Urteil vom Verwaltungsgericht Minden - 5 K 4074/99.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Auf den zu seinem am 09.08.1999 gestellten Asylantrag ergangenen Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) vom 01.12.1999 hat der Kläger am 13.12.1999 Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und die Feststellung nach § 51 Abs. 1 - hilfsweise über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG - zu treffen. Nachdem dem Gericht von der zuständigen Ausländerbehörde mit Schreiben vom 10.10.2000 mitgeteilt worden war, der Kläger sei untergetaucht und zur Fahndung ausgeschrieben worden, erging auf Grund Verfügung des gem. § 76 Abs. 1 AsylVfG zuständigen Einzelrichters vom 13.10.2000 folgende Aufforderung an die Prozessbevollmächtigten des Klägers:
3"Sehr geehrte Damen!
4Sie werden aufgefordert, die ladungsfähige Adresse des Klägers mitzuteilen. Wird dieser Aufforderung binnen eines Monats nicht nachgekommen, gilt die Klage kraft Gesetzes als zurückgenommen (§ 81 AsylVfG). Der Kläger trägt dann die Kosten des Verfahrens (§ 83 b Abs. 1 AsylVfG). Sind Sie vom Kläger - in welcher Form - über seinen Verbleib, evtl. in Verbindung mit Hinweisen zum Verfahrensbetrieb, informiert worden?"
5Hierauf teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit am 13.11.2000 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 10.11.2000 mit, dass der Kläger seit Anfang November 2000 wieder unter der alten Anschrift H. Straße 5, C. lebe und gemeldet sei.
6Mit Beschluss vom 21.11.2000 stellte sodann das Gericht das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO ein, da die Klage wegen unvollständiger Erledigung der Betreibensaufforderung vom 13.10.2000 gem. § 81 S. 1 AsylVfG als zurückgenommen gelte.
7Mit Schriftsatz vom 05.12.2000 beantragt der Kläger, das Verfahren fortzusetzen sowie ihm gegen die Versäumung der Frist gem. § 81 AsylVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger macht geltend und legt näher dar, er sei mit seinem Schriftsatz vom 10.11.2000 der gerichtlichen Betreibensaufforderung nachgekommen. Die in der Verfügung vom 13.10.2000 enthaltene gerichtliche Anfrage ("Sind Sie ...?") sei nicht Bestandteil der Betreibensaufforderung gewesen, weil sie unterhalb des Hinweises auf die fiktive Klagerücknahme aufgeführt gewesen sei. Wenn diese Anfrage aber Bestandteil der Betreibensaufforderung gewesen sei, sei diese insoweit rechtswidrig gewesen; denn abgesehen davon, dass der Kläger sich ca. vier Wochen lang nicht in der Gemeinschaftsunterkunft aufgehalten habe und deshalb von der Stadt C. als untergetaucht gemeldet worden sei, hätten darüber hinausgehende Zweifel an der Weiterverfolgung seines Rechtsschutzbegehrens nicht bestanden. Seinen Willen, daran festhalten zu wollen, habe er daher durch seine fristgerechte Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift ausreichend dokumentiert.
8Im Übrigen sei ihm aber auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Frist zum Betreiben des Verfahrens hinsichtlich der Mitteilung, in welcher Form der Kläger seine Prozessbevollmächtigten über seinen Verbleib informiert habe und ob dies evtl. in Verbindung mit Hinweisen zum Verfahrensbetrieb geschehen sei, sei ohne Verschulden versäumt worden. Letzteres wird im Einzelnen in den Schriftsätzen vom 05. und 06.12.2000 einschließlich einer eidesstattlichen Versicherung der für die Sachbearbeitung eingeschalteten Kanzleimitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten des Klägers dargelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 02.01.2001 ergänzt bzw. korrigiert der Kläger seine Klagebegründung vom 13.12.1999 und trägt weiter vor, dass ihm jedenfalls hilfsweise ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG zustehe.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 01.12.1999 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - hilfsweise - da Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
11Die Beklagte hat schriftsätzlich Klageabweisung beantragt.
12Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist mangels noch bestehender Rechtshängigkeit der Streitsache mit deren durch die Klageschrift vom 13.12.1999 gekennzeichneten Streitgegenstand und daher auch wegen bereits eingetretener Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) des ablehnenden Bescheides des Bundesamtes der Beklagten vom 01.12.1999 unzulässig.
15Wird - wie hier nach Einstellung des Verfahrens wegen vom Gericht angenommener Klagerücknahme durch den Antrag des Klägers vom 05.12.2000 auf Fortsetzung des Verfahrens - eine durch ausdrückliche Prozesserklärung(en) oder auch wegen Klagerücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 VwGO eingetretene Verfahrensbeendigung bestritten bzw. in Zweifel gezogen, so ist hierüber - insoweit bereits in Fortsetzung des Verfahrens - auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden.
16Vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 12. Aufl., Rdnr. 28 zu § 92, 18 zu § 106 und 15 zu § 161.
17In einer solchen Verfahrenssituation ist nach Auffassung des Gerichts jedenfalls dann, wenn es wie im vorliegenden Falle in der mündlichen Verhandlung nicht zu Feststellungsanträgen bezüglich des Vorliegens bzw. der Wirksamkeit der Klagerücknahme kommt,
18vgl. dazu Sodan/Ziekow, Nomos-Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Rdnr. 44 zu § 92,
19unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 88 VwGO wie auch sonst in Klageverfahren nur zu den gestellten Anträgen der Parteien zu entscheiden. Dabei ist allerdings die inzident zu beantwortende Frage nach der Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Klagerücknahme für die Entscheidung über den weiterverfolgten Sachantrag von entscheidender Bedeutung. Erweist sich, dass eine Klagerücknahme nicht vorliegt und ist daher das Verfahren nicht wirksam beendet, sondern die Streitsache nach wie vor rechtshängig, so ist zur Sache zu entscheiden, soweit keine sonstigen Zulässigkeitsbedenken durchgreifen. Verhält es sich aber so, dass eine wirksame Klagerücknahme und damit auch die Verfahrensbeendigung durch Erlöschen der Rechtshängigkeit inzident festzustellen ist, dann ist der Weg zu einer Sachentscheidung versperrt, die Klage ist unzulässig. Letzteres aber trifft im vorliegenden Fall zu.
20Mit Ablauf der dem Kläger durch die Betreibensaufforderung vom 13.10.2000 gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten wirksam gesetzten Monatsfrist am 17.11.2000 ist die Rechtshängigkeit der Streitsache durch auf der gesetzlichen Fiktion nach § 81 S. 1 AsylVfG beruhende Klagerücknahme erloschen. Die hiergegen geltend gemachten Einwände des Klägers greifen nicht durch.
21Allerdings hat die erwähnte Klagerücknahmefiktion zur Voraussetzung, dass wegen beim Gericht aufgekommener konkreter Zweifel am Rechtsschutzinteresse des Klägers an diesen die Betreibensaufforderung ergangen ist. Dass dies hier der Fall war, nachdem dem Gericht von der zuständigen Ausländerbehörde ein Untertauchen des Klägers gemeldet worden war, ist zu bejahen, weil das von einem Asylkläger vorgenommene Verlassen seines bisherigen Aufenthaltsortes ohne jedwede Mitteilung an das Gericht, wie und wo er stattdessen künftig erreichbar sein soll, ein erhebliches Indiz für den Fortfall des Interesses an der Durchführung des Klageverfahrens darstellt. Auch vom Kläger wird hier nicht ernstlich in Zweifel gezogen, dass sein dem Gericht gemeldetes Untertauchen berechtigter Anlass für die gerichtliche Betreibensaufforderung vom 13.10.2000, soweit diese die Angabe der sog. ladungsfähigen Anschrift des Klägers zum Gegenstand hatte, war.
22Die gerichtliche Betreibensaufforderung umfasste darüber hinaus aber auch die im letzten Satz des Verfügungstextes vom 13.10.2000 enthaltene Anfrage an den Kläger. Diese war Bestandteil, und zwar ebenfalls ein in dem dargelegten Sinne rechtmäßiger Bestandteil der Betreibensaufforderung. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass die erwähnte Anfrage anders als die Aufforderung zur Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift nicht den nach § 81 S. 3 AsylVfG notwendigen Belehrungshinweisen textlich vorangestellt, sondern erst im Anschluss hieran aufgeführt worden war. Abgesehen davon, dass allein wegen der Äußerlichkeit dieser textlichen Gestaltung die in Satz 4 der Verfügung vom 13.10.2000 enthaltene Anfrage noch nicht zwangsläufig als eine von der Betreibensaufforderung in Satz 1 völlig losgelöste eigenständige Anfrage des Gerichts zu verstehen war, weil sie sich doch immerhin den ersten drei Sätzen der gerichtlichen Verfügung unmittelbar anfügte und nicht etwa davon durch eine einleitende Wendung wie "im Übrigen" oder "ferner", "außerdem" o.ä., evtl. i.V.m. einem deutlichen räumlichen Abstand (Absatz), abgesetzt war, musste jene Anfrage deshalb als notwendiger Bestandteil der Betreibensaufforderung angesehen werden, weil sie erkennbar in engem inneren Zusammenhang mit dem Anlass zur Betreibensaufforderung, nämlich dem entstandenen Zweifel an dem Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses des Klägers, stand.
23Wenn das Gericht durch die bezeichnete weitere Anfrage Auskunft darüber erlangen wollte, ob die Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem über seinen Verbleib informiert worden waren, so betraf dies von der Sache her nichts anderes als die durch das Verschwinden des Klägers von seinem bisherigen Aufenthaltsort begründete Ungewissheit über sein fortbestehendes Klageinteresse. Der Zweifel hieran wäre verstärkt worden, wenn der Kläger seine Prozessbevollmächtigten nicht über seinen Verbleib informiert hätte. Hingegen wäre eine Information über den anderen weiteren Verbleib des Klägers je nach deren Inhalt möglicherweise geeignet gewesen, den durch die ausländerbehördliche Mitteilung entstandenen entsprechenden Zweifel zurücktreten zu lassen. Der schon danach auch für die Prozessbevollmächtigten des Klägers erkennbare Sachzusammenhang zwischen der Aufforderung, die ladungsfähige Adresse des Klägers dem Gericht mitzuteilen, zum einen, und der Anfrage nach Informationen über seinen Verbleib zum anderen wurde weiter verdeutlicht durch die zusätzliche Anfrage, ob die - wenn geschehene - Information über den Verbleib des Klägers (nach Verlassen seines bisher bekannten Aufenthaltsortes) evtl. mit Hinweisen zum Verfahrensbetrieb verbunden worden war; denn aus solchen Hinweisen hätte sich wiederum ergeben können, dass der Kläger nach der Änderung seines Aufenthaltsortes weiterhin oder auch nicht mehr ein Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens hatte.
24Nach Auffassung des Gerichts gehörte nach allem die in Satz 4 der gerichtlichen Verfügung vom 13.10.2000 enthaltene Anfrage an die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der seinerzeitigen Verfahrenssituation thematisch zu der Aufforderung, die ladungsfähige Adresse des Klägers mitzuteilen. Sie stand mit letzterer in verbundenem innerem Zusammenhang, weil es damit ebenfalls um den Anlass für den aufgekommenen Zweifel an dem weiteren Rechtsschutzinteresse des Klägers ging. Die aus diesem Grunde auch gerechtfertigte Anfrage in Satz 4 der gerichtlichen Verfügung vom 13.10.2000 war mithin Bestandteil der Betreibensaufforderung; diese setzte sich aus Satz 1 und Satz 4 jener Verfügung zusammen.
25Die so verstandene gerichtliche Betreibensaufforderung ist nicht ausreichend erledigt worden, sodass daher die Klagerücknahmefiktion nach § 81 S. 1 AsylVfG zur Geltung gelangt ist. Zwar ist mit am 13.11.2000 eingegangenem Schriftsatz vom 10.11.2000 fristgerecht innerhalb der bis zum 17.11.2000 laufenden Monatsfrist der in S. 1 der gerichtlichen Betreibensaufforderung enthaltenen Aufforderung nachgekommen worden. Jedoch fehlt es - übrigens auch derzeit noch sowie vor allem mit Blick auf den Schriftsatz vom 05.12.2000, weshalb die darin beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verstoßes gegen § 60 Abs. 2 S. 3 VwGO nicht in Betracht kommt - an einer fristgerechten Erledigung der Anfrage in Satz 4 der Betreibensaufforderung.
26Indem mit Schriftsatz vom 10.11.2000 auf die Betreibensaufforderung mitgeteilt worden ist, dass der Kläger wieder unter der alten Anschrift lebt und gemeldet ist, ist auch nicht etwa in bereits genügender Weise der bei Gericht aufgekommene Zweifel am Rechtsschutzinteresse des Klägers, der auch der in dem dargelegten Umfange zu verstehenden Betreibensaufforderung zu Grunde lag, beseitigt worden. Nach wie vor blieb nämlich für das Gericht wegen der Nichtbeantwortung der zur Betreibensaufforderung gehörigen Anfrage offen, ob denn nun der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten gegenüber ein fortbestehendes Interesse an der Verfahrensdurchführung geäußert hatte oder nicht. Allein durch die genannte Mitteilung vom 10.11.2000 war insoweit nicht zuverlässig Klarheit geschaffen worden, weil es sich auch hätte so verhalten können, dass der Kläger im Zusammenhang mit seinem dem Gericht im Oktober 2000 gemeldeten Verlassen seines Aufenthaltsortes seinen Prozessbevollmächtigten die Information erteilt hatte, das Klageverfahren nicht weiter zu betreiben.
27Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO hat der Kläger die außergerichtlichen Kosten des nach allem erfolglosen Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden gem. § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
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