Urteil vom Verwaltungsgericht Mainz (4. Kammer) - 4 K 1578/10.MZ


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleitung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma K. F. GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) und wendet sich in eigenem Namen gegen deren Heranziehung zu Zusatzbeiträgen zur Handwerkskammer im Beitragsjahr 2009.

2

Die am 31. August 1994 gegründete Insolvenzschuldnerin war seit dem 17. Mai 1996 in die Handwerksrolle eingetragenes Mitglied der Beklagten. Das Amtsgericht W. – Insolvenzgericht – eröffnete mit Beschluss vom 1. August 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Aufgrund nachfolgender Beschlussfassung der Gläubigerversammlung vom 10. Oktober 2008 wurde der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin durch den Kläger vorläufig fortgeführt.

3

Die Beklagte forderte zunächst mit Bescheid vom 9. Februar 2009, adressiert an die Insolvenzschuldnerin, Handwerkskammerbeiträge in Höhe von insgesamt 2.305,00 € für das Beitragsjahr 2009 als Masseverbindlichkeit an. Hiervon entfielen 390,00 € auf den sog. Grundbeitrag sowie 1.915,00 € auf den sog. Zusatzbeitrag. Letzterer errechnete sich aus dem durch das Finanzamt mitgeteilten Gewerbeertrag der Insolvenzschuldnerin im Steuerjahr 2006 i. H. v. 159.600,00 € sowie dem durch die Vollversammlung der Beklagten am 1. Dezember 2008 beschlossenen Hebesatz i. H. v. 1,2%. Den durch den Kläger gegen den Beitragsbescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2009 zurück. Auf die daraufhin erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Mainz beide Bescheide mit rechtskräftigem Urteil vom 20. August 2010 – 4 K 931/09.MZ – auf, da der Beitragsbescheid an die Insolvenzschuldnerin gerichtet war, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hingegen der Kläger als Insolvenzverwalter aufgrund der hierdurch bewirkten Entziehung der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis der Insolvenzschuldnerin über ihr Vermögen gemäß § 80 Insolvenzordnung – InsO – richtiger Inhalts- und Bekanntgabeadressat gewesen wäre.

4

Unter dem 15. September 2010 erließ der Beklagte einen weiteren Beitragsbescheid für das Beitragsjahr 2009, der mit dem gerichtlich aufgehobenen Bescheid vom 9. Februar 2009 identisch, jedoch an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin adressiert war.

5

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger unter dem 17. September 2010 Widerspruch – beschränkt auf den Zusatzbeitrag i. H. v. 1.915,00 € – ein, wobei er zur Begründung darauf hinwies, dass eine Fortführung des Unternehmens gerade nicht vorliege, weshalb durch die Beklagte keine Zusatzbeiträge geltend gemacht werden könnten. Überdies widerspreche die Beitragsbemessung anhand von Erträgen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirtschaftet worden seien, den Zielen der InsO und stelle ihn als Insolvenzverwalter – insbesondere im Rahmen der Fortführungsprognose – vor erhebliche praktische Probleme.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2010 zurück. Ein Rückbezug der Beitragsberechnung um drei Jahre sei üblich und zulässig, da nur diese Methode eine exakte und gerechte Beitragsberechnung auf Grundlage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens erlaube. Eine (ggf. vorübergehende) Umstellung der Beitragsberechnung auf einen Gegenwartsbeitrag bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens würde zu einer doppelten Begünstigung des Unternehmens führen, da wirtschaftlich günstige Jahre vor der Insolvenzeröffnung ausgeblendet würden. Dies verbiete auch die Beitragsgerechtigkeit. Schließlich scheide auch eine beitragsmäßige Behandlung der Insolvenz als „Quasi-Neugründung“ aus, da sich der Kläger in Kenntnis des Bestehens der Beitragspflicht gerade für eine Fortführung des Unternehmens entschieden habe. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 4. November 2010 zugestellt.

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Am 6. Dezember 2010, einem Montag, hat der Kläger vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren und vertieft dieses.

8

Er hebt hervor, dass aufgrund der Insolvenzeröffnung im Jahre 2008 beitragsrechtlich von einer „Quasi-Neugründung“ der Insolvenzschuldnerin auszugehen sei. Insoweit liege gerade keine Unternehmensfortführung im Sinne des § 5 Nr. 4 der Beitragsordnung der Handwerkskammer Rheinhessen – BeitragsO – vor, da entgegen dem gesetzlichen Leitbild der Unternehmensfortführung in § 25 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch – HGB – in der Insolvenz gerade keine Haftung für alle in der Vergangenheit begründeten Verbindlichkeiten bestehe. Entsprechend könnten Beitragsforderungen nach Insolvenzeröffnung nicht auf Grundlage eines drei Jahre vor Insolvenzeröffnung erwirtschafteten Ertrages errechnet werden.

9

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stelle auch im Ertrags- und Gewerbesteuerrecht sowie im Sozialversicherungsrecht abgabenrechtlich eine Zäsur dar, die sich unter anderem durch die Zuteilung einer neuen Steuernummer und einer neuen Betriebsnummer manifestiere; Beiträge und Vorauszahlungen in diesen Bereichen würden allein auf Grundlage der von dem fortgeführten Betrieb tatsächlich erwirtschafteten Substanz ermittelt. Dies müsse auch hinsichtlich der Kammerbeiträge gelten, so dass im Insolvenzfalle die Rückveranlagung der Beitragsbemessung in die Zeit vor der Insolvenz durch eine Veranlagung anhand der gegenwärtigen Wirtschaftskraft des Unternehmens ersetzt werden müsse.

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Jede andere Form der Beitragsbemessung widerspreche Systematik und gesetzgeberischer Intention des Insolvenzrechts als im Vergleich zur Beitragssatzung der Beklagten höherrangigem Recht. Die InsO gehe grundsätzlich davon aus, dass im Rahmen der Fortführungsprognose Altverbindlichkeiten außer Betracht zu bleiben hätten und nur die zukünftige Leistungsfähigkeit des Betriebes zu bewerten sei. Müsse der Insolvenzverwalter die Höhe der Zusatzbeiträge anhand der in der Vergangenheit erwirtschafteter Erträge errechnen, stelle ihn dies auch vor erhebliche praktische Probleme, da die hierfür erforderlichen Jahresabschlüsse oftmals nicht oder noch nicht vorhanden seien. Eine zuverlässige Fortführungsprognose und damit auch eine Fortführung des Betriebes würden so praktisch unmöglich gemacht. Es widerspreche dem Zweck der InsO als zukunftsorientiertes Sanierungsinstitut, dass sich der Insolvenzverwalter bei der Erstellung der Fortführungsprognose aufgrund der Bemessungsgrundlage der Zusatzbeiträge mit Gewinnen und Verlusten der Vergangenheit auseinanderzusetzen habe.

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Schließlich werde die Beklagte gegenüber den übrigen Insolvenzgläubigern ungerechtfertigt bevorteilt. Der Zusatzbeitrag weise nämlich keinen Bezug zur Insolvenzmasse auf, sondern habe seinen Bezugspunkt in der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Insofern handele es sich faktisch nicht um einen Beitrag für das Jahr 2009, sondern aufgrund der Bemessungsgrundlage auf Basis des wirtschaftlichen Ertrags im Jahr 2006 um einen Beitrag für eben dieses Jahr, der lediglich erst drei Jahre später durch die Beklagte geltend gemacht werde. Werde indes zwischen dem relevanten Zeitpunkt für die Beitragsbemessung und der Geltendmachung des Beitrags das Insolvenzverfahren eröffnet, müsste der Beklagte eigentlich die Beitragsforderung zur Insolvenztabelle anmelden und würde nur entsprechend der Quote befriedigt. Die durch die Beklagte gewählte Ausformung der Beitragserhebung führe indes dazu, dass sie hinsichtlich des Beitrags als Massegläubigerin behandelt werde. Dies widerspreche dem Zweck des Insolvenzverfahrens, das eine gleichmäßige Behandlung und Befriedigung aller Gläubiger zum Ziel habe.

12

Die von der Beklagten angeführte Missbrauchsgefahr bestehe indes nicht, da das Vorliegen der Insolvenzvoraussetzungen im Vorfeld des Eröffnungsbeschlusses gerichtlich geprüft werde und es lebensfremd sei, anzunehmen, dass ein Unternehmer final die Insolvenz herbeiführe, um einen niedrigeren Zusatzbeitrag zahlen zu müssen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beitragsbescheid der Beklagten vom 15. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2010 betreffend die Veranlagung der von ihm – dem Kläger – als Insolvenzverwalter fortgeführten Insolvenzschuldnerin K. GmbH aufzuheben, soweit dort ein „Zusatzbeitrag für das Jahr 2009“ in Höhe von 1.915,00 € festgesetzt ist und er zur Zahlung dieses Beitrages als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO aufgefordert wird.

15

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung macht sie geltend, der Kläger habe ausweislich der Handwerksrolle den Betrieb der Insolvenzschuldnerin unverändert, namentlich in gleichem Umfang, unter der gleichen Betriebsnummer und mit den gleichen handelnden Personen einschließlich des Betriebsleiters, weitergeführt. Dies stelle eine bewusste Entscheidung des Insolvenzverwalters in Kenntnis der grundsätzlichen Beitragspflicht ihr gegenüber dar. Insoweit liege eine Firmenfortführung, zumindest eine Übernahme im Sinne von § 5 Nr. 4 BeitragsO, vor. Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt sei allein die Kontinuität der Übernahme, nicht aber ein derivativer, rechtsgeschäftlicher Erwerb.

18

Die Beitragsschuld sei entgegen der Auffassung des Klägers auch als Masseverbindlichkeit entstanden, da tatbestandliche Voraussetzung die Eintragung des Unternehmens in die Handwerksrolle zu Beginn des Kalenderjahres sei. Daher sei die streitgegenständliche Beitragsschuld erst Anfang 2009 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der Fortführung des Betriebs der Insolvenzschuldnerin entstanden.

19

Der Rückbezug der Beitragsbemessung erfolge aus sachlichem Grund. Erst nach drei Jahren könnten genauere Angaben über Betriebsgewinne aus Bilanzen gezogen werden, ohne dass es der Festsetzung von Vorauszahlung auf der Grundlage von Schätzungen bedürfe. Gute bzw. schlechte Ertragsjahre wirkten sich damit systemimmanent jeweils drei Jahre später auf den Beitrag aus.

20

Auch verstoße ihre Satzung nicht gegen höherrangiges Recht. Dass die Insolvenz in steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht unter Umständen anders behandelt werde, sei für die Handwerkskammerbeiträge nicht bindend. Diesbezüglich stehe ihr ein Satzungsermessen zu, dessen Grenzen nicht überschritten seien. Im Übrigen könne ein Insolvenzverwalter bei Erstellung der Fortführungsprognose die Höhe der Beiträge entsprechend berücksichtigen, da die erforderlichen Berechnungsgrundlagen zuvor feststünden. Die Vorstellung, dass allein aufgrund unerwartet hoher Zusatzbeiträge die Grundlage der positiven Fortführungsprognose entfallen und das Unternehmen hierdurch zahlungsunfähig werden könnte, sei unrealistisch. Für diese Fälle sehe die Beitragssatzung überdies die Möglichkeit der Stundung oder des Erlasses der Beiträge vor.

21

Schließlich gebiete auch der Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit, auch im Insolvenzfalle am Rückbezug der Beitragsbemessung festzuhalten, da anderenfalls wirtschaftlich einträgliche Jahre des Unternehmens vor der Insolvenz unberücksichtigt blieben. Dies gehe letztlich zu Lasten der anderen Mitglieder der Kammer.

22

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 16. August 2011 bzw. 18. August 2011 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen, den vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsakten (2 Hefte) sowie der Gerichtsakte 4 K 931/09.MZ, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die das Gericht aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.

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Die Beteiligungsfähigkeit des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ergibt sich aus § 80 Abs. 1 InsO. Als Partei kraft Amtes ist er im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft zur prozessualen Geltendmachung subjektiver Rechte der Insolvenzschuldnerin ermächtigt und damit klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage [2009], § 42, Rn. 61).

25

Die Klage ist nicht begründet. Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 15. September 2010 – soweit darin ein Zusatzbeitrag für das Jahr 2009 in Höhe von 1915,00 € festgesetzt wird und dies durch den Kläger angefochten wurde – und der Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2010 halten der rechtlichen Überprüfung stand und verletzen die Insolvenzschuldnerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

26

Die Beitragserhebung der Beklagten für das Beitragsjahr 2009 findet ihre Rechtgrundlage in § 113 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks – Handwerksordnung (HandwO) – in der für die Anfechtungsklage maßgeblichen Fassung vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 2091) in Verbindung mit den Bestimmungen der durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz am 19. Januar 2005 genehmigten Beitragsordnung der Beklagten vom 29. November 2004 sowie der ebenfalls genehmigten Haushaltssatzung der gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 5 HandwO zuständigen Vollversammlung der Beklagten vom 1. Dezember 2008.

27

Gemäß § 113 Abs. 1 HandwO kann die Beklagte zur Deckung der durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten von ihren Mitgliedern einen jährlichen Kammerbeitrag erheben. Dabei können gemäß § 113 Abs. 2 Satz 1 HandwO als Beiträge Grund- und Zusatzbeiträge sowie Sonderbeiträge erhoben werden.

28

Nähere Vorschriften über die Wahl der Beitragsart und die Form der Beitragserhebung enthält das parlamentarische Gesetz nicht. Es steht somit weitgehend im normativen Ermessen der Beklagten, ob und inwieweit sie umlagefähige Kosten außer durch Grundbeiträge durch Zusatzbeiträge oder Sonderbeiträge decken will, welche Maßstäbe sie zur Beitragsbemessung heranzieht und unter welchen Umständen sie von einer Beitragserhebung absieht. Dieses mit der Rechtssetzungsbefugnis typischerweise verbundene normative Ermessen wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Demgemäß beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob diese äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten sind. Die Rechtsprechung hat zu respektieren, dass der parlamentarische Gesetzgeber, der in § 113 HandwO die Handwerkskammern ermächtigt hat, die Pflichtmitglieder für die durch die Kammertätigkeit entstehenden Kosten nach einem von der Kammer festzusetzenden Beitragsmaßstab heranzuziehen, im Rahmen dieser Ermächtigung eigene Gestaltungsfreiräume an den Satzungsgeber weiterleitet. Hiermit sind – vorbehaltlich gesetzlicher Beschränkungen – dieselben Bewertungsspielräume verbunden, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst zustehen (BVerwG, Urteil vom 26. April 2006 – 6 C 19.05 – juris, Rn. 16; OVG Hamburg, GewArch 1989, 381 [382]).

29

Von der gesetzlichen Ermächtigung zur Beitragserhebung hat die Beklagte insoweit Gebrauch gemacht, als sich gemäß § 3 Abs. 1 BeitragsO der Beitrag aus einem Grundbeitrag und einem Zusatzbeitrag zusammensetzt, wobei gemäß § 3 Abs. 2 BeitragsO die Bemessungsgrundlagen, das Bemessungsjahr sowie die Beitragshöhe jährlich durch die Vollversammlung der Kammer beschlossen und nach Genehmigung durch die oberste Landesbehörde in der Handwerkszeitung veröffentlicht werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BeitragsO wird ein Zusatzbeitrag erhoben, der sich aus dem Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz ergibt, wenn für das Bemessungsjahr ein einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt worden ist. Das Bemessungsjahr sowie die Bemessungsgrundlage für den Zusatzbeitrag – im konkreten Falle ein Hebesatz von 1,2% vom Gewerbeertrag des Kalenderjahres 2006 – ergeben sich aus der von der Aufsichtsbehörde genehmigten Haushaltssatzung der Vollversammlung vom 1. Dezember 2008. Schließlich sieht § 5 Abs. 4 Satz 1 BeitragsO vor, dass im Falle der Betriebsübernahme der Zusatzbeitrag nach den für den Vorgänger geltenden Bemessungsgrundlagen berechnet wird, wobei nach § 5 Abs. 4 Satz 2 BeitragsO eine Übernahme dann vorliegen soll, wenn der alte Betrieb innerhalb von drei Monaten, mit dem im Wesentlichen gleichen Betriebsgegenstand, dem im Wesentlichen gleichen Kundenstamm und dem im Wesentlichen gleichen Personalbestand fortgeführt wird.

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Nach Maßgabe dessen ist der Kläger zur Zahlung des streitgegenständlichen Zusatzbeitrags in Höhe von 1.915,00 € für das Beitragsjahr 2009 als Masseschuld aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin verpflichtet (1.). Die der Beitragserhebung zugrundeliegenden Satzungsnormen überschreiten nicht die dem normativen Ermessen der Beklagten gesetzten Grenzen (2.). Ein Verstoß der Satzungsregelungen gegen höherrangiges Recht ist nicht erkennbar (3.). Das Gericht hält insoweit an seiner bereits im Urteil vom 20. August 2010 – 4 K 931/09.MZ – zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung fest (Seiten 11 und 12 des Entscheidungsabdrucks).

31

1. Der Kläger ist zur Zahlung des streitgegenständlichen Zusatzbeitrags in Höhe von 1.915,00 € für das Beitragsjahr 2009 als Masseschuld aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin verpflichtet.

32

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BeitragsO sind unter anderem beitragspflichtig die Inhaber eines Betriebes eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Betriebes, die in die Handwerksrolle eingetragen sind. Damit knüpft die Beitragspflicht in Falle der Insolvenzschuldnerin tatbestandlich ausschließlich an das Vorliegen der Eintragung an; die Eintragung ist in positivem wie negativem Sinne konstitutiv für das Entstehen des Beitragsanspruchs. Dies wird systematisch bestätigt durch § 2 Abs. 2 BeitragsO: Der Beitragsanspruch entsteht mit Beginn des Kalenderjahres, für das der Beitrag erhoben wird (Satz 1). Erfolgt die Eintragung im Laufe des Kalenderjahres, entsteht der Anspruch mit dem Zeitpunkt der Eintragung (Satz 2). Da die Insolvenzschuldnerin am 1. Januar 2009 unverändert in die Handwerksrolle eingetragen war, lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflicht für das Beitragsjahr 2009 vor.

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Weder der Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts W. vom 1. August 2008 noch die am gleichen Tage erfolgte Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin waren für sich genommen geeignet, die Eintragung kraft Gesetzes in Fortfall zu bringen oder einen Anspruch auf Löschung aus der Handwerksrolle zu begründen, der unter Umständen ein rückwirkendes Entfallen der Beitragspflicht zur Folge haben könnte. Denn die Löschung aus der Handwerksrolle erfordert gemäß § 13 Abs. 1 HandwO, dass die Voraussetzungen für die Eintragung nicht (mehr) vorliegen. Dies war indes weder zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch zu einem späteren Zeitpunkt während des Beitragsjahres 2009 der Fall. Denn wie die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen haben, wurde aufgrund des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 10. Oktober 2008 der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin durch den Kläger jedenfalls während des gesamten Beitragsjahres 2009 unverändert – insbesondere durch denselben Betriebsleiter (vgl. hierzu: OVG Rheinland-Pfalz, GewArch 1994, 66; Musielak/Detterbeck, Das Recht des Handwerks, 3. Auflage [1995], § 13, Rn. 6) – fortgeführt. Dabei lag das Fortbestehen der Eintragung auch im Interesse der Insolvenzschuldnerin und der Gläubiger, da anderenfalls die zuständige Behörde die Fortsetzung des Betriebs gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 HandwO hätte untersagen können.

34

Auch die Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter berührt die Eintragung der Klägerin in die Handwerksrolle nicht und begründet auch keinen Anspruch auf Löschung. Denn gemäß § 80 Abs. 1 InsO gehen ausschließlich das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über, nicht aber das Vermögen selbst (Ott/Vuia, in: MüKO InsO, 2. Auflage [2007], § 80, Rn. 6). Daher hat die Bestellung des Insolvenzverwalters auch keine Auswirkungen auf die durch § 1 Abs. 1 HandwO geforderte Selbstständigkeit des Betriebs. Diese wird vielmehr auch nach Auferlegung der Verfügungsbeschränkungen zu Gunsten des Insolvenzverwalters durch die natürliche Person des Handwerkers bzw. im Falle juristischer Personen durch den Betriebsleiter gewährleistet.

35

Vorstehend beschriebene Anknüpfung des Beitrags an das Vorliegen der Eintragung in die Handwerksrolle hat demnach zur Folge, dass die Beitragspflicht nur dann entfällt, sobald die Eintragung gelöscht wird oder ein Anspruch auf Löschung besteht. Dies richtet sich nach dem Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 HandwO und wäre im Insolvenzverfahren beispielsweise dann anzunehmen, wenn das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gemäß § 26 InsO abweist oder sich die Gläubigerversammlung gemäß § 157 Satz 1 InsO gegen eine vorläufige Fortführung des Betriebes entscheidet und dieser daraufhin seine Tätigkeit einstellt (in diesem Sinne auch: Musielak/Detterbeck, Das Recht des Handwerks, 3. Auflage [1995], § 13, Rn. 6 a. E.). Diese Voraussetzungen sind indes im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da sich die Gläubigerversammlung für eine Fortführung des Betriebes ausgesprochen hat und diese auch tatsächlich während des gesamten Beitragsjahres 2009 stattfand.

36

Ist im Falle der Insolvenzschuldnerin bereits aus diesem Grund das Bestehen der Beitragspflicht zu bejahen, bedarf es eines Rückgriffs auf § 5 Abs. 4 Satz 1 BeitragsO nicht. Indes schließt sich das Gericht der Auffassung der Beklagten an, wonach auch diese Norm dem Grunde nach geeignet ist, die Beitragspflicht der Insolvenzschuldnerin für das Beitragsjahr 2009 zu tragen. Denn aus der enumerativen Aufzählung der in § 5 Abs. 4 Satz 2 BeitragsO bezeichneten, kumulativen Voraussetzungen einer „Betriebsübernahme“ im Sinne der Satzung geht hervor, dass sich das Vorliegen einer solchen vollständig losgelöst von rechtlichen Bewertungsmaßstäben allein nach tatsächlichen Kriterien (nur kurzzeitige Unterbrechung, gleicher Betriebsgegenstand, gleicher Kundenstamm, gleicher Personalbestand) bestimmt. Daher ist es für das Fortbestehen der Beitragsschuld unerheblich, ob die Übernahme des Betriebes auf einem derivativen, rechtsgeschäftlichen Erwerb, einer Universalsukzession (vgl. hierzu auch § 4 Abs. 1 HandwO) oder einem Erwerb kraft Hoheitsaktes beruht. In Folge dessen ist die durch den Kläger vorgebrachte Inbezugnahme der Rechtsprechung zur Nichtgeltung des § 25 Abs. 1 HGB im Insolvenzverfahren nicht aussagekräftig, da diese Norm ausweislich ihres Wortlauts ausschließlich auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Unternehmens unter Lebenden Anwendung findet und damit einen erheblich engeren Anwendungsbereich hat. Gleiches gilt hinsichtlich des ebenfalls durch den Kläger angeführten § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB.

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Schließlich ist in die Erwägung einzustellen, dass das Insolvenzverfahren mit anschließender Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter gerade keine Übernahme im engeren Sinne darstellt, die ihrerseits in aller Regel einen Wechsel der Eigentumsverhältnisse erfordert. Denn – wie bereits dargestellt – lässt die Bestellung des Insolvenzverwalters die Eigentumsverhältnisse unberührt, sondern bewirkt „lediglich“ die in § 80 Abs. 1 InsO vorgesehene Beschränkung der Verfügungsmacht des Eigentümers. Während des Insolvenzverfahrens handelt der Insolvenzverwalter materiell-rechtlich wie prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht, jedoch mit Wirkung für und gegen die Masse und dabei in Erfüllung der ihm auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen (stRspr. seit RG, Urteil vom 30. März 1892 – V 255/91 – RGZ 29, 29). Mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens fällt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis an den Schuldner im Ganzen zurück, ebenso hinsichtlich einzelner Vermögensgegenstände durch deren Freigabe durch den Insolvenzverwalter (Ott/Vuia, in: MüKO InsO, 2. Auflage [2007], § 80, Rn. 6). Insoweit übt der Insolvenzverwalter seine Kompetenzen insgesamt nicht im eigenen Interesse, sondern treuhänderisch für andere aus. Entsprechend steht die Bestellung des Insolvenzverwalters gerade im Falle juristischer Personen wie der Insolvenzschuldnerin (vgl. § 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung – GmbHG) in Bezug auf die eigentumsrechtlichen Auswirkungen einem Wechsel in der Position des Geschäftsführers näher als einer Betriebsübernahme im engeren Sinne oder gar der durch den Kläger vorgebrachten „Quasi-Neugründung“. Dass eine personelle Veränderung in der Position des Geschäftsführers keine Auswirkungen auf die Beitragspflicht hat, ist unstreitig. Umgekehrt erlaubt die Tatsache, dass gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 BeitragsO die Beitragspflicht selbst im Falle des Eigentumsüberganges nicht entfällt, den Umkehrschluss darauf, dass dies umso mehr im Falle der lediglich vorübergehenden Beschränkung der Verfügungsbefugnis im Rahmen der Insolvenzverwaltung gelten muss. Da die Insolvenzschuldnerin nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen der Beklagten auch unter der Insolvenzverwaltung des Klägers hinsichtlich Betriebsgegenstand, Kundenstamm und Belegschaft im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat, liegen auch tatbestandlich die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 2 BeitragsO vor.

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Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach vorstehenden Erwägungen entgegen der Auffassung des Klägers nicht als „Quasi-Neugründung“ anzusehen, scheidet auch eine (direkte oder analoge) Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 BeitragsO, der eine befristete Befreiung von der Zahlung der Zusatzbeiträge vorsieht, offenkundig aus. Daher besteht die Pflicht der Insolvenzschuldnerin zur Zahlung der Zusatzbeiträge für das Beitragsjahr 2009 – unbeschadet etwaiger Stundungs-, Niederschlagungs- oder Erlassmöglichkeiten durch die Beklagte –unverändert fort und berechnet sich nach den im Jahr 2006 erwirtschafteten Gewerbeerträgen der Insolvenzschuldnerin.

39

2. Die die konkrete Beitragspflicht der Insolvenzschuldnerin begründenden Satzungsnormen überschreiten nach Überzeugung des Gerichts nicht die dem normativem Ermessen der Beklagten gesetzten Grenzen. Dies gilt auch und insbesondere für die in Ziffer II lit. b) der Haushaltsatzung der Beklagten vom 1. Dezember 2008 vorgesehenen Beitragsbemessungsgrundlage für das Beitragsjahr 2009, die 1,2% des für das Steuerjahr 2006 festgesetzten Ertrages/Gewinnes beträgt.

40

Die Mitgliedsbeiträge berufsständischer Kammern sind Beiträge im Rechtssinne (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 C 45.87 – juris, Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 – 1 C 7.98 – juris, Rn. 38), deren Rechtmäßigkeit demzufolge an den für Beiträge geltenden Maßstäben zu messen ist. Dies bedeutet, dass auch im Rahmen der Beitragserhebung durch öffentlich-rechtliche Berufsorganisationen der Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip zu beachten sind (stRspr., BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 1989 – 1 B 109.89 – juris, Rn. 3 ff.; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 – 1 C 7.98 – juris, Rn. 38).

41

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, niemanden im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 C 45.87 – juris, Rn. 10). Das Äquivalenzprinzip fordert, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang besteht. Die Höhe des Beitrags darf nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten soll (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 C 45.87 – juris, Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 3. September 1991 – 1 C 24.88 – juris, Rn. 13). Für die Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bedeutet dies in der Zusammenschau, dass wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung getragen werden muss. Die Beiträge müssen auch im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden.

42

Diesen Maßstäben werden die Satzungsregelungen der Beklagten gerecht. Bei der Festsetzung des Zusatzbeitrags auf einheitlich 1,2% des von der Finanzverwaltung ermittelten Gewerbeertrags handelt es sich um einen zulässigen Beitragsmaßstab (VG Trier, Urteil vom 1. September 2010 – 5 K 244/10.TR – juris, Rn. 20, bestätigt durch: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. April 2011 – 6 A 11076/10.OVG – juris). Wie sich aus § 113 Abs. 2 Satz 3 HandwO ausdrücklich ergibt, stellt die Bezugnahme auf den von der Finanzverwaltung ermittelten Gewerbeertrag einen zulässigen Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung dar. Die hiermit verbundene Anknüpfung an den wirtschaftlichen Nutzen, der sich aus der Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Kammerangehörigen ergibt, stellt einen hinreichenden Bezug zwischen Vorteil und Beitragshöhe dar, denn aus dem Äquivalenzprinzip ergeben sich für Beiträge der vorliegenden Art regelmäßig keine konkreteren Anforderungen. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass der Beitrag einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil ausgleicht, der sich bei dem einzelnen Kammerangehörigen messbar niederschlägt. Eine solche Bemessungsweise kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kammern in erster Linie die Gesamtbelange ihrer Mitglieder zu wahren haben und sich diese Tätigkeit regelmäßig nur mittelbar bei den einzelnen Mitgliedern auswirken kann (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 C 45.87 – juris, Rn. 10).

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Äquivalenzprinzip und Gleichheitsgrundsatz werden auch nicht dadurch verletzt, dass die Beitragsbemessung nach einem drei Jahre zuvor erwirtschafteten Gewerbeertrag erfolgt. Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass insbesondere aus Gründen der Verfahrenserleichterung eine Rückveranlagung erfolgen kann (Nieders.OVG, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 8 LC 106/08 – juris, Rn. 31; BayVGH, Urteil vom 27. Januar 1977, GewArch 1977, 267 [268]; OVG NRW, Urteil vom 28. April 1977, GewArch 1977, 268 [269]; VG Trier, Urteil vom 1. September 2010 – 5 K 244/10.TR – juris, Rn. 20, bestätigt durch: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. April 2011 – 6 A 11076/10.OVG – juris; VG Berlin, Urteil vom 15. Juli 2011 – 4 K 503.10 – juris, Rn. 19).

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Für einen an der Leistungskraft des Beitragspflichtigen im Sinne von § 113 Abs. 2 Satz 2 HandwO orientierten Zusatzbeitrag ist zwar erforderlich, dass die Bemessungsregelung einen hinreichenden Bezug zur aktuellen Leistungskraft der Beitragspflichtigen in dem Jahr aufweist, für das die Beiträge erhoben werden (OVG Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2004 – 2 A 394/02 – juris, Rn. 34). Diesen Grundsätzen entspricht die vorliegende Satzungsregelung aber noch. So ist unter dem Gleichbehandlungsaspekt nichts gegen die Bestimmung des Jahres 2006 als Bemessungsjahr einzuwenden, weil dieses Bemessungsjahr für alle Beitragspflichtigen gleichermaßen zugrunde gelegt wird und es bei typisierender Betrachtung noch als hinreichend aussagekräftig auch für die Verhältnisse im Beitragsjahr angesehen werden kann. Den Beitragspflichtigen erwächst aber auch vor dem Hintergrund des Äquivalenzprinzips keine besondere Belastung daraus, dass auf die Leistungskraft aufgrund der Ertragssituation eines bereits vergangenen Jahres abgestellt wird. Das Risiko, dass der Beitrag aufgrund einer inzwischen eingetretenen Verschlechterung der Ertragssituation vom Pflichtigen nicht beigetrieben werden kann und ausfällt, trägt letztlich die Beklagte. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Falle beispielsweise hinsichtlich des – hier nicht in Streit stehenden – Kammerbeitrags für das Beitragsjahr 2008 erfüllt, den die Beklagte als Insolvenzgläubiger zur Tabelle anmelden musste (vgl. Bl. 125 d. Verwaltungsakte). Umgekehrt können die Beitragspflichtigen von dem zurückliegenden Bemessungsjahr aber auch profitieren, wenn sich die Ertragssituation aktuell verbessert haben sollte, sie gleichwohl aber nach der Ertragslage des zurückliegenden Bemessungsjahres veranlagt werden. Jedenfalls wird nach der auch hier zulässigen typisierenden Betrachtung ein etwaiger Nachteil durch den Bezug der Bemessung auf das Jahr 2006 bei Beibehaltung des Veranlagungsprinzips in den Folgejahren wieder ausgeglichen (ähnlich: OVG Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2004 – 2 A 394/02 – juris, Rn. 34).

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Hieran vermag auch die zwischenzeitliche Insolvenz des Beitragspflichtigen nichts zu ändern, wenn das Unternehmen – wie vorliegend – durch den Insolvenzverwalter aufgrund eines Beschlusses der Gläubigerversammlung vorläufig weitergeführt wird. Denn der wirtschaftliche Nutzen, der sich aus der Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Kammerangehörigen ergibt, ist für ein Unternehmen, das durch den Insolvenzverwalter weitergeführt wird, nicht geringer als für ein Unternehmen, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren nicht eröffnet wurde. Im Gegenteil würde eine Beitragsbegünstigung des im Insolvenzverfahren befindlichen und weitergeführten Unternehmens eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zu Lasten der übrigen Beitragsschuldner darstellen.

46

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass gerade im Falle erheblicher Ertragseinbrüche zwischen dem Bemessungsjahr und dem Beitragsjahr die Pflicht zur Zahlung des Zusatzbeitrages eine erhebliche Belastung darstellen kann, im Rahmen derer der nach Äquivalenzgerichtspunkten erforderliche hinreichende Bezug zur aktuellen Leistungskraft der Beitragspflichtigen unter Umständen verloren gehen kann. Diesen Einzelfällen (vgl. VG Mainz, Urteil vom 20. August 2010 – 4 K 931/09.MZ – nicht veröffentlicht, den Beteiligten vorliegend, Seite 12 des Entscheidungsabdrucks; VG Schleswig, Urteil vom 29. November 2004 – 12 A 352/03 – juris, Leitsatz 3) begegnet die Satzung des Beklagten indes durch die Möglichkeiten der Stundung, der Niederschlagung oder des Erlasses, die zur Wahrung des Äquivalenzgrundsatzes ausreichen (§ 11 BeitragsO, vgl. zur Berücksichtigung der Erlassmöglichkeit bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generalisierenden und typisierenden Normen des Steuerrechts: BVerfG, Beschluss vom 5. April 1978 – 1 BvR 117/73 – BVerfGE 48, 102). Entsprechende Erleichterungen der Beitragszahlung können indes nur Gegenstand eines eigenen Antragsverfahrens sein (VG Berlin, Urteil vom 7. September 2004 – 4 A 277.03 – juris, Rn. 19), innerhalb dessen die besondere Härte oder existenzielle Gefährdung durch die konkrete Beitragslast bezogen auf den konkreten Beitragsschuldner durch diesen darzulegen ist. Dass der Kläger vorliegend von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, sondern vielmehr eine rechtgrundsätzliche Entscheidung anstrebt, fällt nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten.

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Zudem erscheint die Rückverlagerung der Beitragsbemessungsgrundlage um drei Jahre auch nicht willkürlich, da sie vor dem Hintergrund der Verwaltungspraktikabilität einem legitimen Zweck dient (OVG Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2004 – 2 A 394/02 – juris, Rn. 34). Danach ist nicht zu beanstanden, die Bemessungsgrundlage auf ein Ertragsjahr zurückzuverlegen, für das im Zeitpunkt der Veranlagung regelmäßig die Bemessungsgrundlagen vorliegen und von den Finanzbehörden abgerufen werden können. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine vorläufige Veranlagung, wie sie § 5 Abs. 2 Satz 1 BeitragsO in Fällen zulässt, in welchen die aktuellen Bemessungsgrundlagen noch nicht vorliegen, im Einzelfall zum doppelten Verwaltungsaufwand führt, wenn der Beitragsbescheid nach Vorliegen der aktuellen Bemessungsgrundlagen entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitragsO geändert werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es zulässig, den Zusammenhang zwischen Bemessungsjahr und aktueller Leistungskraft des Beitragspflichtigen im Beitragsjahr so weit, wie zur Vermeidung überflüssigen Verwaltungsaufwandes nötig, zu lockern und damit auch die mit einer Verschlechterung der Ertragslage einhergehenden Nachteile in Kauf zu nehmen (OVG Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2004 – 2 A 394/02 – juris, Rn. 34; VGH Baden-Württemberg, GewArch 1985, 368 [370], m. w. N.). Ob die beitragspflichtigen Mitglieder der Kammer eine so ausgestaltete Bemessungsregelung letzten Endes sogar beanspruchen könnten, weil sie die allgemeinen Kosten der Beitragserhebung im Interesse der Beitragspflichtigen gering hält, bedarf hier keiner Entscheidung.

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Schließlich rechtfertigt auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber in anderen Rechtsgebieten (Sozialversicherungsrecht, Ertrags- und Gewerbesteuerrecht) eine hiervon abweichende Entscheidung getroffen und im Insolvenzfalle eine Gegenwartsbesteuerung vorgesehen haben mag, keine andere rechtliche Bewertung. Denn diese grundlegenden legislativen Entscheidungen liegen innerhalb des Kernbereichs normativen Ermessens, die der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen sind. Zudem entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass gerade die im Ertrags- und Gewerbesteuerrecht geltende Gegenwartsbesteuerung keinen Rückschluss auf die im Kammerbeitragsrecht anzuwendende Veranlagungsform erlaubt (vgl. statt vieler: BayVGH, GewArch 1977, 266 [267 f.]; VG Mainz, Urteil vom 20. August 2010 – 4 K 931/09.MZ – nicht veröffentlicht, den Beteiligten vorliegend, Seite 11 des Entscheidungsabdrucks, m. w. N.).

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3. Die der Beitragsbemessung dienenden Satzungsregelungen der Beklagten verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gilt auch, soweit der Kläger einen Verstoß gegen Grundsätze sowie Sinn und Zweck der InsO rügt.

50

Die Rückveranlagung der Beitragsbemessung auf einen Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nicht zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der der Beklagten im Vergleich zu anderen Insolvenzgläubigern unter Verstoß gegen den Grundsatz gemeinschaftlicher Befriedigung (§ 1 Satz 1 InsO). Denn die Beitragsschuld für das Beitragsjahr 2009 ist dem Grunde nach erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der vorläufigen Fortführung des Betriebes bzw. der fortbestehenden Eintragung der Insolvenzschuldnerin in der Handwerksrolle entstanden (Görg, in: MüKo InsO, 2. Auflage [2007], § 157, Rn. 10). Sie resultiert insofern aus Handlungen des Klägers als Insolvenzverwalter und ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseschuld zu qualifizieren. Denn die Insolvenzforderung (§ 38 InsO) unterscheidet sich von der Masseverbindlichkeit dadurch, dass bei letzterer der anspruchsbegründende Tatbestand erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt wird (Hefermehl, in: MüKo InsO, 2. Auflage [2007], § 55, Rn. 16). Indes ergibt sich unmittelbar aus § 2 Abs. 2 Satz 1 BeitragsO, dass der frühestmögliche Zeitpunkt, zu dem die Beitragsschuld für das Beitragsjahr 2009 (zumindest anteilig) entstehen konnte, der 1. Januar 2009 war, mithin ein Zeitpunkt deutlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Als Gläubiger einer Masseschuld ist die Beklagte indes mit anderen Insolvenzgläubigern bereits strukturell nicht vergleichbar. Die Tatsache, dass die exakte Bezifferung der Höhe nach erst unter Rückgriff auf Ertragszahlen des vergangenen Geschäftsjahres 2006 erfolgt, ändert hieran nichts.

51

Durch die Rückveranlagung der Beitragsbemessung wird auch die Entscheidung über die Verwertung (§§ 156 ff. InsO), insbesondere die Abgabe einer zuverlässigen Fortführungsprognose durch den Insolvenzverwalter, nicht unverhältnismäßig erschwert. Denn es ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, dass der diesbezügliche Vortrag des Klägers, der Insolvenzverwalter habe nach der gesetzlichen Wertung im Rahmen der Prognose ausschließlich zukünftige Sachverhalte in seine Betrachtungen einzustellen, nicht zutreffend ist. Denn gemäß § 156 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter im Berichtstermin die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und ihre Ursachen darzulegen. Zumindest der Berichtsteil über die Ursachen der Unternehmenskrise erfordert aber auch eine Betrachtung wirtschaftlicher Zusammenhänge in der Vergangenheit (Kundenstamm, Erträge, Zahlungsausfälle, etc.). Daher sollen nach der Kommentarliteratur aus dem Bericht Bilanzvolumen, Umsätze, Gewinne oder Verluste und Mitarbeiterzahlen „der letzten drei bis fünf Jahre erkennbar werden“ (Görg, in: MüKo InsO, 2. Auflage [2007], § 156, Rn. 10). In Anbetracht dessen stellt es keine überproportionale zusätzliche Belastung für den Insolvenzverwalter dar, die ohnehin zu erhebenden Zahlen zum vorhandenen Beitragsbemessungssatz der Beklagten ins Verhältnis zu setzen oder zumindest überschlägig zu schätzen.

52

Da sonstige Gründe, die dem Entstehen der Beitragspflicht dem Grunde oder der Höhe nach entgegenstehen könnten, weder vorgetragen noch ersichtlich sind, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

53

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten resultiert aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO.

54

Beschluss

55

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.915,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz – GKG.

56

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

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