Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 9 L 377/11
Tenor
Der Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus F. wird abgelehnt.
Der Antrag auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 2.090,90 EUR festgesetzt.
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Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus F. (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO) ist abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, für den die Prozesskostenhilfe begehrt wird, aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
3Der sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 29.6.2011 (9 K 1487/11) gegen die Bauordnungsverfügung des Antragsgegners vom 30.5.2011 wiederherzustellen und hinsichtlich der mit der Bauordnungsverfügung verbundenen Zwangsgeldandrohung und Gebührenfestsetzung anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.
4Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn - wie hier hinsichtlich der Gebührenfestsetzung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 des Justizgesetzes NRW (JustG NRW) - die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt. Es kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage wiederherstellen, wenn - wie hier hinsichtlich der Nutzungsuntersagung - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet worden ist. Hierbei hat das Gericht jeweils eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegenüberzustellen. Ausgangspunkt dieser Interessenabwägung ist eine - im Rahmen des Eilrechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ergibt diese Prüfung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und ist deshalb die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann grundsätzlich kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO allerdings nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Denn die behördliche Vollziehungsanordnung stellt eine Ausnahme vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO dar und bedarf deswegen einer besonderen Rechtfertigung. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, ist die Entscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung zu treffen. Hat die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes angeordnet, ist die Anordnung unabhängig von einer Interessenabwägung aufzuheben, wenn sie formell rechtswidrig ist.
51. Eine Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Nutzungsuntersagung kommt nicht in Betracht. Sie genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das ist hier in ausreichender Weise
6zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29.7.2004 - 13 B 888/04 -, Juris, Rn. 2, und vom 5.7.2006 - 8 B 379/06.AK -, Juris, Rn. 9 ff.
7geschehen. Der Antragsgegner war sich des Ausnahmecharakters des Sofortvollzugs ersichtlich bewusst und hat mit dem Hinweis zum einen auf eine negative Vorbildwirkung der von den Antragstellern ausgeübten, nach Auffassung des Antragsgegners formell und materiell baurechtswidrigen Nutzung sowie zum anderen auf das Interesse an der Wahrung der Effektivität des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens Gesichtspunkte dargelegt, die seiner - des Antragsgegners - Ansicht nach ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung begründen. Ob diese Darlegungen zutreffend sind und die Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zu rechtfertigen vermögen, ist im Rahmen der Formvorschrift des § 80 Abs. 3 VwGO ohne Bedeutung.
82. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die gebotene Interessenabwägung geht vorliegend zum Nachteil der Antragsteller aus. Denn die ihnen gegenüber erlassene, beiden individuell zugestellte Bauordnungsverfügung vom 30.5.2011, mit der der Antragsgegner es ihnen ab dem 1.12.2011 untersagt hat, das als Ferienhaus genehmigte Gebäude auf dem Grundstück L1. , Gemarkung M. , Flur 2, Flurstück 275 (X. -von-I. -X1. 5) weiterhin zu dauernden Wohnzwecken zu nutzen oder nutzen zu lassen, ist offensichtlich rechtmäßig, und es besteht ein besonderes Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung.
9Die Bauordnungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Bauordnung NRW - BauO NRW -. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden u.a. bei der Nutzung und der Nutzungsänderung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgabe haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Danach war der Antragsgegner nach derzeitigem Erkenntnisstand zu einem Einschreiten gegen die Antragsteller berechtigt. Denn die von diesen ausgeübte Nutzung des Hauses auf dem Grundstück X. -von-I. -X1. 5 in L1. zu dauerhaften Wohnzwecken verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften. Die vom Antragsgegner ausgesprochene Untersagung dieser Nutzung ist frei von Ermessenfehlern.
10Die Antragsteller bewohnen das Haus als alleinige Wohnung. Sie haben dort seit dem 1.10.2008 ihren ausschließlichen Lebensmittelpunkt und sind dementsprechend seit diesem Tag mit alleinigem Wohnsitz gemeldet. Diese dauerhafte Wohnnutzung ist wegen Fehlens der erforderlichen Baugenehmigung formell illegal.
11Eine Baugenehmigung für das Haus konnten weder der Antragsgegner noch die insoweit beweispflichtigen
12vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.1.2001 - 10 B 1898/00 -, BRS 64 Nr. 161 = Juris, Rn. 3; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Stand; Dezember 2010, § 61 Rn. 44.
13Antragsteller vorlegen. Der Antragsgegner kann die einschlägigen Verwaltungsvorgänge zwar nicht mehr auffinden, geht aber davon aus, dass das Haus in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Ferienhaus genehmigt worden sei. Für eine Genehmigung zwar nicht als Ferien-, jedoch als Wochenendhaus könnte sprechen, dass sich das Grundstück im räumlichen Geltungsbereich des 1977 erlassenen Bebauungsplans 11/08 "Ferienpark M. " der Gemeinde L1. in der geänderten Fassung von 1983 befindet, der in dem fraglichen Bereich ein Wochenendhausgebiet - SW-Gebiet - i.S.v. § 10 der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 26.11.1968 - BauNVO 1968 - festsetzt.
14Selbst wenn man vor diesem Hintergrund eine entsprechende Baugenehmigung unterstellen wollte, wäre die vom Antragsteller ausgeübte Nutzung des Hauses zu dauerhaften Wohnzwecken davon nicht gedeckt. Denn "Wochenendhäuser" sind von "Wohngebäuden" zu unterscheiden, die gemäß §§ 2 bis 6 BauNVO 1968 in den dort genannten Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind. "Wohngebäude dienen dem Wohnen, d.h. einer Nutzung, die durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie der Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet sind.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2006 - 7 A 4947/05 -, Juris, Rn. 41.
16Bei "Wochenendhäusern" fehlt es an einer "auf Dauer angelegten" Häuslichkeit. Sie dienen einem zeitlich begrenzten Aufenthalt. Bei einem Wochenendhaus handelt es sich deshalb nicht um eine Dauerwohnstätte, mag es auch tatsächlich zum dauernden Wohnen geeignet sein.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.1974 - VIII C 21.73 -, BVerwGE 45, 120 = Juris, Rn. 19 f.; OVG NRW, Urteile vom 25.11.2005 - 7 A 2687/04 -, Juris, Rn. 32 ff.; vom 23.10.2006 - 7 A 4947/05 -, a.a.O., Rn. 46.
18Wird ein Wochenendhaus dauerhaft als Lebensmittelpunkt der betreffenden Bewohner und damit als Wohngebäude benutzt, liegt deshalb eine Nutzungsänderung i.S.v. § 29 Abs. 1 des Baugesetzbuchs - BauGB - vor. Die von den Antragstellern vorgenommene Änderung des Hauses zu einem Wohngebäude stellt zugleich eine gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar. Denn eine - unterstellte - Baugenehmigung für ein Wochenendhaus auf der Grundlage des Bebauungsplans 11/08 "Ferienpark M. " würde nach den dargelegten Grundsätzen gerade nicht eine dauerhafte Wohnnutzung gestatten. Die Verfahrenserleichterung des § 2 Nr. 4 Buchst. c des Ersten Gesetzes zum Bürokratieabbau vom 13.3.2007 (GV. NRW. S. 133), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.11.2010 (GV. NRW. S. 593) - Bürokratieabbaugesetz I -, nach der die Nutzungsänderung baulicher Anlagen in der Regel keiner Baugenehmigung bedarf, sondern der Bauaufsichtsbehörde lediglich schriftlich anzuzeigen ist, könnte vorliegend keine Anwendung finden, weil sie auf Fälle beschränkt ist, in denen die Anzeige "vor Durchführung des Vorhabens" erfolgt ist.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.7.2007 - 7 E 664/07 -, BRS 71 Nr. 187 = Juris, Rn. 5.
20Das ist hier nicht geschehen.
21Die danach in jedem Fall formell illegale Nutzung des Hauses als Wohngebäude ist wegen Unvereinbarkeit mit dem Bauplanungsrecht auch materiell illegal. Sie widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans 11/08 "Ferienpark M. ".
22Die Kammer geht von der Rechtsgültigkeit des Bebauungsplans aus. Dass dieser an beachtlichen Rechtsmängeln leiden könnte, ist weder von den Antragstellern geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der Bebauungsplan ist auch nicht nachträglich funktionslos geworden.
23Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung können Festsetzungen eines Bebauungsplans funktionslos werden und deshalb außer Kraft treten. Dies kommt aber nur in äußerst seltenen Fällen in Betracht.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.12.1998 - 4 CN 3.97 -, BVerwGE 108, 71 = Juris, Rn. 22.
25Eine bauplanerische Festsetzung tritt nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient.
26BVerwG, Urteile vom 29.4.1977 - IV C 39.75 - BVerwGE 54, 5 = Juris, Rn. 35; vom 17.6.1993 - 4 C 7.91 -, BRS 55 Nr. 34 = Juris, Rn. 19; vom 3.12.1998 - 4 CN 3.97 -, a.a.O.; Beschlüsse vom 21.12.1999 - 4 BN 48.99 -, BRS 62 Nr. 79 = Juris, Rn. 5; vom 9.10.2003 - 4 B 85.03 -, BRS 66 Nr. 52 = Juris, Rn. 8.
27Dabei reicht es nicht aus, wenn über längere Zeit von dem Plan abgewichen worden ist und deshalb Verhältnisse eingetreten sind, die den Festsetzungen des Plans nicht entsprechen. Ferner wird die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zu Grunde liegt, nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Das ist erst dann nicht mehr der Fall, wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass die Festsetzung bei einer auf den Gesamtgeltungsbereich des Bebauungsplans bezogenen Betrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern.
28BVerwG, Beschlüsse vom 17.2.1997 - 4 B 16.97 -, BRS 59 Nr. 55 = Juris, Rn. 4; vom 6.6.1997 - 4 NB 6.97 -, BRS 59 Nr. 54 = Juris, Rn. 10; Urteile vom 3.12.1998 - 4 CN 3.97 -, a.a.O.; vom 28.4.2004 - 4 C 10.03 -, BRS 67 Nr. 68 = Juris, Rn. 15; OVG NRW, Urteile vom 2.2.2000 - 7a D 224/98.NE -, BRS 63 Nr. 88 = Juris, Rn. 29; vom 25.11.2005 - 7 A 2687/04 -, a.a.O, Rn. 29.
29Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall die Festsetzung eines Wochenendhausgebietes nicht funktionslos geworden. Die tatsächlichen Verhältnisse haben sich nicht in einer Weise entwickelt, die eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt. Zwar wird nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten bereits seit längerem eine Vielzahl der Häuser im Plangebiet zu Dauerwohnzwecken genutzt. Soweit sich die betreffenden Grundstücke in jenem Teil des Plangebietes befinden, für den der Bebauungsplan seit seiner Änderung im Jahre 1983 ein Sondergebiet Ferienhausgebiet i.S.v. § 10 der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 15.9.1977 - BauNVO 1977 - vorsieht, ist diese Festsetzung, was die Unzulässigkeit dauerhaften Wohnens angeht, mit der im Bereich des Grundstücks der Antragsteller geltenden Wochenendhausgebiets-Festsetzung i.S.v. § 10 BauNVO 1968 vergleichbar. Wegen des insoweit bestehenden einheitlichen Nutzungscharakters der Baugrundstücke im Plangebiet sind zur Beantwortung der Frage nach einer etwaigen Funktionslosigkeit beide Gebietsfestsetzungen gemeinsam in den Blick zu nehmen. Das Vorhandensein einer Vielzahl von Dauerwohnnutzungen in dem fraglichen Bereich schließt die Möglichkeit, die Entwicklung noch in die vom Plangeber gewollte Richtung zu steuern, nicht aus. Der Antragsgegner als zuständige Bauaufsichtsbehörde ist auch gewillt, auf längere Sicht eine plankonforme Situation herbeizuführen.
30Zur Bedeutung dieses Umstands vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.11.2005 - 7 A 2687/04 -, a.a.O., Rn. 42 ff.
31Er hat Ende des Jahres 2007 beschlossen, zukünftig bekannt werdende Fälle von Dauerwohnnutzungen nicht mehr hinzunehmen und nötigenfalls in Form von Nutzungsuntersagungen bauaufsichtlich dagegen einzuschreiten. Dauerwohnnutzungen solcher Personen, die bereits vor dem 1.1.2008 mit erstem oder alleinigem Wohnsitz in einem Wochenend- oder Ferienhausgebiet gemeldet waren, werden - personengebunden - geduldet. Wie der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist, setzt der Antragsgegner dieses Handlungskonzept in seinem gesamten Zuständigkeitsbereich tatsächlich um, d.h. sowohl im Geltungsbereich des hier in Rede stehenden Bebauungsplans als auch im Geltungsbereich anderer Bebauungspläne mit entsprechenden Gebietsfestsetzungen. Vor diesem Hintergrund haben die hier in Rede stehenden Festsetzungen nicht ihre Fähigkeit verloren, die städtebauliche Entwicklung im Plangebiet in die vom Plangeber gewollte Richtung, d.h. hin zu einem Wochenend- und Ferienhausgebiet zu steuern.
32Bei Zugrundelegung des Bebauungsplans ist die von den Antragstellern ausgeübte Dauerwohnnutzung nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 10 BauNVO 1968 unzulässig, weil sie den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung widerspricht.
33Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB kommt nicht in Betracht, weil hierdurch die Grundzüge der Planung berührt würden. Eine Zulassung der Dauerwohnnutzung wäre aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet, die planerische Grundkonzeption, die Nutzung der Grundstücke im Plangebiet ausschließlich zu Erholungszwecken, in Frage zu stellen.
34Vgl. allgemein Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Bd. V, Stand: März 2011, § 10 BauNVO Rn. 18.
35Der Antragsgegner war danach gemäß § 61 Abs. 1 BauO NRW zu einem Einschreiten befugt. Von dieser Möglichkeit hat er in rechtsfehlerfreier Weise Gebrauch gemacht, indem er den Antragstellern ab dem 1.12.2011 untersagt hat, das von ihnen bewohnte Haus weiter zu dauernden Wohnzwecken zu nutzen oder nutzen zu lassen.
36Die Nutzungsuntersagung ist hinreichend bestimmt. Mit der Untersagung einer Nutzung zu dauernden Wohnzwecken wird von den Antragstellern verlangt, dass sie sich an einem anderen Ort eine Möglichkeit zum dauerhaften Wohnen verschaffen und diese tatsächlich auch vorwiegend nutzen.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2006 - 7 A 4947/05 -, a.a.O., Rn. 85 ff.
38Die Nutzungsuntersagung genügt auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sie stellt ein zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustands geeignetes, erforderliches und - unter Berücksichtigung der Belastungen, die für die Antragsteller mit dem notwendig werdenden Umzug verbunden sind - angemessenes Mittel dar. Insbesondere haben die Antragsteller aufgrund der ihnen eingeräumten Frist bis zum Eintritt der inneren Wirksamkeit der Nutzungsuntersagung am 1.12.2011 ausreichend Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen und ihre sonstigen Lebensumstände darauf einzustellen.
39Dass der Antragsgegner bei Erlass der Bauordnungsverfügung irrig davon ausgegangen ist, der Bebauungsplan setze im Bereich des von den Antragstellern bewohnten Grundstücks eine Sondergebiet Ferienhausgebiet fest, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Ermessensausübung. Denn eine dauerhafte Wohnnutzung ist in Ferienhaus- und Wochenendhausgebieten gleichermaßen unzulässig. Die Ermessenserwägungen des Antragsgegners beruhen deshalb auf einer in wesentlicher Hinsicht zutreffenden rechtlichen Beurteilung.
40Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, wonach im Wesentlichen gleichgelagerte Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich und wesentlich ungleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund gleich behandelt werden dürfen, ist nicht feststellbar.
41Soweit der Antragsgegner gegenüber denjenigen Dauerwohnnutzern, die bereits vor dem 1.1.2008 mit alleinigem oder Hauptwohnsitz gemeldet waren, personenbezogen auf ein bauaufsichtliches Einschreiten verzichtet, liegt darin keine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung zu Lasten der Antragsteller. Dieses Vorgehen entspricht der vom Antragsgegner Ende des Jahres 2007 getroffenen Grundsatzentscheidung, mit der er auf die zunehmende Anzahl von planwidrigen Dauerwohnnutzungen reagiert hat und die betroffenen Gebiete langfristig zu einer reinen Ferien- bzw. Wochenendhausnutzung zurückführen möchte. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Bauaufsichtsbehörde, die in der Vergangenheit bei festgestellten Verstößen gegen Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht eingeschritten ist, nach einer Grundsatzentscheidung ab einem bestimmten Stichtag ihre Ermessensausübung generell ändern und nunmehr bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen regelmäßig einschreiten kann.
42Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., Rn. 138; Gädtke/ Czepuck/Johlen/Plitz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage 2011, § 61 Rn. 36 f., jeweils m.w.N.
43Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist, dass der Antragsgegner seine Grundsatzentscheidung in allgemeiner Weise umsetzt und auch in anderen Fällen gegen ihm bekannt werdende, am 1.1.2008 oder danach begonnene planwidrige Dauerwohnnutzungen im Wege der Nutzungsuntersagung einschreitet. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt darüber hinaus nicht, dass die Bauaufsichtsbehörde regelmäßig und gezielt von sich aus alle in ihrem Zuständigkeitsbereich gelegenen Grundstücke auf ungenehmigte bauliche Anlagen überprüft. Regelmäßig genügt es, wenn sie entsprechenden Hinweisen nachgeht.
44Vgl. OVG Bremen, Urteil vom 26.2.1985 - 1 BA 56/84 -, BRS 44 Nr. 190 = NVwZ 1986, 61; VGH BW, Urteil vom 29.2.1996 - 8 S 3371/95 -, BRS 58 Nr. 210 = Juris, Rn. 19; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O.; Gädtke/Czepuck/Johlen/ Plitz/Wenzel, a.a.O., Rn. 37.
45Wie aus vom Antragsgegner eingeholten Melderegisterauskünften (Bl. 3 und 4 der Beiakte 1 im Hauptsacheverfahren) hervorgeht, sind die Antragsteller erst seit dem 1.10.2008 und mithin nach dem maßgeblichen Stichtag 1.1.2008 unter ihrer gegenwärtigen Anschrift gemeldet. Deshalb gehören sie nicht zu dem Kreis von Dauerwohnnutzern, hinsichtlich dessen der Antragsgegner auf der Grundlage seiner Grundsatzentscheidung gegenwärtig von einem bauaufsichtlichen Einschreiten absieht.
46Erweist sich die Nutzungsuntersagung danach offenkundig als rechtmäßig, fehlt es desweiteren nicht an einem die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO rechtfertigenden besonderen Vollzugsinteresse. Regelmäßig überwiegt bei baurechtlich formell illegalen Nutzungen, auch im Hinblick auf die davon ausgehende negative Vorbildwirkung, das öffentliche Interesse an der Wahrung der Ordnungsfunktion des formellen Baurechts das private Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Beibehaltung der Nutzung. Andernfalls könnte sich der rechtsuntreue Bürger unter Umgehung der gesetzlich vorgesehenen Präventivkontrolle nicht gerechtfertigte Nutzungsvorteile gegenüber dem rechtstreuen Bürger verschaffen.
47Vgl. VGH BW, Beschluss vom 1.2.2007 - 8 S 2606/06 -, BRS 71 Nr. 186 = Juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschlüsse vom 8.2.1996 - 7 B 3371/95 -; vom 22.4.1996 - 7 B 315/96 -, Juris, Rn. 4; vom 12.7.2007 - 7 E 664/07 -, a.a.O., Rn. 11; vom 6.7.2009 - 10 B 617/09 -, BRS 74 Nr. 203 = Juris, Rn. 5; Boeddinghaus/ Hahn/Schulte, a.a.O., Rn. 178; Gädtke/Czepuck/Johlen/Plitz/ Wenzel, a.a.O., Rn. 63a.
48Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Haus den Mittelpunkt der privaten Existenz der Antragsteller bildet, kommt deren Interesse an der vorläufigen Fortsetzung der Nutzung zwar ein besonderes Gewicht zu. Dem hat der Antragsgegner aber durch Einräumung einer angemessen langen - sechsmonatigen - Frist bis zum Eintritt der inneren Wirksamkeit der Nutzungsuntersagung am 1.12.2011 Rechnung getragen.
49Auch der Umstand, dass der Antragsgegner in der Vergangenheit gegen illegale Dauerwohnnutzungen nicht eingeschritten ist, vermag an dem überwiegenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung nichts zu ändern. Zwar kann das besondere Vollzugsinteresse entfallen, wenn eine formell illegale Nutzung seit langem unter den Augen der Bauaufsichtsbehörde ausgeübt worden ist, weil dann die Ordnungsfunktion des formellen Baurechts bereits entwertet sein kann.
50Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11.6.1991 - 10 B 1885/91 -; vom 18.3.1992 - 10 B 220/92 -; vom 7.7.1997 - 7 B 1479/97 -; vom 28.3.2001 - 7 B 452/00 -; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O.
51Eine solche Situation liegt hier indes nicht vor. Mit seinem Grundsatzbeschluss vom Ende des Jahres 2007 hat der Antragsgegner seine bisherige Praxis der faktischen Duldung illegaler Dauerwohnnutzungen aufgegeben und sich dazu entschlossen, gegen ihm künftig bekannt werdende, nach dem 31.12.2007 begonnene illegale Dauerwohnnutzungen einzuschreiten. Dementsprechend ist er auch im Falle der Antragsteller verfahren. Nachdem er durch die Melderegisterauskunft vom 13.10.2010 von der Dauerwohnnutzung der Antragsteller Kenntnis erlangt hatte, ist er umgehend durch Erlass der streitgegenständlichen Bauordnungsverfügung dagegen eingeschritten.
523. Der Antrag hat auch insoweit keinen Erfolg, als er auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung sowie die Gebührenfestsetzung gerichtet ist. Auch insoweit ist der angegriffene Bescheid offenkundig rechtmäßig.
53Die Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. 1.000 EUR findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 58, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW - VwVG NRW -. Insbesondere gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes bestehen keine Bedenken. Sie bewegt sich in dem von § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW vorgegebenen Rahmen und ist im Hinblick auf den angestrebten Erfolg nicht zu beanstanden.
54Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Verwaltungsgebühr i.H.v. 100 EUR sind §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 des Gebührengesetzes NRW - GebG NRW - i.V.m. § 1 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung NRW (AVerwGebO NRW) i.V.m. Tarifstelle 2.8.2.2 des Allgemeinen Gebührentarifs zur AVerwGebO NRW. Danach beträgt die Gebühr für die Untersagung einer rechtswidrigen Nutzung zwischen 100 und 750 EUR.
55Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Dabei orientiert sich die Kammer an dem Streitwertkatalog der Bausenate des OVG NRW vom 17.9.2003 (BauR 2003, 1883). Nach dessen Nr. 10 Buchst. a entspricht der Streitwert bei Klagen gegen Nutzungsverbote dem Jahresnutz- bzw. Mietwert der Anlage. Angesichts einer vereinbarten monatlichen Miete der Antragsteller von 400 EUR und unter Abzug der darin enthaltenen, nicht gesondert ausgewiesenen Heiz- und Warmwasserkosten, für die die Kammer unter Orientierung an § 6 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 der Wohngeldverordnung - WoGV - einen Betrag von 59,85 EUR als angemessen ansieht (63 m2 x 0,80 EUR + 63 m2 x 0,15 EUR), ergibt sich somit eine Streitwert von 4.081,80 EUR (12 x 340,15 EUR), zuzüglich des Wertes der erhobenen Verwaltungsgebühr i.H.v. 100 EUR. Die mit der Bauordnungsverfügung verbundene Zwangsgeldandrohung wirkt nicht werterhöhend (Nr. 11 Buchst. a des Streitwertkatalogs). Der danach für das Klageverfahren maßgebliche Betrag von 4.181,80 EUR war im vorliegenden Eilverfahren im Hinblick auf den nur vorläufigen Charakter der begehrten Entscheidung zu halbieren (Nr. 12 Buchst. a des Streitwertkatalogs).
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