Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 9 L 405/11
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 15.8.2011 (9 K 1857/11) gegen die Bauordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 26.7.2011, ergänzt durch Schreiben vom 28.7.2011, wird angeordnet, soweit sie sich gegen die Zwangsgeldandrohung richtet. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 3.750 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2Der sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 15.8.2011 (9 K 1857/11) gegen die Bauordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 26.7.2011, ergänzt durch Schreiben vom 28.7.2011, wiederherzustellen und hinsichtlich der mit der Bauordnungsverfügung verbundenen Zwangsgeldandrohung anzuordnen, ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
3Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn - wie hier hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 des Justizgesetzes NRW (JustG NRW) - die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt. Es kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage wiederherstellen, wenn - wie hier hinsichtlich der Anordnung der Errichtung eines Bauzauns sowie der dauerhaften Absicherung des Gebäudes gegen unbefugte Zutritte - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet worden ist. Hierbei hat das Gericht jeweils eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegenüberzustellen. Ausgangspunkt dieser Interessenabwägung ist eine - im Rahmen des Eilrechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ergibt diese Prüfung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und ist deshalb die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann grundsätzlich kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO allerdings nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Denn die behördliche Vollziehungsanordnung stellt eine Ausnahme vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO dar und bedarf deswegen einer besonderen Rechtfertigung. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, ist die Entscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung zu treffen. Hat die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes angeordnet, hat der Antrag unabhängig von einer Interessenabwägung bereits dann Erfolg, wenn die Vollziehungsanordnung formell rechtswidrig ist.
41. Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Bauordnungsverfügung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das ist hier in ausreichender Weise geschehen. Bei einer Maßnahme der Gefahrenabwehr, um die es hier geht, können besondere Gründe für die sofortige Vollziehung bereits darin liegen, dass die Gefahren, die den Erlass der Verfügung rechtfertigen, auch nicht bis zur Entscheidung in der Hauptsache hingenommen werden können. Die Behörde genügt in diesen Fällen dem Begründungserfordernis bereits dann, wenn sie - wie hier - zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf diese Gefahren und das sofortige Handlungsbedürfnis hinweist.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.5.1989 - 11 B 1262/89 -, BRS 49 Nr. 231.
62. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage kommt nicht in Betracht. Die gebotene Interessenabwägung geht vorliegend zum Nachteil des Antragstellers aus, weil die an ihn gerichtete Aufforderung, das Gebäude auf dem Grundstück E. , Flur 28, Flurstück 406 (C. Straße 66) mit einem 2,0 m hohen Bauzaun gegen unbefugtes Eindringen zu sichern und auf Dauer so zu verschließen, dass auch zukünftig keine Personen mehr in das verwahrloste Gebäude gelangen können, offensichtlich rechtmäßig ist, und ein besonderes Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung besteht.
7Die Bauordnungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Bauordnung NRW - BauO NRW -. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden u.a. bei der Nutzung und der Instandhaltung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgabe haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Danach war die Antragsgegnerin nach derzeitigem Erkenntnisstand zu dem Einschreiten gegen den Antragsteller berechtigt.
8In seinem gegenwärtigen Zustand steht das Gebäude mit § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW - einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift i.S.v. § 61 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW - nicht in Einklang. Danach sind bauliche Anlagen u.a. so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Dies ist hier nicht der Fall. Es besteht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass spielende Kinder und Jugendliche in das seit längerem leer stehende Gebäude gelangen und dabei an Leib oder Leben zu schaden kommen. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin wurden in dem Gebäude wiederholt Kinder und Jugendliche angetroffen. Laut einem Bericht der Kreispolizeibehörde M. vom 28.2.2010 sind in dem Gebäude mittlerweile eine Vielzahl von Glasverbindungstüren, Einbauschränken, Bauelementen und Löschvorrichtungen mutwillig zerstört worden und können infolge dieser Beschädigungen - durch herumliegende Glasscherben, Tür- und Schrankbeschläge oder dgl. - Personen verletzt werden. Von der Antragsgegnerin im Rahmen von Ortsbesichtigungen am 22.6., 1.7. und 13.7.2011 gefertigte Lichtbilder bestätigen diese Einschätzung (Bl. 14a/17a/19a/21a/22a des Verwaltungsvorgangs). Nach dem Polizeibericht bestehen desweiteren aus dem Gebäudeinneren heraus Zugangsmöglichkeiten zu den vorhandenen hohen Flachdächern. Auch hieraus erwachsen - sturzbedingte - Verletzungsgefahren für in das Gebäude gelangende Kinder und Jugendliche.
9Dass der Antragsteller (und seine beiden Miteigentümer) sowohl in der Vergangenheit als auch aktuell darum bemüht sind, unbefugte Zutritte dadurch zu unterbinden, dass sie die zugänglichen Gebäudeöffnungen mit Holzplatten verschließen, lässt die Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht entfallen. Denn es hat sich gezeigt, dass diese Sicherungsmaßnahme allein nicht ausreichend ist. Die Holzplatten wurden immer wieder gewaltsam entfernt mit der Folge, dass das Gebäude erneut für Kinder und Jugendliche zugänglich wurde. Dass auch die zuletzt verwendeten massiven OSB-Platten, mit deren Montage der Antragsteller nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt des Erlasses der Bauordnungsverfügung bereits begonnen hatte, keinen hinreichend effektiven Schutz gewährleisten, wird darin augenfällig, dass, wie die Antragsgegnerin anlässlich einer Ortsbesichtigung am 22.8.2011 festgestellt hat, nunmehr auch eine dieser Platten bereits entfernt worden ist.
10Die Antragsgegnerin war danach gemäß § 61 Abs. 1 BauO NRW zu einem Einschreiten nach pflichtgemäßem Ermessen befugt. Von dieser Möglichkeit hat sie in rechts-, insbesondere ermessensfehlerfreier Weise durch Erlass der streitgegenständlichen Bauordnungsverfügung Gebrauch gemacht.
11Ermessensentscheidungen prüft das Gericht auch darauf, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einem dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO).
12Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind insbesondere dann überschritten, wenn die Behörde nicht erkennt, dass ihr ein Ermessensspielraum zusteht und sie sich für rechtlich gebunden hält, oder wenn sie einen ihr zustehenden Ermessensspielraum zwar erkennt, davon aber keinen Gebrauch macht. Ein derartiger sog. Ermessensausfall liegt hier nicht etwa deshalb vor, weil die Antragstellerin angenommen hat, ihr (Entschließungs-)Ermessen sei auf Null geschrumpft, sie sei zu einem Einschreiten verpflichtet. Diese Einschätzung ist vielmehr zutreffend. Eine Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten besteht, wenn - wie hier - eine unmittelbare Gefährdung besonders wichtiger Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit von Menschen besteht.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.8.1960 - I C 42.59 -, BVerwGE 11, 95 = Juris, Rn. 10; OVG NRW, Urteil vom 3.5.2007 - 7 A 3350/06 -, Juris, Rn. 43; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Stand; Dezember 2010, § 61 Rn. 140; Gädtke/ Czepuck/Johlen/Plitz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage 2011, § 61 Rn. 42.
14Das ihr allein verbleibende (Auswahl-)Ermessen hinsichtlich der zur Gefahrenabwehr anzuwendenden Mittel hat die Antragsgegnerin fehlerfrei ausgeübt. Die Anordnung der Errichtung eines Bauzauns sowie des dauerhaften Verschließens des Gebäudes verstößt insbesondere nicht gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip sowie den durch das Grundgesetz garantierten Freiheitsgrundrechten abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
15Der Antragsteller hatte sich - wie auch schon in der Vergangenheit - im Rahmen des dem Erlass der streitgegenständlichen Bauordnungsverfügung vorausgegangenen Anhörungsverfahrens bereit erklärt, die zugänglichen Gebäudeöffnungen durch Holzplatten zu verschließen (E-Mail vom 20.7.2011, Bl. 16 des Verwaltungsvorgangs). Hieran knüpft die streitgegenständliche Bauordnungsverfügung insoweit an, als dem Antragsteller darin aufgegeben wird, "das Gebäude ... auf Dauer so zu verschließen, dass auch zukünftig keine Personen mehr in das verwahrloste Gebäude gelangen können". Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass zur Verschließung der Gebäudeöffnungen angebrachte Holzplatten in der Vergangenheit immer wieder entfernt worden waren, zielt die Verfügung insoweit erkennbar darauf, dass es der Antragsteller nicht - einmalig - bei der nunmehr erneut vorgenommenen Absicherung durch Holzplatten belassen darf, sondern diese künftig regelmäßig kontrollieren und erforderlichenfalls, d.h. wenn erneut einzelne Platten entfernt werden sollten, in geeigneter Weise nachbessern muss. Gegen die Verhältnismäßigkeit dieser Anordnung bestehen keine Bedenken.
16Das gilt auch - entgegen der Ansicht des Antragstellers - für die weitere Anordnung, einen 2,0 m hohen, das Gebäude umschließenden Bauzaun zu errichten. Diese Maßnahmen ist zur Abwehr der genannten Gefahr geeignet, erforderlich und angemessen.
17Die Eignung der Maßnahme sieht sich nicht durch den Einwand des Antragstellers in Frage gestellt, die Errichtung eines Bauzauns verspreche keine zusätzliche Sicherheit, weil Personen, die gewillt und in der Lage seien, die zur Sicherung angebrachten Holzplatten herauszubrechen, auch ohne Weiteres den Bauzaun überwinden könnten. Damit verkennt der Kläger zum einen, dass der Bauzaun jedenfalls ein zusätzliches Hindernis für diese Personen darstellt, indem er ihnen den Zugang zu dem Gebäudes zumindest erschwert. Zum anderen dürfen nicht nur diejenigen Personen in Betracht gezogen werden, die zu einem Aufbrechen des Gebäudes entschlossen sind, sondern auch solche Kinder und Jugendliche, die lediglich aufgrund bereits vorhandener Gebäudeöffnungen sich bietende Zutrittsmöglichkeiten nutzen würden. Gerade zur Abwehr derartiger "Zufalls- bzw. Gelegenheitszutritte" vermag die Errichtung eines Bauzauns einen Beitrag zu leisten. Dass sich auch diese nicht sicher ausschließen lassen, weil der Zaun überwunden werden kann, ist unschädlich. Eine Maßnahme ist bereits dann geeignet, wenn sie zur Erreichung des gewünschten Erfolges zumindest förderlich ist. Nur gänzlich untauglichen Mitteln kann die Eignung abgesprochen werden.
18Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.4.2001 - 1 BvL 32/97 -, BVerfGE 103, 293 = Juris, Rn. 51; Jarass/Pieroth, GG, 11. Auflage 2011, Art. 20 Rn. 84; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., Rn. 82.
19Bei der Anordnung der Errichtung eines Bauzauns handelt es sich auch um eine erforderliche Maßnahme. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass allein das Verschließen der Gebäudeöffnungen durch Holzplatten den Zutritt von Kindern und Jugendlichen zu dem Gebäude und die damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben nicht effektiv verhindern kann. In Anbetracht der auf dem Spiel stehenden hochrangigen Rechtsgüter ist die Anordnung der Errichtung eines Bauzauns trotz der damit für den Antragsteller verbundenen erheblichen Kosten auch nicht unangemessen.
20Frei von Ermessensfehlern ist schließlich auch die Inanspruchnahme der Person des Antragstellers. Als Miteigentümer des Grundstücks ist er als sog. Zustandsststörer gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 des Ordnungsbehördengesetzes - OBG - für die Beseitigung des Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW verantwortlich. Erweist sich die Bauordnungsverfügung danach als rechtmäßig, fehlt es desweiteren nicht an einem die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO rechtfertigenden besonderen Vollzugsinteresse. Dieses entspricht hier ausnahmsweise dem Interesse am Erlass der Verfügung. Die von dem Gebäude ausgehenden Gefahren für Leib und Leben können auch nicht nur vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hingenommen werden.
213. Der Antrag ist jedoch insoweit begründet, als er auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung gerichtet ist. Die Androhung eines Zwangsgeldes von 1.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verfügung ist in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig.
22Zum einen fehlt es deshalb an einer allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung, weil die Antragstellerin nicht rechtzeitig Duldungsverfügungen gegen die beiden weiteren Miteigentümer des Grundstücks erlassen hat.
23Für die Vollstreckung von Verwaltungsakten, die auf Vornahme von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen gerichtet sind, ist anerkannt, dass nur solche Handlungen erzwungen werden können, die allein vom Willen des Pflichtigen abhängen. Ist der Pflichtige zur Erfüllung nicht in der Lage, weil er in Rechte Dritter eingreifen müsste, so führt dies zwar nicht zur Rechtswidrigkeit der Grundverfügung, hindert aber ihre Durchsetzbarkeit (Vollziehbarkeit), und zwar so lange, bis eine vollziehbare Duldungsverfügung gegen den Dritten erlassen ist.
24BVerwG, Urteil vom 28.4.1972 - IV C 42.69 -, BVerwGE 40, 101 = BRS 25 Nr. 205 = Juris, Rn. 31; OVG NRW, Urteile vom 20.6.1974 - XI A 671/73 -, BRS 28 Nr. 151; vom 23.5.1985 - 7 A 2311/82 -, BRS 44 Nr. 209; Beschlüsse vom 10.10.1996 - 11 B 2310/96 -, BRS 58 Nr. 223 = Juris, Rn. 4; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., Rn. 192 m.w.N.
25Durch die geforderte Errichtung des Bauzauns und künftige Maßnahmen zum Verschließen des Gebäudes würde der Antragsteller in die Eigentumsrechte der beiden anderen Miteigentümer eingreifen. Zu einer Duldung dieser Eingriffe sind die Miteigentümer erst mit von der Antragsgegnerin für sofort vollziehbar erklärten Duldungsverfügungen vom 16.8.2011 aufgefordert worden. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Duldungsverfügungen war indes die dem Antragsteller bis zum 10.8.2011 eingeräumte Ausführungsfrist bereits abgelaufen. Für die Entscheidung kann daher offen bleiben, ob die Vollstreckungsvoraussetzungen bereits bei Fristbeginn vollständig vorliegen müssen, oder der Erlass einer für sofort vollziehbar erklärten Duldungsverfügung während der noch laufenden Frist ausreicht.
26Vgl. zur Problematik OVG NRW, Urteil vom 23.5.1985, a.a.O.; OVG Saarland, Urteil vom 15.6.1993 - 2 R 37/91 -, BRS 55 Nr. 203 = Juris, Rn. 19 ff.
27Die Zwangsgeldandrohung ist auch insoweit rechtswidrig, als sie "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" ergangen ist. Zwar können nach § 57 Abs. 3 Satz 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW - VwVG NRW - Zwangsmittel für jeden Fall der Nichtbefolgung festgesetzt werden. Dies gilt aber ausdrücklich nur bei Erzwingung einer Duldung oder Unterlassung. Die vorliegende Bauordnungsverfügung ist jedoch nicht auf eine Duldung oder Unterlassung, sondern auf die Vornahme von Handlungen gerichtet. In einem solchen Fall ist eine Zwangsmittelandrohung "auf Vorrat" mangels einer - nach dem Vorbehalt des Gesetzes erforderlichen - gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage unzulässig.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.1.2010 - 4 B 1749/08 -, Juris, Rn. 50 ff.; VG Aachen, Beschluss vom 14.2.2011 - 6 L 32/11 -, Juris, Rn. 29 ff.
29Soweit die Errichtung eines Bauzauns in Rede steht, ist eine Androhung "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" ohnehin sinnlos, weil die Verpflichtung nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt, nicht hingegen mehrfach verletzt werden kann.
30Soweit sich die Zwangsgeldandrohung auch auf die Verpflichtung des Antragstellers zur Vornahme künftig notwendig werdender Sicherungsmaßnahmen an dem Gebäude bezieht, ist sie zudem deshalb rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin entgegen § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW keine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung bestimmt hat. Dass die Androhung des (einheitlichen) Zwangsgeldes auch auf diese zukunftsbezogene Verpflichtung bezogen ist, ergibt sich deutlich aus der Begründung der Bauordnungsverfügung. Danach würde, "sollte in der Zukunft nach Durchführung dieser Maßnahme [d.h. der Errichtung eines Bauzauns] das Gebäude erneut aufgebrochen werden, ... das angedrohte Zwangsgeld nach einer Anhörung festgesetzt werden." Die bis zum 10.8.2011 gesetzte Frist, die offenkundig auf die Verpflichtung zur Errichtung eines Bauzauns zugeschnitten ist, ist schon deshalb keine angemessene Frist zur Erfüllung der weiteren Verpflichtung zur künftigen Absicherung neu entstehender Gebäudeöffnungen, weil sich diese Verpflichtung erst künftig aktualisieren kann. Sobald ein solcher Fall eintreten sollte, hat die Antragsgegnerin es in der Hand, auf eine eventuelle Untätigkeit des Antragstellers mit einer selbständigen Zwangsmittelandrohung zu reagieren und darin eine angemessene Ausführungsfrist zu bestimmen.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsteller ist mit den gesamten Kosten des Verfahrens zu belasten, weil die Zwangsmittelandrohung den Streitwert nicht erhöht und der Teilerfolg daher auf die Kosten des Verfahrens keinen Einfluss hat. Vor diesem Hintergrund stellt sich das teilweise Unterliegen der Antragsgegnerin als gering dar.
32Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Dabei orientiert sich die Kammer an dem Streitwertkatalog der Bausenate des OVG NRW vom 17.9.2003 (BauR 2003, 1883). Nach dessen Nr. 10 Buchst. e entspricht der Streitwert bei Klagen gegen bauaufsichtliche Handlungsgebote i.d.R. den tatsächlichen Kosten. Unter Berücksichtigung des vom Antragsteller vorgelegten Kostenvoranschlags für das Material eines Bauzauns, insoweit zu erwartende Transport- und Errichtungskosten sowie der Kosten künftig möglicherweise notwendig werdender erneuter Sicherungsmaßnahmen unmittelbar an dem Gebäude hält die Kammer einen Betrag von 7.500 EUR für angemessen. Dieser für das Klageverfahren maßgebliche Betrag war im vorliegenden Eilverfahren im Hinblick auf den nur vorläufigen Charakter der begehrten Entscheidung zu halbieren (Nr. 12 Buchst. a des Streitwertkatalogs).
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Referenzen
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