Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 A 186/15

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die vorbehaltlose Genehmigung einer Änderung ihrer Hauptsatzung.

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In der Sitzung vom 04.09.2014 beschloss der Stadtrat der Klägerin unter der Beschluss-Nr. 041-003(VI)14 die Zweite Änderungssatzung zur Hauptsatzung vom 11. Juli 2007, mit welcher er den § 11 Absatz 10 – Übertragung von Aufgaben des Stadtrates auf den Oberbürgermeister – der Hauptsatzung dahin änderte, dass dem Oberbürgermeister die Annahme und Vermittlung von Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen für einzelne Aufgaben der Stadt gem. § 99 Abs. 6 Sätze 1, 4 und 5 KVG LSA bis zu einem Vermögenswert von 10.000,00 Euro im Einzelfall zur selbstständigen Erledigung übertragen wird.

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Mit Antrag vom 18.09.2014 legte die Klägerin dem Beklagten die zweite Änderungssatzung zur Genehmigung vor. Mit Bescheid vom 17.11.2014 versagte der Beklagte die Genehmigung. Seine Entscheidung begründete er damit, dass die Änderungssatzung materiell nicht genehmigungsfähig sei, da die darin festgelegte Wertgrenze von 10.000,00 Euro nicht der vom Gesetzgeber gewollten Auslegung des Begriffs "geringfügig" entspreche. Dieser sei vielmehr restriktiv auszulegen, um die erforderliche Transparenz zu gewährleisten. Zur näheren Bestimmung der Begrifflichkeit könnten die Einwohnerzahl der Klägerin, deren Haushaltsvolumen sowie die Besoldungshöhe des Hauptverwaltungsbeamten herangezogen werden; danach sei eine Wertgrenze von 1.000,00 Euro angemessen, wobei dies auch dem Inhalt der Rundverfügung des Beklagten vom 30.10.2014, RdVerf. Nr. 27/14 entspreche, welche auf einen Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport zurückgehe.

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Hiergegen legte die Klägerin unter dem 18.12.2014 Widerspruch (Schreiben vom 17.12.2014) ein. Diesen begründet sie damit, dass die Versagung der Genehmigung gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Entscheidung des Beklagten, dass in ihrem Fall nur eine Wertgrenze von 1.000,00 Euro angemessen sei, stelle sich als unzulässige Fachaufsicht dar und greife daher in ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung ein. Eine Wertgrenze von lediglich 1.000,00 Euro sei für sie auch nicht zweckmäßig, da bei der Festsetzung einer solchen Höhe die kurzfristige Annahme von höheren Spenden oder der Abschluss von Sponsoringverträgen unmöglich sei. Die dann erforderliche Einberufung einer Stadtratssitzung zur Annahme solcher höherwertigen Zuwendungen stelle einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand dar und könne potentielle Spender oder Sponsoren abschrecken und künftig von weiteren Zuwendungen abhalten. Im Übrigen stehe ein Betrag von 1.000,00 Euro nicht im Verhältnis zu dem tatsächlichen Sponsoringaufkommen der Stadt in Höhe von ca. 170.000,00 Euro jährlich und einem Haushaltsvolumen von ca. 600 Mio. Euro. Auch die Höhe des Einkommens des Hauptverwaltungsbeamten mit der Besoldungsgruppe 8 (9.645,55 Euro brutto mtl.) stehe der Erwägung der Korruption entgegen.

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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16.02.2015 zurück. Seine Entscheidung begründete er mit der Intention des Gesetzgebers, wonach die Fassung des § 99 Abs. 6 KVG LSA in Durchbrechung des sog. "Vier-Augen-Prinzips" bei der Annahme von Spenden und Schenkungen im kommunalen Bereich lediglich im geringfügigen Umfang erfolgen solle, um jeder Form von Korruption und unzulässiger Beeinflussung vorzubeugen. Höherwertige Spenden und Schenkungen könnten angenommen, auf ein Verwahrkonto gebucht, in einer Liste erfasst und dann zusammengefasst der Vertretung zur Genehmigung vorgelegt werden; eine wesentliche Verzögerung ergebe sich daraus nicht. Der bekannte Erlass des Ministeriums des Innern und Sport vom 17.10.2014 definiere den unbestimmten Rechtsbegriff der Geringfügigkeit und den bundesweiten Standard im Bereichs des Sponsoring und der öffentlichen Verwaltung. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, so dass eine über 1.000,00 Euro hinaus gehende Wertgrenze gegen das Gesetz verstoße. Ein milderes Mittel als die Versagung der Genehmigung habe nicht bestanden, da die Klägerin trotz entsprechender Hinweise und Anregungen die Änderungssatzung erlassen und eine Ablehnung der Genehmigung bewusst und gewollt in Kauf genommen habe.

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Hiergegen richtete sich die durch die Klägerin am 02.03.2015 erhobene und am 15.07.2015 begründete Klage.

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Sie führt aus, dass die Versagung der Genehmigung unter Hinweis auf den ministeriellen Erlass und Angabe einer Wertgrenze von 1.000,00 Euro eine ungerechtfertigte Fachaufsicht darstelle und sie unzulässiger Weise in ihrer Finanzhoheit als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verletze. Sie meint, die erforderliche Transparenz für die Zuwendungen sei durch die Anforderungen in § 99 KVG LSA mit einer jährlichen Berichtspflicht an den Beklagten und ihre eigene Sponsoring-Richtlinie sowie eine Dienstanweisung zur Vermeidung und Bekämpfung von Korruption gegeben.

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Der Stadtrat der Klägerin beschloss während des laufenden Klageverfahrens in seiner Sitzung vom 05.11.2015 eine Neufassung der Hauptsatzung. In den § 11 Abs. 1 Nr. 10 nahm er inhaltsgleich zu dem bisherigen § 11 Abs. 10 eine Regelung zur Übertragung von Aufgaben des Stadtrates auf den Oberbürgermeister und so insbesondere die Annahme und Vermittlung von Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen für einzelne Aufgaben der Stadt gem. § 99 Abs. 6 Sätze 1, 4 und 5 KVG LSA bis zu einem Vermögenswert von 10.000,00 Euro im Einzelfall zur selbstständigen Erledigung auf. Der Beklagte genehmigte mit Bescheid vom 21.01.2016 die Hauptsatzung mit Ausnahme der Regelung in § 11 Abs. 1 Nr. 10. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 08.02.2016 Widerspruch.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verpflichten, die Hauptsatzung der Klägerin vom 05.11.2015 zu genehmigen und den Bescheid vom 21. Januar 2016 insoweit aufzuheben, als die Genehmigung vom § 11 Abs. 1 Nr. 10 versagt wurde.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte verteidigt seine Bescheide.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 154 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA) zulässig.

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2. Die Änderung des Klagegegenstandes ist ebenfalls zulässig, denn der Beklagte hat Einwände gegen diese in der mündlichen Verhandlung nicht erhoben; im Übrigen ist diese auch sachdienlich, § 91 Abs. 1 VwGO. Die in der Neufassung der Hauptsatzung der Klägerin vom 05.11.2015 aufgenommene Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 10 ist inhaltsgleich mit der zuvor streitgegenständlichen Regelung des § 11 Abs. 10 der vorhergehenden Fassung der Hauptsatzung der Klägerin, so dass der bisherige Streitstoff verwertbar ist. Der Durchführung eines erneuten Vorverfahrens (§§ 68 ff. VwGO) bedarf es deshalb nicht.

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3. Die Klage ist jedoch im Ergebnis unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 16.02.2015 sowie der Bescheid des Beklagten vom 21.01.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO, weshalb die Klage abzuweisen war (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf (vollumfängliche) Genehmigung der Hauptsatzung vom 05.11.2015, da die von ihr beabsichtigte Regelung in § 11 Abs. 1 Nr. 10 der Hauptsatzung - wie zuvor die Regelung des § 11 Abs. 10 - gegen geltendes Recht verstößt. Der Beklagte hat die Genehmigungserteilung daher zu Recht nach § 150 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA versagt.

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aa) Gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA werden Satzungen, Beschlüsse und andere Maßnahmen der Kommune, die der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde bedürfen, erst mit der Genehmigung wirksam. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 KVG LSA bedürfen Änderungen der Hauptsatzung der Genehmigung der Kommunalaufsicht.

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Der insoweit durch § 10 Abs. 2 Satz 2 KVG LSA geregelte Genehmigungsvorbehalt stellt ein Mittel der präventiven Rechtsaufsicht dar. Versagungsgründe können dabei nur in gesetzlichen Grundlagen enthalten sein, d.h. die Genehmigung ist zu erteilen, wenn eine Genehmigungspflicht besteht und die von der Kommune beabsichtigte Maßnahme den geltenden Rechtsvorschriften entspricht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 09.02.2000 - A 2 S 404/97 -, juris; Miller in Bücken/Thielmeyer/Grimberg/Miller/Schneider/Wiegand/Gundlach/Fenzel, KVG LSA -Kommentar, LBW, § 150 S. 3 - 5 – Stand 05/2015).

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Nach § 99 Abs. 6 KVG LSA darf eine Kommune zur Erfüllung einzelner Aufgaben nach § 4 Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen einwerben und annehmen oder an Dritte vermitteln, die sich an der Erfüllung der Aufgaben nach § 4 beteiligen. Die Einwerbung und die Entgegennahme des Angebots einer Zuwendung obliegt ausschließlich dem Hauptverwaltungsbeamten. Über die Annahme oder Vermittlung entscheidet die Vertretung. Abweichend von Satz 4 kann die Vertretung die Entscheidung über die Annahme oder Vermittlung bei geringfügigen Zuwendungen auf den Hauptverwaltungsbeamten oder einen beschließenden Ausschuss übertragen. Die Wertgrenzen nach Satz 4 sind in der Hauptsatzung zu bestimmen. Der Begriff "geringfügig" wird in der Vorschrift nicht näher definiert.

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bb) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf. Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall – auch unter gewandelten Bedingungen – möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen. In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.03.2016 - OVG 4 S 49.15 -; BVerfG, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 BvR 857/07 - Orientierungssatz 1c, juris; Franz Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. ergänzte Aufl. 1991).

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Dies zugrunde gelegt, ist die von der Klägerin festgesetzte Wertgrenze von 10.000,00 Euro für die Annahme und Vermittlung von Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen durch den Oberbürgermeister als nicht mehr von der gesetzlichen Formulierung „geringfügig” in § 99 Abs. 6 KVG LSA erfasst anzusehen.

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aaa) Bereits der Wortlaut der Norm gibt hierfür keinen Anhalt, sondern spricht eher für die vom Beklagten vertretene Auslegung, auch wenn sich das Gericht bewusst ist, dass „geringfügig” nicht an einem konkreten Wert festzumachen ist.

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Denn mit der Wortbedeutung des Begriffs ist unter geringfügig „unbedeutend, nicht ins Gewicht fallend, belanglos” zu verstehen; synonym verwendete Begriffe sind „belanglos, gering, kaum sichtbar/spürbar, klein, minimal, nicht der Rede wert, nicht ins Gewicht fallend, nicht nennenswert, unbedeutend, unbeträchtlich, unerheblich, unwesentlich, unwichtig, verschwindend, von geringem Ausmaß, wenig; (gehoben) um ein Geringes; (bildungssprachlich) marginal; (abwertend) lächerlich” (vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/geringfuegig). Weshalb 10.000,00 Euro dem entsprechen soll, erschließt sich auch im Lichte des Vortrags der Klägerin zum Zuwendungsvolumen sowie die im Zuge des Arguments der Verwaltungspraktikabilität erfolgte Bezugnahme auf die Vielzahl der Fälle nicht. Dies wird auch im Rahmen einer rechtsvergleichenden Betrachtung deutlich, ohne dass das Gericht aus den in anderen Rechtsgebieten von der Rechtsprechung wertmäßig bestimmten Größen für den dort verwendeten Begriff "geringfügig" zwingende positive Rückschlüsse auf die Höhe nach § 99 Abs. 6 S. 4 KVG LSA zu ziehen beabsichtigt. So finden sich in unterschiedlichen gesetzlichen Regelungsbereichen, die ebenfalls auf den Begriff der Geringfügigkeit abstellen, Anhaltspunkte, wie der Wert der Geringfügigkeit zu bemessen ist: Mit § 248 a Strafgesetzbuch (StGB) ist der Diebstahl geringwertiger Sachen unter Strafe gestellt, wobei die Rechtsprechung bei Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs überwiegend einen Wert von 50,00 Euro annimmt (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 09.05.2008 - 1 Ss 67/08 -, juris; OLG Hamm, Urt. v. 28.07.2003 - 2 Ss 427/03 -, NJW 2003, 3145). Im Bereich des Sozialversicherungsrechts erfolgt durch den § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ebenfalls eine konkrete Bestimmung der Geringfügigkeit, wobei diese mit 450,00 Euro im Monat bewertet wird. Auch das Kommunalabgabenrecht (vgl. § 14 Abs. 1 KAG-LSA) kennt solche Kleinbeträge, wobei hier der Gesetzgeber die Grenze ausdrücklich bei 5,00 Euro festgelegt hat.

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bbb) Der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. u. a. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 04.07.2013, LT-Drs. 6/2247, Stellungnahme und Synopse des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vom 17.01.2014 – Vorlage 20 zur Drs. 6/2247; Änderungsantrag der Fraktionen CDU und SPD vom 06.03.2014 – Vorlage 24 zur Drs. 6/2247) lässt sich nur im eingeschränkten Umfang etwas für die Frage entnehmen, welcher Wert dem Begriff „geringfügig” im jeweiligen Einzelfall gerecht wird. Dabei ging der Landesgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren davon aus, dass im Grundsatz unter Beibehaltung des sog. "Vier-Augen-Prinzips" für die Annahme solcher Zuwendungen das demokratisch legitimierte Organ der Gemeindevertretung zuständig ist. Lediglich aus Gründen der Verfahrensvereinfachung bei geringfügigen Zuwendungen sollte die Annahmeentscheidungsbefugnis auf den Hauptverwaltungsbeamten übertragbar sein (vgl. Änderungsantrag der Fraktionen CDU und SPD vom 06.03.2014 zur LT-Drs. 6/2247). Diese Intention hat in dem § 99 Abs. 6 KVG LSA auch ihre ausdrückliche Regelung gefunden.

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ccc)Für eine Auslegung des § 99 Abs. 6 Satz 4 KVG LSA, wie sie die Klägerin für zutreffend erachtet, ergeben sich aus Sinn und Zweck des Gesetzes keine hinreichenden Anhaltspunkte. Aus dem parlamentarischen und somit historischen Ursprung des Begriffes ergibt sich, dass der Landesgesetzgeber selbst vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Regelungen der §§ 331 und 108e Strafgesetzbuch (StGB) aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Verbesserung der Transparenz das Verfahren zur Annahme und Vermittlung von Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen (Sponsoring) regeln wollte, dies auch mit der Maßgabe, die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Einwerbung von Drittmitteln und Parteispenden (vgl. für den Hochschulbereich BGH, Urt. v. 23.05.2002 – 1 StR 372/01; zu Parteispenden BGH, Urt. v. 28.08.2007 – 3 StR 212/07), umzusetzen. Die gesetzliche Regelung des § 99 Abs. 6 KVG LSA trifft hiernach Feststellungen zur Zulässigkeit der Annahme und Einwerbung von Drittmitteln durch die Kommune, um ihr insoweit eine weitere Möglichkeit der Finanzmittelbeschaffung einzuräumen. Dieses Verfahren soll aber transparent gestaltet sein, um eine Kontrolle zu ermöglichen und den Anschein der Korruption zu vermeiden. Damit wird der Zweck verfolgt, das Vertrauen der Bevölkerung in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes zu schützen. Die gebotene Transparenz sah der Gesetzgeber grundsätzlich durch die Annahme oder Vermittlung einer Zuwendung durch die Vertretung als gewährleistet an. Gleichwohl eröffnet er aus Gründen der Verfahrensvereinfachung die Möglichkeit der Übertragung auf den Hautverwaltungsbeamten und stellte dies unter den Vorbehalt der Geringfügigkeit. Insoweit offenbart sich ein Spannungsverhältnis zwischen der grundsätzlich bestehenden (kommunalrechtlichen) Berechtigung zur Einwerbung und Annahme von Zuwendungen und den durch das Strafrecht geschützten Rechtsgütern. Dies ist bei Auslegung des Begriffs "geringfügig" mithin stets zu beachten und spricht eher für eine restriktive Auslegung des durch die Wortbedeutung bereits beachtlich vorgeprägten Begriffs.

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Auch in Anbetracht der Größe des klägerischen Haushaltsvolumens von rund 600 Mio. Euro und des jährlichen Spenden- und Sponsoringaufkommens von mehr als hunderttausend Euro führt dies nicht zur Rechtmäßigkeit der von der Klägerin in der Hauptsatzung festgelegten Wertgrenze. Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck der Verfahrensvereinfachung zielt erkennbar auch in diesen Fällen nur auf solche Beträge ab, die – im Sinne des Wortes – so niedrig sind, dass der Aufwand der Einberufung einer Vertreterversammlung wegen der Annahme solcher Zuwendungen zu diesen außer Verhältnis steht. Das Haushaltsvolumen sowie das damit ggf. einhergehende Zuwendungsaufkommen sind mithin nicht per se geeignet, zu einer anderen Auslegung des Begriffs "geringfügig" beizutragen, sondern kann allenfalls Rechtfertigung für eine höhere Wertgrenze als in einer Gemeinde mit nicht vergleichbarem Haushaltsvolumen sein.

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Richtig mag sein, dass die Klägerin als Landeshauptstadt im Vergleich zu anderen Kommunen im Land ein größeres Haushaltsvolumen hat und dass sie häufiger mit Angeboten auf Zuwendungen konfrontiert ist. Allerdings kann allein die Häufigkeit der angetragenen Zuwendungen mit der sich daran anschließenden Konsequenz der Einberufung einer Sitzung des Stadtrates der Klägerin zur Annahme derselben nicht zwingend eine derartige Wertgrenze rechtfertigen, welche – nach den oben stehenden Ausführungen – auch keine anderweitige Stütze in der maßgeblichen Rechtsvorschrift findet.

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Sofern die Klägerin vorträgt, dass potentielle Spender oder Sponsoren durch die Beibehaltung des gesetzlich normierten Regelfalls – Annahme durch die Gemeindevertretung – künftig von Zuwendungen absehen würden, ist hierfür nichts ersichtlich. Es mag insoweit richtig sein, dass jeder Spender oder Sponsor unter anderem auch ein (eigenwirtschaftliches) Interesse daran hat, im Zusammenhang mit seiner Zuwendung öffentlichkeitswirksam genannt zu werden. Allerdings trägt die Klägerin selbst vor, dass sich auch bisher das jährliche Sponsoringaufkommen auf ca. 170.000,00 Euro (175.000,00 Euro in 2015) belaufen hat. Zudem verfolgt § 99 Abs. 6 S. 4 KVG LSA, wie oben bereits erörtert, nicht das Ziel, ein erhöhtes Spendenaufkommen zu bewirken.

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Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes sind vor diesem Hintergrund auch vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern mit einzubeziehen. So regelt beispielsweise das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz in § 111 in vergleichbarer Weise die Zulässigkeit der Finanzmittelbeschaffung aus Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendung; für die Einwerbung und die Annahme entsprechender Angebote ist auch dort der Hauptverwaltungsbeamte zuständig, über die Annahme oder Vermittlung entscheidet auch dort grundsätzlich die Gemeindevertretung. Lediglich bei Kleinstspenden mit einem Wert bis zu 100,00 € ist die Zuständigkeit zur Annahme oder Vermittlung auf den Hauptverwaltungsbeamten übertragen gem. § 25a Abs.1 Gemeindehaushalts- und –kassenverordnung (GemHKVO). Auch für diese Kleinstzuwendungen besteht aber eine Dokumentationspflicht, um den Nachweis zu schaffen, dass keine Ziele verfolgt worden sind, die das Vertrauen in die Sachgerechtigkeit und Nichtkäuflichkeit dienstlichen Handelns beeinträchtigen (vgl. Rose in NKomVG-Kommentar, §111 S. 16 f. – Stand 10/2012).

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In Sachsen-Anhalt hat das Ministerium für Inneres und Sport mit Erlass vom 27.10.2014 Hinweise zum Umgang mit dem Begriff "geringfügig" heraus gegeben und unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung eine restriktive Auslegung gefordert, wobei die als zulässig erachteten Wertgrenzen teilweise deutliche höher liegen als in anderen Bundesländern. Danach sollen für ehrenamtliche Bürgermeister Wertgrenzen bis zu 100,00 Euro, für Bürgermeister und Verbandsgemeindebürgermeister bis zu 500,00 Euro und für Oberbürgermeister und Landräte bis zu 1.000,00 Euro gelten.

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Das Argument der Klägerin, der Verdacht der Korruption könne aufgrund des monatlichen Einkommens ihres Hauptverwaltungsbeamten schon nicht entstehen, verfängt nicht, denn die vom Beklagten und auch dem Ministerium für Inneres und Sport für die Bestimmung der Wertgrenze benannten Parameter selbst stellen keine Obergrenze dar, vielmehr sind sie zur Bestimmung des geringfügigen Betrages in die Betrachtung mit einzubeziehen, aber nicht allein maßgebend. Vorrangig ist bei der Bestimmung der Geringfügigkeit auf den objektiven Schutzzweck des § 331 StGB abzustellen, an welchem sich auch der Landesgesetzgeber bei Schaffung des § 99 Abs. 6 Satz 4 KVG LSA orientierte. Damit ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Lauterkeit sowie die Transparenz des Handelns der Verwaltung im Bereich der Drittmitteleinwerbung und -entgegennahme zu schützen. Wird mit der Übertragung auf den Hauptverwaltungsbeamte als Einzelperson und in Durchbrechung des Vier-Augen-Prinzips dieser in die Lage versetzt, Zuwendungen bis zu einer Höhe von 10.000,00 Euro im Einzelfall anzunehmen, verbleibt es gleichwohl – unabhängig von seinem Einkommen – dabei, dass jedenfalls 10.000,00 Euro – und nur das gilt es hier zu beurteilen – nicht geeignet sind, dem Anschein einer gezielten Einflussnahme entgegenzuwirken.

35

Auch aus dem Umstand, dass die Klägerin durch eine Dienstanweisung zur Vermeidung und Bekämpfung von Korruption und eine Dienstanweisung über Sponsoring entsprechende Verfahrensweisen festgelegt hat, um dem Anschein der Unlauterkeit entgegen zu wirken, folgt wegen des eindeutigen Wortlautes und der gesetzgeberischen Intention kein Genehmigungsanspruch. Diese verwaltungsinternen Regelungen unterstützen zwar den Gesetzeszweck, vermögen es jedoch nach dem Vorstehenden nicht, eine Wertgrenze in Höhe von 10,000,00 Euro zu rechtfertigen.

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b) Die Genehmigungsversagung der Neufassung der Hauptsatzung stellt sich auch nicht als unzulässige Fachaufsicht im Sinne einer Einmischungsaufsicht dar, denn es fehlt vorliegend bereits an einer Auftragsangelegenheit sowie an einer fachgesetzlich begründeten Zuständigkeit des Beklagten, §§ 143 Abs. 3, 155 KVG LSA. Das Handeln des Beklagten ist jedoch auch seinem Inhalt nach nicht, wie die Klägerin meint, mit einer Zweckmäßigkeitsprüfung zu vergleichen, denn er hat sich die Ausführungen des Ministeriums für Inneres und Sport in nicht zu beanstandender Weise zu eigen gemacht; die in Bezug genommene Rundverfügung Nr. 27/14 vom 30.10.2014 gibt insoweit lediglich die Ausführungen des ministeriellen Erlasses wieder, welcher wiederum der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs dient. Dieser dient damit der Verwaltung als Anhalt zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und war vom Beklagten zur Entscheidung heran zu ziehen. Das Gericht ist in seiner Entscheidung zwar nicht an verwaltungsinterne Vorgaben gebunden; allerdings stellt sich die Entscheidung des Beklagten, wie oben umfangreich dargelegt, auch im Übrigen als rechtmäßig dar.

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Ohne dass es vorliegend hierauf ankommt, ergibt sich jedoch aus dem Erlass selbst, dass für die Bemessung der Wertgrenze nach § 99 Abs. 6 Satz 4 KVG LSA verschiedene Parameter herangezogen werden können. Der Beklagte setzte sich hiermit auch sowohl in der Ausgangsverfügung – hier wohl noch ausführlicher – als auch in seiner Widerspruchsentscheidung auseinander. Sofern er sich im Weiteren auf konkrete Wertgrenzen bezieht und sich hierzu auf den ministeriellen Erlass beruft, ist zu berücksichtigen, dass nach diesem der genannte Betrag von 1.000,00 Euro zwar nicht überschritten werden soll. Dies schließt jedoch einen höheren Betrag von Rechts wegen nicht zwingend aus. Allerdings ist auch hiernach - wie oben ausgeführt - nicht zu beanstanden, wenn die von der Klägerin angesetzte Wertgrenze von 10.000,00 Euro als nicht mehr geringfügig im Sinne des Gesetzes gewertet und dies vom Beklagten als Verstoß gegen das Gesetz gewertet wird.

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Aus diesem Grund war die Klage abzuweisen.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

40

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2, 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 22.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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