justizsekretärin z.A. H. geben übereinstimmend an, dass die Klägerin zur Beurteilung des Kenntnisstandes ihrer Kolleginnen einen Test schreiben lassen wollte, wozu diese nach Mitteilung des Geschäftsleiters F. nicht verpflichtet waren. Ferner wird übereinstimmend geschildert, dass die Klägerin in sehr eindringlicher Form auf Fehler in der Bearbeitung hingewiesen hat. Die Klägerin selbst räumt ein, dass sie Kollegen des Öfteren auf begangene Fehler hingewiesen habe und dieses zu Verstimmungen in der Abteilung geführt habe. Bei dieser Sachlage ist die im Personal- und Befähigungsnachweis getroffene Feststellung, dass die Klägerin ein Dominanzverhalten entwickelt habe und dieses zu Konflikten geführt habe, schlüssig und plausibel. Aus den inhaltlich übereinstimmenden schriftlichen Stellungnahmen geht weiter hervor, dass die über die Klägerin geäußerte Beschwerden entgegen der Darstellung der Klägerin nicht ausschließlich auf unzutreffenden Behauptungen der Justizsekretärin z.A. H. über die Klägerin beruhen, sondern auf eigenen Erfahrungen der jeweils betroffenen Kollegen. Im Übrigen hat der Beklagte dargelegt, dass die Zusammenarbeit in der Auslandsabteilung des J. harmonisch und problemlos verlaufe und zuvor erforderliche Gesprächsrunden zur Arbeitssituation in der Abteilung nicht mehr erforderlich seien, seitdem die Klägerin nicht mehr in der Abteilung arbeite. Auch dieses plausibilisiert die in dem angegriffenen Personal- und Befähigungsnachweis enthaltene Bewertung des Sozialverhaltens der Klägerin und trägt die getroffene Bewertung „entspricht den Anforderungen weniger“. Der Beklagte hat insoweit auch nachvollziehbar dargelegt, dass die Probleme in der Abteilung erst nach längerer Zeit bekannt wurden und die Mängel im Sozialverhalten in den vorangegangenen Beurteilungen aus diesem Grund keinen Ausdruck gefunden haben.

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Soweit die streitgegenständliche Beurteilung unter dem Punkt „Gesundheitszustand“ den Hinweis auf eine andauernde Dienstunfähigkeit enthält, ist dieses ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 40 Abs. 3 NLVO soll sich die Beurteilung besonders erstrecken auf allgemeine geistige Veranlagung, Charakter, Bildungsstand, Arbeitsleistung, soziales Verhalten und Belastbarkeit. Soweit im Vorblatt des Personal- und Befähigungsnachweises unter Punkt 15. Angaben zum Gesundheitszustand gemacht werden, ist dieses nicht zu beanstanden, da derartige Angaben zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Eignung des Beamten von Bedeutung sind. Dazu gehören auch Zeiten länger andauernder Dienstunfähigkeit. Durch den Hinweis auf eine länger anhaltende durchgehende Dienstunfähigkeit wird zudem deutlich, dass die Klägerin im Beurteilungszeitraum vom 12. Januar 2005 bis 22. November 2005 tatsächlich seit dem 1. Juli 2005 keinen Dienst verrichtet hat, was für die Aussagekraft der Beurteilung ebenfalls von Relevanz ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 


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