Urteil vom Verwaltungsgericht Minden - 3 K 694/90
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte oder der Beigeladene zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
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Tatbestand:
2Der am . Oktober 1941 geborene Beigeladene - ein türkischer Staatsangehöriger - ist seit 1969 bei der Klägerin, einem holzverarbeitenden Unternehmen mit über 1.200 Arbeitsplätzen, als Arbeiter beschäftigt. Er war bis Oktober 1986 mit einem Grad der Behinderung von 50 als Schwerbehinderter anerkannt. Durch Bescheid des Versorgungsamtes B. vom 14. Oktober 1986 wurde der Grad der Behinderung (GdB) des Beigeladenen auf 60 festgesetzt. Bescheide des Versorgungsamtes B. vom 12. September 1988 und 9. Oktober 1989, in denen der GdB auf 30 festgesetzt worden war, hob das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1990 auf. Der Beigeladene leidet vor allem unter chronischer Raucher-Bronchitis nach früherer Lungentuberkulose, wiederkehrenden Magen-Darm- Schleimhautentzündungen, einer Fehlhaltung der Wirbelsäule und einer beginnenden Herzleistungsminderung. Er ist zwei Kindern unterhaltsverpflichtet. Seine Ehefrau ist berufstätig. Bei der Klägerin ist er als Sortierer und Abnehmer hinter einer Plattenzerteilanlage tätig.
3Unter dem 26. April 1985 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Beigeladenen wegen Verstoßes gegen das betriebliche Rauchverbot. Der Beklagte verweigerte die Zustimmung. Er wurde daraufhin durch Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 4.6.1987 (7 K 135/86) - bestätigt durch Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14.3.1989 (13 A 1848/87) - zur Neubescheidung verpflichtet. Inzwischen hat die Klägerin die Kündigung ausgesprochen. Die Zustimmung des Widerspruchsausschusses bei der Hauptfürsorgestelle des Landschaftsverbandes W. zu dieser Kündigung ist Gegenstand des Verfahrens 3 K 795/90 VG Minden.
4Unter dem 28. Juni 1988 beantragte die Klägerin ferner die Zustimmung des Beklagten zu einer beabsichtigten Kündigung, die sie mit krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Beigeladenen im Zeitraum 1985 bis Mai 1988 begründete, und zwar soll der Beigeladene gefehlt haben:
51985 81 Tage 1986 259 Tage 1987 202 Tage 1/88 20 Tage 2/88 0 Tage 3/88 5 Tage 4/88 15 Tage 5/88 18 Tage
6Die Entwicklung zeige, daß mit weiteren Fehlzeiten zu rechnen sei. Der betriebliche Ablauf werde durch die Fehlzeiten in nicht mehr hinnehmbarer Weise gestört.
7Am 27. September 1988 wurde der Beigeladene amtsärztlich untersucht. Im Gutachten vom 4. Oktober 1988 kam der untersuchende Arzt, Dr. S., zu folgender Beurteilung:
8".. ist ihm im Rahmen dieses Krankheitsbildes eine schwere körperliche Tätigkeit mit andauerndem Heben und Tragen von Lasten sicherlich nicht zumutbar. Wie Herr T. berichtet, muß er augenblicklich Spanplatten zusammen mit einem anderen Kollegen von der Maschine heben und stapeln. Dabei müsse er sich auch häufig bücken, um die Platten abzulegen. Diese hätten ein Gewicht von 10-12 kg, ab und zu auch bis 20 kg. Das Arbeitstempo könne er nicht selbst bestimmen, es sei durch die Maschine vorgegeben. Eine derartige Tätigkeit ist vollschichtig sicherlich schon als mittel- bis teilweise schwere Arbeit einzustufen. Von medizinischer Sicht aus wäre diese für Herrn T. somit nicht geeignet. Arbeitsunfähigkeit liegt bei Herrn T. keineswegs vor. Er ist ohne weiteres in der Lage, eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit ganztags auszuüben. Optimal wäre, falls dabei wechselnde Positionen ... eingenommen werden könnten".
9Bei einer von der Hauptfürsorgestelle durchgeführten Betriebsbesichtigung vom 18. Oktober 1988 wies ein Angestellter der Klägerin darauf hin, daß der Beigeladene bereits fünfmal ohne Erfolg innerbetrieblich umgesetzt worden sei. Der technische Berater des Beklagten schlug vor, zur Verringerung der körperlichen Belastung den Arbeitsplatz des Beigeladenen mit einer Luftkissenanlage und Scherenhebetischen zu versehen. Dies solle eine Übergangslösung sein, bis eine von der Klägerin geplante Umstellung auf eine automatisierte Zuschneide- und Stapelanlage realisiert werde. In dem Bericht über die Betriebsbesichtigung wird zudem ausgeführt:
10"Es wurde vereinbart, daß der Arbeitgeber zumindest überschlägig die Kosten für die Ausstattung des Arbeitsplatzes ermittelt und diese der Fürsorgestelle .. mitteilt. Für die Verwirklichung der Maßnahme ist für den Arbeitgeber die Höhe des zu erwartenden Zuschusses aus Mitteln der Ausgleichsabgabe ausschlaggebend. Eine Entscheidung hierzu kann jedoch erst nach Vorlage der Kostenübersicht erfolgen."
11Am 10 August 1989 untersuchte der Werksarzt der Klägerin, Dr. K., den Beigeladenen. In seinem Bericht vom 22. August 1989 kam er zu dem Ergebnis , daß der Beigeladene nicht in der Lage sei, die bisherige Tätigkeit weiterhin regelmäßig auszuführen. Der Beigeladene wies darauf hin, daß die Fehlzeiten vornehmlich auf eine Lungentuberkulose aus dem Jahre 1986 zurückzuführen sei. Diese Krankheit sei nunmehr abgeklungen. Deshalb sei auch der Grad der Behinderung vorübergehend niedriger festgesetzt worden. Der Vertrauensmann der Schwerbehinderten gab unter dem 12. Juli 1988 gegenüber der örtlichen Fürsorgestelle eine Stellungnahme ab. Das Arbeitsamt D. äußerte arbeitsmarktpolitische Bedenken.
12Mit Bescheid vom 6. September 1989 versagte der Beklagte die beantragte Zustimmung. Zur Begründung führte er aus: Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei der Klägerin zumutbar, da die Prognose, was zukünftige Fehlzeiten des Beigeladenen angehe, günstig sei. Die Behinderung "Lungentuberkulose" habe sich gebessert. Seit Mai 1989 seien keine krankheitsbedingten Fehlzeiten mehr entstanden. Die werksärztliche Feststellung, daß der Beigeladene nicht in der Lage sei, seine bisherige Tätigkeit auf Dauer auszuführen, sei unbeachtlich, da die Klägerin entgegen der Vereinbarung vom 22. Mai 1989 auf den Vorschlag der Hauptfürsorgestelle zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes nicht reagiert habe. Weiter habe es die Klägerin dem beratenden Ingenieur nicht ermöglicht, geeignete Alternativen im Betrieb zu ermitteln. Somit habe es die Klägerin zu vertreten, daß der Beigeladene an dem bisherigen Arbeitsplatz nicht zurechtkomme. Zu Gunsten des Beigeladenen seien die geringe Vermittlungschance und die lange Betriebszugehörigkeit berücksichtigt worden.
13Am 25. September 1989 erhob die Klägerin Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens trug der Betriebsrat der Klägerin schriftlich Bedenken gegen die Kündigung vor. Auf Nachfrage des Beklagten teilte die Klägerin mit, daß es ihr vorrangig um die erneute Bescheidung des Zustimmungsantrages aus dem Jahre 1985 gehe. In diesem Zusammenhang spiele die Weiterbeschäftigung des Beigeladenen auf anderen Arbeitsplätzen keine Rolle, da der Kläger mehrfach gegen das betriebliche Rauchverbot verstoßen habe und sich die von derartigen Verstößen ausgehenden Brandgefahren an jedem Arbeitsplatz verwirklichen können. Aus diesem Grund sei sie gegenwärtig nicht bereit, auf eigene Kosten weitere Ermittlungen anzustellen. Dies sei ihr im übrigen auch deshalb unzumutbar, weil das Verwaltungsgericht Minden und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen sie in dem Verfahren, das zur Neubescheidung Ihres Antrags geführt habe, in ihrer Auffassung bestätigt hätten, daß ihrem Kündigungsinteresse erhebliches Gewicht zukomme. Die Klägerin ergänzte die Aufstellung der krankheitsbedingten Fehlzeiten dahingehend, daß der Beigeladene im Jahre 1988 an 84 Arbeitstagen und bis Oktober 1989 an 27 Arbeitstagen gefehlt habe.
14Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1990 - der Klägerin am 7. März 1990 zugestellt - wies der Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten den Widerspruch zurück, soweit er den Antrag vom 28. Juni 1988 betraf. Zur Begründung führte er aus: Die Klägerin sei ihrer Verpflichtung aus § 14 SchwbG und ihren Mitwirkungspflichten bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht nachgekommen. Eine eingehende Prüfung, ob der Arbeitsplatz des Beigeladenen verändert werden könne oder eine andere geeignete Verwendung des Beigeladenen möglich sei, sei durch das Verhalten der Klägerin unmöglich geworden. Soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt worden sei, gehe dies zu Lasten der Klägerin. Zudem sei davon auszugehen, daß die technische Umgestaltung und die damit verbundenen Kosten unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit des Beigeladenen zumutbar seien. Auch seien die Fehlzeiten seit den erheblichen Ausfällen in den Jahren 1986 und 1987 zurückgegangen. Die Prognose sei günstig, da die Lungentuberkulose abheile. Es sei unwahrscheinlich, daß in Zukunft erhebliche Fehlzeiten entstünden.
15Am 21. März 1990 hat die Klägerin Klage erhoben, die sie wie folgt begründet: Sie habe durch ihre Umsetzungsbemühungen alles Zumutbare getan, um einen anderen innerbetrieblichen Arbeitsplatz für den Beigeladenen zu finden. Weitere Maßnahmen seien unzumutbar gewesen, da eine behindertengerechte Umgestaltung nur durch Installationen einer automatisierten Anlage erfolgen könne, deren Kosten erheblich seien. Die Kostenermittlung für die technische Umrüstung sei Sache des Beklagten.
16Die Klägerin beantragt,
17den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 6. September 1989 sowie des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Beklagten vom 26. Januar 1990, soweit er entgegensteht, zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 28. Juni 1988 auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20In Ergänzung der Begründung in den angefochtenen Bescheiden trägt er vor, daß die Klägerin einen zweiten Besuch des beratenden Ingenieurs mit der Begründung abgelehnt habe, sie wolle nunmehr eine Entscheidung. Er, der Beklagte, habe bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides keine Kenntnis davon erhalten, daß die Klägerin nach überschlägiger Berechnung die Kosten für eine technische Umgestaltung als zu hoch eingeschätzt und die Gewährung eines Zuschusses als unrealistisch bewertet habe.
21Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
22die Klage abzuweisen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefte) Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat trotz der bereits ausgesprochenen verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung eines zweiten Zustimmungsverfahrens. Im jetzigen Zeitpunkt ist nämlich ungewiß, ob die bereits ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das betriebliche Rauchverbot Bestand haben wird. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der ablehnende Bescheid des Beklagten (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) rechtmäßig ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Neubescheidung ihres Antrags auf Zustimmung des Beklagten zur ordentlichen Kündigung des Beigeladenen (Vgl. § 113 Abs. 4 VwGO).
26Rechtsgrundlage des ablehnenden Bescheides ist § 15 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 26. August 1986 (BGBl I, S. 1421). Danach bedarf die Kündigung eines Schwerbehinderten der vorherigen Zustimmung durch die Hauptfürsorgestelle. Der Beigeladene unterfällt diesem Sonderkündigungsschutz, da er aufgrund seiner körperlichen Behinderung Schwerbehinderter im Sinne des § 1 SchwbG ist. Sein Grad der Behinderung betrug stets wenigstens 50. Diejenigen Bescheide des Versorgungsamtes B,, in denen wegen einer Besserung des Krankheitsbildes ein GdB von nur noch 30 festgestellt wurde, stehen dem nicht entgegen. Abgesehen davon, daß ihnen ohnehin keine rechtsbegründende Bedeutung bezüglich der Feststellung der Behinderung zukommt
27Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1988 - 5 C 67/85 -, DÖV 89, 819;
28sind sie aufgehoben und durch den Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 1990 ersetzt worden. Es besteht daher kein Grund, den Grad der Behinderung des Klägers niedriger als mit 50 anzunehmen.
29Der Bescheid ist in formeller Hinsicht rechtmäßig erlassen worden. Insbesondere sind die gemäß § 17 Abs. 2 SchwbG erforderlichen Stellungnahmen jedenfalls bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides eingeholt worden.
30Inhaltlich unterliegt die Entscheidung des Beklagten (und des Widerspruchsausschusses) nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, da es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Das Gericht prüft nach § 114 VwGO lediglich, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Ermessen in der Weise auszuüben, daß das Interesse des Arbeitgebers an der wirtschaftlichen Nutzung der vorhandenen Arbeitsplätze gegen die Interessen des Schwerbehinderten an dem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses abgewogen wird. Dabei ist zu beachten, daß das Schwerbehindertengesetz in erster Linie ein Fürsorgegesetz ist. Der Schwerbehinderte soll gegenüber dem Gesunden nicht ins Hintertreffen geraten. Er soll sich trotz seiner Behinderung als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft fühlen können. Andererseits muß die Hauptfürsorgestelle darauf achten, daß sie möglichst viel von der Gestaltungsfreiheit des Betriebsinhabers erhält. Keinesfalls darf diese Freiheit ausgehöhlt werden. Der Schwerbehindertenschutz bezweckt daher nicht, den Schwerbehinderten praktisch unkündbar zu machen.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1968 - 5 C 33/66 -, BVerwGE 29, Nr. 26;
32Um eine sachgerechte, an dem Schutzcharakter des Schwerbehindertengesetzes ausgerichtete, Ermessensentscheidung treffen zu können, muß die Behörde all das in ihre Erwägungen einstellen, was für die Interessenabwägung von Bedeutung ist. Sie muß also den insoweit entscheidungserheblichen Sachverhalt aufklären und sich eine eigene Überzeugung von der Richtigkeit der für ihre Entscheidung maßgeblichen Behauptungen verschaffen.
33Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. April 1989 - 6 S 1297/88 -;
34Hier hat der Beklagte seine Entscheidung getroffen, obwohl er nicht alle entscheidungserheblichen Umstände des Sachverhalts ermittelt hat (1). Er durfte dies tun, weil die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nicht genügte (2). Die Entscheidung des Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen ermessensfehlerhaft (3).
35(1) Für die Interessenabwägung war hier von Bedeutung, ob weitere erhebliche Fehlzeiten des Beigeladenen durch eine technische Umgestaltung des bestehenden Arbeitsplatzes vermeidbar waren. Diesem Umstand kommt nämlich bei der Frage eine wesentliche Bedeutung zu, ob einer Kündigung aus Gründen, die in der Behinderung des Schwerbehinderten ihre Ursache haben, zuzustimmen ist. In der Rechtsprechung ist geklärt, daß es einem Arbeitgeber zwar nicht zumutbar ist, einen Schwerbehinderten gegen alle Gesetze wirtschaftlicher Vernunft weiterzubeschäftigen. In der Regel braucht er sich nicht mit unzureichenden oder nicht erbrachten Arbeitsleistungen zufrieden zu geben.
36Vgl. BVerwG, Beschluß vom 16. Juni 1990 - 5 B 127/89 -, JURIS Dokument Nr. 545453 m.w.N.; OVG NW, Urteil vom 13. Februar 1989 - 13 A 1536/86 -;
37Bevor sich der Arbeitgeber aber mit Erfolg auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung berufen kann, muß er die (wirtschaftlich sinnvollen) Möglichkeiten ausschöpfen, die zur Wiederherstellung der Arbeitsleistung führen können. Insbesondere ist es dem Arbeitgeber in aller Regel zumutbar, dem Schwerbeschädigten, der wegen einer Behinderung die am bisherigen Arbeitsplatz anfallenden Arbeiten nicht mehr verrichten kann, einen geeigneten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, wenn ein solcher vorhanden ist. Dies ist kein "Durchschleppen", sondern folgt aus der gesteigerten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem bei ihm beschäftigten Schwerbehinderten. Das Bemühen um einen anderen geeigneten Arbeitsplatz muß von fürsorgerischem Denken und Fühlen getragen sein. Dabei sind Arbeitsfähigkeit und Arbeitswille des Schwerbehinderten, die Verhältnisse und Ordnung im Betrieb sowie der Betriebsfrieden zu berücksichtigen.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1968 a.a.O. und VGH Baden-Württemberg, a.a.O.
39Diesen Anforderungen hatte die Klägerin zunächst genügt, indem sie den Beigeladenen mehrfach innerbetrieblich auf anderen Arbeitsplätzen einsetzte, ohne daß dadurch allerdings eine Besserung eintrat. Neben der Umsetzung kam aber auch eine Veränderung des bestehenden Arbeitsplatzes in Betracht. Von dieser Alternative geht auch der Gesetzgeber aus, indem er in § 14 Abs. 3 SchwbG die Verpflichtung des Arbeitgebers regelt, den Arbeitsplatz mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen auszustatten, sofern dies mit verhältnismäßigen Aufwendungen zumutbar ist. Diese Alternative kam hier ernsthaft in Betracht. Der beratende Ingenieur des Beklagten hatte nämlich der Klägerin einen konkreten und plausiblen Vorschlag zur Umrüstung des Arbeitsplatzes unterbreitet. Daß eine technische Umrüstung geeignet war, die Fehlzeiten des Beigeladenen zu vermindern, folgt aus den Untersuchungsberichten des Amts- und des Werksarztes. Danach stand nämlich fest, daß der Beigeladene zwar die bisherige Tätigkeit nicht ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen fortsetzen konnte, er aber mit leichten und mittleren Arbeiten belastbar war. Folglich spielte die Frage der Realisierung technischer Arbeitshilfen mittels Umgestaltung des bestehenden Arbeitsplatzes eine wichtige Rolle bei der Interessenabwägung.
40(2) Bei diesem Sachstand oblag es nun der Klägerin, den substantiiert dargelegten Vorschlag der Hauptfürsorgestelle hinsichtlich der Kosten und der Realisierung zu überprüfen. Zwar hat die Behörde den Sachverhalt in der Regel von Amts wegen aufzuklären. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. Allerdings sollen die Beteiligten dabei mitwirken. Sie sollen insbesondere die ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel angeben (vgl. §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 2 SGB X). Die Verpflichtung der Behörde zur Aufklärung des Sachverhalts endet aber dort, wo Beteiligte ihre Pflicht zur Mitwirkung nicht erfüllen.
41Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 11. September 1984 - 17 K 1383/82 -, BehR 84, 38(40); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. Mai 1988 - 2 K 326/88 -, BehR 89,46;
42So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat ihre Mitwirkungspflicht nicht erfüllt, weil sie dem Beklagten gegenüber keine Stellungnahme zu dem Vorschlag der Umgestaltung abgegeben hat. Hierzu war sie verpflichtet, weil sie als ein großes Unternehmen über die besseren Möglichkeiten verfügte, sich über die Kosten und den möglichen Einsatz der vorgeschlagenen Arbeitshilfen zu informieren. Insbesondere war sie aufgrund ihrer Kenntnisse der eigenen Betriebsabläufe besser als der Beklagte in der Lage, den Vorschlag zu prüfen. Zu einer solchen Prüfung war sie auch deshalb verpflichtet, weil sie sich dem Beklagten gegenüber dazu bereiterklärt hatte. Bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens hat sie aber nicht zu erkennen gegeben, daß sie eine technische Umrüstung als von vornherein sinnlos erachtete und deshalb von ihrem Einverständnis wieder abrücken wolle. Die erst im Klageverfahren geltend gemachte Höhe der Kosten und der Einwand der daraus resultierenden Unzumutbarkeit sind unbeachtlich, weil der Beklagte von Anfang an einen Zuschuß aus der Ausgleichsabgabe in Aussicht gestellt hatte, vgl. § 14 Abs. 3 Satz 4 SchwbG. Dieser Umstand erhöht die Anforderungen an die Mitwirkungspflicht der Klägerin. Wenn eine Fremdfinanzierung angeboten wird, so gebietet es die Fürsorgepflicht gegenüber dem schwerbehinderten Arbeitnehmer, sich um eine Deckungszusage zu bemühen. Zu diesen Bemühungen gehört auch die Beibringung der notwendigen Berechnungsunterlagen. Erst dann ist es Sache des Beklagten, zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Finanzierung erfolgen kann.
43Vgl. BVerwG, Beschluß vom 16. Juni 1990, a.a.O. zum Angebot einer drittfinanzierten Umschulung.
44Dies gilt auch für den Fall, daß sich die Klägerin von dem Beigeladenen aus anderen Gründen in jedem Fall trennen wollte, da nicht sie, sondern der Beklagte das Risiko einer vielleicht überflüssigen Investition getragen hätte. Wenn die Klägerin aus anderen Gründen, die in der Person des Beigeladenen bzw. in den Verstößen des Klägers gegen das betriebliche Rauchverbot liegen mögen, ihre Mitwirkung für unzumutbar hielt, so hätte sie dies geltend machen müssen. Dies hat sie nicht getan. In ihrer Stellungnahme während des Widerspruchsverfahrens hat sie die Frage der Umsetzung und der weiteren Ermittlungen allein im Hinblick auf den ersten Kündigungsantrag aus dem Jahre 1985 gewürdigt. Den Kündigungsantrag, der in dem hier zu entscheidenden Verfahren maßgebend ist, hat sie dagegen ausschließlich auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützt, so daß der Beklagte keine Veranlassung hatte, die Verstöße des Beigeladenen gegen das Rauchverbot und deren eventuelle Folgen für die Zumutbarkeit einer technischen Arbeitshilfe gemäß § 14 Abs. 3 SchwbG in seine Entscheidung einzubeziehen. Maßgeblich ist nämlich nur der Sachverhalt, den der Arbeitgeber zur Begründung des Kündigungsantrags anführt.
45Vgl. OVG NW, Urteil vom 25. Juli 1989 -13 A 340/88-, S. 11 und 13 des Abdrucks.
46Der Umstand, daß nicht geklärt worden ist, ob eine technische Umgestaltung zur Verminderung der krankheitsbedingten Fehlzeiten geeignet und zumutbar ist, fällt somit der Klägerin zur Last. Dies gilt auch entsprechend für die Verweigerung der Betriebsbesichtigung durch einen technischen Berater des Beklagten. Es war der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs und der Monatsfrist in § 18 Abs. 1 SchwbG zumutbar, den Besuch zu ermöglichen. Dieser Besuch hätte unverzüglich erfolgen können und daher die Entscheidungsfindung nicht wesentlich herausgezögert. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Betriebsbesichtigung eine übermäßige Belastung der Klägerin bedeutet hätte.
47(3) Der Beklagte ist sodann ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Er ist unter Würdigung der ihm bekannten Tatsachen, nämlich der ärztlichen Stellungnahmen, des Berichtes seines technischen Beraters, des Verlaufs der Fehlzeiten, und nach sachgerechter Abwägung der Interessen zu einem rechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt. Gemäß Art. 2 § 2 des Entlastungsgesetzes sieht die Kammer insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da sie der Begründung des Widerspruchsbescheides folgt.
48Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser mit der Stellung eines Antrags ein Kostenrisiko auf sich genommen hat. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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