Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 259/17
Tatbestand
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Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären internationalen Schutzes, weiter hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungshindernisses.
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Die Kläger sind iranische Staatsangehörige persischer Volkszugehörigkeit.
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Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 16. Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wurden am 23. April 2016 getauft und stellten am 26. Juli 2016 beim Bundesamt (Bundesamt) den Antrag auf Asyl ().
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Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 29. September 2016 führten die Kläger zu 1. und 2. auch in Vertretung der übrigen Kläger im Wesentlichen aus, dass sie den Iran verlassen hätten, da der Kläger zu 1. im Iran häufig Hauskirchen besucht habe. Dort habe eine Frau ihn zum Christentum missioniert. Diese Frau sei eine entfernte Verwandte der Tante der Klägerin zu 2. Diese habe der Kläger zu 1. auf einer Familienfeier kennengelernt. Dort habe sie ihm vom Christentum erzählt. Aus diesem Grund lud die Frau den Kläger zu 1. schon nach ihrer ersten Begegnung zu einer Hauskirche ein. Er habe dann von seiner Tante erfahren, dass diese Frau festgenommen worden sei. Eigentlich habe sie die Familie auch besuchen wollen, sei aber nicht erschienen. Die Tante habe ihnen dann geraten, sich zu verstecken. Mithilfe eines befreundeten Kollegen habe sich die Familie in dessen Ferienhaus versteckt. Dieser Kollege habe ca. zwei Tage später in ihrer Wohnung festgestellt, dass die Haustür eingetreten und die Wohnung durchsucht worden sei. Ihren Nachbarn habe man aufgegeben, im Falle der Rückkehr der Familie die örtlichen Sicherheitskräfte darüber zu informieren. Die Klägerin zu 2. habe an keinen Hauskirchenbesuchen teilgenommen.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17. Januar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab. Ebenso wurde der Antrag der Kläger auf Asylanerkennung und Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt. Zugleich stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 bis 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides, im Falle der Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihnen die Abschiebung in den Iran angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Kläger hätten keine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden glaubhaft gemacht, da ihre vorgetragene Konversion zum Christentum unglaubhaft sei.
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Am 27. Januar 2017 haben die Kläger Klage erhoben.
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Zur Begründung führen sie ergänzend aus, dass der Kläger zu 1. vor seiner Konversion spielsüchtig gewesen sei und seine Ehefrau und Kinder nicht korrekt behandelt habe, insbesondere vernachlässigt. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung sei ein Laptop und ein Tablett und wendet worden, auf dem sich elektronische Bücher zum Christentum befunden hätten.
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Die Kläger beantragen,
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Die Beklagte unter insoweit Aufhebung ihres Bescheides vom 17. Januar 2017 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zu zuerkennen, es sei subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren; äußerst hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 des Aufenthaltsgesetze festzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bezieht sich auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides.
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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG.
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Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK -, BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist. Gleiches gilt nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG für eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren (Nr. 3), sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht, vgl. § 3e AsylG.
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Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnismitteln droht den Klägern keine Verfolgung im geltend gemachten Sinne. Ob Bedrohungen der vorgenannten Art und damit eine politische Verfolgung drohen, ist anhand einer Prognose zu beurteilen, die von einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes auszugehen und die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat (BVerwG, Urt. v. 06.03.1990 - 9 C 14/89 -, BVerwGE 85, 12, m. w. N.). Ausgangspunkt der zu treffenden Prognoseentscheidung ist das bisherige Schicksal des Schutzsuchenden. Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorverfolgung), ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein ernsthafter Hinweis auf die Begründetheit seiner Furcht vor Verfolgung (BVerwG, Urt. v. 01.06.2011 - 10 C 25/10 -, juris, m. w. N.). Dies gilt nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Antragsteller im Falle der hypothetischen Rückkehr erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientierende, auf die „reale Möglichkeit“ der Gefahr (real risk) abstellende, Verfolgungsprognose hat in Umsetzung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU L 337 v. 20.12.2011, S. 9 ff.) anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.03.2012 - 10 C 7/11 -, juris, m. w. N.). Im Rahmen dieser Prognose ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es ist maßgebend, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage der Kläger Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der im Rahmen der Prognose vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage der Kläger nach Abwägung aller bekannten Umstände eine (hypothetische) Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar erscheint. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen (vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 -; Urt. v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 -, beide: juris).
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Die begründete Furcht vor Verfolgung kann gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat. Für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während eines Erstverfahrens oder durch das Erstverfahren verwirklicht worden sind, greift damit keine Einschränkung. Für die Flüchtlingsanerkennung müssen diese nicht auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 18.07.2012 - 3 L 147/12 -, juris). Ist der Schutzsuchende unverfolgt ausgereist, liegt eine Verfolgungsgefahr und damit eine begründete Furcht vor Verfolgung ebenfalls dann vor, wenn ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren.
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Die von den Klägern behauptete Hinwendung zum Christentum vermag danach die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu rechtfertigen.
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Zwar können zum Christentum konvertierte Muslime durch die Glaubensausübung im Iran im Einzelfall einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein und können darüber hinaus missionierende Christen staatlichen Repressionen unterliegen unabhängig davon, ob sie zuvor konvertiert sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2. März 2018, S. 12 f.).
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Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch die Taufe genügt nicht. Vielmehr muss glaubhaft sein, dass der Betreffende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in den Iran ungehindert leben zu können. Steht fest, dass sich der Betroffene nach seiner Rückkehr in sein Herkunftsland in einer Art und Weise religiös betätigten wird, dass er der tatsächlichen Gefahr asylrelevanter Verfolgungshandlungen ausgesetzt ist, kann er grundsätzlich auch nicht darauf verwiesen werden, auf bestimmte Handlungen zu verzichten (EuGH, Urt. v. 05.09.2012 - C-71/11 u.a. -, juris). Andererseits ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Heimatland eine Religion entsprechend lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat.
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Der die Flüchtlingsanerkennung Begehrende hat dabei aufgrund seiner Mitwirkungspflicht seine Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung die drohende Verfolgung ergibt (BVerwG, Urt. v. 24.03.1987 - 9 C 321/85 -, juris). Das Gericht hat sich die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Schutzsuchenden behaupteten Sachverhalts zu verschaffen, wobei für diese Überzeugungsbildung wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich ein Schutzsuchender bezüglich der Vorgänge in seinem Heimatland regelmäßig befindet, nicht die volle Beweiserhebung notwendig, sondern die Glaubhaftmachung ausreichend ist (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 18.07.2012, a. a. O.). In seine eigene Sphäre fallende Ereignisse, insbesondere persönliche Erlebnisse, muss der Asylsuchende so schildern, dass sie seinen Anspruch lückenlos tragen. Hieraus folgt, dass das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen darf, sondern sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen muss, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen der Kläger und deren Würdigung gesteigerte Bedeutung zu. Zur Flüchtlingsanerkennung kann schon allein der Tatsachenvortrag des Asylsuchenden führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft“ sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO wird der Richter hierdurch jedoch nicht enthoben. Das Fehlen von Beweismitteln mag die Meinungsbildung des Tatsachengerichts erschweren, entbindet es aber nicht davon, sich eine feste Überzeugung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu bilden. Dies muss – wenn nicht anders möglich – in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er den Klägern glaubt (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 16.04.1985 - 9 C 109/84 -, juris).
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Nach dem Vorstehenden hat das Gericht nicht die notwendige Überzeugung von der Wahrheit der von den Klägern geschilderten Umstände erlangt. Die Kläger schilderten die ihre Furcht vor Verfolgung begründenden Tatsachen zwar widerspruchsfrei, aber dennoch derart vage, oberflächlich und teilweise auch unschlüssig, als dass das Gericht von der Wahrheit ausgehen könnte. Der Kläger zu 1. (im Folgenden: der Kläger) hat für das Gericht nicht nachvollziehbar erläutert, aus welchem Grund die Diakonin vor dem Hintergrund der strafbewehrten Missionierung im Iran auf einer Familienfeier hätte missionieren sollen. Der Kläger vermochte dies jedoch nicht weiter zu begründen, seine Ausführungen zu dem Glaubensübertritt waren vielmehr distanziert und inhaltslos. Schlüssige und nachvollziehbare Angaben des Klägers zu seinen inneren Beweggründen für die Konversion liegen damit nicht vor. Es ist für das Gericht kein biografischer Bezug des Klägers zum Christentum oder zur Abkehr vom Islam erkennbar. In den Aussagen finden sich auch keine raumzeitlichen Verknüpfung, Interaktionsschilderungen, Schilderung von Komplikationen Handlungsablauf bezogen auf die zentralen Handlungskomplexe o. ä. Auch die übrigen Ausführungen sind pauschal und stereotyp und ohne tatsächlichen Bezug zum Charakter und Leben der Kläger. Gerade vor dem Hintergrund, dass der überwiegende Anteil der in der Bundesrepublik schutzsuchenden Iraner teilweise identische Angaben zu ihrer vermeintlichen Flucht aus der Islamischen Republik Iran machen, ist es zur Überzeugungsbildung des Gerichts von besonderer Bedeutung, dass der Schutzsuchende durch die Angabe individueller Einzelheiten, der Schilderung von ihm erlebten Emotionen usw. sich von den übrigen Schutzsuchenden abgrenzt. Dies gelang den Klägern indes dies nicht.
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Die Kläger konnten das Gericht auch nicht davon überzeugen, dass sie bei einer Rückkehr in den Iran aufgrund ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben asylerheblichen Bedrohungen oder Verfolgungen ausgesetzt wären. Insbesondere haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass sie aus ernsthafter, fester innerer Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten sind. Das Gericht geht zudem nicht davon aus, dass die Ausübung des christlichen Glaubens bereits eine besondere, identitätsprägende und unverzichtbare Bedeutung für sie hat (vgl. BayVGH, Beschl. v. 07.05.2013 – 14 ZB 13.30083 -; Beschl. v. 29.04.2010 - 14 ZB 10.30043 -, juris).
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Dafür spricht zur Überzeugung des Gerichts, dass die Kläger die inneren Beweggründe ihrer Konversion nicht überzeugend dargelegt haben. Die Kläger haben das Gericht durch den gewonnenen Gesamteindruck nicht davon zu überzeugen vermocht, dass ihr in Deutschland formal vollzogener Glaubensübertritt auf einer aus einem inneren Bedürfnis heraus erfolgten Gewissensentscheidung beruht und somit dergestalt identitätsprägend ist, dass davon auszugehen ist, dass sie den neuen Glauben bei einer Rückkehr in den Iran leben und praktizieren werden. Das Gericht geht wie ausgeführt nicht davon aus, dass der Kläger im Iran durch eine Schwägerin der Tante seiner Ehefrau Kontakt zum christlichen Glauben hatte. Allein aus dem formalen Übertritt zum Christentum durch die Taufe in der Bundesrepublik Deutschland folgt ebenso keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung. Hierzu und im Übrigen wird Bezug genommen auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, denen das Gericht folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
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Das Gericht kommt in der Gesamtschau zu dem Schluss, dass der Glaubenswechsel der Kläger maßgeblich und entscheidend asyltaktisch bedingt ist und daher weder zu erwarten ist, dass die Kläger im Iran den christlichen Glauben praktizieren werden, noch dass sie in innerliche Konflikte gerieten, wenn sie dort von religiösen Betätigungen des christlichen Glaubens absähen.
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Mangels glaubhaften bzw. relevanten Vorbringens zu den Geschehnissen, aufgrund derer die Kläger ihr Heimatland verlassen haben wollen, haben die Kläger auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Hierzu und zum Fehlen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG nimmt das Gericht, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden, denen gefolgt wird.
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Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht vor. Das Gericht verweist hierzu, insbesondere zur Sicherung des Existenzminimums und der Gewährleistung der allgemeinen Versorgung im Heimatland der Kläger, auf die Ausführungen des Bundesamtes in dem angegriffenen Bescheid, denen es folgt (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
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Die in dem angegriffenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 AsylG, § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
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Gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde weder seitens der Kläger vorgetragen noch sind Gründe für das Gericht ersichtlich, dass die Befristung auf 30 Monate ermessensfehlerhaft sei.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
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