Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 6 L 79/21
Tenor
1. Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Minden vom 3. August 2020 (6 L 414/20) wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
3unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Minden vom 3. August 2020 (6 L 414/20) die aufschiebende Wirkung der Klage (früher: VG Berlin 24 K 502.19, jetzt: VG Minden 6 K 1414/20) gegen den Verpflichtungsbescheid der Antragsgegner vom 24. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2019 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
6Hierbei dient das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO formell und materiell richtig ist. Es dienst allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage in der Hauptsache geboten ist. Das Abänderungsverfahren ist demnach kein Rechtsmittelverfahren, sondern ein gegenüber dem Ausgangsverfahren selbständiges und neues Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem eine abweichende Entscheidung (nur) mit Wirkung für die Zukunft getroffen werden kann.
7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008 - 2 VR 1.08 -, juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Dezember 2001 - 13 S 1824/01 -, juris Rn. 5; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 183, m. w. N.
8Voraussetzung für eine erneute gerichtliche Entscheidung ist daher, die Geltendmachung veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände, die geeignet sind, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1999 - 11 VR 13.98 -, juris Rn. 2 und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Dezember 2001 - 13 S 1824/01 -, juris Rn. 5; OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. August 2018 - 7 Ms 54/18 -, juris Rn. 5;.
10Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf den Abänderungsgrund und dessen Auswirkung bei einer erneuten Entscheidung in der Sache. Damit ein Abänderungsantrag Erfolg hat, müssen beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen.
11Ein Abänderungsgrund liegt nach § 80 Abs. 7 Satz 2 Var. 1 VwGO einerseits vor, wenn veränderte Umstände eingetreten sind. Hiervon sind Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art erfasst, die nach der Eilentscheidung im Ursprungsverfahren in der Gestalt, die sie gegebenenfalls durch eine Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts erhalten hat, eingetreten sind und welche den tragenden Erwägungen der erstinstanzlichen Entscheidung zugrunde lagen.
12Vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand: 39. Ergänzungslieferung, Juli 2020, VwGO, § 80 Rn. 584 f., m. w. N.
13Andererseits besteht ein Abänderungsgrund nach § 80 Abs. 7 Satz 2 Var. 2 VwGO auch dann, wenn im ursprünglichen Verfahren bereits vorliegende Umstände ohne Verschulden nicht geltend gemacht wurden. Dabei ist für den Verschuldensmaßstab auf § 60 Abs. 1 VwGO zurückzugreifen und damit zu fragen, ob dem Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalles kein Vorwurf hinsichtlich der Säumnis der Geltendmachung im Ausgangsverfahren zu machen ist.
14Vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 185, m. w. N. und Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 42, m. w. N.
15Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe legt die Antragstellerin weder eine beachtliche Änderung der Sach- und Rechtslage im Verhältnis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung vom 3. August 2020 dar noch ist eine solche ersichtlich. Sie hat auch nicht dargetan, ohne Verschulden gehindert gewesen zu sein, bereits im ursprünglichen Verfahren bestehende Umstände geltend zu machen.
16Die Antragstellerin stützt ihren Abänderungsantrag im Wesentlichen darauf, dass sich dem von den Antragsgegnern und der Beigeladenen in den Beschwerdeverfahren von dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (5 S 31/20 und 5 S 32/20) mit Schriftsatz vom 27. Januar 2021 vorgelegten Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen vom 17. Dezember 2008 entnehmen lasse, dass die Antragsgegner Alleingesellschafter der Beigeladenen seien. Hieraus will sie den Schluss ziehen, dass die Antragsgegner sowohl bei Erlass des streitgegenständlichen Ausgangsbescheides als auch bei Erlass des Widerspruchsbescheides nicht als Behörde gehandelt hätten, weil der Krankenhaus-Entgelt-Ausschluss (KEA) durch den Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen als permanentes fachliches Steuerungsgremium installiert worden sei, dem gesellschaftsrechtlich die Beschlussfassung zur Verpflichtung der Krankenhäuser an der Kalkulationsteilnahme obliege. Diese Verpflichtung sei über die Geschäftsführung der Beigeladenen umgesetzt worden. Damit sei auch die Annahme widerlegt, dass die Beigeladene die Stellung einer Verwaltungshelferin innehabe.
17Bei den Regelungen des Gesellschaftsvertrags der Beigeladenen und den hierzu von der Antragstellerin ausgeführten rechtlichen Erwägungen handelt es sich nicht um Umstände, die nach der abzuändernden Entscheidung eingetreten sind, denn der aktuell geltende Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen besteht bereits seit dem 17. Dezember 2008.
18Ohnehin ist für das Gericht zweifelhaft, ob die von der Antragstellerin vorgebrachten Umstände überhaupt geeignet wären, eine Abänderung der Ausgangsentscheidung zu rechtfertigen. Denn das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seiner Entscheidung vom 21. Januar 2021 - 13 B 1221/20 -ausgeführt, dass die Antragsgegner nach Maßgabe des § 17b Abs. 3 Satz 4 und 5 KHG a.F. sowohl bei Erlass des Ausgangsbescheids als auch bei Erlass des Widerspruchsbescheids in Wahrnehmung der ihnen gesetzlich obliegenden Aufgaben funktional als einheitliche Behörde im Sinne von § 1 Abs. 4 VwVfG tätig geworden sind und der Bescheid der Beigeladenen vom 24. Juli 2019, den sie „namens und im Auftrag“ der Antragsgegner erlassen hat, diesen zuzurechnen ist.
19Darüber hinaus war die Antragstellerin auch nicht ohne Verschulden gehindert, diese Umstände bereits im Ausgangsverfahren vor dem erkennenden Gericht bzw. im Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geltend zu machen. Es ist weder vorgetragen noch für das Gericht erkennbar, warum die gesellschaftsvertraglichen Regelungen der Beigeladenen, die die Antragstellerin für entscheidungsrelevant hält, nicht bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bzw. dem anschließenden Beschwerdeverfahren von der Antragstellerin vorgebracht worden sind. Da ein Gesellschaftsvertrag einer GmbH - und damit auch der Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen - über das Handelsregister frei zugänglich ist, stand es der Antragstellerin schon damals offen, sich diesen zu beschaffen.
20So auch VG Lüneburg, Beschluss vom 3. Mai 2021 - 6 B 7/21 -, Anlage AG 5, S. 10 in einem parallel gelagerten Fall.
21Es sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die es möglich erscheinen lassen, dass die Antragstellerin keinen Einblick in die gesellschaftsrechtlichen Strukturen der Beigeladenen hätte nehmen können. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin eine mögliche Relevanz der Gesellschaftsstruktur der Beigeladenen für ihren Vortrag im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht hätte erkennen können.
22Auch bezüglich des von der Antragstellerin wiederholten Antrages auf umfassende Akteneinsicht in die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegner und der Beigeladenen, den sie bereits im vorausgegangenen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt hatte, sind keine veränderten Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gegeben. Die Antragstellerin wiederholt und vertieft lediglich ihr bisheriges Begehren aus dem Ausgangsverfahren.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kammer hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach billigem Ermessen für erstattungsfähig erklärt, weil die Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt hat und damit auch ein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO).
24Die Streitwertfestsetzung beruht auch für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO aufgrund des gleichen Rechtsschutzzieles auf § 53 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des OVG NRW.
25Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Januar 2021, - 13 B 1221/20 -, juris Rn. 78 und vom 17. April 2019 - 13 B 1431/18 -, juris Rn. 75; VG Köln, Urteil vom 3. Juli 2018 - 7 K 5224/17 -, juris Rn. 76.
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Referenzen
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- § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
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