Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 9 L 381/06
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller ist ein nach § 12 des Landschaftsgesetzes - LG - anerkannter Naturschutzverein. Er wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die von der Antragstellerin im Widerspruchsverfahren mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2006 zugelassene Ausnahme vom gesetzlichen Biotopschutz für die Befestigung des Parallelrollweges auf dem Verkehrslandeplatz C. und die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 29.05.2006.
4Die Beigeladene zu 1. betreibt den Verkehrslandeplatz C. . Der Flugplatz verfügte über eine 750 m lange Start- und Landebahn, die zwischenzeitlich bereits auf 1.256 m verlängert worden ist. Als Rollweg wird die nördlich der Bahn gelegene Rasenfläche genutzt. Weite Teile des Flugplatzgeländes, darunter die als Rollweg genutzte Fläche, stehen als Sandmagerrasen unter gesetzlichem Biotopschutz nach § 62 Abs. 1 LG. Auf Antrag der Beigeladenen zu 1. vom 10.12.2003 erteilte die Bezirksregierung N. als zuständige Luftfahrtbehörde ihr mit Bescheid vom 30.05.2005 eine Genehmigung gemäß § 6 Abs. 4 des Luftverkehrsgesetzes - LuftVG - zur Änderung der Anlage und des Betriebes des Verkehrslandeplatzes. Die Genehmigung hat neben der Verlängerung der Start- und Landebahn auf 1.256 m auch die Anlage eines befestigten Parallelrollweges zum Gegenstand. Hinsichtlich der Verlängerung der Start- und Landebahn hat die Bezirksregierung N. in dem Bescheid die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass mit den Baumaßnahmen nicht vor Erteilung der Ausnahmegenehmigung nach § 62 Abs. 2 LG begonnen werden darf. Für die Verlängerung der Start- und Landebahn erteilte die Beigeladene zu 2. mit Bescheid vom 06.06.2005 die Ausnahmegenehmigung. Mit Bescheid vom 07.09.2005 lehnte sie die Erteilung einer Ausnahme für die Befestigung des Rollweges mit der Begründung ab, dass diese Maßnahme nicht aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls erforderlich sei. Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene zu 1. am 16.09.2005 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie insbesondere auf die erhebliche Verbesserung der Sicherheit des Flugverkehrs sowie die geplanten Ausgleichsmaßnahmen hinwies.
5Nachdem die Beigeladene zu 1. den Umfang der zu befestigten Flächen reduziert hatte, erteilte die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2006 die Ausnahme nach § 62 Abs. 2 LG unter Abstellung auf die vorrangigen Interessen der Luftverkehrssicherheit.
6Am 23.05.2006 hat der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben (Az. 9 K 1879/06) und unter Hinweis darauf, dass die Beigeladene zu 1. mit den Bauarbeiten bereits begonnen habe, bei dem Verwaltungsgericht einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage und Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur vorläufigen Einstellung der Arbeiten gestellt (Az. 9 L 353/06). Diesem Antrag hat die Kammer mit Beschluss vom 24.05.2006 entsprochen. Nachdem die Antragsgegnerin auf Antrag der Beigeladenen zu 1. am 29.05.2006 die sofortige Vollziehung der Ausnahmegenehmigung angeordnet hat, hat die Kammer auf den Abänderungsantrag der Beigeladenen zu 1. mit Beschluss vom 01.06.2006 - 9 L 374/06 - den Beschluss vom 24.05.2006 hinsichtlich der Sachentscheidung aufgehoben.
7Am 31.05.2006 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, zu dessen Begründung er vertiefend ausführt, dass er im Widerspruchsverfahren nicht ordnungsgemäß angehört worden sei und auch materiell die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht vorlägen. Die geplante Maßnahme sei nicht aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls erforderlich, da die Luftverkehrssicherheit auch ohne die Befestigung des Rollweges gewährleistet sei, zumal 90 % der Rollbewegungen auf der Start- und Landebahn und nur 10 % auf dem Rollweg erfolgten. Demgegenüber handele es sich bei den in Anspruch genommenen Flächen um besonders gut ausgeprägte und ökologisch hochwertige Biotope. Durch den bereits erfolgten Abtrag des Oberbodens sei die Biotopvernichtung noch nicht vollzogen worden. Zwar sei die Vegetation des Magerrasens beseitigt worden, diese könne sich aber aufgrund der weiterhin gegebenen Standortbedingungen in kurzen bis mittleren Zeiträumen regenerieren.
8Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
9die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 19.05.2006 wiederherzustellen und der Beigeladenen zu 1. die Fortführung der Bauarbeiten zur Befestigung des Parallelrollweges zu untersagen, hilfsweise, der Beigeladenen zu 1. aufzugeben, den bereits abgetragenen Boden wieder aufzubringen und den Rollweg so provisorisch bis zur endgültigen Entscheidung wieder herzustellen.
10Die Antragsgegnerin beantragt,
11den Antrag abzulehnen.
12Sie vertieft die Begründung des Widerspruchsbescheides und der Anordnung der sofortigen Vollziehung und weist darauf hin, dass ein hinreichend sicherer Betrieb des Flugplatzes gegenwärtig nicht gewährleistet sei, da der Parallelrollweg nach Unterbrechung der Bauarbeiten vollends unbenutzbar sei. Der Antragsteller sei im Widerspruchsverfahren ausreichend beteiligt worden. Die angefochtene Entscheidung sei nach Abwägung aller in Betracht kommenden Belange betroffen worden. Zwischenzeitlich habe die Bezirksregierung N. auch hinsichtlich der Befestigung des Rollweges die sofortige Vollziehung der luftfahrtrechtlichen Genehmigung vom 30.05.2005 angeordnet.
13Die Beigeladene zu 1. beantragt,
14den Antrag abzulehnen.
15Sie führt vertiefend aus, dass die Mitwirkungsrechte der Naturschutzvereine im Widerspruchsverfahren gewahrt worden seien. Die Befestigung des Rollweges sei aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls erforderlich. Die Belange der Luftverkehrssicherheit überwögen die naturschutzrechtlichen Interessen an der Erhaltung des Biotops. Die gleichzeitige Nutzung der Start- und Landebahn als Rollbahn berge vermeidbare Sicherheitsrisiken. Auch gegen die Nutzung von unbefestigten Rollwegen bestünden vielfache Sicherheitsbedenken. Befestigte Rollwege gehörten heute faktisch zu den erforderlichen Einrichtungen eines öffentlichen Flugplatzes. Bei einer Interessenabwägung sei weiter zu berücksichtigen, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Funktion des Verkehrslandeplatzes bestehe. Diese sei nach Einstellung der Bauarbeiten nicht im erforderlichen Umfang gewährleistet, da nunmehr die Start- und Landebahn zwingend als Rollbahn genutzt werden müsse. Auch bestehe ein überwiegendes Interesse der Beigeladenen, die vorhandenen Kapazitäten möglichst wirtschaftlich auszunutzen. Demgegenüber seien die von dem Antragsteller vertretenen Interessen an der aufschiebenden Wirkung der Klage geringer zu bewerten, da nach dem erfolgten Abtrag des Oberbodens im Bereich der zu befestigenden Rollbahn kein schutzwürdiges Biotop mehr vorhanden sei. Der abgetragene Boden sei im Rahmen der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle auf dem Flugplatzgelände bereits aufgebracht worden und diene dort der Entwicklung vergleichbarer Sandmagerrasenflächen.
16Die Beigeladene zu 2. hat sich im Verfahren nicht geäußert.
17Die Kammer hat mit Beschluss vom 31.05.2006 der Beigeladenen zu 1. aufgegeben, die Arbeiten zur Befestigung des Rollweges, soweit sie in das geschützte Biotop eingreifen, vorläufig bis zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht weiterzuführen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und der Verfahren 9 K 1897/06, 9 L 353/06 und 9 L 374/06 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 2. Bezug genommen.
19II.
20Der Antrag des nach § 12 Abs. 1 und 2 des Landschaftsgesetzes - LG - als Naturschutzvereins anerkannten Antragstellers ist nach § 12 b und § 12 Abs. 3 Nr. 6 LG i.V.m. § 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, jedoch nicht begründet.
21Nach § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht, wenn die Behörde bezüglich eines begünstigenden Verwaltungsaktes die sofortige Vollziehung angeordnet und ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen diesen Verwaltungsakt eingelegt hat, auf Antrag des Dritten die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens berücksichtigende Abwägung zwischen dem Interesse des Begünstigten an der umgehenden Ausnutzung des begünstigenden Verwaltungsaktes und dem Interesse des Dritten an einem Aufschub der Vollziehung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahren vorzunehmen.
22Im vorliegenden Verfahren kann bei der gebotenen und im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit allein möglichen summarischen Prüfung nicht festgestellt werden, dass das von dem Antragsteller vertretene Interesse an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das Interesse der Beigeladenen zu 1. an der umgehenden Ausnutzung der Ausnahmegenehmigung überwiegt. Der mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 19.05.2006 erteilten Ausnahmegenehmigung und der am 29.05.2006 erfolgten Anordnung der sofortigen Vollziehung begegnen nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Kammer keinen rechtlichen Bedenken. Mangels Anhaltspunkten für eine Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheides geht die Kammer trotz der mit der Umsetzung der Ausnahmegenehmigung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache auch von einem Überwiegen des Interesses an der umgehenden Verbesserung der Verkehrssicherheit des Flugplatzes aus.
23Der Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 19.05.2006 ist formell rechtmäßig, insbesondere sind entgegen der Ansicht des Antragstellers seine Beteiligungsrechte im Widerspruchsverfahren beachtet worden.
24Die von dem Antragsteller angesprochenen Änderungsanträgen des Beigeladenen zu 1. vom 16.03.2005 und 05.08.2005 sind im Ausgangsverfahren an die Beigeladene zu 2. gerichtet und von ihr in der ablehnenden Entscheidung vom 07.09.2005 berücksichtigt worden. Diese Entscheidung enthält keine Beschwer des Antragstellers, da sich die Beigeladene zu 2. der Rechtsauffassung des Antragstellers angeschlossen hat.
25Auch die Beteiligung des Antragstellers im Widerspruchsverfahren genügt den Voraussetzungen des § 71 VwGO. Danach soll ein Betroffener angehört werden, wenn die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts für ihn erstmalig mit einer Beschwer verbunden ist. Die Antragsgegnerin weist in ihrer Antragserwiderung vom 02.06.2006 zutreffend darauf hin, dass am 27.04.2006 und 08.05.2006 nach vorheriger Übersendung von Aktenauszügen ausführliche Gespräche mit den Vertretern der Naturschutzvereine geführt wurden, in denen die Problematik und die beabsichtigte Entscheidung der Antragsgegnerin erörtert wurde. An dem Gespräch am 08.05.2006 war der stellvertretende Vorsitzende des Antragstellers persönlich beteiligt. In dem Gespräch wurde u.a. vereinbart, dass die Naturschutzvereine vor Erlass des Widerspruchsbescheides noch bis zum 18.05.2006 Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme haben.
26Unabhängig davon kann die Verletzung des Beteiligungsrechts eines anerkannten Naturschutzvereins dann nicht zum Erfolg einer Klage bzw. eines Antrages auf vorläufigen Rechtsschutzes führen, wenn dem Verein die Vereinsklage mit einer materiellrechtlichen Prüfung der Ausnahmegenehmigung eröffnet ist und der Beteiligungsmangel die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben kann.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2002 - 4 A 15.01 -, BRS 65 Nr. 216 = NuR 2002, 539; Urteil vom 19.03.2003 - 9 A 33.02 -, NuR 2003, 745.
28Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Dem Antragsteller steht ein materielles Rügerecht und eine entsprechende Klagebefugnis aus § 12 b i.V.m. § 12 Abs. 3 Nr. 6 LG zu. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die angefochtene Ausnahmegenehmigung anders ausgefallen wäre, wenn dem Antragsteller nochmals förmlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre. Der Antragsteller hat nämlich weder in seiner Email vom 18.05.2006 noch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren neue Aspekte vorgetragen, die nicht im Grundsatz bereits im Anhörungsverfahren geltend gemacht worden sind.
29Die Zulassung einer Ausnahme nach § 62 Abs. 2 Satz 1 LG von dem gesetzlichen Biotopschutz ist auch materiell rechtmäßig zustande gekommen.
30Bei den durch die Befestigung des Rollweges in Anspruch genommenen Flächen handelt es sich - wie im Grundsatz zwischen den Beteiligten unumstritten ist - um artenreiche Sandmagerrasen und Trockenrasenflächen, die aufgrund ihrer sehr guten Vegetationsausprägung als besonders schützenswerte Biotope einzustufen sind. Sie stehen daher gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 LG unter besonderem gesetzlichen Schutz, mit der Folge, dass Maßnahmen, die zu einer erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung oder zu einer Zerstörung des Biotops führen können, grundsätzlich verboten sind. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 LG kann die untere Landschaftsbehörde im Einzelfall Ausnahmen von dem Verbot zulassen, wenn die Maßnahmen aus überwiegenden Gründen des Wohls der Allgemeinheit erforderlich sind. Bei der Anwendung dieser Ausnahmevorschrift, die der Umsetzung des § 20 c Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - in der bis zum 03.04.2002 geltenden Fassung (jetzt § 30 Abs. 2 BNatSchG n.F.) dient, ist zu beachten, dass die Zulassung einer Maßnahme aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls nur das Ergebnis einer Abwägungsentscheidung sein kann, bei der in Rechnung zu stellen ist, dass eine Ausnahme allenfalls dann in Betracht kommt, wenn Gründe des öffentlichen Interesses von besonderem Gewicht sie rechtfertigen.
31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.02.2002 - 4 B 12.02 -, BRS 65 Nr. 222 = NuR 2003, 351 = Meßerschmidt/Schumacher, Bundesnaturschutzrecht - Entscheidungen, Band 5, Nr. 10 zu § 20 c BNatSchG.
32Gründe des Gemeinwohls erfordern eine Ausnahme allerdings nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf keine andere Weise als durch eine Ausnahme entsprochen werden könnte, sondern nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift schon dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist, mit Hilfe der Ausnahme ein bestimmtes Vorhaben, dass im Gegensatz zu naturschutzrechtlichen Verboten oder Geboten steht, im öffentlichen Interesse an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Die Ausnahme muss nicht schlechterdings das einzige denkbare Mittel für die Verwirklichung des jeweiligen öffentlichen Interesses sein. Auch dann, wenn andere Möglichkeiten zur Erfüllung des Interesses zur Verfügung stehen, kann eine Ausnahme zur Wahrnehmung des öffentlichen Interessen in dem vorstehend erläuterten Sinne "vernünftigerweise geboten" sein. Es genügt allerdings nicht, dass die Ausnahme dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist.
33Vgl. für eine Befreiung nach Baurecht: BVerwG, Urteil vom 09.06.1978 - 4 C 54.75 -, BRS 33 Nr. 150 = BVerwGE 56, 71; s.a. VG Arnsberg, Urteil vom 02.06.2004 - 1 K 552/02 -, NuR 2005, 338 m.w.N.
34Die Beurteilung der "Erforderlichkeit" ist zusammen mit der Prüfung des Überwiegens des Interesses an dem Vorhaben Teil der von der Landschaftsbehörde vorzunehmenden Abwägung, ob das konkrete Vorhaben von seinem Gemeinwohlbezug her den Eingriff in das geschützte Biotop rechtfertigt. Diese naturschutzrechtliche Abwägung ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Das Gericht darf nicht selbst abwägen, sondern nur nachprüfen, ob die behördliche Abwägung den rechtlichen Anforderungen entspricht, die sich aus dem Abwägungsgebot ergeben.
35Vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 11.02.2000 - 8 A 10321/99 -, NuR 2000, 522 unter Bezug auf BVerwG, Urteil vom 27.09.1990 - 4 C 44.87 -, BVerwGE 85, 348 und Beschluss vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 -, NuR 1993, 125; s.a. VG Arnsberg, Urteil vom 02.06.2004, a.a.O.
36Dabei unterliegt voller gerichtlicher Prüfung, ob - erstens - hinsichtlich naturschutzrechtlicher Belange eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob - zweitens - in die Abwägung an naturschutzrechtlichen Belangen eingestellt wurde, was nach Lage der Dinge einzustellen war, ob - drittens - die Bedeutung der betroffenen naturschutzrechtlichen Belange verkannt und ob - viertens - der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten gegenläufigen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wurde, der zur objektiven Gewichtigkeit der naturschutzrechtlichen Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens kann das Abwägungsgebot nicht als verletzt angesehen werden, wenn sich die zur Entscheidung berufene Behörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entschieden hat.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.051998 - 4 A 9.97 -, BVerwGE 107, 1, 5 ff. m.w.N.
38Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die Widerspruchsentscheidung der Antragsgegnerin rechtlich nicht zu beanstanden. Wie aus der Begründung des Widerspruchsbescheides bzw. aus dem Inhalt des Begleitschreibens ausreichend deutlich zum Ausdruck kommt, ist die Ausnahme von der Antragsgegnerin aufgrund einer Abwägung zwischen den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes und den Belangen der Sicherheit des Flugbetriebes erteilt worden. In diese Abwägungsentscheidung ist - wie sich aus den von der Antragsgegnerin übersandten Verwaltungsvorgängen über die Vorbereitung der Entscheidung ergibt - auf der einen Seite die besondere Bedeutung des Biotops und seines Schutzes und auf der anderen Seite das öffentliche Interesse an einer Verbesserung der Flugsicherheit eingestellt worden. Die Antragsgegnerin hat zutreffend erkannt, dass von der Baumaßnahme Sandmagerrasenflächen in Anspruch genommen werden, die im C1. T. selten geworden und auf Grund ihrer Ausdehnung und Ausprägung als besonders wertvoll anzusehen sind. Sie hat aber ebenso zutreffend gesehen, dass unabhängig von der Frage des Bestehens rechtlicher Verpflichtungen die Befestigung des Parallelrollweges es allen Flugzeugen unabhängig von ihrer Bauart und von den jeweiligen Witterungsverhältnissen ermöglicht, den Rollweg zu benutzen, und dass mit der Trennung von startendem und landendem Verkehr einerseits und rollendem Verkehr andererseits ein erheblicher Sicherheitsgewinn verbunden ist. Sie hat weiter in die Abwägung eingestellt, dass im Widerspruchsverfahren die zur Befestigung vorgesehenen Flächen auf das für die Verbesserung der Verkehrssicherheit erforderliche Maß reduziert worden sind und durch die Aufbringung des abgetragenen Oberbodens an anderer Stelle auf dem Flugplatzgelände dort die Bedingungen für das Entstehen einer Sandmagerrasenvegetation geschaffen werden sollen.
39In dieser Situation, in der hochrangige Belange des Natur- und Landschaftsschutzes mit ebenfalls gewichtigen Sicherheitsbelangen abzuwägen waren, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Antragsgegnerin für eine Voranstellung der Interessen der Verkehrssicherheit entschieden hat. Dieses Ergebnis liegt innerhalb des durch das Landschaftsrecht eingeräumten planerischen Ermessensspielraums.
40Lassen sich aber Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht feststellen, so überwiegt das Interesse der Beigeladenen zu 1. an einer umgehenden Ausnutzung der Ausnahmegenehmigung. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass mit der Fortsetzung der Bauarbeiten durch Einbringung des Unterbaus und Aufziehen der Deckschicht das Biotop im Bereich des Rollweges endgültig zerstört und damit die Hauptsache vorweggenommen wird. Der Antragsgegner weist in seiner Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 29.05.2006 zutreffend darauf hin, dass die Baumaßnahme der Verbesserung der Verkehrssicherheit des Flugplatzes dient und die Arbeiten bei einem Abwarten der Entscheidung im Klageverfahren auf längere Zeit nicht durchgeführt werden könnten. Bereits diese Gründe rechtfertigen die Anordnung der sofortigen Vollziehung, so dass offen bleiben kann, wie der Umstand zu bewerten ist, dass die Beigeladene zu 1. bereits vorher mit der Durchführung der Baumaßnahme begonnen hat und zur Zeit der Rollweg in keiner Form zur Verfügung steht.
41Der Antrag ist daher abzuweisen. Mit dieser Entscheidung erledigt sich auch der von der Kammer mit Beschluss vom 31.05.2006 verfügte vorläufige Baustopp.
42Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Antragsteller gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. aufzuerlegen, da diese einen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch dem aus § 154 Abs. 3 VwGO folgenden Kostenrisiko ausgesetzt hat. Dagegen sind die Kosten der Beigeladenen zu 2., die keinen Antrag gestellt hat, nicht erstattungsfähig.
43Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 GKG.
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