Urteil vom Verwaltungsgericht Minden - 4 K 2021/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.
1
Tatbestand:
2Der am geborene Kläger erlangte im Jahre 1977 die allgemeine Hochschulreife. Nach Beendigung seines Wehrdienstes begann der Kläger zum Wintersemester 1978 ein Studium für das Lehramt für die Sekundarstufe I in den Fächern Geographie und Sport, das er am 22.09.1983 mit der Ersten Staatsprüfung mit der Note „Befriedigend“ abschloss. In der Zeit von 1984 bis 1990 war der Kläger als Kreisgeschäftsführer für die Partei „E. H. “ in Q. tätig. Vom 15.12.1990 an leistete er den Vorbereitungsdienst und legte am 30.11.1992 die zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I mit der Gesamtnote „befriedigend“ (8 Rangpunkte) ab. Am 21.05.1992 wurde sein Sohn P. O. geboren.
3Im Zeitraum von August 1994 bis Juli 1996 war der Kläger aufgrund entsprechend befristeter Arbeitsverträge als Lehrer im Angestelltenverhältnis tätig. Mit Arbeitsvertrag vom 07.08.1996 wurde der Kläger ab dem 19.08.1996 unbefristet mit 23,5 Wochenstunden in den Schuldienst des beklagten Landes eingestellt.
4Mit Schreiben vom 01.02.2001 beantragte der Kläger seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Dies lehnte die Bezirksregierung E1. mit Bescheid vom 07.02.2001 ab, der Kläger erwiderte daraufhin unter dem 02.03.2001, dass er der darin vorgetragenen Rechtsauffassung nicht zustimmen könne und sich deshalb weitere Schritte vorbehalte.
5Am 05.03.2009 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2009 seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.
6Diesen Antrag lehnte die Bezirksregierung E1. mit Bescheid vom 05.08.2009 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe zum Zeitpunkt der Antragstellung die nunmehr geltende Höchstaltersgrenze von 40 Jahren überschritten und selbst wenn anerkennungswürdige Verzögerungstatbestände vorliegen würden, sei dievAltersgrenze so erheblich überschritten, dass diese Tatbestände nicht zum Tragen kämen.
7Am 14.08.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, die am 18.07.2009 in Kraft getretenen Vorschriften zur Höchstaltersgrenze seien in seinem Falle nicht anwendbar, weil er seinen Verbeamtungsantrag bereits im März 2009 gestellt habe; seinerzeit habe es keine wirksame Regelung zur Höchstaltersgrenze gegeben. Es sei rechtswidrig gewesen, den bereits im März 2009 gestellten Übernahmeantrag erst im August 2009 nach dem Wirksamwerden der neuen Höchstaltersgrenze unter Hinweis auf jene Höchstaltersgrenze abzulehnen. Abgesehen hiervon seien die seit dem 18.07.2009 geltenden Vorschriften zur Höchstaltersgrenze angesichts der in ihnen enthaltenen Ausnahmeregelungen rechtswidrig; sie seien auch mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates der Europäischen Union vom 27.11.2000 nicht vereinbar. Angesichts des Umstandes, dass er bereits im Jahre 2001 seine Verbeamtung erstmals begehrt habe, habe er einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der Höchstaltersgrenze.
8Der Kläger beantragt,
9das beklagte Land unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts und ohne Berufung auf das Überschreiten der Höchstaltersgrenze erneut zu entscheiden.
10Das beklagte Land beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Es trägt ergänzend vor, im vorliegenden Falle seien die zum 18.07.2009 in Kraft getretenen Regelungen zur Höchstaltersgrenze maßgeblich, die im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden seien. Die Verfahrensweise, den Antrag des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe erst nach Inkrafttreten der Neuregelungen zur Höchstaltersgrenze zu bescheiden, sei nicht als rechtswidrig einzustufen. Im Übrigen habe das OVG NRW die Neuregelung der LVO über die Höchstaltersgrenze für wirksam erachtet.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Personalakte des Klägers Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
16Die Ablehnung der erstrebten Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe durch den Bescheid des Beklagten vom 05.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe bzw. auf erneute Bescheidung seines Verbeamtungsantrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
17Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 05.08.2009 ist allerdings formell rechtswidrig, weil die Gleichstellungsbeauftragte nicht beteiligt worden ist. Die Entscheidung, ob eine angestellte Lehrkraft in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen wird, ist eine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende personelle Maßnahme gemäß § 17 Abs. 1 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesgleichstellungsgesetz – LGG –)
18– vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 03.12.2010 - 6 A 1698/10 -, juris (Rn. 10) m.w.N. –
19mit der Folge, dass diese im Vorfeld der Entscheidung zu unterrichten und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, 18 Abs. 2 LGG. Dieser Verfahrensfehler ist aber gemäß § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten begründet keinen absoluten – die Anwendung des § 46 VwVfG ausschließenden – Verfahrensfehler.
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 1978/07 -, juris.
21Es ist offensichtlich, dass die Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, weil das materielle Recht dem beklagten Land keinen Entscheidungsspielraum eröffnet. Die Entscheidung hätte auch bei Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nicht anders ausfallen dürfen.
22In materieller Hinsicht muss das Begehren des Klägers nämlich daran scheitern, dass er im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
23– vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 03.12.2010 - 6 A 1698/10 -, juris (Rn. 16) –
24die Höchstaltersgrenze für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis überschritten hat und diese Überschreitung in seinem Fall nicht zulässig ist.
25Gemäß §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Land Nordrhein-Westfalen in der seit dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung (Laufbahnverordnung; im Folgenden: LVO NRW n. F.) darf als Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1 Buchst. a) LVO NRW n. F. nur derjenige in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt oder übernommen werden, der das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung das 53. Lebensjahr vollendet.
26Die Neuregelungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar und auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an, das dazu in seinen Urteilen vom 27.07.2010 - 6 A 858/07, 6 A 228/08, 6 A 3302/08 -, juris, ausgeführt hat:
27„Eine laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze für die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe wird, wie der Senat u.a. bereits im Urteil vom 15. März 2007 - 6 A 4625/04 -, ZBR 2008, 352, ausgeführt hat, weder durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16) noch durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) – mit dem die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt worden ist –, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtsauffassung des Senats bestätigt.
28Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009 - 2 C 18.07 -, BVerwGE 133, 143, sowie Urteil vom 24. September 2009 - 2 C 31.08 -, NVwZ 2010, 251.
29In Anbetracht der Zielsetzung des Verordnungsgebers (vgl. S. 31 seiner Begründung zum Entwurf der Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung und anderer dienstrechtlicher Vorschriften) ist die in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW n. F. festgelegte Höchstaltersgrenze von 40 Jahren für die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe mit den Vorgaben des § 10 Satz 1 und 2 AGG vereinbar.
30Vgl. zur Höchstaltersgrenze von 35 Jahren: OVG NRW, Urteil vom 15. März 2007 - 6 A 4625/04 -, a.a.O.
31Die Höchstaltersgrenze erfährt eine Abmilderung durch die Möglichkeiten, verschiedene Verzögerungszeiten zu berücksichtigen, die auf den persönlichen Lebensumständen des jeweiligen Laufbahnbewerbers beruhen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 LVO NRW n. F.). Über die Ausnahmeregelung des § 84 LVO NRW n. F. können weitere Fallgestaltungen Berücksichtigung finden.
32Der Verordnungsgeber hat mit den Neuregelungen zur Höchstaltersgrenze den Vorgaben und Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts,
33vgl. Urteil vom 19. Februar 2009 - 2 C 18.07 -, a.a.O.,
34hinreichend Rechnung getragen. Er hat die Gemengelage der Fallgestaltungen, die unter § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW a. F. gefasst worden sind, aufgelöst. Nunmehr ist die Ableistung einer Dienstpflicht nach Art. 12a GG, die das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) als Ausnahmegrund in § 6 Abs. 1 Satz 3 ff. LVO NRW a. F. vermisst hatte, sowie die Teilnahme an einem freiwilligen sozialen Jahr in den Katalog der zwingend zu beachtenden Verzögerungsgründe aufgenommen worden (vgl. § 6 Abs. 2 Buchst. a) und b) LVO NRW n. F.). Alle weiteren möglichen Ausnahmen sind jetzt nicht mehr, wie das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW a. F. beanstandet hatte, voraussetzungslos in das Ermessen der Verwaltung gestellt. § 84 Abs. 2 Satz 1 LVO NRW n. F. sieht zwei Ausnahmefälle mit benannten Tatbestandsvoraussetzungen vor. § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NRW n. F. eröffnet die Zulassung einer Ausnahme für einzelne Fälle oder Gruppen von Fällen und knüpft an ein erhebliches dienstliches Interesse des Dienstherrn an, Bewerber als Fachkräfte zu gewinnen oder zu behalten. Diese Regelung orientiert sich im Kern an den Beweggründen, die etwa dem sogenannten Mangelfacherlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 22. Dezember 2000 zu Grunde lagen. § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n. F. enthält daneben eine Härteklausel, die an die persönliche Situation im Einzelfall anknüpft. Schließlich ist die in § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO NRW a. F. für den Fall der Verzögerung des Verwaltungsverfahrens enthaltene Ausnahmefiktion durch § 6 Abs. 2 Satz 5 LVO NRW n. F. ersetzt und damit - unter rechtsdogmatischen Aspekten folgerichtig - den besonders benannten Ausnahmefällen in § 6 LVO NRW n. F. zugeordnet worden.
35Der Verordnungsgeber hat rechtsfehlerfrei von Übergangsregelungen abgesehen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass dem Zeitpunkt der Antragstellung nur im Rahmen des erwähnten § 6 Abs. 2 Satz 5 LVO NRW n. F. Bedeutung zukommt.“
36Angesichts dieser Rechtsprechung, die vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden ist
37– vgl. Beschlüsse vom 24.01.2011 - BVerwG 2 B 2.11, 2 B 5.11 und 2 B 7.11 -, juris –
38und an der das Oberverwaltungsgericht auch in der Folgezeit festgehalten hat
39– vgl. u. a. Beschlüsse vom 20.10.2010 - 6 A 1494/10 -, 26.10.2010 - 6 A 1690/10 - , 03.11.2010 - 6 A 1691/10 - und 03.12.2010 - 6 A 1696/10 und 6 A 1698/10 -, jeweils in juris –,
40besteht kein Anlass, E. Frage der Vereinbarkeit der nunmehr geltenden laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
41Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, in seinem Fall sei eine Überschreitung der Höchstaltersgrenze nach § 6 Abs. 2 LVO NRW n. F. zulässig.
42Hat sich die Einstellung oder Übernahme a) wegen der Ableistung einer Dienstpflicht nach Artikel 12a GG, b) wegen der Teilnahme an einem freiwilligen sozialen Jahr, c) wegen der Geburt eines Kindes oder wegen der tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren, d) wegen der tatsächlichen Pflege eines nahen Angehörigen verzögert, so darf nach § 6 Abs. 2 LVO NRW n. F. E. jeweilige Altersgrenze im Umfang der Verzögerung überschritten werden. Die Vergünstigung setzt, wie schon § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO NRW a. F. für die Kinderbetreuung und die früheren Erlassregelungen für den Wehr- und Zivildienst, voraus, dass sich die Einstellung "wegen" dieser Sachverhalte verzögert hat. Die genannten Tätigkeiten müssen damit die entscheidende und unmittelbare Ursache für die Überschreitung der Höchstaltersgrenze sein. Der Ursachenzusammenhang ist unterbrochen, wenn nach den Tätigkeiten andere, vom Bewerber zu vertretende Umstände bzw. vermeidbare Verzögerungen, wie etwa eine für die Einstellung nicht erforderliche Ausbildung oder Berufstätigkeit, die Einstellung hinausgeschoben haben.
43Vgl. zur LVO NRW a. F. OVG NRW, Urteil vom 07.09.1994 - 6 A 3377/93 - juris, und BVerwG, Urteil vom 13.07.2000 - 2 C 21.99 u.a. -, juris; zur LVO NRW n. F. OVG NRW, Beschlüsse vom 03.12.2010 - 6 A 1696/10 und 6 A 1698/10 -, juris.
44Die im Falle des Klägers maximal berücksichtigungsfähige Kinderbetreuungszeit von drei Jahren und sein vor Beginn des Studiums abgeleisteter Wehrdienst kann jedoch bereits die zum Zeitpunkt seines Verbeamtungsantrages vom 05.03.2009 eingetretene Überschreitung der Höchstaltersgrenze um mehr als zehn Jahre nicht ausgleichen.
45Auch die Bewilligung einer Ausnahme vom Höchstalter gemäß § 84 Abs. 2 LVO NRW n. F. scheidet aus. Allerdings können nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n. F. Ausnahmen vom Höchstalter für einzelne Fälle zugelassen werden, wenn sich der berufliche Werdegang nachweislich aus von dem Bewerber nicht zu vertretenden Gründen in einem Maße verzögert hat, das die Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen ließe. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe rechtswidrig unter Hinweis auf die – von Anfang an unwirksame – Höchstaltersgrenze alten Rechts abgelehnt wurde, der Bewerber hiergegen Rechtsmittel eingelegt hat und zwischenzeitlich die neue Höchstaltersgrenze überschritten ist. Ein solcher Geschehensablauf, bei dem sich der berufliche Werdegang des Bewerbers durch die behördliche Behandlung seines Verbeamtungsantrags verzögert hat, ließe im Sinne der Verordnung die Anwendung der Altersgrenze unbillig erscheinen.
46Vgl. dazu OVG NRW, Urteile vom 27.07.2010 - 6 A 858/07, 6 A 228/08,
476 A 3302/08 -, und Beschlüsse vom 26.10.2010 - 6 A 1690/10 - und 03.12. 2010 - 6 A 1696/10 und 6 A 1698/10 -, jeweils in juris.
48Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der berufliche Werdegang des Klägers hat sich nicht aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen derart verzögert, dass eine Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheint.
49Durch das Ableisten von Zivildienst oder die Betreuung von Kindern bedingte Verzögerungen werden bereits durch § 6 Abs. 2 Satz 1 LVO NRW n. F. abschließend erfasst,
50vgl. erneut OVG NRW, Beschlüsse vom 03.12.2010 - 6 A 1696/10 und
516 A 1698/10 -, juris.
52Die behördliche Behandlung des Antrags des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n. F. nicht. Der eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ablehnende Bescheid der Bezirksregierung E1. vom 07.02.2001 war zwar rechtswidrig, weil der Kläger seinerzeit mangels Existenz einer wirksamen Höchstaltersgrenze in das Beamtenverhältnis auf Probe hätte übernommen werden müssen. Diese Entscheidung ist aber bestandskräftig geworden, weil der Kläger gegen den ablehnenden Bescheid vom 07.02.2001 über acht Jahre trotz Ankündigung weiterer (rechtlicher) Schritte nichts weiter unternommen hat, und deshalb bei der behördlichen Entscheidung im Rahmen des § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n. F. nicht berücksichtigungsfähig. Die Bestandskraft ist auch nicht durch ein Wiederaufgreifen gemäß § 51 VwVfG NRW oder nach Ermessen des beklagten Landes durchbrochen worden. Der am 05.03.2009 unter Ausnutzung der Übergangszeit zwischen den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2009 und dem Inkrafttreten der Neuregelungen zur Höchstaltersgrenze gestellte Antrag des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe wurde nicht - mit der Folge einer Verzögerung seines beruflichen Werdegangs - rechtswidrig unter Berufung auf die LVO NRW a. F. abgelehnt. Der Bescheid vom 05.08.2009 stützt sich vielmehr zu Recht auf die Neuregelungen, deren zeitnahes Inkrafttreten das beklagte Land, das am laufbahnrechtlichen Institut einer Höchstaltersgrenze festhalten wollte, auch in solchen Fällen abwarten durfte, in denen - wie hier - der Zeitraum zwischen der Antragstellung des Beamtenbewerbers und dem Inkrafttreten der laufbahnrechtlichen Neuregelungen zum Höchstalter mehr als drei Monate betrug.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 06.12.2010 - 6 A 1852/10 -, juris.
54Vor diesem Hintergrund lässt allein der Umstand, dass zur Zeit der Antragstellung keine Höchstaltersgrenze bestand, die Anwendung der neuen Altersgrenze nicht unbillig i.S.v. § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n. F. erscheinen.
55Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 03.12.2010 - 6 A 1696/10 und 6 A 1698/10 -, juris.
56Liegen damit schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n. F. nicht vor, musste und durfte das beklagte Land auch keine Ermessensentscheidung über die Bewilligung einer Ausnahme vom Höchstalter treffen.
57Der vom Kläger mit Schriftsatz vom 20.04.2011 angesprochenen Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Union bedurfte es nicht. Gegen Urteile von Verwaltungsgerichten kann entweder gemäß § 124 a Abs. 4 VwGO Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt oder im Falle der Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124 VwGO unmittelbar Berufung eingelegt werden. Vorliegend ist die erstgenannte Möglichkeit eröffnet, wie der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung zu entnehmen ist. Deshalb sind die Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, unter denen eine Verpflichtung zur Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Union bestehen kann, nicht gegeben.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.