Beschluss vom Verwaltungsgericht Münster - 1 L 1944/03
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 22. Dezember 2003 gegen Ziffern 1. und 3. des Bescheides des Antragsgegners vom 17. Dezember 2003 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 12.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I. Der zulässige Antrag,
3die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 22. Dezember 2003 gegen die Ziffern 1. und 3. des Bescheides des Antragsgegners vom 17. Dezember 2003 zur Ergänzung der Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz vom 20. Januar 2003 wiederherzustellen,
4hat Erfolg. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer s o f o r t i g e n Vollziehung der Ordnungsverfügung einerseits und dem Interesse der Antragstellerin andererseits, vorläufig von der Vollziehung der Verfügung verschont zu bleiben, fällt zu Lasten des Antragsgegners aus.
5Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4. VwGO entfallene aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vom Verwaltungsgericht wiederherzustellen,
6- wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder
7- wenn - bei noch offener Rechtslage - das Interesse des Betroffenen daran, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt; dabei kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Betroffenen regelmäßig dann ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist.
8Der Antrag hat nach Maßgabe dieser Voraussetzungen Erfolg, weil die vom Antragsgegner getroffenen Anordnungen - jedenfalls - nicht offensichtlich rechtmäßig und keine überwiegenden öffentlichen Interessen für ihre sofortige Vollziehung festzustellen sind.
91. Der Bescheid des Antragsgegners vom 17. Dezember 2003 ist nicht o f f e n s i c h t l i c h rechtmäßig, so dass ein überwiegendes privates Interesse der Antragstellerin nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann.
10Ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2a des Tierschutzgesetzes (TierSchG) für die Anordnung (nachträglicher) Auflagen zu der der Antragstellerin erteilten Erlaubnis zur Zucht und Haltung von Wirbeltieren für Versuchszwecke vom 20. Januar 2003 (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3b TierSchG) erfüllt sind, ist auf der Grundlage der hier allein möglichen summarischen Prüfung zweifelhaft. Ungeachtet der übrigen zahlreichen rechtlichen und tatsächlichen Einwendungen der Antragstellerin gegen die für sofort vollziehbar erklärten Anordnungen
11- in Räumen des Betriebes der Antragstellerin, in denen mit Affen umgegangen wird (Arbeitsräume), zu gewährleisten, dass der Umgang mit Affen per Videokamera aufgezeichnet wird und
12- die betroffenen Beschäftigten im Betrieb der Antragstellerin auf die Videoüberwachung hinzuweisen sowie das Filmmaterial täglich von der Tierschutzbeauftragten des Unternehmens auswerten zu lassen, die Aufzeichnungen einen Monat lang unter Verschluss aufzubewahren und gegebenenfalls den zuständigen Aufsichtsbehörden zur Einsichtnahme und Auswertung auszuhändigen,
13begegnen diese bereits deshalb Bedenken, weil sie allein auf den im ZDF- Magazin "Frontal 21" am 9. Dezember 2003 ausgestrahlten Bericht sowie die dem Gericht ebenfalls vorgelegte Langfassung des Filmmaterials der britischen Tierschutzorganisation BUAV (British Union for the Abolition of Vivisection) gestützt sind, das ein Journalist heimlich im Betrieb der Antragstellerin aufgenommen hat und aus dem der Filmbericht im Magazin "Frontal 21" erstellt worden ist.
14Nach § 11 Abs. 2a TierSchG können der nach § 11 Abs. 1 TierSchG erteilten Erlaubnis Auflagen beigefügt werden. Diese kommen in Betracht, "soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist". Ob die Vorschrift mithin auch zur Anordnung einer sogenannten Gefahrenerforschungsmaßnahme berechtigt, kann letztlich offenbleiben. Denn auch für eine solche Maßnahme müssen jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die von der Antragstellerin gehaltenen und gezüchteten Tiere tierschutzrechtlichen Gefahren ausgesetzt sind, die ihren entsprechenden, durch das Tierschutzgesetz beanspruchten Schutz erfordern. Dabei ist zu beachten, dass der Antragstellerin neben der vom Antragsgegner erteilten Züchtungs- und Haltungserlaubnis für näher bestimmte Wirbeltiere ferner mit Bescheid der Bezirksregierung Münster vom 10. Juli 2002 die Genehmigung für nachstehende Versuchsvorhaben erteilt ist: "Pharmakologische und toxikologische Prüfungen an nicht-humanen Primaten, bestehend aus einer Serie von Einzelversuchen, die im Rahmen der Registrierung (Zulassung) von pharmazeutischen und chemischen Wirkstoffen durchgeführt werden." Dass bei der Ausführung der u. a. für die Testung von Medikamenten erlaubten Versuche die von der Antragstellerin gehaltenen und gezüchteten Tiere zwangsläufig bestimmten Einschränkungen, Beeinträchtigungen, Schmerzen und sonstigen Leiden unterworfen sind, dürfte - auch aus der Sicht der Erlaubnisbehörde - unvermeidbar sein. Der daraus resultierende Umgang mit den Tieren, der bei vielen mit der Sache nicht befassten Betrachtern negative Empfindungen und Emotionen auslösen dürfte, liegt allerdings in der Sache selbst begründet, nämlich der zugelassenen Durchführung der Versuche und den damit verbundenen Folgen für die Tiere. In diesem Lichte betrachtet kommen als Grundlage für die getroffenen Anordnungen nur Verstöße bei der Haltung und Behandlung von Tieren in dem Betrieb der Antragstellerin gegen die Grundvorschriften des § 1 Satz 2 und § 2 TierSchG (die vom Antragsgegner ebenfalls herangezogenen Regelungen des § 2a Abs. 1 Ziffern 4 und 5 TierSchG dürften, da sie lediglich Verordnungsermächtigungen enthalten, ersichtlich nicht zugrundegelegt werden können) in Betracht, die durch die erteilten Erlaubnisse n i c h t gedeckt sind bzw. bei der Erlaubniserteilung nicht voraussehbar waren. Dass dies der Fall ist, ist aber weder auf Grund des im ZDF ausgestrahlten Magazin-Berichts noch der dem Gericht vom Antragsgegner unter dem 14. Januar 2004 vorgelegten "Langfassung" des im Betrieb der Antragstellerin aufgenommenen Filmmaterials offensichtlich.
15Welche Anforderungen nach den Vorgaben des § 1 Satz 1 und § 2 TierSchG insoweit im Einzelnen zu stellen sind, ist weder im Tierschutzgesetz noch einer zu dessen Konkretisierung erlassenen Rechtsverordnung (§ 2a TierSchG) ausdrücklich definiert. Die Anforderungen ergeben sich danach unmittelbar aus dem Gesetz. § 2 TierSchG selbst ist auch ohne Konkretisierung durch eine Rechtsverordnung hinreichend bestimmt und vollziehbar
16BVerwG, Beschluss vom 9. August 1994 - 3 B 27.94 -, Buchholz 406.401 § 24 BNatSchG Nr. 1; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90 -, zu C. II. 1. b. bb), z.B. BVerfGE 101, 1,
17und kann gegebenenfalls mit Hilfe des einschlägigen tiermedizinischen verhaltenswissenschaftlichen Schrifttums und sachverständiger Äußerungen ausgelegt und angewendet werden.
18Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 a. a. O.
19Der Antragsgegner wirft der Antragstellerin vor, die Filmsequenzen des Magazinbeitrags spiegelten geschmacklose und den einzelnen Tieren gegenüber als respektlos empfundene Szenen wieder und erhöben "Vorwürfe, wie z.B.
20- Hören von lauter Musik beim operativen Eingriff beim Tier
21- ein Mensch im roten Overall lässt einen Affen tanzen
22- Hospitalismussymptome von Tieren
23- keine ausreichende postoperative Versorgung von Tieren
24- unzureichende Handhabung von Affen während der Tierversuchsdurchführungen etc."
25Ferner legt er in dem angegriffenen Bescheid dar, in dem Fernsehbericht seien Filmaufzeichnungen mit Vorhaltungen über die unsachgemäße Behandlung von Affen, eine nicht artgerechte und unsachgemäße Haltung der Tiere, eine unzureichende postoperative Versorgung der Tiere und eine unzureichende Ausbildung der Tierpflegehelfer in dem Betrieb der Antragstellerin enthalten.
26Diesen Vorwürfen ist die Antragstellerin zum einen mit einer umfangreichen eigenen Analyse der einzelnen Filmszenen entgegengetreten, mit der sie herausstellt, dass die Schnittfolge des Filmberichts manipulative Tendenzen enthält und kein unverfälschtes Bild von der Haltung und Behandlung der Versuchstiere wiedergibt. Zum anderen hat die Antragstellerin eingehende Stellungnahmen zu den Filmszenen von Prof. Dr. S und des Toxikologen Dr. M vorgelegt und damit dem durch den Fernsehbericht erzeugten Eindruck widersprochen, in ihrem Betrieb würden die Versuchstiere nicht im Einklang mit den erteilten tierschutzrechtlichen Erlaubnissen und unter Verstoß gegen die o.g. Vorschriften des Tierschutzgesetzes gehalten und Versuchen unterworfen.
27Prof. Dr. S ist - wie er in seiner zum bei Gericht gestellten Antrag beigefügten (ersten) Stellungnahme darlegt - bis zu seiner Emeritierung als Leiter der tierexperimentellen Einrichtungen der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Universität X beschäftigt gewesen. Mit Fragen des Tierschutzes und des Tierschutzrechtes im Zusammenhang mit Tierversuchen ist er - wie er weiter angibt - auch heute noch als Vorsitzender der Tierschutzkommission bei der Bezirksregierung Y eng verbunden. Dr. M führt in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2003 aus, über 30jährige Erfahrung im Umgang mit Versuchstieren in der pharmazeutischen Forschung zu besitzen. Beide - wenn auch von der Antragstellerin beauftragten - Gutachter haben angesichts dieser wissenschaftlichen Reputation und Erfahrung in der Forschung mit Versuchstieren hinreichende Qualifikation und den notwendigen Sachverstand, Haltung und Pflege von Versuchstieren sowie die Art und Weise der an ihnen durchgeführten Versuche unter tierschutzrechtlichen Anforderungen zu beurteilen.
28Beide Gutachter kommen unter konkreten Darlegungen zu den einzelnen Filmszenen sowie den im Fernsehbericht und im angegriffenen Bescheid damit verbundenen Vorwürfen zu dem Ergebnis, dass die Filmaufnahmen keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz nachwiesen. Sie räumen zwar ein (Dr. M), dass in Einzelfällen unnötige oder unschöne Vorgehensweisen des Personals (lautstarkes Schimpfen; Pfleger bewegt die Hand eines narkotisierten Affen im Takt; Tanzszene eines Pflegers mit einem Affen) festzustellen seien. Ein Verstoß gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen sei daraus jedoch nicht abzuleiten, weil den Tieren nicht etwa - wie es § 1 S. 1 und § 2 TierSchutzG verböten - Schmerzen oder vermeidbare Leiden zugefügt würden. Prof. Dr. S macht unter Berücksichtigung der "Langfassung" des Filmmaterials ferner in einer weiteren Stellungnahme vom 9. Januar 2004 zur Darstellung eines Affen, der eine Schonhaltung des linken Armes aufweist und - wie zwischenzeitlich feststeht - dessen Arm gebrochen war, nachvollziehbar deutlich, dass diese Fraktur nicht etwa mit der Herausnahme eines Affens aus dem Käfig in einer zuvor gezeigten Filmsequenz in Verbindung steht, weil es sich um zwei verschiedene Tiere handelt. Die Gutachter schließen weiterhin aus, dass die Versuchstiere durch das Tierpfleger- und Tierhelferpersonal der Antragstellerin unsachgemäß behandelt werden. Sie erläutern, inwiefern die Anwendung bestimmter Griffe und der Einsatz von Vorrichtungen sowie Instrumenten erforderlich ist. Beide Gutachter verneinen ebenfalls, dass die in einigen Filmszenen gezeigten sogenannten Stereotypien und Manegebewegungen einzelner Affen hinreichende Hinweise auf Vernachlässigung oder unzureichende Haltungsbedingungen ergäben. Sie monieren im Übrigen beide, dass in dem im ZDF ausgestrahlten Filmbeitrag kurze aus einem Gesamtzusammenhang entnommene Szenen aneinandergereiht wurden, die zeitlich und örtlich unterschiedliche Abläufe zeigen, aber gleichwohl auf den ersten Blick zuweilen den Eindruck vermittelten, aus einem einheitlichen Geschehen zu stammen. Dieser Umstand erschwere nicht nur die Beurteilung, sondern löse bei Betrachtern, die keine praktische Erfahrung mit Tierversuchen hätten, Überlegungen aus, dass gegen das Tierschutzgesetz verstoßen worden sei.
29Gemessen an den vorstehend - ausschnittsweise referierten - Sachverständigenfeststellungen ist es - jedenfalls - offen, dass der Filmbericht - sowohl in der im Fernsehen ausgestrahlten Fassung als auch in seiner Langfassung - Verstöße im Betrieb der Antragstellerin gegen das Tierschutzgesetz nachweist.
30Das gilt desto mehr, als der Antragsgegner eine widersprechende fachkundige gutachtliche Stellungnahme zu den Filmsequenzen bisher nicht hat einholen können, sondern sich allein auf den Fachverstand seines Veterinäramtes gestützt hat, das jedoch - wie aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen deutlich wird - Zweifel hat, dass sich aus dem Magazin- Bericht (gravierende) Verstöße gegen das Tierschutzgesetz feststellen lassen und deshalb ein unabhängiges Sachverständigengutachten einholen will. Ferner räumt auch der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung (S. 5 und 6) ein, es gebe auf Grund der Darstellungen in dem Filmbericht keine Gewissheit, dass die Tiere nicht art- und bedürfnisgerecht gepflegt würden, weil effekthaschende Manipulationen bei der Erstellung des Filmberichts nicht sicher ausgeschlossen werden könnten. Die von seiner - des Antragsgegners - abweichende Bewertung durch Prof. Dr. S und Dr. M möge das Gericht nach Inaugenscheinnahme des Filmbeitrags selbst würdigen. Dazu ist lediglich anzumerken, dass das erkennende Gericht ebenso wie der Antragsgegner nicht ohne (weitere) sachverständige Hilfe beurteilen kann, ob die Filmszenen schon nachweisen, dass den Versuchstieren über die erteilten tierschutzrechtlichen Erlaubnisse hinaus (unnötige) Schmerzen und Leiden zugefügt werden und sie nicht den Anforderungen des Tierschutzgesetzes entsprechend gehalten und gepflegt werden. Da eine Beweisaufnahme in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in aller Regel - wie auch hier - nicht in Betracht kommt, bedarf es einer konkreten Aus- und Bewertung der vorhandenen sachverständigen Äußerungen, die dem Hauptsacheverfahren und damit zunächst dem Widerspruchsverfahren - evtl. nach Durchführung einer Beweisaufnahme (§§ 79, 24, 25 VwVfG) - vorzubehalten ist.
312. Ist der Bescheid des Antragsgegners nicht offensichtlich rechtmäßig und damit das Ergebnis der Hauptsache - zumindest - offen, kann die Kammer auch sonst kein überwiegendes öffentliches Interesse für eine sofortige Vollziehung der Anordnungen feststellen.
32Im Rahmen der Abwägung hat die Kammer die Interessen der Antragstellerin für den Fall, dass sie den Anordnungen zu Ziffern 1. und 3. des Bescheides nachkommen müsste und später in der Hauptsache obsiegen würde, mit den bestehenden öffentlichen Interessen zu vergleichen, wenn die Antragstellerin die Auflagen nicht sofort erfüllen muss, sie aber später in der Hauptsache unterliegen würde.
33Würde der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt, müsste die Antragstellerin zur Installierung der Videoüberwachung in den Arbeitsräumen, in denen mit Affen umgegangen wird, nach dem Inhalt des von ihr eingeholten Kostenvoranschlages mit Kosten in Höhe von mindestens 300.000 Euro rechnen. Diese Folgen der angeordneten Maßnahmen fielen der Antragstellerin wahrscheinlich endgültig zur Last. Darüber hinaus wären zusätzliche Arbeitsanstrengungen zu leisten, weil die Tierschutzbeauftragte des Betriebes neben ihren bisherigen Aufgaben eine ständige Auswertung der Videoaufzeichnungen vornehmen soll. Daneben wäre der Antragstellerin auferlegt, die Videoüberwachung gegenüber ihren Beschäftigten durchzusetzen. Ungeachtet aller von der Antragstellerin daran angeknüpften Überlegungen, ob sie diese Verpflichtung in einwandfreier rechtlicher Art und Weise umsetzen könnte - und ob insoweit sich überhaupt eine hinreichende Rechtsgrundlage für die vom Antragsgegner aufgestellte Forderung aus dem Tierschutzgesetz ergibt -, führte dies zu einem erheblichen Eingriff in die Persönlichkeits- und Arbeitsrechte der Mitarbeiter der Antragstellerin. Die Antragstellerin führt dazu in ihrem bei Gericht gestellten Aussetzungsantrag nachvollziehbar an, dass mit erheblichen Abwehrreaktionen ihrer Arbeitnehmer zu rechnen sei, zumal diese angesichts ständiger Bedrohungen und Belästigungen radikaler Tierversuchsgegner sich ohnehin subjektiv bedroht fühlten. Auf Grund der Abwehrreaktionen ihrer Angestellten seien Störungen des Arbeitsbetriebes zu befürchten, die letztlich die Fortführung laufender Versuchsreihen gefährden würden.
34Würde die aufschiebende Wirkung jedoch wiederhergestellt und unterliegt die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren, würde das öffentliche Interesse am Tierschutz, dessen Bedeutung durch seine Aufnahme als Staatsziel in Art. 20 a des Grundgesetzes und Art. 29 a der Landesverfassung NRW betont wird, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens beeinträchtigt.
35Das öffentliche Interesse ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls geringer zu bewerten, weil nach den bisher vorliegenden sachverständigen Äußerungen von der Antragstellerin die zu beachtenden (Mindest-)Standards des Tierschutzes bei der Haltung ihrer Versuchstiere und der an diesen vorgenommenen Versuchen eingehalten werden sollen. Ferner kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass ausweislich der in den Verwaltungsakten enthaltenen Aufzeichnungen der Antragsgegner durch seine Tierärzte nach Ausstrahlung des Filmberichts im ZDF kontinuierlich intensivierte Kontrollen im Betrieb der Antragstellerin durchgeführt hat. Diese haben ausnahmslos keinerlei Beanstandungen ergeben. Mit Blick darauf und den Umstand, dass es dem Antragsgegner unbenommen bleibt, durch weitere Kontrollen und gegebenenfalls noch zu erlassende andere Auflagen die Einhaltung des Tierschutzes sicherzustellen, sind hinreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben derzeit gewährleistet wird. Das gilt desto mehr, als die in der Ordnungsverfügung für eine sofortige Vollziehung angeführten Gründe sich im Wesentlichen auf die Behauptung beschränken, die Anforderungen des § 1 S. 1 und des § 2 TierSchG seien verletzt worden. Diese Anforderungen haben den Gesetzgeber jedoch nicht veranlasst, eine Ausnahmevorschrift zur gesetzlichen Grundregel des § 80 Abs. 1 VwGO zu schaffen (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), so dass nach der dadurch vorgegebenen Wertung des Gesetzgebers die Anordnung des Sofortvollzuges auch im Rahmen des Tierschutzrechts entsprechender besonderer Gründe bedarf.
36II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Angesichts des wirtschaftlichen Hintergrundes der angegriffenen Auflagen hält die Kammer den Ansatz des dreifachen sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG ergebenden Auffangwertes für angemessen.
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