Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 B 624/15
Gründe
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Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO hat Erfolg. Zur Überzeugung des Gerichts genügt die nunmehr vorgelegte ärztliche Stellungnahme unter Gesamtbewertung des Einzelschicksals des Antragstellers, dass er aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht nach Spanien abgeschoben werden darf.
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Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) ( BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 1795/14 – juris Rn.11).
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Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als mittelbare Folge davon konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt (OVG NW, B.v. 29.11.2010 – 18 B 910/10 – juris Rn. 15 f. m.w.N.).
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Nach dem vorgelegten Schreiben der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 09.07.2015 befindet sich der Antragsteller in ambulanter Behandlung und leidet an einer mittelgradigen Depression und einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Angstzuständen und Schlafstörungen. Er habe eine schwierige depressive Symptomatik. Er äußere sich sehr oft parasuizidal. Er berichte von Übergriffen in Spanien. Zurzeit sei er nicht reisefähig und drohe damit sich umzubringen, wenn er nach Spanien fahren müsse. Eine aktuelle medikamentöse Therapie erfolge mit Setralin 200 mg morgens.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – BVerwGE 129, 251; U.v. 11.9.2007 – 10 C 17.07 – juris Rn. 15) gehört zur Substantiierung eines Vorbringens bei einer Erkrankung an posttraumatischer Belastungsstörung (sowie eines entsprechenden Beweisantrages) angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben.
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Wenn auch kurz gehalten, genügt das fachärztliche Schreiben diesen Anforderungen. Im Übrigen wird dies auch durch das Amtsärztliche Gutachten bestätigt. Demnach ist es nicht verantwortbar, den Antragsteller derzeit gegen seinen Willen nach Spanien zu verbringen. Alles Weitere muss im Hauptsacheverfahren geprüft werden.
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Demnach ist auch Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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Referenzen
- VwGO § 80 1x
- 2 BvR 1795/14 1x (nicht zugeordnet)
- 18 B 910/10 1x (nicht zugeordnet)