Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (1. Kammer) - 1 A 118/16

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Produktname „Gelenk-Tabletten B.“ für das von ihr vertriebene Nahrungsergänzungsmittel rechtlich zulässig ist.

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Bei der Klägerin handelt es sich um ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in A-Stadt. Seit 40 Jahren produziert und vertreibt sie Lebensmittel, Arzneimittel und Kosmetika. Der Vertrieb der Produkte erfolgt vor allem über Direktversand, etwa über einen Bestellkatalog oder den Onlineshop.

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Zur Produktpalette der Klägerin gehört auch das streitgegenständliche Produkt „Gelenk-Tabletten B.“. Dabei handelt es sich nach Angaben der Klägerin um ein Nahrungsergänzungsmittel zur Ergänzung der Ernährung mit Vitaminen, Mineralstoffen, Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat. Es wird in Tablettenform abgegeben und der Verzehr einer Tablette täglich empfohlen. Die Tabletten sind in einer Dose verpackt, auf deren Etikett neben dem Produktnamen mit der Angabe „Mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ geworben wird. Unterhalb des Produktnamens befinden sich die Angaben „Kupfer für das Bindegewebe" sowie „Vitamine, Glucosamin & Chondroitin“. Im Zusammenhang mit diesen Angaben ist ein menschlicher Oberkörper in einer laufenden Bewegung abgebildet.

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Am 17.04.2015 entnahm der Fachdienst Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Wittenberg eine Planprobe des eben bezeichneten Nahrungsergänzungsmittels bei der Robert-Koch-Apotheke M. Wittenberg in der Lutherstadt Wittenberg. Die daraufhin durch das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt durchgeführte Untersuchung gelangte zu verschiedenen Beanstandungen. Im Rahmen seines Gutachtens vom 23.02.2016 kommt das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt unter anderem zu dem Schluss, dass es sich bei dem Handelsnamen „Gelenk-Tabletten B.“ um eine nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel vom 20.12.2006 handele, weil die für Zink, Mangan und Kupfer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben, die einen Beitrag zum Erhalt normaler Knochen bzw. normalen Bindegewebes beinhalten, zur Untersetzung der unspezifischen Angabe „Gelenk“ nicht geeignet seien. Es müsse zwischen der Wirkung eines Nährstoffes auf Knochen und der auf Gelenke deutlich unterschieden werden. Dies ergebe sich bereits aus den verschiedenartigen Funktionen beider Körperbaubestandteile. Außerdem sei bereits ein Antrag auf Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe speziell zum Beitrag von Zink zum Erhalt normaler Gelenke abgelehnt worden. Für Mangan sei bislang keine Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe zur Wirkung auf die Gelenke beantragt worden. Eine spezielle Wirkung von Kupfer auf die Gelenke sei nicht bekannt.

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Mit Schreiben vom 12.04.2016 informierte der Beklagte die Klägerin über die durchgeführte Untersuchung und teilte mit, dass die Bezeichnung des Produktes "Gelenk-Tabletten B." als nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angabe beurteilt und die Probe vom Landesamt für Verbraucherschutz beanstandet worden sei. Weiterhin wurde die Klägerin darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Beanstandung sowie das Gutachten an die Staatsanwaltschaft Magdeburg, Zweigstelle C-Stadt, weitergeleitet worden sind.

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Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 16.08.2016 wurde das gegen die Geschäftsführerin der Klägerin geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO wegen fehlender Nachweisbarkeit vorsätzlichen Handelns eingestellt. Das Verfahren wurde wegen in Betracht kommender Ordnungswidrigkeiten an die zuständige Bußgeldstelle abgegeben.

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Am 04.05.2016 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführt, dass die erhobene vorbeugende Feststellungsklage zulässig sei, weil zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein konkretes Rechtsverhältnis bestehe. Denn die vorliegende Weiterleitung des Gutachtens des staatlichen Untersuchungsamtes an die Strafverfolgungsbehörden lasse regelmäßig ein das Gebiet des Lebensmittelrechts betreffendes, in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallendes streitiges Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten entstehen. Darüber hinaus habe der Beklagte durch sein Verhalten deutlich gemacht, dass er eine weitere Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfrage nicht durch Erlass eines der Anfechtungsklage zugänglichen Verwaltungsaktes beabsichtige, sondern dass die weitere Auseinandersetzung über die unterschiedliche Auslegung des Lebensmittelrechts vor einem Strafgericht stattfinden solle. Die Möglichkeit zur Erhebung einer Gestaltungs-oder Leistungsklage zur Wahrung der Rechte der Klägerin bestehe daher nicht. Zudem könne die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der von ihr begehrten Feststellung geltend machen. Denn es sei ihr nicht zumutbar zu riskieren, dass durch das weitere Inverkehrbringen des Produkts mit dem Produktnamen weitere Strafanzeigen gestellt und Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführerin der Klägerin eingeleitet würden. Es sei ihr auch nicht zuzumuten abzuwarten, dass auch ihre anderen Produkte, die im Produktnamen ebenfalls das Wort "Gelenk" enthalten, von dem Beklagten beanstandet und weitere Strafverfahren deshalb eingeleitet würden. Im Falle einer Änderung des Produktnamens erleide die Klägerin einen unzumutbaren Wettbewerbsnachteil gegenüber den Unternehmen, die vergleichbare Produkte mit einem Produktnamen vertreiben, der das Wort „Gelenk“ enthalte. Sie befürchte Umsatzeinbußen in Höhe von bis zu 200.000,00 € und den Verlust von bis zu 5,5 Arbeitsplätzen. Das Feststellungsinteresse sei darüber hinaus darin zu erblicken, dass allein durch die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage und nicht etwa durch ein Ermittlungs- bzw. Strafverfahren rechtskräftig geklärt werden könne, ob die Klägerin aufgrund von lebensmittelrechtlichen Vorschriften berechtigt sei, das streitgegenständliche Produkt mit dem Produktnamen „Gelenk-Tabletten B.“ in den Verkehr zu bringen. Ein Amtsgericht, welches gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren über eine Anklage der Staatsanwaltschaft zu entscheiden hätte, sei an ein der Feststellungsklage stattgebendes Urteil gemäß § 121 VwGO gebunden.

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Die Feststellungsklage sei darüber hinaus auch begründet. Der Produktname „Gelenk-Tabletten B.“ sei als Handelsmarke, Markenname oder Phantasiebezeichnung des Produktes bereits gemäß Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 zulässig, weil er in der Kennzeichnung, Aufmachung bzw. Werbung für ein Lebensmittel verwendet würde und als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden könne und mit den Angaben "Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen" sowie "Kupfer für das Bindegewebe" nährwert- bzw. gesundheitsbezogene Angaben beigefügt seien, die der VO (EG) Nr. 1924/2006 entsprächen.

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Bei der Formulierung "Gelenk-Tabletten B." allein handele es sich nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe. Denn selbst wenn das Wort "Gelenk" als Beschreibung oder Verweis auf Wachstum, Entwicklung und Körperfunktion verstanden würde, so fehle jeder Hinweis auf einen Nährstoff oder eine andere Substanz und dessen Bedeutung für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen (vgl. Art. 13 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 1924/2006). Es könne sich allenfalls um eine nichtspezifische gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 handeln. Der Produktname „Gelenk-Tabletten B.“ sei ein Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nahrungsergänzungsmittels für die Gesundheit im allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden, da ein nicht näher spezifizierter gesundheitlicher Vorteil für die Gelenke suggeriert werde, der erst durch die beigefügten gesundheitsbezogenen Angaben präzisiert werde. Die Klägerin verweist diesbezüglich auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.06.2016 - I-15 U 8/15. Die bloße Angabe "Gelenk" bleibe unspezifisch und entspreche in ihrer Aussagekraft einer Vielzahl von Angaben, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als unspezifisch und somit nicht zulassungsfähig im Sinne von Art. 13 VO (EG) Nr. 1924/2006 angesehen worden sei. Die Verwendung nichtspezifischer gesundheitsbezogener Angaben setze voraus, dass "ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist". Dem Produktnamen würden die gesundheitsbezogenen Angaben “Mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ und „Kupfer für das Bindegewebe“ beigefügt, welche den zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben aus Verbrauchersicht entsprechen würden. Der Gesetzgeber fordere dabei nicht, dass zwischen der zugelassenen und der unspezifischen Angabe ein inhaltlicher Bezug bestehen müsse. Doch selbst wenn unterstellt würde, dass ein solcher Bezug gegeben sein müsste, erfülle das Erzeugnis der Klägerin diese Vorgabe.

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Dem stünden auch weder die in dem Durchführungsbeschluss der Kommission vom 24.01.2013 zur Annahme von Leitlinien zur Umsetzung der in Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben (Beschluss 2013/63/EU) noch das Irreführungsverbot des Art. 3 S. 2 lit. a) VO (EG) Nr. 1924/2006 entgegen. Denn die im Anhang des Beschlusses dargelegten Leitlinien würden keine verbindliche Rechtsvorschrift darstellen. Auch wenn ein adressatenloser Beschluss gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV grundsätzlich in allen Teilen gegenüber jedem verbindlich sei, so deute die Verwendung des Begriffs „Leitlinien“ daraufhin, dass diese eben nicht als verbindliche Regelung zu verstehen seien. Darauf komme es letztendlich aber nicht an, denn selbst wenn die Leitlinien als rechtlich verbindlich betrachtet werden würden, so handele es sich dem Wortlaut nach eindeutig um eine "Soll-Leitlinie“, daher nicht um eine Bestimmung, die zwingend zu beachten sei, sondern von der abgewichen werden könne. Außerdem handele es sich bei den Leitlinien faktisch um eine bloße Wiedergabe der sowieso zu beachtenden Rechtsvorschriften, im konkreten Fall um eine Klarstellung, dass das Irreführungsverbot des Art. 3 S. 2 lit. a) VO (EG) Nr. 1924/2006 auch im Falle unspezifischer gesundheitsbezogener Angaben gemäß Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 zu beachten sei. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass der Beschluss 2013/63/EU und die darin dargelegten Leitlinien allenfalls zur Auslegung des Art. 10 VO (EG) Nr. 1924/2006 herangezogen werden könnten, nicht aber für die Auslegung des Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006. Das ergebe sich bereits aus Art. 10 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1924/2006, der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Beschlusses 2013/63/EU. Hiernach dürften Leitlinien für die Durchführung von Art. 10 VO (EG) Nr. 1924/2006 unter bestimmten Voraussetzungen erlassen werden. Diese Leitlinien seien demnach bei der Auslegung anderer Vorschriften nicht verbindlich und nicht zu berücksichtigen.

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Im konkreten Fall des Produktes „Gelenk-Tabletten B.“ sei die Beifügung der gesundheitsbezogenen Angabe „Mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen" weder irreführend noch falsch oder missverständlich. Denn durch die unmittelbar beigefügte Angabe „Mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen" im Zusammenhang mit der Angabe "Gelenk" werde auch für den durchschnittlich informierten, verständigen Durchschnittsverbraucher unmissverständlich deutlich gemacht, dass das Nahrungsergänzungsmittel zum Erhalt der Knochen des Menschen beitragen könne. Nur in diesem Zusammenhang sei die unspezifische Angabe "Gelenk" zu verstehen. Für die Annahme des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt, dass die Angabe "Gelenk" im Produktnamen vielmehr dahingehend zu verstehen sei, dass die im Nahrungsergänzungsmittel enthaltenen Stoffe eine positive Wirkung direkt auf die Gelenke hätten, insbesondere im Hinblick auf die Beweglichkeit und dem Entgegenwirken altersbedingter Verschleißerscheinungen, lasse sich im Hinblick auf die Aufmachung nicht herauslesen. Auf die Unterscheidung zwischen den Wirkungen auf die Gelenke und auf die Knochen komme es nicht an. Denn mit dem Etikett des Produktes werde gerade keine unmittelbare Wirkung auf die Gelenke suggeriert, sondern ausdrücklich nur eine Wirkung auf die Knochen. Darüber hinaus könne nicht ernsthaft behauptet werden, dass kein Zusammenhang zwischen Knochen und Gelenken bestehe. Ein Funktionieren des Gelenks im Körper eines Menschen sei ohne Knochen nicht denkbar. Vielmehr könne ein Gelenk nur dann funktionieren, wenn Gelenkknochen vorhanden und beweglich seien. Dies sei auch dem Verbraucher bekannt und entsprechend werde er den Produktnamen interpretieren, nämlich dass der Erhalt der Knochen für das Funktionieren eines Gelenkes unabdingbar sei. Auch die Angabe "Kupfer für das Bindegewebe" sei aus Sicht des durchschnittlich informierten, verständigen Durchschnittsverbrauchers nicht irreführend im Sinne des Art. 3 S. 2 lit. a) VO (EG) Nr. 1924/2006. Denn das Bindegewebe sei eine Strukturkomponente verschiedenster Gewebe im Körper. Insbesondere bestehe die Gelenkkapsel aus Bindegewebe, die das Gelenk umgebe und somit Teil eines Gelenks sei. Auch der Gelenkknorpel, der die Gelenkflächen überziehe, bestehe aus Bindegewebe und verbinde unter anderem die Gelenkknochen. Kupfer trage zur Erhaltung von Bindegewebe bei und zwar überall im Körper, daher auch in Gelenkknochen, Gelenkknorpel und der Gelenkkapsel. Auch dieses Gewebe sei für ein Gelenk unabdingbar. Es bestehe somit ein Zusammenhang bzw. ein Bezug zwischen dem Bindegewebe und den Gelenken. Eine spezielle Wirkung von Kupfer auf die Gelenke sei nicht erforderlich. Eine allgemeine positive Wirkung von Kupfer auf das Bindegewebe liege unstreitig vor, somit auch eine Wirkung auf das Bindegewebe in und unmittelbar am Gelenk.

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Die Klägerin beantragt,

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festzustellen, dass der Produktname "Gelenk-Tabletten B." für das entsprechend vertriebene Nahrungsergänzungsmittel der Klägerin rechtlich zulässig ist.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er führt klageerwidernd und in Bezug darauf, dass eine Untersagungsverfügung nicht erlassen worden ist aus, dass die Verantwortung für die Lebensmittel durch die Rahmenverordnung zum Lebensmittelrecht - der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.01.2002 (Abl. Nr. L 31 S. 1) - in Art. 17 dem Lebensmittelunternehmen zugewiesen worden sei. Auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen, d. h. im Erzeugerbetrieb, beim Hersteller oder im Handel sorge der jeweilige Lebensmittelunternehmer in seinem Einflussbereich dafür, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts eingehalten werden. Aufgrund dessen, sei die Geschäftsführerin der Klägerin am 05.04.2016 durch die amtliche Tierärztin des Amtes für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung des Landkreises Harz - Frau K. - telefonisch über die Beanstandung des beprobten Produktes "Gelenk-Tabletten B." informiert worden. Im Ergebnis dieses Gespräches habe die Geschäftsführerin zugesichert, unzulässige Auslobungen von betrieblicher Seite zu ändern. Der Erlass einer Untersagungsverfügung sei zu diesem Zeitpunkt somit nicht erforderlich gewesen. Die Anzeige des Verdachts einer Straftat sei bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg, Zweigstelle C-Stadt, erfolgt, weil aufgrund eines gemeinsamen Runderlasses zur Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsbehörden, der Polizei und den Staatsanwaltschaften zum Schutz der Umwelt und Gesundheit im Land Sachsen-Anhalt vom 29.04.2003 (MBl. ÖSA Nr. 24 S. 379) jeder Verdacht des Vorliegens einer Straftat unverzüglich der zuständigen Staatsanwaltschaft anzuzeigen sei. Die Staatsanwaltschaft entscheide dann über das Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Begehung des jeweiligen Verstoßes und somit auch über die Einstellung oder die Eröffnung eines Verfahrens. Zur weiteren Klageerwiderung verweist der Beklagte auf das Gutachten des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt sowie die aktuelle Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu Gelenkpräparaten als Nahrungsergänzungsmittel mit zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben in Bezug zu Bindegewebe, Knorpel oder Knochen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den von dem Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Klage ist als Feststellungklage i. S. v. § 43 VwGO statthaft.

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Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

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Zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht ein Rechtsverhältnis im maßgeblichen Sinne. Als Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO werden gemeinhin die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem anderen haben sich mithin erst dann zu einem bestimmten konkretisierten Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist. Unabhängig von der Frage der Verdichtung oder Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (BVerwG, Urt. v. 23.01.1992 - 3 C 50/89 -, juris).

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Ein solches Rechtsverhältnis liegt hier vor, weil der Beklagte die Staatsanwaltschaft Magdeburg, Zweigstelle C-Stadt, mit Schreiben vom 12.04.2016 bereits darüber informiert und dahingehend Strafanzeige erstattet hat, dass die Untersuchung einer Planprobe des von der Klägerin verpackten und in den Verkehr gebrachten Nahrungsergänzungsmittels "Gelenk-Tabletten B.", welches als nichtzugelassene gesundheitsbezogene Angabe zu bewerten sei, zu einer Beanstandung der Bezeichnung des Produktes wegen Verstoßes gegen europarechtliche Vorschriften geführt habe. Die Klägerin geht hingegen davon aus, dass der Produktname als unspezifische gesundheitsbezogene Angabe zulässig ist. Damit ist die rechtliche Einstellung der Parteien zu einem bestimmten tatsächlich bestehenden Sachverhalt so eindeutig klargestellt und kundgetan worden, dass das Vorliegen eines konkreten Rechtsverhältnisses nicht geleugnet werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.1969 - I C 86.64 -, juris). Dem steht nicht entgegen, dass das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 ZPO eingestellt worden ist. Denn jedenfalls wird bei der zuständigen Bußgeldstelle noch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Geschäftsführerin der Klägerin wegen desselben Sachverhaltes geführt.

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Der Zulässigkeit der Feststellungklage steht auch nicht die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO entgegen. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Grundsätzlich ist der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz nicht vorbeugend konzipiert. Um den Grundsatz der Gewaltenteilung und das der Verwaltung zugewiesene Handlungsfeld nicht übermäßig und „anlasslos“ zu beeinträchtigen, setzt die den Gerichten übertragene Kontrollfunktion gegen regulierende Maßnahmen der Behörden grundsätzlich erst nachgelagert ein. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen behördliche Regulierungen setzt daher regelmäßig den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus, der nachfolgend Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung ist daher grundsätzlich unzulässig (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 11.02.2010 - 9 S 1130/08 -, juris). Die - diesen Grundsatz durchbrechende - vorbeugende Feststellungsklage erfordert deshalb ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse, das dann gegeben ist, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden kann (BVerwG, Urt. v. 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris).

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Dies ist vorliegend der Fall, weil die Klägerin im Falle der Unzulässigkeit der Feststellungsklage keinen hinreichenden Rechtsschutz i. S. v. Art. 19 Abs. 4 GG erfahren würde. Denn wie der Beklagte im Rahmen seiner Klageerwiderung ausführt, ist der Erlass einer Untersagungsverfügung - der die Möglichkeit einer Anfechtungsklage eröffnen würde - bereits deshalb nicht beabsichtigt, weil der Beklagte davon ausgeht, dass die Verantwortung für die Lebensmittel durch die Rahmenverordnung zum Lebensmittelrecht - Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.01.2002 - in Art. 17 dem Lebensmittelunternehmen zugewiesen worden sei. Auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen im Erzeugerbetrieb, beim Hersteller oder im Handel sorge der jeweilige Lebensmittelunternehmer in seinem Einflussbereich dafür, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts eingehalten würden. Die Klägerin sei deshalb umfassend über die Beanstandung informiert worden, um entsprechende Abhilfemaßnahmen einzuleiten. Mangels Erlass eines Verwaltungsaktes käme daher ohne die Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage nur die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges in Betracht, die wegen des Erfordernisses der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft bzw. des Erlasses eines Bußgeldbescheides in das Ermessen der zuständigen Behörden gestellt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist wirkungsvoller Rechtsschutz aber nur gewährleistet, wenn der Rechtsweg nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird. Die Effektivität der Rechtsschutzgewährung durch den Weg zu den Gerichten ist daher (auch) anhand der Frage der Zumutbarkeit für den Einzelnen zu beurteilen. Dem folgend ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einem Betroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Der Betroffene hat vielmehr ein schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als "fachspezifischere" Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere wenn dem Betroffenen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht. Ihm stünde der Rechtsweg nur im Zusammenhang mit möglicherweise erheblichen Sanktionen offen (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschl. v. 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02 -, juris).

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Dies führt nicht zum Ausschluss des ebenso erforderlichen Feststellungsinteresses. Dieses ist im Hinblick darauf, dass der Klägerin nicht zuzumuten ist, die Klärung der streitgegenständlichen verwaltungsrechtlichen Frage auf der Anklagebank erleben zu müssen, sondern vielmehr der Verwaltungsrechtsweg auch dann die "fachspezifischere" Rechtsschutzform ist, wenn der Klägerin eine Strafanzeige oder ein Bußgeldbescheid droht oder wenn ein straf- oder zivilgerichtliches Verfahren bereits anhängig ist und damit auch eine Klärung durch den Straf- oder Zivilrichter möglich ist (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 20. Auflage 2014, § 43 Rn. 24).

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Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

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Die Verwendung des Produktnamens "Gelenk-Tabletten B." - für das von der Klägerin vertriebene Nahrungsergänzungsmittel i. S. v. Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.06.2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel - ist rechtlich nicht zulässig. Denn dieser Name stellt eine gesundheitsbezogene Angabe dar, deren Verwendung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, welche vorliegend nicht erfüllt sind.

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Gemäß Art. 3 S. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht werden bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der Verordnung entsprechen.

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Bei der beanstandeten Produktbezeichnung "Gelenk-Tabletten B." i. V. m. der bildlichen Darstellung eines menschlichen, sich in Bewegung befindlichen, Oberkörpers, dessen Skelett zu erkennen ist, handelt es sich um eine Angabe i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 im Allgemeinen und um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006 im Besonderen.

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Der Begriff Angabe bezeichnet jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006. Gesundheitsbezogen ist eine solche Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 der VO (EG) Nr. 1924/2006, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Dabei ist der Begriff des "Zusammenhangs" weit zu verstehen, weil die Definition weder genauere Angaben dazu, ob es sich um einen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang handeln muss noch zu dessen Intensität oder Dauer enthält (EuGH, Urt. v. 06.09.2012 - C-544/10 -, juris). Der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe darf daher nicht nur für einen Zusammenhang gelten, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs eines Lebensmittels impliziert, sondern muss auch jeden Zusammenhang erfassen, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen. Dabei sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen (EuGH, Urt. v. 06.09.2012, a. a. O.). Eine gesundheitsbezogene Angabe liegt jedenfalls immer dann vor, wenn impliziert wird, dass durch den Verzehr des Lebensmittels eine Verbesserung des Gesundheitszustandes stattfindet (LG Düsseldorf, Urt. v. 08.10.2014.- 12 O 200/14 -, juris unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 06.09.2012, a. a. O.). Maßgeblich ist dabei nach Erwägungsgrund 15 VO (EG) Nr. 1924/2006, wie Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden, wobei auf das Verständnis des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist, das naturgemäß auch durch Vorerwartungen und Kenntnisse geprägt wird.

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Der angesprochene Verbraucher versteht den Produktnamen "Gelenk-Tabletten B." dahingehend, dass das von der Klägerin angebotene Nahrungsergänzungsmittel Bestandteile enthält, die Eigenschaften besitzen, welche sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Dies folgt bereits aus der Verwendung des Begriffs "Tabletten". Denn Tabletten kommen in der Regel dann zum Einsatz, wenn ein bestehender Gesundheitszustand aufrechterhalten oder verbessert werden soll. Ein normal informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher assoziiert mit Tabletten grundsätzlich die Einnahme eines medizinischen, jedenfalls eines Produktes, mit welchem unmittelbar auf gesundheitliche Zustände eingewirkt werden soll. Wird der Produktname "Gelenk-Tabletten B." darüber hinaus i. V. m. der bildlichen Darstellung betrachtet, wird er von einem Durchschnittsverbraucher dahin verstanden, dass das von der Klägerin angebotene Nahrungsergänzungsmittel Bestandteile enthält, die sich - ob mittel- oder unmittelbar - jedenfalls positiv auf die Gelenke auswirken. Dem Verkehr wird impliziert, dass der Verzehr des Nahrungsergänzungsmittels "Gelenk-Tabletten B." den Gesundheitszustand, konkret den Zustand der Gelenke mit Blick auf deren Beweglichkeit, verbessert oder jedenfalls etwaigen negativen gebrauchsbedingten Erscheinungen entgegenwirkt.

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Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Verwendung dieser gesundheitsbezogenen Angabe liegen nicht vor.

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Die Verwendung einer gesundheitsbezogenen Angabe unterfällt einem grundsätzlichen Verbot mit legislativer Erlaubnismöglichkeit (EuG, Urt. v. 30.04.2014 - T-17/12 -, juris), weil Art. 10 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1924/2006 vorschreibt, dass gesundheitsbezogene Angaben verboten sind, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel (IV) entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind. Im Umkehrschluss lässt sich also ableiten, dass die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben zulässig ist, wenn sie - erstens - den allgemeinen Anforderungen der Art. 3 bis 7 der VO (EG) Nr. 1924/2006 und - zweitens - den in Art. 10 bis 19 dieser VO aufgestellten speziellen Anforderungen entspricht sowie - drittens - gemäß dieser VO zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 der VO aufgenommen ist (vgl. BGH, EuGH-Vorlage v. 05.12.2012 - I ZR 36/11 -, juris).

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Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn die gesundheitsbezogene Angabe "Gelenk-Tabletten B." ist nicht nach der VO (EG) Nr. 1924/2006 zugelassen und wurde daher auch nicht in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 - vgl. VO (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16.05.2012 - aufgenommen. Die Voraussetzungen für die Verwendung der als gesundheitsbezogene Angabe zu qualifizierenden Produktbezeichnung "Gelenk-Tabletten B." sind somit nicht erfüllt.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006. Danach sind Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (sog. Kopplungsgebot). Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf den vorliegenden Fall, weil es sich bei der streitgegenständlichen gesundheitsbezogenen Angabe nicht um einen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels handelt. Die Vorschrift erfasst Aussagen, die zwar auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1924/2006 genannten Funktionen Bezug nehmen, aufgrund ihrer allgemeinen und unspezifischen Formulierung aber nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten (BGH, Urt. v. 17.01.2013 - I ZR 5/12 -, juris). Unspezifische Angaben liegen daher nur dann vor, wenn darauf hingewiesen wird, dass durch die Einnahme des Mittels allgemein das gesundheitliche Wohlbefinden unterstützt bzw. gesteigert werden soll, nicht aber auf bestimmte dadurch zu fördernde Funktionen des Körpers Bezug genommen wird (BGH, Urt. v. 17.01.2013 - I ZR 5/12 -, juris).

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Diese Voraussetzungen liegen insoweit nicht vor, als dass die Angabe "Gelenk-Tabletten B." nicht nur auf das durch die Einnahme des Mittels zu unterstützende bzw. zu steigernde gesundheitliche Wohlbefinden, sondern konkret auf die zu fördernde Körperfunktion - nämlich die Gelenke - Bezug nimmt. Gegenstand der Aussage ist ein positiver Effekt des streitgegenständlichen Produktes auf die Gelenke, sodass von einem allgemeinen Verweis nicht ausgegangen werden und die Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 keine Anwendung finden kann.

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Aber selbst dann, wenn der Klägerin darin gefolgt und angenommen wird, dass es sich bei der streitgegenständlichen gesundheitsbezogenen Angabe "Gelenk-Tabletten B." um eine allgemeine, nichtspezifische Angabe i. S. d. Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 handelt, ist die Verwendung des Produktnamens nicht zulässig.

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Das OLG Düsseldorf führt in seinem Urteil vom 30.06.2016 (Az.: I-15 U 8/15, 15 U 8/15 -, juris) - auf welches sich die Klägerin in ihrer Argumentation stützt - aus, dass die Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 auch dann Anwendung finde, wenn die gesundheitsbezogene Angabe zwar auf bestimmte, die Gesundheit oder das gesundheitliche Wohlbefinden unterstützende oder steigernde Funktionen des Körpers Bezug nimmt, diese Wirkung aber keinem bestimmten Nährstoff oder Lebensmittel zugewiesen wird, weshalb eine Zulassung nicht möglich ist. Zwar sei der Wortlaut der Bestimmung ("Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels") an sich eindeutig und so zu verstehen, dass die Regelung nicht eingreift, wenn spezielle Vorteile genannt, diese aber keinem bestimmten Nährstoff oder Lebensmittel zugewiesen werden. Bei Beachtung von Sinn und Zweck der Vorschrift müsse diese aber auch dann Anwendung finden, wenn eine gesundheitsbezogene Angabe wegen mangelnder Spezifizierung der Wirksubstanz einem Zulassungsverfahren nicht zugänglich ist. Denn die als Ausnahmeregelung zu verstehende Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 beruhe darauf, dass eine allgemeine, nichtspezifische Angabe für den aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher wegen ihrer Unbestimmtheit erkennbar keine vollständige Information darstellt, sondern ergänzungsbedürftig ist und deshalb eine Irreführung ausscheidet, wenn sie mit einer zugelassenen speziellen Angabe verbunden wird. Darüber hinaus bestehe auch unter Berücksichtigung des Ziels der Verordnung, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006), sachlich kein Unterschied, ob sich diese erkennbare Unvollständigkeit der Angabe daraus ergibt, dass nur ein nichtspezifischer Vorteil für die Gesundheit genannt wird oder dass im Hinblick auf eine Wirkung für eine bestimmte Körperfunktion weder eine spezifische Substanz genannt wird noch sich diese auf das Lebensmittel insgesamt bezieht. In beiden Fällen sehe der Verbraucher Anlass dazu, den Blick auf weitere, die Angabe vervollständigende Informationen zu richten, die ihm durch eine nach Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 beigefügte Angabe geliefert würden. Zudem könnten nichtspezifische Nährstoffangaben ebenfalls nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein, weil eine gesundheitliche Wirkung nur für bestimmte Nährstoffe oder andere Substanzen - einzeln oder in Kombination - überprüft und festgestellt werden könne. Tatsächlich seien daher ausgelobte Wirkungen ebenfalls nur allgemein und nichtspezifisch i. S. v. Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006, wenn sie sich nicht einer bestimmten Substanz oder dem Lebensmittel als Ganzes zuordnen lassen (OLG Düsseldorf, a. a. O.).

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Diese Auslegungsmöglichkeit zugrunde gelegt, ist von der Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 für den vorliegenden Fall auszugehen, weil die gesundheitsbezogene Angabe "Gelenk-Tabletten B." nicht geeignet ist, Gegenstand eines Zulassungsverfahrens zu sein. Denn durch ihre Formulierung ist zwar klar, dass eine gesundheitliche Auswirkung auf die Gelenke vorliegen soll, diese jedoch keiner konkreten Substanz des streitgegenständlichen Nahrungsergänzungsmittels zugewiesen werden kann. Um diese Unvollständigkeit zu kompensieren und dem Verbraucher weitere Informationen über das Nahrungsergänzungsmittel zugänglich zu machen, sind dem Produktnamen weitere in der Liste nach Art. 13 VO (EG) Nr. 1924/2006 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angaben - "Mit Zink & Mangan zum Erhalt normaler Knochen" und "Kupfer für das Bindegewebe" - beigefügt. Diese befinden sich durch eine andere Schriftgröße abgesetzt direkt unterhalb des Produktnamens. Der ebenfalls vorhandenen Angabe "Vitamine, Glucosamin & Chondroitin" kann ein Gesundheitsbezug i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006 nicht entnommen werden, weshalb sie bei der Prüfung, ob einem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels hinreichende gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sind (Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006) keine Berücksichtigung zu finden hat.

41

Nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16.05.2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern sind folgende Health Claims zugelassen:

42

"Zink trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei" (EFSA Journal 2009; 7 (9): 1229)

43

"Mangan trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei" (EFSA Journal 2009; 7 (9): 1217)

44

"Kupfer trägt zur Erhaltung von normalem Bindegewebe bei" (EFSA Journal 2009; 7 (9):1211)

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Die von der Klägerin verwendeten Angaben stimmen mit diesen inhaltlich überein. Eine Wortidentität ist nicht erforderlich. Vielmehr dürfen auch mit einer zugelassenen Angabe gleichbedeutende, mithin inhaltlich übereinstimmende Angaben verwendet werden. Dies ergibt sich bereits aus Erwägungsgrund 9 der VO (EU) Nr. 432/2012. Danach soll mit der VO (EG) Nr. 1924/2006 unter anderem "sichergestellt werden, dass gesundheitsbezogene Angaben wahrheitsgemäß, klar, verlässlich und für den Verbraucher hilfreich sind. Formulierung und Aufmachung der Angaben sind vor diesem Hintergrund zu bewerten. In den Fällen, in denen der Wortlaut einer Angabe aus Verbrauchersicht gleichbedeutend ist mit demjenigen einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe, weil damit auf den gleichen Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem Lebensmittelbestandteil und einer bestimmten Wirkung auf die Gesundheit hingewiesen wird, sollte diese Angabe auch den Verwendungsbedingungen für die zugelassene gesundheitsbezogene Angabe unterliegen." Maßgeblich ist also, dass der Verbraucher den Angaben inhaltlich die gleiche Bedeutung beimisst wie der entsprechenden zugelassenen Formulierung. Dies ist anhand des Zwecks der einschlägigen Angabe, dem Verbraucher dabei zu helfen, die Angabe zu verstehen, zu beurteilen (OLG Düsseldorf, a. a. O.).

46

Auch bei Anlegung des erforderlichen strengen Maßstabes (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2015 - I ZR 222/13 -, juris) stimmt das Gericht den Beteiligten zu, die in Bezug auf die Zulässigkeit der beigefügten gesundheitsbezogenen Angaben keine Zweifel hegen. Denn soweit die Formulierung "zur Erhaltung" in "zum Erhalt" umgeändert wird, lassen sich inhaltliche Abweichungen nicht feststellen. Auch soweit die Klägerin den Wortlaut "Kupfer trägt zur Erhaltung von normalem Bindegewebe bei" in "Kupfer für das Bindegewebe" abgeändert hat, lässt sich eine inhaltliche Übereinstimmung noch annehmen. Denn für den Verbraucher ist auch anhand der knapperen Formulierung ersichtlich, dass Kupfer positiven Einfluss auf das Bindegewebe hat.

47

Die Zulässigkeit der Verwendung des Produktnamens "Gelenk-Tabletten B." scheitert jedoch an dessen mangelndem erforderlichen Bezug zu den beigefügten gesundheitsbezogenen Angaben.

48

Zwar ist der Klägerin zunächst darin zuzustimmen, dass sich dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 nicht ausdrücklich entnehmen lässt, dass die Health Claims einen inhaltlichen Bezug zu dem allgemeinen Verweis haben müssen, dem sie beigefügt sind. Ein solches Erfordernis ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 sowie der VO (EG) Nr. 1924/2006 an sich i. V. m. dem in Art. 3 S. 2 lit. a) VO (EG) Nr. 1924/2006 geregelten Irreführungsverbot. Denn die Verordnung verfolgt unter anderem das Ziel, ein hohes Gesundheits- bzw. Verbraucherschutzniveau zu bieten und den Verbraucher vor allem vor irreführenden Angaben zu schützen, um ihm durch zutreffende Angaben eine sachkundige Entscheidung zwischen verschiedenen Lebensmitteln zu ermöglichen (vgl. Erwägungsgründe 1, 8, 15 und 34 der VO (EG) Nr. 1924/2006). Sie sorgt dafür, dass jede freiwillige Angabe auf einem Lebensmittel innerhalb der Länder der EU eindeutig, präzise und begründet ist, um dem Verbraucher zu ermöglichen, fundierte und sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Eine Angabe ist irreführend i. S. d. Art. 3 S. 2 lit. a) VO (EG) Nr. 1924/2006, wenn sie positiv täuscht oder nicht hinreichend wissenschaftlich belegte Aussagen für Lebensmittel enthält (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.09.2011 - I-4 U 71/11 -, juris). Daran anknüpfend ist die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Es muss sichergestellt sein, dass für Stoffe, auf die sich eine Angabe bezieht, der Nachweis einer positiven ernährungsbezogenen Wirkung oder physiologischen Wirkung erbracht wird (vgl. Erwägungsgrund 13 sowie Art. 5 Abs. 1 lit. a) der VO (EG) Nr. 1924/2006). Der Nachweis für eine Wirkungsbehauptung muss also allgemein wissenschaftlich anerkannt sein (Art. 5 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 1924/2006). Ist dies der Fall, kann die gesundheitsbezogene Angabe in die Liste über zugelassene Angaben i. S. d. Art. 13 und 14 VO (EG) Nr. 1924/2006 aufgenommen werden. Grundsätzlich dürfen auch nur die danach zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben einer Verwendung zugeführt werden (vgl. Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006). Zwar sieht Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 davon eine Ausnahme vor, indem auch nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angaben verwendet werden dürfen, wenn es sich dabei um Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden handelt und diesen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 enthaltene - also zugelassene - spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Um trotz dieser Ausnahmeregelung ein hohes verbraucherschützendes Niveau zu erhalten, muss auch an diese Vorschrift ein strenger Maßstab angelegt werden. Denn würden allgemeine Gesundheitsverweise bedingungslos zugelassen, würde sich den Lebensmittelunternehmern die Möglichkeit eröffnen, unter Abstandnahme von spezifischen Wirkungshinweisen die strengen Zulassungsvoraussetzungen der VO (EG) Nr. 1924/2006 durch allgemein gehaltene Formulierungen zu umgehen. Aber gerade nichtspezifische Angaben tragen ein hohes Irreführungspotenzial in sich, weil sie durch ihre allgemeine Formulierung einer besonders weiten Interpretation zugänglich sind und daher eine bedeutsame Täuschungseignung aufweisen können. Zwar wird dieser Mangel im Rahmen des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 dadurch ausgeglichen, dass die Zulässigkeit von allgemeinen Verweisen von der begleitenden Anführung einer spezifischen gesundheitsbezogenen Angabe abhängig gemacht wird, die das Allgemeine konkretisiert. Diese Funktion können die beigefügten Health Claims aber nur dann erfüllen, wenn die Ausnahmeregelung des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 restriktiv und dahin ausgelegt wird, dass zwischen der nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angabe und den dieser beigefügten Health Claims ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen muss. Die zugelassenen Angaben müssen sich gerade auf den allgemein gehaltenen Verweis auf die gesundheitliche Wirkung beziehen, weil sie nur dann geeignet sind, ihrer konkretisierenden Funktion gerecht zu werden. Denn sie sollen gerade das Informationsdefizit, welches sich dem Durchschnittsverbraucher aufgrund der nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angabe auftut, kompensieren. Dem können die Health Claims nur genügen, wenn sich ihre wissenschaftlich bewiesene Wirkung auch auf die unspezifische Angabe erstreckt. Dies ist vorliegend unstreitig nicht der Fall.

49

Die von der Klägerin für die Aufmachung des Produktes genutzten Health Claims sind zwar für sich gesehen aufgrund des jeweils nachgewiesenen Wirkzusammenhangs als spezifische gesundheitsbezogene Angaben zugelassen, weil für Kupfer eine positive Wirkung auf das Bindegewebe und für Zink und Mangan eine solche hinsichtlich der Knochen wissenschaftlich bestätigt wurde. Allerdings besteht für diese Nährstoffe keine Zulassung im Hinblick auf die Wirkung für Gelenke. Eine solche wurde auch von der Klägerin nicht behauptet, obwohl diese als Lebensmittelunternehmerin dazu verpflichtet ist, den Zusammenhang zwischen dem Verweis auf die allgemeinen, nichtspezifischen Vorteile des Lebensmittels und der beigefügten speziellen zulässigen gesundheitsbezogenen Angabe herzustellen. Der erforderliche Bezug der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben zu dem allgemeinen Verweis "Gelenk-Tabletten B." fehlt daher.

50

Der Einwand der Klägerin, ein Bezug zwischen Gelenken und Knochen sei gegeben, weil Knochen ohne Gelenke ebenso sinnlos seien wie Gelenke ohne Knochen, verfängt nicht. Denn ein irgendwie gearteter Bezug vermag den strengen Anforderungen an die Zulassung gesundheitsbezogener Angaben nicht gerecht zu werden. Im Hinblick auf den Verbraucherschutz ist ein wissenschaftlich gesicherter Zusammenhang erforderlich. Denn die Health Claims dürfen nur für den jeweils zugelassenen Nährstoff verwendet werden. Die Erstreckung der genehmigten Wirkaussagen auf der Zulassung nicht zugrundeliegende Stoffe ist unzulässig. In diesem Rahmen ist zwischen Knochen und Gelenk zu unterscheiden. Denn das Gelenk stellt lediglich die bewegliche Verbindung zwischen zwei oder mehreren Knochen dar (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, S. 558). Daraus ist zu folgern, dass entgegen der klägerischen Ansicht ein Knochen auch ohne Gelenk funktionieren kann. Zink und Mangan entfalten positive Wirkung also auch für solche Knochen, die nicht Teil eines Gelenkes sind. Dann aber kann deren Wirkung auf Knochen nicht auch uneingeschränkt auf die Gelenke übertragen werden, mit der Folge, dass diese Health Claims nicht geeignet sind, die nichtspezifische gesundheitsbezogene Angabe "Gelenk-Tabletten B." zu konkretisieren.

51

Gleiches gilt für die zugelassene gesundheitsbezogene Angabe "Kupfer für das Bindegewebe". Bindegewebe befindet sich nicht nur innerhalb eines Gelenkes, sondern ist vielfältig an verschiedenen Stellen im Körper zu finden (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, S. 197). Eine wissenschaftlich erwiesene unmittelbare Wirkung von Kupfer auf das Gelenk, in welchem sich auch Bindegewebe befindet, ist nicht belegt.

52

Tatsächlich wird dem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aber ein solcher Wirkzusammenhang suggeriert, weil dieser das streitgegenständliche Nahrungsergänzungsmittel insbesondere wegen des verwendeten Namens "Gelenk"-Tabletten B. unmittelbar in Verbindung mit einer positiven Wirkung auf die Gelenke bringt. Der Klägerin ist nicht darin zu folgen, dass der Durchschnittsverbraucher die Angabe "Gelenk" nur in Verbindung mit den beigefügten zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben verstehen und deshalb annehmen wird, dass der Erhalt der Knochen sowie die Förderung des Bindegewebes auch vorteilhaft für die Funktion der Gelenke ist. Denn der Durchschnittsverbraucher, der grundsätzlich keine medizinische Vorbildung aufweist, hat keine Kenntnis von den medizinischen Unterschieden zwischen Gelenken und Knochen/Bindegewebe und wird vielmehr davon ausgehen, dass positiv auf Knochen und Bindegewebe wirkende Substanzen auch unmittelbar für die Gelenke förderlich sind. Bereits die Aufmachung des Produktes lässt eine solche Interpretation als wahrscheinlich erscheinen, weil sich der Begriff des Gelenkes über und schriftbildlich deutlich abgesetzt von den Health Claims befindet und daher als Oberbegriff, der die darunter stehenden gesundheitsbezogenen Angaben mit umfasst, verstanden wird. Dies wird unterstützt durch den im Hintergrund bildlich dargestellten und sich in Bewegung befindenden Oberkörper, der ganz deutlich die vorhandenen Gelenke erkennen lässt. Eine solche Produktaufmachung führt den Verbraucher in die Irre, wenn und weil der Produktname auf eine Körperfunktion oder einen Körperteil hinweist, auf den die im Produkt enthaltenen Substanzen keine wissenschaftlich gesicherten Auswirkungen haben. Einem solchen Zustand soll die VO (EG) Nr. 1924/2006 durch lediglich restriktive Zulassung gesundheitsbezogener Angaben gerade entgegenwirken.

53

Weil sich die Anforderungen hinsichtlich der Auslegung des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 mit Blick auf den inhaltlichen Zusammenhang zwischen allgemeinem Verweis und angeführten Health Claims bereits aus Sinn und Zweck der Verordnung sowie dem darin geregelten Irreführungsverbot ergeben, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Durchführungsbeschluss der Kommission vom 24.01.2013 zur Annahme von Leitlinien zur Umsetzung der in Artikel 10 der VO (EG) Nr. 1924/2006 - der wohl ohnehin lediglich als Konkretisierung des Irreführungsverbotes verstanden wird - unmittelbare Anwendbarkeit findet, sodass sich die Notwendigkeit eines solchen Bezuges auch aus diesem ergeben würde.

54

Die Zulässigkeit des Produktnamens "Gelenk-Tabletten B." ergibt sich entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht auch nicht aus Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006. Danach dürfen Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, die in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung für ein Lebensmittel verwendet und als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können, ohne die in dieser Verordnung vorgesehenen Genehmigungsverfahren verwendet werden, sofern der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, die dieser Verordnung entspricht.

55

Zunächst bestehen bereits Zweifel an der Anwendbarkeit selbiger Vorschrift, weil diese ihrem ausdrücklichen Wortlaut nach Angaben - Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen - erfasst, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können. Der vorliegend streitgegenständliche Produktname "Gelenk-Tabletten B." kann nicht nur als gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden. Vielmehr handelt es sich um eine solche; auf obige Ausführungen wird Bezug genommen.

56

Aber selbst dann, wenn die Vorschrift des Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 auch auf gesundheitsbezogene Angaben Anwendung finden sollte, weil sie ihrem Sinn und Zweck nach und unter Beachtung ihrer Stellung im Rahmen der Verordnung - Gegenstand und Anwendungsbereich - lediglich verdeutlichen soll, dass auch Handelsmarken, Markennamen und Phantasiebezeichnungen gesundheitsbezogene Angaben darstellen können und deshalb die Vorschriften der Verordnung - mit besonderen Ausnahmeregelungen - auch diesbezüglich zu beachten sind, liegen die Voraussetzungen in Bezug auf den streitgegenständlichen Produktnamen nicht vor.

57

Dass es sich bei dem Produktnamen um eine Handelsmarke, einen Markennamen oder eine Phantasiebezeichnung handelt, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH ist nur dann vom Vorliegen einer Handelsmarke oder eines Markennamens i. S. v. Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 auszugehen, wenn die entsprechende Angabe als eine solche Marke oder als ein solcher Name geschützt ist. Dies ist nach Mitteilung der Klägerin mit Blick auf das streitgegenständliche Produkt nicht der Fall. Ebenso spricht nichts dafür und ist insbesondere von der Klägerin nichts dafür vorgetragen worden, dass es sich bei der betreffenden Angabe um eine entsprechend diesen Grundsätzen etwa urheberrechtlich oder wettbewerbsrechtlich geschützte Phantasiebezeichnung handeln könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 13.11.2013 - I ZR 10/13 -, juris). Denn eine Bezeichnung, die auf Phantasie beruht, stellt etwas Ausgedachtes, nicht Wirkliches dar, eine Begrifflichkeit, unter der sich der Verbraucher ohne Weiteres nichts vorstellen kann. Nicht von dieser Begrifflichkeit erfasst sind Bezeichnungen, die auf etwas Tatsächliches, Gegebenes, in der Wirklichkeit Vorhandenes Bezug nehmen, weil der Verbraucher damit etwas Bestimmtes assoziiert. Wird diese - bekannte - Begrifflichkeit mit einem Inhalt belegt, der dem eigentlichen nicht entspricht, handelt es sich dabei nicht um Phantasie, sondern vielmehr um eine Irreführung des Verbrauchers. Dies zugrunde gelegt, stellt die Produktbezeichnung "Gelenk-Tabletten B." keine Phantasiebezeichnung dar, weil der Verbraucher konkret erkennen kann, dass sich das Nahrungsergänzungsmittel auf die Gelenke bezieht.

58

Ungeachtet dessen und selbständig tragend ist die Verwendung des streitgegenständlichen Produktnamens auch deshalb nicht nach Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 zugelassen, weil dieser jedenfalls einen inhaltlichen Bezug zu den beigefügten zulässigen spezifischen gesundheitsbezogenen Angaben aufweisen muss. Denn hinsichtlich Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 kann nichts anderes gelten als für Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006, weil die allgemeinen Grundsätze und insbesondere auch das Verbot des Art. 3 S. 2 lit. a) VO (EG) Nr. 1924/2006, dass die verwendeten nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein dürfen, ohne Ausnahme für alle gesundheitsbezogenen Angaben gelten. Ungeachtet ihrer besonderen Einkleidung im Einzelfall müssen sich jegliche verwendeten gesundheitsbezogenen Angaben an den (allgemeinen und speziellen) Regelungen der VO (EG) Nr. 1924/2006 messen lassen.

59

Dass der streitgegenständliche Produktname "Gelenk-Tabletten B." keinen inhaltlichen - wissenschaftlich gesicherten - Bezug zu den beigefügten zulässigen spezifischen gesundheitsbezogenen Angaben aufweist, wurde bereits erläutert, weshalb auf obige Ausführungen verwiesen wird.

60

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

61

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

62

Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob die i. S. v. Art. 1 Abs. 3 und Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 beigefügten zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben einen wissenschaftlich gesicherten Bezug zu der Phantasiebezeichnung (i. S. d. Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006) bzw. dem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels (i. S. d. Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006) aufweisen müssen, grundsätzliche Bedeutung hat.

63

Die Höhe des Streitwertes findet ihren Grund in § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziff. 25.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und beruht auf den Angaben der Klägerin in Bezug auf die zu erwartenden wirtschaftlichen Einbußen für den Fall der Abweisung der Klage.


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