Beschluss vom Verwaltungsgericht Mainz (3. Kammer) - 3 L 602/19.MZ

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Die

Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 11.250,-- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 22. April 2019 gegen die in den Bescheiden der Antragsgegnerin vom 15. März 2019 in den Ziffern 1 und 2 enthaltenen brandschutzrechtlichen Anforderungen an ein Wohn- und Geschäftshaus (1.) und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 3. Juli 2019 gegen die Festsetzung von Zwangsgeldern in Höhe von 10.000,-- € in den Bescheiden vom 3. Juni 2019 (2.) hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.

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1. Der gegen die für sofort vollziehbar erklärte bauliche Anordnung in den Ziffern 1 und 2 der Bescheide vom 15. März 2019 gerichtete Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die von den Antragstellern beanspruchte Entscheidung auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs ist nicht gerechtfertigt, weil das für die Durchsetzung der Anordnung sprechende öffentliche Vollzugsinteresse ihr Wiederherstellungsinteresse überwiegt. Die angegriffenen (inhaltlich identischen) Bescheide der Antragsgegnerin werden einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich standhalten.

3

Es ist zunächst festzustellen, dass die in den Bescheiden unter Ziffer 5 erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung der brandschutzrechtlichen Aufforderungen in formeller Hinsicht keine Beanstandung unterliegt. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung für den Sofortvollzug genügt den formellen Anforderungen an die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hiernach ist die Behörde verpflichtet, mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht nur formelhaften Begründung darzulegen, warum ein besonderes Interesse gerade an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts besteht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 16.3.2007 – 7 B 10090/07 –, juris, Rn. 3). Die Antragsgegnerin hat diese formelle Begründungspflicht erfüllt, indem sie auf eine nun sofort wirksame Gefahrenabwehr bei unzureichender Brandschutzausstattung des in Rede stehenden Wohn- und Geschäftshauses abgestellt hat, nachdem eine einvernehmliche Lösung zur Behebung der Brandschutzmängel mit den Antragstellern nach mehrjährigen Bemühungen gescheitert ist. Um den erheblichen Gefahren im Brandfall kurzfristig wirksam zu begegnen, ist die Annahme eines überwiegenden Vollzugsinteresses darüber hinaus hier – unter Berücksichtigung nachstehenden Ausführungen zu den materiellen Baumängeln des Gebäudes – auch der Sache nach gerechtfertigt (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 24.9.2018 – 2 B 211/18 –, BauR 2019, 485 und juris, Rn. 33).

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a) Für die Anordnung brandschutzrechtlicher Maßnahmen zur Ertüchtigung eines ersten (baulichen) Rettungswegs in dem im Eigentum der Antragsteller stehenden Wohn- und Geschäftshaus nach Ziffer 1 a und b der angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin – hier Einbau einer Rauchabzugsöffnung an der höchsten Stelle des Treppenhauses und einer der Rauchdichtigkeit dienenden absenkbaren Bodendichtung der Wohnungstür zur Dachgeschosswohnung des Gebäudes – dürfte als Grundlage schon § 59 Abs. 1 Satz 1 der Landesbauordnung – LBauO – heranziehbar sein (aa); die Verfügung wäre aber auch im Anwendungsbereich des § 85 Abs. 1 LBauO zulässig (bb).

5

aa) Die Bauaufsichtsbehörden werden auf der Grundlage von § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO nach der Art einer Generalklausel zum Erlass erforderlicher Maßnahmen ermächtigt (vgl. OVG RP, Urteil vom 12.12.2012 – 8 A 10875/12 –, BauR 2013, 760 und juris, Rn. 32). Tatbestandlich setzt ein Einschreiten nach dieser Vorschrift einen Verstoß einer baulichen Anlage oder einer anderen Anlage oder Einrichtung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 LBauO gegen formelles oder materielles Baurecht oder sonstige materielle öffentlich-rechtliche Vorschriften voraus. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

6

Die (einzige) Wohnung im Dachgeschoss des fünfstöckigen Gebäudes verfügt nicht über mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege und verstößt damit gegen § 15 Abs. 4 Satz 1 LBauO (der Sonderfall des § 15 Abs. 4 Satz 4 LBauO ist ersichtlich nicht gegeben). Der zweite Rettungsweg nach § 15 Abs. 4 Satz 3 LBauO zu der Dachgeschosswohnung ist nur unter Erschwernissen für die Feuerwehr erreichbar. Die Dachgaubenfenster zu der Wohnung sind wegen des Dachüberstands mit dem Rettungsgerät der Feuerwehr nur schwer zu erreichen. Die in der Etage über der Dachgeschosswohnung und von dieser aus zugängliche Dachterrasse hat eine Entfernung zur für die Feuerwehr anleiterbaren Dachtraufe von etwa 4 m, so dass nach der von der Bauaufsichtsbehörde eingeholten Stellungnahme der Feuerwehr vom 28. Januar 2019 eine Rettung von der Dachterrasse aus nicht möglich ist. Ein erster Rettungsweg zu der Dachgeschosswohnung (als alternativer zusätzlicher Fluchtweg) über das Treppenhaus genügt erst Recht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Rettungsweg zu der Wohnung muss über eine notwendige Treppe führen (§ 15 Abs. 4 Satz 2, § 33 Abs. 1 LBauO), die bei Gebäuden (wie hier) der Gebäudeklasse 5 zur Sicherstellung der Rettungswege aus den Geschossen ins Freie in einem eigenen, durchgehenden (notwendigen) Treppenraum liegen muss (§ 34 Abs. 1 Satz 1 LBauO). In Gebäuden der Gebäudeklasse 5 ist an der höchsten Stelle des notwendigen Treppenraumes zwingend eine Öffnung zur Rauchableitung erforderlich (§ 34 Abs. 11 Satz 3 LBauO). Über eine solche Einrichtung verfügt das Gebäude der Antragsteller unstreitig nicht – es findet sich keinerlei Öffnung im zum Dachgeschoss führenden Treppenraumabschnitt –, so dass die Antragsgegnerin zu Recht den Einbau einer 1 m² großen Rauchabzugsöffnung an der höchsten Stelle im Treppenraum vor der Dachgeschosswohnung verlangt hat (§ 34 Abs. 11 Satz 5 LBauO). Gemäß § 34 Abs. 11 Satz 6 LBauO durfte dabei gefordert werden, dass die Öffnung der Rauchabzugsanlage über eine Vorrichtung verfügt, die vom Erdgeschoss und vom obersten Treppenabsatz aus bedient werden kann. Im Hinblick auf die konkrete örtliche Situation (Treppenaufgang zur Dachgeschosswohnung mit Holztreppe, Dachschräge mit direkt anschließender Wohnungseingangstür) hält die eingeschaltete Feuerwehr es wegen Fehlens einer rauchdichten Brandschutztür am Eingang der Wohnung zur Abwehr der Gefahr, dass sich Brandrauch trotz geschlossener Eingangstür in die Dachgeschosswohnung ausbreitet, für zusätzlich erforderlich, dass die Rauchabzugsöffnung automatisch bei dem Auftreten von Rauch öffnet (vgl. die Stellungnahme der Feuerwehr vom 28. Januar 2019). Dem tragen die angegriffenen Bescheide in Ziffer 1 a Rechnung, indem sie die Herstellung einer Rauchabzugsöffnung, ausgestattet mit einer automatischen, rauchdetektionsgesteuerten Auslöseeinrichtung, aufgeben. Zur Verhinderung der Ausbreitung von Brandrauch in der Dachgeschosswohnung bedarf es nach der fachlichen Stellungnahme der Feuerwehr bei fehlender Brandschutztür darüber hinaus einer der Rauchdichtigkeit dienenden Bodendichtung an der Wohnungseingangstür. Auch diese beiden letzteren Anforderungen sind fachlich nachvollziehbar und finden ihre rechtliche Stütze letztlich in § 15 Abs. 1 LBauO, wonach bauliche Anlagen so beschaffen sein müssen, dass u.a. der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren und wirksame Löscharbeiten möglich sind (vgl. aber auch § 34 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3, Abs. 11 Satz 1 LBauO). Mit Blick auf vergleichbare Regelungen in § 34 Abs. 9 und 10 der seit dem 1. Oktober 2001 geltenden Vorfassung der aktuellen, erstmals eine Gebäudeklasse 5 einführenden Landesbauordnung ist auch nicht ersichtlich, dass der Dachgeschossbereich des Gebäudes der Antragsteller ohne eine Öffnung und ohne eine dicht schließende Wohneingangstür früher dem materiellen Recht entsprochen hätte. Insoweit obliegt im Übrigen dem Pflichtigen die Darlegungs- und Beweislast (vgl. OVG RP, Urteil vom 12.12.2012 – 8 A 10875/12 –, a.a.O. und juris, Rn. 39 f.).

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Angesichts des unzureichenden Anschlusses der Dachgeschosswohnung an geeignete brandschutzrechtliche Rettungswege bei einer brandanfälligen Gestaltung des Treppenaufgangs zu der Wohnung ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin bei der Auswahl der angeordneten Brandschutzmaßnahmen das ihr nach § 59 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 und § 34 Abs. 11 LBauO eröffnete Ermessen überschritten hätte. Der wiederholte Hinweis der Antragsteller, dass die geforderte Herstellung einer Öffnung an höchster Stelle des Treppenhauses in der massiven Betondecke die Statik des Hauses zu beeinträchtigen drohe, ist gänzlich unsubstantiiert geblieben.

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Die Antragsgegnerin hat das ihr zustehende Ermessen auch im Übrigen sachgerecht in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Es bestehen keine Bedenken, die in erster Linie auf die (mit strengeren Vorausaussetzungen ausgestattete) Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 1 LBauO bezogenen Ermessenserwägungen auch mit Blick auf § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin durfte bei Erlass ihrer Verfügungen insbesondere davon ausgehen, dass nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände im Dachgeschoss des Antragstellergebäudes herstellbar sind. Insbesondere musste sie nicht das Angebot der Kläger, eine rauchdichte Wohnungsabschlusstür für die Dachgeschosswohnung ein Stockwerk tiefer einzubauen, bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Insoweit sind die Antragsteller bislang den Nachweis schuldig geblieben, dass es sich dabei um eine gleich geeignete Maßnahme im Sinne der Anforderungen des bauordnungsrechtlichen Brandschutzes (§ 15 Abs. 1 LBauO) handelt.

9

Es ist nämlich grundsätzlich nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, eingehend zu prüfen, ob andere, ebenso geeignete Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind, z. B. ob dem rechtswidrigen Zustand durch bauliche Änderungen anstelle eines Abbruchs abgeholfen werden kann. Eine Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde, unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs ihrerseits nach anderen, ebenso geeigneten Maßnahmen zu suchen, kommt nur in Frage, wenn sich solche Maßnahmen aufdrängen. Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 12.06.1973 – IV B 58.72 –, BayVBl 1973, 412 und juris, Rn. 5), der sich die Kammer anschließt, Sache des Pflichtigen, ein geeignetes Austauschmittel vorzuschlagen:

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„Unzutreffend ist schließlich auch die Ansicht des Klägers, daß das zuständige Landratsamt mit der Beseitigungsverfügung deshalb gegen das Übermaßverbot verstoßen habe, weil es allenfalls eine den Kläger minder belastende (Änderungsmaßnahme) Maßnahme hätte anordnen dürfen. Der beschließende Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des I. Senats (vgl. Beschluß vom 8.Dezember 1964 - BVerwG I B 208.64 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG
Nr. 17a S. 53)) mehrfach ausgesprochen, daß es bei Beseitigungsverfügungen grundsätzlich nicht Sache der einschreitenden Behörde ist, in eingehendere Überlegungen darüber einzutreten, ob dem rechtswidrigen Zustand nicht vielleicht auch durch irgendwelche baulichen Änderungen abgeholfen werden könnte (vgl. die Beschlüsse vom 29. September 1965 - BVerwG IV B 214.65 - in Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 18 S. 54 (55), vom 16. Dezember 1965 - BVerwG IV B 104.65 - (S. 3) und vom 3. März 1966 - BVerwG IV B 30.66 - (S. 3)). Derartige Überlegungen anzustellen, ist Sache des jeweils Betroffenen, und zwar nicht nur, weil ihm die zu beantwortenden Fragen in der Regel leichter zugänglich sind, sondern ferner und vor allem deshalb, weil bei der Abwägung zwischen mehreren Möglichkeiten abzustellen ist nicht auf "objektive" Maßstäbe, sondern ausschlaggebend "auf die Interessenlage des Betroffenen, wie er selbst sie versteht und bewertet" (Urteile vom 19. Oktober 1966 - BVerwG IV C 57.64 - in MDR 1967, 241 (242) und vom 15. März 1968 - BVerwG IV C 126.65 - in Buchholz 406.33 § 12 LBG Nr. 5 S. 20 (21)). Zur Wahrung der Interessen des Betroffenen reicht aus, daß die Behörde an ihrer Beseitigungsverfügung nicht festhalten darf, wenn der Betroffene ein von ihm als milder empfundenes, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes ebenfalls geeignetes Mittel anbietet (vgl. dazu auch § 41 Abs. 2 PrPVG). …“

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Hiernach ist es erforderlich, dass der Betroffene selbst eine geeignete bauordnungsrechtliche Alternativmaßnahme benennt und ihre Wirksamkeit belegt. Der Bauherr ist dafür verantwortlich, dass die baurechtlichen und die sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden (§ 54 Abs. 1 LBauO). Deshalb kann auch von ihm (auf seine Kosten) verlangt werden, dass er die Geeignetheit der Alternativmaßnahme darlegt und nachweist, jedenfalls dann, wenn – wie hier – die vorgeschlagene andere Maßnahme von den in der Bauordnung im Einzelnen geregelten Brandschutzanforderungen abweicht und auch sonst keine verfügbaren Erkenntnisse über die Geeignetheit der Austauschmaßnahme vorliegen. Die vorzitierte Rechtsprechung kann keineswegs so verstanden werden, dass der Verweis des Betroffenen auf irgendeine Alternativmaßnahme ohne Klarheit über ihre Geeignetheit zur Einhaltung bauordnungsrechtlicher Vorschriften schon ausreicht. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich hinreichend, dass die Antragsgegnerin im Laufe der Gespräche über die Anpassung des Gebäudes an die Brandschutzvorschriften auch auf alternative Vorschläge der Antragsteller eingegangen ist. Eine Klärung auf diesem Weg ist jedoch gescheitert, weil die Antragsteller letztlich nicht bereit gewesen sind, für insoweit erforderliche Sachverständigenkosten aufzukommen.

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bb) Die Anordnung, eine Rauchabzugsöffnung herzustellen und die Wohnungstür im Dachgeschoss mit einer Rauchdichtigkeitsschwelle auszustatten, kann auf (die speziellere Regelung des) § 85 Abs. 1 LBauO gestützt werden, wenn der Anwendungsbereich dieser Vorschrift eröffnet ist. Dieser setzt nämlich eine bestandsgeschützte bauliche Anlage voraus, für die sich nachträgliche Anforderungen zur Abwehr konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für Leben oder Gesundheit, als erforderlich erweisen (vgl. OVG RP, Urteil vom 12.12.2012 – 8 A 10875/12 –, a.a.O. und juris, Rn. 27 ff.; Beschluss vom 29.6.2004 – 8 A 10899/04 –, NVwZ-RR 2005, 318 und juris, Rn. 3).

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Zwar ist die Gefahrenschwelle der Vorschrift vorliegend als erreicht anzusehen, die bei der nachträglichen Anordnung von Brandschutzmaßnahmen nach allgemeiner Rechtsprechung nicht die Feststellung einer hohen Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt in absehbarer Zeit voraussetzt, sondern die fachkundige Feststellung, dass nach den örtlichen Gegebenheiten der Eintritt eines erheblichen Schadens nicht ganz unwahrscheinlich ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 12.12.20112 – 8 A 10875/12 –, a.a.O. und juris, Rn. 30 m.w.N.; OVG Saarland, Beschluss vom 24.9.2018 – 2 B 211/18 –, a.a.O. und juris, Rn. 21). Eine konkrete Gefahr ist hier nach fachlicher Feststellung der Feuerwehr vom 28. Januar 2019 gegeben, denn das Gebäude der Antragsteller verfügt hinsichtlich seiner Dachgeschosswohnung nur über einen unsicheren zweiten Rettungsweg von außen, während eine zuverlässige Rettungsmöglichkeit für die Bewohner über das Treppenhaus und ein Schutz vor Eindringen von Rauch in die Wohnung nicht gewährleistet sind.

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Allerdings spricht vieles dafür, dass das in Rede stehende Gebäude hinsichtlich brandschutzrechtlicher Anforderungen des Bauordnungsrechts keinen Bestandsschutz im Sinne von § 85 Abs. 1 LBauO genießt (vgl. dazu näher
OVG RP, Urteil vom 12.12.2012 – 8 A 10875/12 –, a.a.O. und juris, Rn. 29). Denn schon die Baugenehmigung vom 20. Juni 1983 verlangt nach Nr. 12 ihrer Auflagen an der obersten Stelle des Treppenraums eine Rauchabzugseinrichtung, die allerdings zu keiner Zeit hergestellt worden ist. Damit würde insoweit kein rechtmäßig bestehendes Gebäude gegeben sein. Ob sich eine die Bestandskraft hinsichtlich des Brandschutzes des Dachgeschosses sichernde Regelung aus der schriftlichen Feststellung des Bauamtes vom 17. Oktober 1986 ihrer Form und Inhalt nach herleiten lässt, nach der „der Einbau der Rauchabzugsklappe nicht unbedingt erforderlich ist, da ein 2. Rettungsweg von der Wohnung im Dachgeschoss im Brandfalle über die Dachterrasse vorhanden ist“, kann allerdings offenbleiben. Denn diese (nach aktueller brandschutzfachlicher Bewertung rechtswidrige, begünstigende) Regelung hat die Antragsgegnerin in ihren Bescheiden vom 15. März 2019 unter Ziffer 4 unter Abwägung des Vertrauensschutzes und des Interesses an rechtmäßigen Zuständen des Gebäudes im Hinblick auf die dort hinsichtlich des Brandschutzes im Dachgeschoss bestehende Gefahrenlage nach § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – ermessensfehlerfrei zurücknehmen dürfen (wenngleich insoweit keine Sofortvollzugsanordnung vorliegt). Entgegen der Ansicht der Antragsteller hat die Antragsgegnerin die Rücknahme nicht bedingt erklärt. Bedingungsfrei und eindeutig hat die Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht, dass sie an ihrer Erklärung vom 17. Oktober 1986 nicht mehr festhalten möchte. Sie hat lediglich die rechtliche Frage offengelassen, ob in der Regelung vom 17. Oktober 1986 eine Zusicherung im Sinne von § 38 VwVfG zu sehen ist und damit ein Verwaltungsakt vorliegt, der einer Rücknahme nach speziellen Vorgaben des § 48 VwVfG zugänglich ist. Die Antragsteller können der ausgesprochenen Rücknahmeerklärung auch nicht entgegenhalten, die Antragsgegnerin habe die Jahresfrist seit dem Zeitpunkt der Kenntnis von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen überschritten (§ 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG). Diese Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn die positive und vollständige Kenntnis aller Tatsachen im weitesten Sinne gegeben ist, die relevant für die Rücknahmeentscheidung der Verwaltung sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.3.1989 – 2 C 21/87 –, BVerwGE 81, 301 und juris, Rn. 23). Erst im Zeitpunkt der Erkenntnis auch der Rechtswidrigkeit und des Bewusstseins über die Notwendigkeit, wegen dieser Rechtswidrigkeit über eine eventuelle Rücknahme zu entscheiden, wird die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG in Lauf gesetzt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 48 Rn. 154 m.w.N.). Danach liegt hier keine Fristversäumung vor. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass nach dem Bekanntwerden u.a. von Brandschutzmängeln am Wohn- und Geschäftsgebäude im Jahr 2015 ein intensiver Kontaktaustausch zwischen den antragstellenden Eigentümern und der Antragsgegnerin begonnen hat. Dabei wurden (teilweise unter Beteiligung der Feuerwehr etwa bei der Gebäudebegehung vom 12. September 2017) Vorschläge zur Behebung der Mängel erörtert. Die Antragsteller haben dabei auch wiederholt mitgeteilt, zu brandschutztauglichen Änderungsmaßnahmen an dem Gebäude bereit zu sein. Zu solchen Maßnahmen ist es indes bisher nicht gekommen. Nachdem zuletzt im November 2018 unklar gewesen ist, ob die Antragsteller überhaupt noch entsprechende Maßnahmen herbeizuführen beabsichtigen und ein auf Alternativmaßnahmen gerichtetes Brandschutzgutachten vorlegen werden (vgl. Bl. 39 der Verwaltungsakte 63 WI-2017-195 6-4), war es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, eine schriftliche Stellungnahme der Feuerwehr einzuholen, um auf dieser Basis sicher entscheiden zu können, welcher unumgänglichen Brandschutzmaßnahmen es bedarf, um der Gefahrenlage nunmehr Rechnung zu tragen. Nach der Vorlage der Stellungnahme der Feuerwehr vom 28. Januar 2019 hat die Antragsgegnerin dann zeitnah die angegriffenen Bescheide vom 15. März 2019 erlassen. Es kann der Antragsgegnerin nicht vorgehalten werden, dass sie in Absprache mit den Antragstellern (insbesondere nach deren Widerspruch gegen die erste, nunmehr mit dem angegriffenen Bescheid widerrufene Brandschutzverfügung) versucht hat, eine einvernehmliche Lösung der Problematik herbeizuführen. Wenn dieses Vorgehen auf Seite der Bauherren dann deshalb scheitert, weil von ihnen Brandschutzmaßnahmen weiterhin nicht ergriffen werden, dann kann dies nicht der Bauaufsichtsbehörde vorgehalten werden, die sich an die – zum Schutz des von der Rücknahme Betroffenen bestehende – Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zu halten hat. Auf die Baugenehmigung vom 20. Juni 1983 mit der damaligen Auflage der Herstellung einer Rauchabzugseinrichtung kann es für den Beginn des Fristablaufs schon wegen der späteren schriftlichen Regelung vom 17. Okto-ber 1986 mit dem Absehen von der Herstellung dieser Einrichtung nicht maßgeblich ankommen.

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b) Gemäß § 56 a Abs. 2, Abs. 1, § 78 Abs. 7 LBauO darf die Antragsgegnerin von den Bauherren verlangen, dass sie einen im Brandschutz versierten Bauleiter für die angeordneten Brandschutzmaßnahmen beauftragen und einen Nachweis vorlegen, dass dieser die Durchführung der aufgegebenen Maßnahmen übernimmt bzw. überwacht und eine Brandschutzkonformitätsbescheinigung nach deren Abschluss vorlegt. Mängel hinsichtlich der insoweit in Ziffer 2 der angegriffenen Bescheide enthaltenen Regelungen sind nicht ersichtlich.

16

c) Soweit sich die Antragsteller mit ihrem Antrag zugleich auch gegen die in den Bescheiden vom 15. März 2019 enthaltenen Zwangsgeldandrohungen – differen-ziert nach den drei Anordnungsgegenständen – wenden, ist ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 20 des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO – statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ein fehlerhaftes Vorgehen der Antragsgegnerin mit Blick auf die Vorschriften in §§ 61 ff. des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes – LVwVG – ist nicht ersichtlich und auch nicht dargetan worden. Wie ausgeführt, erweisen sich die zu vollstreckenden Verwaltungsakte als voraussichtlich rechtmäßig.

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2. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 20 AGVwGO zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat auch gegen die unter dem 3. Juni 2019 ergangenen Zwangsgeldfestsetzungen betreffend die Umsetzung der Ziffer 2 der Bescheide vom 15. März 2019 keinen Erfolg. Auch insoweit sind Rechtsfehler nach den §§ 61 ff. LVwVG nicht ersichtlich. Ein vollstreckbarer Verwaltungsakt im Sinne von § 2 AGVwGO liegt vor; Rechtsfehler der Grundverfügung sind – wie ausgeführt – voraussichtlich nicht gegeben.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

19

Die Festsetzung des Streitgegenstandswerts beruht auf § 52, § 53 Gerichts-kostengesetz – GKG – i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57). Für den Streitwert hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 der Verfügung vom 15. März 2019 hat die Kammer die Summe der angedrohten Zwangsgelder (insgesamt 20.000,-- €) in Ansatz gebracht, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um die Hälfte zu reduzieren ist. Der Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 3. Juni 2019 ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit 1/8 des festgesetzten Zwangsgeldes zu veranschlagen gewesen.

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