Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 7 K 117/97
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Mutter des Klägers, B. G. , erwarb am 24. November 1995 das Nutzungsrecht an einer zweistelligen Grabstelle (Abteilung Y. , Reihe, Nummer 00 bis 00 für die Nutzungsdauer von 50 Jahren. Das Benutzungsrecht galt vom 24. November 1965 bis zum 23. November 2015. Die Urkunde enthielt ferner den Passus "Der Inhaber dieser Urkunde unterwirft sich allen Bestimmungen der jeweils geltenden Friedhofsordnung, besonders der Verpflichtung, die Grabstätte jederzeit in einem sauberen und würdigem Zustand zu erhalten". Für die Grabstätte wurde eine Gebühr in Höhe von 300,00 DM erhoben. Nach der damals geltenden Friedhofsordnung der Beklagten vom 25. Juli 1962 wurde die Nutzungsdauer auf 50 Jahre festgelegt (§ 21), die Ruhezeit auf 25 Jahre (§ 17). Geht die Ruhefrist über die Nutzungsdauer hinaus, so ist bis zum Ablauf der Ruhefrist für die gesamte Pachtgrabstätte die Grabgebühr anteilmäßig bei der Beerdigung zu entrichten.
3Am 25. Oktober 1996 wurde Frau B. G. in der Grabstätte beigesetzt. Mit Gebührenbescheid vom 6. November 1996 setzte die Beklagte die Gebühren für die Beerdigung auf 2.477,00 DM fest. Davon wurde ein Betrag von 1.827,00 DM für die Verlängerung der Ruhefrist der zweistelligen Grabstätte bis zum 24. Oktober 2026 erhoben. Bei der Berechnung wurde eine Gebühr in Höhe von 43,50 DM pro Jahr und Grabbreite sowie das bisherige Nutzungsrecht bis 2005 zu Grunde gelegt. Nutzungsberechtigter wurde der Kläger.
4Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger unter dem 12. November 1996 Widerspruch. Der Verstorbenen habe ein Nutzungsrecht an den Grabstellen bis zum 23. November 2015 einschließlich zugestanden. Es könne dahinstehen, ob eine Verkürzung dieser Nutzungsrechte überhaupt statthaft sei. Jedenfalls führe sie zu einem enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriff in die Rechtsposition des Berechtigten, der nicht entschädigungslos hingenommen zu werden brauche. Die Enteignungsentschädigung müsse in der Form gewährt werden, dass bei der Verlängerung der Ruhezeiten der im Jahr 1965 bezahlte Zeitraum bis 2015 in vollem Umfang in Anrechnung gebracht werde. Danach dürften lediglich für die Zeit vom 24. November 2015 bis zum 24. Oktober 2026, mithin einen Zeitraum von 10 Jahren und 11 Monaten, Gebühren festgesetzt werden. Somit ergebe sich eine Gebührenschuld in Höhe von 949,75 DM. Der Bescheid sei aufzuheben, soweit Gebühren von mehr als 1.578,75 DM festgesetzt worden seien.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 1996 gab die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise statt und ermäßigte die Gebühr für die Verlängerung der Grabnutzung auf 1.819,75 DM, wobei sie einen Zeitraum von 20 Jahren und 11 Monaten zu Grunde legte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Gebührenfestsetzung finde ihre Rechtsgrundlage in der Friedhofssatzung und der zugehörigen Friedhofsgebührenordnung nebst Gebührenverzeichnis vom 10. Juli 1995. Sie verweist auf Abschnitt VIII, § 37 der Friedhofssatzung: "Die vor Inkrafttreten dieser Friedhofssatzung oder früheren Friedhofsordnungen auf einen längeren Zeitraum als 40 Jahre verliehenen Nutzungsrechte an mehrstelligen Grabstätten werden in Nutzungszeiten von 40 Jahren seit Erwerb übergeleitet. Sie enden jedoch nicht vor Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten dieser Satzung und nicht vor Ablauf der Ruhefrist der letzen Beerdigung." Das im Jahr 1965 erworbene Nutzungs- und Bestattungsrecht sei öffentlich-rechtlicher, nicht privatrechtlicher Natur und nach öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen ausgestattet. Die Nutzungszeit könne nachträglich durch Änderung der Friedhofsordnung herabgesetzt und die Verlängerung von der Zahlung einer Gebühr abhängig gemacht werden, wenn der Anstaltszweck dies gebiete. Damit liege weder ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie noch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sei vielmehr geboten, die Verlängerungsgebühr auch gegenüber bestehenden Rechtsinhabern in voller Höhe geltend zu machen, da ansonsten die Erwerber neuer Nutzungsrechte zusätzlich und ausschließlich damit belastet würden, dass die Kosten für die Vorhaltung des Friedhofs mit seinen Einrichtungen gestiegen seien, wobei ihr auch die Unterhaltung des Friedhofs obliege. Zudem sei wegen Raummangels eine weitere Erweiterung des Friedhofs erforderlich. Alle aufzuwendenden Kosten (besonders auch die der Abfallentsorgung) seien seit dem Erwerb des Nutzungsrechts im Jahr 1965 gestiegen. Sie verweist auf Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sowie des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg.
6Hiergegen hat die Klägerin am 16. Januar 1997 Klage erhoben, zu deren Begründung sie das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie betont, auch wenn die Gewährung des Nutzungsrechts kein Eigentum einräume, sei Artikel 14 des Grundgesetzes anwendbar. Durch die zeitliche Beschränkung des Nutzungsrechts liege eine Verletzung des Kerngehaltes vor. Diese sei weder durch den Anstaltszweck noch durch Gleichheits - Erwägungen gerechtfertigt. Vielmehr liege ein Planungsfehler der Beklagten vor bei der Kalkulation der Gebühren im Jahr 1965. Die Übergangsregelung führe zu einem Verlust von 10 Jahren Nutzungsdauer und sei damit unzureichend. Es müsse jedenfalls eine Entschädigung für den Eingriff gezahlt werden, die hier nur darin liegen könne, dass trotz der Verkürzung des Nutzungsrechts nur solche Gebühren erhoben würden, die sich ergeben würden, wenn es nicht verkürzt worden wäre.
7Der Kläger beantragt,
81. den Bescheid der Beklagten vom 6. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1996 in soweit aufzuheben, als dort Gebühren von mehr als 1.571,50 DM festgesetzt worden seien.
92.
103. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger überzahlte Friedhofsgebühren in Höhe von 870,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
114.
125. Die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und betont nochmals, die Verkürzung der Nutzungsrechte sei unter verschiedenen Gesichtspunkten erforderlich gewesen. So sei inzwischen bereits eine Erweiterung des Friedhofs notwendig geworden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Satzungen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Verringerung der erhobenen Gebühren (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18Klagegegenstand ist durch die Fassung des Widerspruchsbescheides eine Verlängerungsgebühr für die Grabstelle des Klägers für die Dauer von zwanzig Jahren und elf Monaten in Höhe von insgesamt 1819,75 DM.
19Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Gebührenbescheides ist Abschnitt II §§ 7, 8 der Friedhofssatzung vom 10. Juli 1995 (FS) iVm Nr. 3 Buchstabe b) der Friedhofsgebührenordnung (FGO) und Abschnitt I Nr. 4 Buchstabe c) des Gebührenverzeichnisses (GV). Die Friedhofssatzung ist formell und materiell rechtmäßig. Die Beklagte war als Träger des Friedhofs berechtigt, die Nutzung durch Satzung zu bestimmen. Denn der Friedhof stellt eine öffentliche Anstalt dar, die die beklagte Kirchengemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft eigener Art betreibt. Formelle Bedenken bestehen nicht, insbesondere ist die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 des Gesetzes über die Verwaltung katholischen Kirchenvermögens erforderliche Genehmigung der Satzung durch den Regierungspräsidenten erfolgt.
20Eine Verlängerung des Nutzungsrechts war für die durch den Widerspruchsbescheid zugrundegelegte Dauer von zwanzig Jahren und elf Monaten erforderlich, um die Ruhefrist von 30 Jahren (§ 10 FS), die im Jahr 2026 abläuft, abzudecken. Denn die 1965 erworbenen Nutzungsrechte enden gemäß der massgeblichen Friedhofssatzung 1995 mit Ablauf von 40 Jahren. Die Regelung des § 37 FS, die die Verkürzung älterer und damit längerer Nutzungsrechte bestimmt, ist rechtmäßig.
21Das Nutzungsrecht an einer Grabstätte ist kein auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages erworbenes Recht, sondern ein subjektiv- öffentliches Recht, dessen Inhalt am Anstaltszweck auszurichten ist und inhaltlich Veränderungen erfahren kann. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass durch § 37 FO die Dauer des Nutzungsrechts auf 40 Jahre verkürzt und damit eine Änderung bereits bestehender Nutzungsrechte vorgenommen worden ist.
22Das Nutzungsrecht an einer Grabstätte ist kein auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages erworbenes Recht, sondern ein subjektiv-öffentliches Recht, dessen Inhalt am Anstaltszweck auszurichten ist und Veränderungen erfahren kann. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass durch § 37 FS die Dauer des Nutzungsrechts auf 40 Jahre verkürzt und damit eine Änderung bereits bestehender Nutzungsrechte vorgenommen worden ist. Denn unabhängig vom Umfang und Inhalt ist das unter der Geltung einer Friedhofsordnung erworbene Nutzungsrecht an Grabstätten nicht unbeschränkbar oder unentziehbar. Viel mehr kann dieses Recht vom Friedhofsträger Kraft seiner Anstaltsautonomie im Rahmen des Anstaltszwecks durch die Friedhofsordnung geregelt, abgeändert oder eingeschränkt werden.
23Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 15. November 1991 - 19 A 1492/88 -, Seite 17 ff. und vom 17. Januar 1992 - 19 A 31/90 -, Seite 17 ff. mit zahlreichen Nachweisen; Gähtke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, siebte Auflage 1997 Seite 77 und 181 ff.
24Denn durch den Erwerb des Nutzungsrechts an einer Grabstelle entsteht kein wohlerworbenes, die Autonomie des Anstaltsträgers dauernd beschränkendes oder aufhebendes Recht auf eine dauernde, ausschließliche und unabänderliche Nutzung der selben. Ein solches Recht stünde im Widerspruch zur Autonomie des Anstaltsträgers zu Gunsten Einzelner und zum Nachteil der Gesamtheit. Inhalt des Nutzungsrechts ist vielmehr, die Bereitstellung und Zulassung einer würdigen Ruhestätte auf angemessene Zeit verlangen zu können.
25Die Änderung der Satzungsregelung begegnet auch sonst keinen rechtlichen Bedenken. Sie greift nicht etwa rückwirkend in bestehende Rechte ein, da die Änderung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens allein noch bestehende, in die Zukunft wirkende Rechte berührt, nicht etwa abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Rechte (so genannte unechte Rückwirkung).
26Vgl. auch OVG NW, Urteil vom 15. November 1991, a. a. O.
27Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist schon deswegen nicht gegeben, weil die Friedhofssatzung in der jeweils gültigen Fassung sowohl im Zeitpunkt des erstmaligen Erwerbs des Nutzungsrechts durch die Mutter des Klägers als auch des Übergangs auf diesen die Bestimmung enthielt, dass Gebühren erhoben werden. Die Urkunde aus dem Jahr 1965 enthält zudem den Hinweis, dass der Nutzungsberechtigte sich den Bestimmungen der jeweils geltenden Friedhofsordnung unterwirft. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ist es viel mehr geboten, die Verlängerungsgebühr auch gegenüber Inhabern bestehender Rechte (nunmehr) in voller Höhe geltend zu machen, da ansonsten die Erwerber neuer Nutzungsrechte zusätzlich und ausschließlich damit belastet würden, dass die Kosten für die Vorhaltung des Friedhofs mit seinen Einrichtungen gestiegen sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls wegen der Vielzahl verlängerter Nutzungsrechte eine Vergrößerung des Friedhofsgeländes erforderlich werden kann. Dem Friedhofsträger obliegt es zudem nicht nur, die Möglichkeit zu eröffnen, Begräbnisse in angemessenem Rahmen durchzuführen und Grabstellen bereit zu halten, sondern auch den Friedhof zu unterhalten, indem er zum einen durch angemessene Wartung und Pflege der Einrichtung, insbesondere der Gehwege, der allgemein genutzten Flächen und der gärtnerischen Ausgestaltung der Anlage einen der Würde des Friedhofs entsprechenden Rahmen schafft und zum anderen Verkehrssicherungspflichten wahrzunehmen hat. Die für diese Maßnahme aufzuwendenden Kosten sind - ohne dass dies einer Darlegung im Einzelnen bedürfte - seit dem Erwerb des Nutzungsrechts durch die Mutter des Klägers im Jahr 1965 gestiegen. Auch hat die Beklagte dargelegt, dass wegen des Raummangels eine Erweiterung des Friedhofs erforderlich ist und bereits zusätzliches Gelände erschließungsmäßig angebunden wird.
28Die Übergangsregelung des § 37 FS ist angemessen. Denn es ist ausdrücklich bestimmt, dass die gebührenfreie Nutzungszeit je nach den Umständen des Einzelfalls sich auf nahezu 30 Jahre nach dem Inkrafttreten der Friedhofsordnung erstrecken kann, weil jedenfalls die Ruhezeit (gemäß § 10 FS 30 Jahre) eingehalten werden muss. Wo eine solche Verlängerung nicht eintritt, kann das Nutzungsrecht auf Wunsch erneut vergeben (Verlängerung) werden, wenn auch gegen Gebühren. Dass diese unangemessen hoch seien ist aber auch vom Kläger nicht vorgetragen.
29Vgl. hierzu auch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. August 1989 - BVerwG 7 NB 2.89, Buchholz, Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts, 408.3 Nr. 6.
30Ist danach der Wesenskern des Nutzungsrechts, die Bereitstellung und Zulassung einer würdigen Ruhestätte auf angemessene Zeit, nicht wesentlich beeinträchtigt, ist in der nachträglichen zeitlichen Begrenzung keine entschädigungspflichtige Enteignung, sondern allenfalls eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz zu sehen, selbst wenn man die Eigentumsqualität bejahen wollte.
31Die Höhe der Gebühr ist richtig berechnet worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Jahresgebühr zu hoch liegt, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
32Nach alledem war die Klage abzuweisen.
33Eine Entscheidung über den Antrag, die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist obsolet, weil der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 176 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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