Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (4. Kammer) - 4 A 269/13

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich mit ihren Klagen gegen die Heranziehung zu Kostenerstattungsbeträgen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie gegen eine Gebühr aus der Bescheidung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Flurstücks 862 der Flur 4 der Gemarkung A-Stadt, welches innerhalb des Geltungsgebietes des Bebauungsplanes „A. W.“ liegt.

3

Am 15. Juni 1995 beschloss die Beklagte den Bebauungsplan „A. W.“ im Ortsteil A-Stadt als Satzung nach erfolgtem Aufstellungsbeschluss, welcher wegen fehlender Ausfertigung durch öffentliche Bekanntmachung vom 20. März 2014 rückwirkend zum 04. Februar 1996 in Kraft gesetzt wurde.

4

In dem Bebauungsplan wurden für den Eingriff in die Natur und Landschaft die erforderlichen Kompensationsmaßnahmen festgelegt. In Nr. 12 der textlichen Festsetzung „Teil B“ heißt es:

5

„Die Anlage von Gehölzstreifen und extensiv genutztem Grünland in der Westerwiese sind als Ausgleich- bzw. Ersatzmaßnahmen nach § 11 und § 13 des Naturschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zu sehen.

6

Die Stadt führt diese Maßnahmen anstelle und auf Kosten der Verursacher durch. Nachfolgende Flurstücke 89/1, 88/1, 415/85, 417/85, 84/1, 81/1, 80/1, 77/1, 76/1, 73/1, 70/1, 68/1, 66/1, 64/1 sind betroffen.“

7

Die genannten Flurstücke befinden sich sowohl innerhalb des im Teil A festgesetzten Geltungsbereichs des Bebauungsplanes als auch aufgrund ihrer Größe außerhalb des Geltungsbereiches. Weitere textliche Festsetzungen in Bezug auf Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind in dem Bebauungsplan nicht enthalten.

8

In der Folgezeit wurde der Bebauungsplan mehrfach geändert. Die erste Änderung erfolgte (ebenfalls) rückwirkend zum 29. August 1997. Regelungen zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wurden in der Änderung nicht getroffen. Die zweite Änderung erfolgte (ebenfalls) rückwirkend zum 18. Dezember 1998 und betraf ebenfalls nicht die im ursprünglichen Bebauungsplan festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die dritte Änderung erfolgte (ebenfalls) rückwirkend zum 07. Juli 2011. Mit der Änderung wurde die textliche Festsetzung in Teil B, Nr. 11 wie folgt gefasst:

9

11. Zuordnung von Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Ersatzflächenpool O.“ zu den Eingriffen im Plangebiet

10

Die im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Ersatzflächenpool O.“ gelegenen und bereits durchgeführten Maßnahmen der Schaffung von Grünland und Landröhricht auf den Flurstücken 263/1, 712/260 der Flur 10 und 3, 4, 5 der Flur 11 der Gemarkung E-Stadt werden dem Eingriff in den Naturhaushalt im Plangebiet durch die Wohnbebauung jeweils anteilig ihres Flächenanteils an den Wohnbauflächen des Plangebietes als Ausgleichsmaßnahme zugeordnet.“

11

In der Begründung der 3. Änderung heißt es unter 2.1.:

12

„Die planexternen Kompensationsmaßnahmen des Bebauungsplanes „A. W.“ wurden nördlich des Wohngebietes W. festgesetzt. Vorgesehen war die Umwandlung der in Tabelle 1 (Seite 3) dargestellten, ackerbaulich genutzten Flächen in extensiv genutztes Grünland.

13

Die Stadt E-Stadt konnte in den vergangenen Jahren jedoch lediglich 5 Flurstücke käuflich erwerben, die keine zusammenhängende Fläche ergeben. Die Umsetzung einer Teilkompensation auf den bereits erworbenen Flächen ist aus naturschutzfachlicher Sicht demnach als ungeeignet anzusehen. Da es sich auch in Zukunft nicht abzeichnet, dass die Flächen käuflich erworben werden können, soll die erforderliche Kompensation auf Flächen erfolgen, die sich bereits im Eigentum der Stadt befinden.“

14

Am 25. August 2012 trat die Satzung über die Erhebung von Kostenerstattungsbeiträgen nach §§ 135a – 135c BauGB der Stadt E-Stadt in Kraft.

15

Unter dem 17. Juni 2013 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Kostenerstattungsbescheid, in welchem sie gegenüber den Klägern Kosten i. H. v. 854,73 Euro festsetzte. Aufgrund der Satzung über die Erhebung von Kostenerstattungsbeiträgen nach §§ 135a – 135c BauGB der Stadt E-Stadt seien die Kläger als Eigentümer des Flurstückes 862 (Flur 4 der Gemarkung A-Stadt) verpflichtet, für die festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen des Bebauungsplanes „A. W.“ anteilig zu zahlen.

16

Am 24. Juni 2013 erhoben die Kläger Widerspruch und stellen einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Die Festsetzung und Erhebung des Kostenerstattungsbetrages sei bereits verjährt. Die Kläger haben davon ausgehen können, dass beim Erwerb des Grundstückes im Jahr 2000 sämtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen abgeschlossen seien.

17

Unter dem 25. Juli 2013 wurde der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückgewiesen und den Klägern die Kosten für dieses Verfahren auferlegt. Daraufhin erging unter dem 20. August 2013 ein Kostenbescheid i. H. v. 198,45 Euro gegenüber den Klägern. Am 27. August 2013 erhoben die Kläger gegen diesen Kostenbescheid Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 07. Februar 2014 zurückgewiesen wurde. Für die Bearbeitung des Widerspruches sei ein Zeitaufwand i. H. v. fünf Stunden notwendig gewesen.

18

Unter dem 27. August 2013 wurde der Widerspruch gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 17. Juni 2013 durch die Beklagte ebenfalls zurückgewiesen. Die Kostenschuld sei nicht verjährt, da diese erst mit Herstellung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen begründet werde. Dieser Zeitpunkt sei vorliegend mit Inkrafttreten der 3. Änderungssatzung im Jahr 2011 eingetreten.

19

Am 13. September 2013 haben die Kläger Klage gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 17. Juni 2013 erhoben (4 A 269/13 MD).

20

Sie sind der Ansicht, die Heranziehung zur Kostenerstattung verstoße gegen die Grund-sätze der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, deren Festsetzung 17 Jahre zurücklägen, sei es nicht mehr angemessen, den Kostenschuldner zur Erstattung heranzuziehen. Vielmehr verstießen solche Regelungen gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Zudem sei für die Kläger beim Erwerb des Grundstückes im Jahr 2000 nicht erkennbar gewesen, dass die Beklagte sie noch zur Erstattung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen heranziehen werde. Letztlich sei dem Bebauungsplan nicht zu entnehmen, bei welchen Grundstücken es sich um Eingriffsgrundstücke handelt.

21

Am 28. Februar 2014 haben die Kläger Klage gegen die Kosten aus dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erhoben (4 A 35/14 MD). Sie sind der Auffassung, der Ansatz von fünf Zeitstunden sei nicht nachvollziehbar und überzogen.

22

Die Verfahren 4 A 269/ 13 MD und 4 A 35/14 MD sind durch Beschluss vom 04. Mai 2015 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen 4 A 269/13 MD weitergeführt worden.

23

Die Kläger beantragen (sinngemäß),

24

den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2013 in Gestalt ihres des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2013 aufzuheben sowie

25

den Bescheid der Beklagten vom 20.08.2013 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 07.02.2014 aufzuheben.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus ihren Widerspruchsbescheiden. Darüber hinaus sei aus dem Bebauungsplan ersichtlich, welche Grundstücke Eingriffsgrundstücke seien. Diese seien durch Schraffur gekennzeichnet. Der Zeitaufwand für die Bearbeitung des Widerspruches sei darüber hinaus auch angemessen.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

30

I. Die zulässigen Klagen sind begründet.

31

1. Der Bescheid der Beklagten vom 17.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 27.08.2013 ist rechtwidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

32

Der angefochtene Kostenerstattungsbescheid ist rechtswidrig, da die für eine Erhebung der Kosten erforderliche Zuordnung von Ausgleichsflächen und -maßnahmen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Ersatzflächenpool O.“ zu Eingriffsflächen im Gebiet des Bebauungsplans „A. W.“, welche die Beklagte in der 3. Änderungssatzung vom 07.07.2011 nachgeholt hat, unwirksam ist. Eine für die Entstehung eines Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB 1998 notwendige Zuordnung von Ausgleichsmaßnahmen zu Eingriffsflächen muss im Bebauungsplan festgesetzt werden (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.03.2005 – 5 S 2507/04 –, NVwZ-RR 2005, 1423). Die Beklagte hat in der 3. Änderungssatzung erstmals durch Festsetzung die im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Ersatzflächenpool O.“ durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen sämtlichen Wohnbaugrundstücken des Bebauungsplanes „A. W.“ zugeordnet. Aufgrund dieser Zuordnungsfestsetzung ist die Beklagte aber nicht berechtigt, den anteiligen Aufwand für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf die Eigentümer der Baugrundstücke umzulegen.

33

Bei der Bewertung der nachgeholten Zuordnungsfestsetzung ist zu berücksichtigen, dass diese außerhalb des Plangebiets vorgesehene Ausgleichsflächen und -maßnahmen nicht erfassen durfte (OVG Saarland, Urt. v. 20.08.2008 – 1 A 453/07 –; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 25.01.2008 – 5 S 210/07 –, beide: juris). Zwar bestimmt § 9 Abs. 1a Satz 2 BauGB 1998, dass auch Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich „an anderer Stelle“, auch außerhalb des Plangebiets, den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, zugeordnet werden können. Damit wird an § 1a Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB 1998 (vgl. § 1a Abs. 3 Satz 3 und 4 BauGB 2004) angeknüpft, wonach die Festsetzungen auch an anderer Stelle im Plangebiet erfolgen oder auch sonstige geeignete Maßnahmen außerhalb auf von der Gemeinde bereit gestellten Flächen getroffen werden können. Im vorliegenden Fall war eine Zuordnung jedoch nur in dem Umfang möglich, wie er im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans gesetzlich eröffnet war (OVG Saarland, Urt. v. 20.08.2008 – 1 A 453/07 –; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 25.01.2008 – 5 S 210/07 –, beide: juris). Zu diesem Zeitpunkt gestattete § 8a Abs. 1 Satz 2 und 4 BNatSchG 1993 eine Zuordnung von Ausgleichsflächen und -maßnahmen aber nur hinsichtlich „Festsetzungen“ von Ausgleichsmaßnahmen „im sonstigen Geltungsbereich“ des Bebauungsplans. § 8a BNatSchG 1993 ließ somit in räumlicher wie im Übrigen auch in zeitlicher Hinsicht eine Zuordnung von Ausgleichsflächen und -maßnahmen zu Eingriffsflächen nur in einem engeren Umfang zu.

34

§§ 135a ff. i. V. m. § 9 Abs. 1a und § 1a Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB 1998 entfaltet auch keine (unechte) Rückwirkung zugunsten der Beklagten. §§ 135a ff. i. V. m. § 9 Abs. 1a und § 1a Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB 1998 gilt nicht für die Fälle, in denen Ausgleichsmaßnahmen aufgrund eines damals bereits in Kraft getretenen Bebauungsplans noch nicht endgültig hergestellt waren und damit (oder aus sonstigen Gründen) ein Kostenerstattungsanspruch noch nicht entstanden war (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 25.01.2008 – 5 S 210/07 –, juris). Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber im Interesse der Gemeinden rückwirkend eine umfassende Refinanzierung von Ausgleichsmaßnahmen im Umfang des nach § 135a BauGB 1998 Zulässigen angeordnet hätte (so auch: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 25.01.2008 – 5 S 210/07 –, juris). Somit können Ausgleichsmaßnahmen auf der Grundlage eines vor dem 01.01.1998 beschlossenen Bebauungsplans Eingriffsgrundstücken nur in dem Umfang (nachträglich) durch Festsetzung zugeordnet werden, in dem dies unter der Geltung von § 8a BNatSchG 1993 zulässig war. Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:

35

Eine Übergangsregelung enthält das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 insoweit nicht. Derartige Erwägungen lassen sich auch den einschlägigen Gesetzesmaterialien von Bundestag und Bundesrat nicht entnehmen. Die allein in Frage kommende Übergangsvorschrift des § 243 Abs. 2 BauGB 1998 bestimmt, dass bei Bauleitplanverfahren, die vor dem 01.01.1998 förmlich eingeleitet worden sind, die Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung weiter angewendet werden kann. Damit regelt sie nicht, ob sich die Kostenerstattung für Ausgleichsmaßnahmen auf Grund von vor dem 01.01.1998 in Kraft getretenen Bebauungsplänen nach altem oder neuem Recht richtet. Sofern sie in einem weitergehenden Sinn auch die - auf der Eingriffsregelung aufbauende - Kostenerstattung erfassen sollte, würde sie eine Rückwirkung gerade nicht anordnen.

36

Die Verweisung des § 135a Abs. 4 BauGB auf die entsprechend anzuwendenden landesrechtlichen Vorschriften über kommunale Beiträge nimmt nicht auch auf Übergangsregelungen Bezug. Insoweit gibt es auch keine allgemeinen Rechtsgrundsätze. Im Vergleich dazu ist bei der Änderung des Erschließungsbeitragsrechts jeweils ausdrücklich geregelt worden, dass das neue Recht auf unter altem Recht geplante, aber noch nicht (endgültig) hergestellte (Erschließungs-)Anlagen anzuwenden ist (vgl. § 242 Abs. 1, 4, 5, 9 BauGB 1998). Einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung hätte es für den Kostenerstattungsanspruch umso mehr bedurft, als dieser nicht ohne Weiteres einem Beitragsanspruch gleich gesetzt werden kann und wohl auch deshalb § 135a Abs. 4 BauGB nur eine entsprechende und keine unmittelbare Anwendung der landesrechtlichen Vorschriften über kommunale Beiträge anordnet. Gegen eine entsprechende Anwendung des im (Erschließungs-)Beitragsrecht üblichen Übergangsrechts würde zudem sprechen, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 8a BNatSchG 1993 wie auch des § 9 Abs. 1a BauGB 1998/2004 die Zuordnung im Bebauungsplan festgesetzt werden soll. Insoweit kann sie, auch wenn sie für den Bebauungsplan nicht Wirksamkeitserfordernis ist, für die Gesamtabwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB 1986/1998 bzw. § 1 Abs. 7 BauGB 2004 von Bedeutung sein. Insbesondere kann die Frage der Erstattungsfähigkeit und der Höhe von Kosten, die Lage, den Umfang und die Art von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mit bestimmen. Eine nachträgliche Zuordnung, die über den Umfang des nach § 8a Abs. 1 Satz 4 BNatSchG 1993 Zulässigen hinausginge, würde somit u. U. in das Abwägungsgefüge eingreifen, das sodann neu beurteilt werden müsste. Auch dies könnte den Gesetzgeber abgehalten haben, insoweit eine im (Erschließungs-)Beitragsrecht übliche Übergangsregelung zu erlassen.

37

Aus der Übergangsvorschrift des (mittlerweile außer Kraft getretenen) § 8c BNatSchG 1993 lassen sich für die hier zu beurteilende Frage des Übergangsrechts zu §§ 135a ff. BauGB 1998 keine Schlüsse ziehen. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung zu folgen wäre, die insoweit eine nachträgliche Zuordnung von Ausgleichsflächen und -maßnahmen zu Eingriffsflächen in Bezug auf Bebauungspläne zuließ, die vor Inkrafttreten von § 8a BNatSchG 1993 erlassen worden waren (so OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 07.12.2004 - 6 A 11280/04 -, NVwZ-RR 2006, 176).

38

Die Zuordnungsfestsetzung ist auch insgesamt unwirksam. Sie entspricht nicht der nach ständiger Rechtsprechung erforderlichen Planbestimmtheit. Danach bedarf die für die Entstehung des Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB notwendige Zuordnung von Ausgleichsmaßnahmen zu - bestimmten - Eingriffsflächen einer Festsetzung im Bebauungsplan (vgl. OVG Nordrhein-Westfahlen, Beschl. v. 28.05.2008 – 8 A 1664/05 –; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.03.2005 – 5 S 2507/04 –, beide: juris). Der Kostenerstattungsanspruch nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB setzt ausdrücklich eine Zuordnung nach § 9 Abs. 1 a BauGB voraus. § 9 BauGB regelt die Festsetzungen, die Inhalt eines Bebauungsplans sein können. Die in § 9 Abs. 1 a Satz 2 BauGB normierte Möglichkeit der Gemeinde, die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle ganz oder teilweise den Grundstücken zuzuordnen, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, setzt demnach eindeutig eine schon im Bebauungsplan getroffene Festsetzung im bauplanungsrechtlichen Sinne voraus (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.05.2008 – 8 A 1664/05 –, juris). Die Abwägung hinsichtlich der mit der Planung verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft setzt notwendigerweise voraus, dass sich der Plangeber schon auf der Planungsstufe, nicht erst im anschließenden Kostenerstattungsverfahren, mit der Frage befasst, auf welchen Flächen des Plangebiets überhaupt Eingriffe zu erwarten sind sowie ob und wie diese auszugleichen sind (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.05.2008 – 8 A 1664/05 –, juris). Auch deshalb muss die Ermittlung, ob und auf welchen Grundstücken bei Verwirklichung der Planung mit Eingriffen in Natur und Landschaft zu rechnen ist und wie diese zu bewerten sind, abschließend schon auf der Ebene des Bebauungsplans stattfinden.

39

Ist die Zuordnung der Ausgleichsflächen zu den Grundstücken im Geltungsbereich des Bebauungsplans, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, Inhalt einer im Bebauungsplans zu treffenden Festsetzung, gelten die allgemeinen Anforderungen an die Planbestimmtheit auch hinsichtlich der Zuordnungsfestsetzung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.05.2008 – 8 A 1664/05 –, juris). Wenn der Gesetzgeber das Erfordernis einer Zuordnungsfestsetzung normiert, folgt daraus ohne weiteres, dass die Zuordnung auch gewissen inhaltlichen Anforderungen genügen muss. Anderenfalls wäre diese spezielle gesetzliche Voraussetzung überflüssig. Das Maß der erforderlichen Konkretisierung von Festsetzungen richtet sich danach, was nach den Verhältnissen des Einzelfalls (Planungsziele, örtliche Verhältnisse) für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist und dem Gebot gerechter Abwägung der konkret berührten privaten und öffentlichen Belange entspricht. Ob eine Festsetzung diesen Anforderungen entspricht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dies zugrunde gelegt können textliche Festsetzungen in einem Bebauungsplan etwa auch mit unbestimmten Rechtsbegriffen getroffen werden, wenn sich ihr näherer Inhalt unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Normgebers erschließen lässt (BVerwG, Beschl. v. 24.01.1995 – 4 NB 3.95 –, NVwZ-RR 1995, 311, m.w.N.).

40

Die Zuordnungsfestsetzung hat die Beklagte in der 3. Änderung des Bebauungsplanes vom 07.07.2011 wie folgt formuliert:

41

„Die im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Ersatzflächenpool O.“ gelegenen und bereits durchgeführten Maßnahmen der Schaffung von Grünland und Landröhricht auf den Flurstücken 263/1, 712/260 der Flur 10 und 3, 4, 5 der Flur 11 der Gemarkung E-Stadt werden dem Eingriff in den Naturhaushalt im Plangebiet durch die Wohnbebauung jeweils anteilig ihres Flächenanteils an den Wohnbauflächen des Plangebietes als Ausgleichsmaßnahme zugeordnet.“

42

Hieraus lässt sich nicht entnehmen, dass die bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes im Jahre 1996 bebauten Flurstücke im Planungsgebiet von der Inanspruchnahme nicht betroffen sein sollen. Vielmehr enthält die Formulierung keine Einschränkungen, sondern spricht lediglich von „Wohnbauflächen“, insoweit können hierdurch alle im Plangebiet gelegenen und als „Wohnbauflächen“ gekennzeichneten Flurstücke betroffen sein. Zusammen mit dem vorangestellten bestimmten Artikel („werden ... den Wohnbauflächen ... zugeordnet“) legt die Formulierung ihrem Wortlaut nach bei isolierter Betrachtung das Verständnis nahe, dass alle in dem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbauflächen gemeint sind. Das kann aber offenkundig nicht gemeint sein. Denn dies widerspricht § 1a Abs. 3 Satz 6 BauGB, wonach ein Ausgleich dann nicht erforderlich ist, soweit Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren. Von ausgleichspflichtigen Eingriffen in Natur und Landschaft kann bei etwa zwanzig Grundstücken nicht ansatzweise die Rede sein, sodass die Festsetzung, wenn sie sich auf „alle Wohnbauflächen“ bezöge, auf einem offensichtlichen Abwägungsfehler beruhte. Sind aber ersichtlich nicht alle Wohnbauflächen gemeint, bietet der Text der Zuordnungsfestsetzung auch unter Einbeziehung der übrigen Festsetzungen des Plans bei objektiver Auslegung keinen Aufschluss darüber, auf welchen Grundstücken nach Auffassung des Plangebers ausgleichspflichtige Eingriffe zu erwarten sind. Soweit die Beklagte vorträgt, dass die betroffenen Grundstücke, die im Plan schraffierten wären, so ist dem zu entgegen, dass sich auch hieraus nicht objektiv erkennen lässt, dass die Schraffierung die Eingriffsgrundstücke darstellen soll, da eine Erklärung der Schraffur in der Legende insoweit fehlt und sich auch nicht aus der Planzeichenverordnung ergibt. Insoweit kann durch objektive Auslegung nicht ermittelt werden, wofür die Schraffur steht.

43

Auch aus Nr. 12 der textlichen Festsetzung „Teil B“ ergibt sich nichts anderes. Auch hier wird lediglich bestimmt, dass die Maßnahmen auf Kosten der Verursacher durchgeführt werden. Wer Verursacher i. S. d. Festsetzung ist, lässt sich aufgrund des Vorstehenden ebenfalls nicht objektiv ermitteln.

44

Die hier in Rede stehende Zuordnungsfestsetzung ist danach zu unbestimmt. Es handelt sich um eine Blankettformel, deren Aussagegehalt sich darin erschöpft, dass der Plangeber überhaupt von der Möglichkeit der Kostenerstattung Gebrauch machen möchte. Eine Zuordnung zu bestimmten oder wenigstens anhand des Plans bestimmbaren Grundstücken findet indessen nicht statt. Die Eingriffsgrundstücke sind im Bebauungsplan nicht ansatzweise konkretisiert, sondern erst nach Maßgabe der Kriterien des Natur- und Landschaftsrechts zu ermitteln. Das setzt insbesondere die Prüfung voraus, ob eine durch den Plan zugelassene Bebauung eines konkreten Grundstücks einen - erstmaligen - Eingriff darstellt, was zugleich die rechtliche Beurteilung erfordert, wie eine Bebauung dieses Grundstück bislang insbesondere mit Blick auf § 34 BauGB und den beginnenden Außenbereich bauplanungsrechtlich zu beurteilen war. Mit der hier in Rede stehenden textlichen Festsetzung nimmt der Bebauungsplan die Zuordnung nicht selbst vor, sondern überlässt sie einem nachfolgenden Verfahren. Das ist aber - wie ausgeführt - für den Bereich der Kostenerstattung nach § 135a BauGB unzulässig.

45

Die aufgezeigten Rechtsfehler der Zuordnungsfestsetzung führen zu deren Unwirksamkeit insgesamt.

46

2. Der Bescheid des Beklagten vom 20.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2014 ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Festsetzung der Gebühr für die Entscheidung über den Aussetzungsantrag der Kläger lässt sich nicht auf eine rechtliche Grundlage stützen (vgl. VG Dessau, Urt. v. 22.12.2004 – 1 A 444/02 –, juris). Da weder das Verwaltungskostengesetz noch die Allgemeine Gebührenordnung des Landes eine Regelung betreffend die Gebührenpflichtigkeit einer Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO enthalten, scheidet die Belegung der Kläger mit einer Gebührenpflicht insoweit aus (VG Dessau, Urt. v. 22.12.2004 – 1 A 444/02 –, juris). Eine spezielle Ermächtigung ist hierfür indes notwendig. Sowohl im VwKostG LSA als auch im KAG LSA ist die Erhebung von Kosten bzw. einer Gebühr und deren Unzulässigkeit für den Widerspruch ausdrücklich geregelt. Dies findet seinen Grund nicht zuletzt darin, dass der Widerspruch einen Rechtsbehelf darstellt. Ist der Rechtsbehelf erfolgreich, ist es unbillig, dem Widerspruchsführer dennoch die Kosten bzw. eine Gebühr für die Überprüfung einer (rechtswidrigen) Amtshandlung aufzuerlegen. Gleiches muss für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gelten. Auch hier erscheint es unbillig, dem Antragsteller die Kosten bzw. eine Gebühr aufzuerlegen, obwohl er mit seinem Antrag Erfolg hat. Finden aber lediglich die allgemeinen Tatbestände zur Gebühren- bzw. Kostenerhebung Anwendung, so findet sich keine Regelung vergleichbar des § 13 Abs. 1 VwKostG LSA bzw. § 4 Abs. 3a KAG LSA. Wenn schon für den Widerspruch ein eigener Gebührentatbestand geschaffen ist, so muss dies erst recht für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als schwächerer Rechtsbehelf vorliegen.

47

II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

48

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO war für notwendig zu erklären, da die klagende Partei der rechtskundigen Unterstützung bedurfte, um ihre Rechte und Ansichten gegenüber der staatlichen Verwaltung ausreichend zu vertreten.

49

Der Streitwert folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.