Beschluss vom Verwaltungsgericht Münster - 7 L 29/87
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 6.000,- DM festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2I.
3Der Antragsteller ist seit Januar 1972 als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur zugelassen und tätig; seit Januar 1973 unterhält er eine eigene Geschäftsstelle in X.
4Auf Anregung des Finanzamtes X leitete der Antragsgegner im August 1985 das Verfahren zur Zurücknahme der Zulassung des Antragstellers als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur ein. Die dabei angestellten Ermittlungen ergaben, daß der Antragsteller seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt und gegenüber der Techniker-Krankenkasse in erheblichem Umfang verletzt und (weitere) beträchtliche Schulden bei Banken und früheren Angestellten hatte. Gestützt auf dieses Ermittlungsergebnis nahm der Antragsgegner durch Bescheid vom 25. November 1985 die Zulassung des Antragstellers als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur wegen persönlicher Unzuverlässigkeit sowie wegen Vermögensverfalls zurück. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch. Weiter Ermittlungen des Antragsgegners in der Folgezeit ergaben, daß der Antragsteller auch bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft mit Beitragszahlungen im Rückstand war und im August 1986 die Eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hatte. Daraufhin wies der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers durch Widerspruchsbescheid vom 1. September 1986 als unbegründet zurück.
5Im August 1986 ordnete das Amtsgericht N auf den Konkursantrag mehrerer Gläubiger des Antragstellers hin die Sequestration des Vermögens des Antragstellers und ein Veräußerungs- und Verfügungsverbot für diesen an. Nach Feststellung der Masse lehnte das Amtsgericht N sodann im November 1986 die Anträge auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer die Kosten deckenden Masse ab. Im August und September 1986 war zudem die Zwangsversteigerung der (wesentlichen) Immobilien des Antragstellers eingeleitet worden.
6Nachdem dies dem Antragsgegner bekanntgeworden war und der Antragsteller bereits im Oktober 1986 bei dem erkennenden Gericht (7 K 1623/86) Klage gegen die Zurücknahme seiner Zulassung als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur erhoben hatte, ordnete der Antragsgegner durch weiteren Bescheid vom 22. Januar 1987 die sofortige Vollziehung dieser Zurücknahme an.
7Zur Begründung seines am 26. Januar 1987 bei Gericht eingegangenen Aussetzungsantrages macht der Antragsteller im wesentlichen geltend, die Zurücknahme seiner Zulassung und insbesondere die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Zurücknahme seien nicht gerechtfertigt. Er sei in der Lage, seine Schulden beim Finanzamt und bei den Sozialversicherungsträgern, wenn auch nur langfristig, zu tilgen. Deshalb könne auch von einem Vermögensverfall nicht die Rede sein. Die Zurücknahme seiner Zulassung bedeute für ihn und seine Familie einen erheblichen Eingriff und nehme ihm die Möglichkeit, seine Schulden weiter zurückzuführen.
8Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
9die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. November1985 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 1. September 1986 wiederherzustellen.
10Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
11den Antrag abzulehnen.
12Zur Begründung wiederholt und vertieft er den Inhalt der ergangenen Bescheide.
13Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Klageverfahrens 7 K 1623/86 sowie der zu beiden Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
14II.
15Der Antrag hat keinen Erfolg.
16Gegen die persönliche Zuverlässigkeit des Antragstellers (§ 16 Abs. 1 lit. d i.V.m. § 4 lit. e der Berufsordnung für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure in Nordrhein-Westfalen – ÖbVermIngBO -) bestehen so erhebliche Bedenken, daß im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlichen Abwägung das öffentliche Interesse am sofortigen Ausschluß des Antragstellers von der Tätigkeit eines Öffentlich bestellten Sachverständigen gegenüber seinem privaten Interesse überwiegt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Bestand der Zurücknahme seiner Zulassung seine Tätigkeit als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur weiter ausüben zu können.
17Die persönliche Zuverlässigkeit fehlt dem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur, wenn er nicht die Gewähr dafür bietet, daß er seinen Beruf in Zukunft ordnungsgemäß ausübt. Dabei ist die persönliche Zuverlässigkeit – mindestens – in dem allgemeinen berufsbezogenen Sinne zu verstehen, wie sie auch im Gewerberecht (vgl. § 35 Abs. 1 der Gewerbeordnung) Geltung besitzt.
18Vgl. insoweit: Oberverwaltungsgericht für Land Nordrhein-Westfalen,
19Urteil vom 18. Mai 1982 – 3 A 2384/81 -, Die Öffentliche Verwaltung 1983,
2044 (dort nur Abdruck der Leitsätze)
21Die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit ergeben sich aus dem langjährigen abgabenrechtlichen Fehlverhalten des Antragstellers.
22Seine Steuerschulden beim Finanzamt X haben sich in der Vergangenheit laufend erhöht. Im Juni 1985 beliefen sie sich auf 223.892,33 DM, im Februar 1986 auf 301.373,93 DM, im Dezember 1986 auf 329.867,94 DM und im Januar 1987 auf 332.110,94 DM. Zahlungen in nennenswertem Umfang leistete der Antragteller auf diese Rückstände nicht. Vollstreckungsmaßnahmen blieben erfolglos. Zahlungsvereinbarungen wurden vom Antragsteller ebenfalls nicht eingehalten. Darüber hinaus hat der Antragsteller auch seine Erklärungspflichten verletzt, indem er Steuervoranmeldungen und Steuererklärungen nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben hat, so daß die Grundlagen der Besteuerung geschätzt werden mußten. Nicht einmal mehrere Bußgeldbescheide wegen Nichtabführung von Lohnsteuer sowie ein Strafbefehl wegen Lohn- und Umsatzsteuerverkürzung haben den Antragsteller veranlaßt, seine steuerlichen Verhältnisse in Ordnung zu bringen oder aber, falls ihm das nicht möglich war, die Konsequenz aus dieser Unfähigkeit zu ziehen und die selbständige Tätigkeit als Vermessungsingenieur einzustellen.
23Daß die Forderungen des Finanzamtes durch Pfändungen von Lebensversicherungsverträgen sowie – offenbar auch – durch Sicherungshypotheken an Liegenschaften des Antragstellers abgesichert sind, vermag den Antragsteller nicht zu entlasten. Abgesehen davon, daß nicht ersichtlich ist, ob, wann und in welcher Höhe die Pfandrechte realisiert werden können, ging die gesetzliche Pflicht des Antragstellers nicht dahin, Pfandrechte einzuräumen bzw. die (zwangsweise) Belastung seines Vermögens zu dulden; vielmehr war er verpflichtet, die von ihm geschuldeten Steuern zu bezahlen. Die Verletzung der Erklärungspflichten blieb von der Bestellung von Sicherheiten ohnehin unberührt. Daß der Antragsteller im Januar 1987 darangegangen ist, längst fällige Umsatzsteuern – Voranmeldungen (für das Jahr 1986) anzufertigen und abzugeben, ändert nichts daran, daß er über viele Jahre seine Erklärungspflichten verletzt hat.
24Ein ähnliches Bild bietet der Antragsteller in einem Zahlungsverhalten gegenüber der Techniker-Krankenkasse. Diese gab die vom Antragsteller zu entrichtenden rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich Nebenforderungen im Mai 1986 mit 54.671,22 DM an. Selbst wenn es, wie der Antragsteller in seiner Klagebegründung vorgetragen hat, zutreffen sollte, daß diese Forderung überhöht ist, ändert das nichts an der Tatsache, daß der Antragsteller seinen Zahlungspflichten nicht nachgekommen ist und dadurch die von der Techniker-Krankenkasse wahrzunehmenden öffentlichen Interessen erheblich geschädigt hat.
25Auch bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft ist seit 1984 ein Beitragsrückstand eingetreten, der sich nach den Angaben der Berufsgenossenschaft im Juni 1986 auf
266.669,11 DM belief.
27Schließlich war und ist auch das Zahlungsverhalten des Antragstellers gegenüber anderen öffentlichen Kassen nicht korrekt. Wie die Zweckverbandskasse X als Vollstreckungsbehörde im Januar 1987 gegenüber dem Antragsgegner angab, hat der Antragsteller Grundbesitzabgaben seit dem 2. Quartal des Jahres 1986 nicht mehr bezahlt.
28Die vorgenannten Umstände rechtfertigen die Befürchtung, daß eine weitere selbständige Betätigung des Antragstellers als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur eine ständige Gefahr für die öffentlichen und privaten Gläubiger darstellen wird, die im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen werden kann.
29Dem kann der Antragsteller nicht mit Erfolg entgegenhalten, er habe seine Schulden und seine wirtschaftliche Notlage nicht verschuldet. Die Zurücknahme der Zulassung als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur ist wie die Untersagung einer selbständigen gewerblichen Betätigung eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, für die es wie allgemein im Ordnungsrecht nur auf die objektive Gefahrenlage, nicht aber auf Verschuldensgesichtspunkte ankommt.
30Auch der Hinweis des Antragstellers, die Beendigung seiner bisherigen selbständigen Tätigkeit nehme ihm die Möglichkeit, die bestehenden Rückstände zu tilgen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Zurücknahme der Zulassung als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur dient zur Abwehr der Gefahr, daß der Antragsteller der Allgemeinheit bei Fortsetzung seiner selbständigen Betätigung weiteren erheblichen Schaden insbesondere durch die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zufügt. Dieser Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr wiegt in derartigen Fällen der Unzuverlässigkeit eines Vermessungsingenieurs typischerweise schwerer als die Hoffnung, dieser werde seine Schulden aus den bei Fortführung seiner Tätigkeit erwirtschafteten Mitteln tilgen.
31Ergeben sich danach Bedenken gegen die persönliche Zuverlässigkeit des Antragstellers bereits aus seinem abgabenrechtlichen Fehlverhalten, so kann offenbleiben, ob der Antragsgegner berechtigt war, die Zurücknahme der Zulassung des Antragstellers als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur auch im Hinblick auf den – vom Antragsgegner bejahten – Vermögensverfall des Antragstellers nach § 16 Abs. 2 lit. b i.V.m. § 4 lit. g ÖbVermIngBO auszusprechen. Immerhin sprechen die Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung, die Ablehnung mehrerer Anträge auf Konkurseröffnung (wegen Fehlens einer die Kosten des Konkursverfahrens deckenden Masse) sowie die Einleitung der Zwangsversteigerung über den Grundbesitz des Antragstellers für dessen desolate wirtschaftliche Lage.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes. Sie entspricht der Spruchpraxis der Kammer – und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – in Verfahren, in denen es um die Wiederherstellung eines Rechtsbehelfs gegen die Untersagung einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit geht.
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