Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 9 K 1357/01.A
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.
Im übrigen wird die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30.05.2001 verpflichtet, festzustellen, dass in der Person des Klägers das Abschiebungshindernis des § 53 AuslG bezüglich Guinea vorliegt.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger hat angegeben, am 00.00.0000 geboren und sierra-leonischer Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit Sousou zu sein, seine Heimat Sierra- Leone verlassen zu haben, nach Guinea gegangen zu sein, sich im Flüchtlingslager Forecariah aufgehalten zu haben und in Conakri ein Schiff bestiegen zu haben, mit dem er am 13.5.2001 über den Hafen Bremen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei.
3Am 14.5.2001 stellte er bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Außenstelle Düsseldorf - einen Asylantrag und erklärte bei seiner Anhörung: Im Jahr 1999 sei sein Wohnort Pamelap an der Grenze zu Guinea von den Rebellen niedergebrannt worden. Auch sein Haus sei zerstört worden, er habe keine Familie mehr, sein Taxi sei angezündet worden. Er sei angeschossen worden und deshalb in Forecariah operiert worden.
4Mit Bescheid vom 30.05.2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Zugleich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert. Der Bescheid wurde dem Kläger laut Empfangsbekenntnis am 12.6.2001 zugestellt.
5Mit der am 18.6.2001 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Asylbegehren weiter und hat begehrt,
6die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30.05.2001 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
7Mit Schreiben vom 14.1.2004 teilte der Kläger mit, dass er bei dem Bundesamt über seine persönlichen Verhältnisse unrichtige Angaben gemacht hat. Sein Name laute richtigerweise U. B. C. . Er sei am 00.00.0000 geboren und guineischer Staatsangehöriger.
8In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit er die Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG beantragt hat.
9Im übrigen beantragt der Kläger,
10unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30. Mai 2001 festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bezüglich Guinea vorligen, hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger guineischer Staatsangehöriger ist, ein Sprachgutachten eines anerkannten Sprachsachverständigen einzuholen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, insbesondere des Vorbringens des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen. Die zu den Gerichtsakten genommene Liste von Erkenntnissen war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Soweit der Kläger die Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 AuslG in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2004 zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO eingesellt.
16Im übrigen ist die Klage begründet. Dabei legt die Kammer den in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers zu seiner Erkrankung dahin aus, dass er die Feststellung des Abschiebungshindernisses des § 53 Abs. 6 AuslG bezüglich des Staates Guinea begehrt. Die Kammer glaubt dem Kläger, dass er guineischer Staatsangehöriger ist. Zwar hat er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt dargelegt, dass er aus Sierra Leone stamme. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger aber nachvollziehbar den Grund für seine damalige Falschaussage genannt und betont, dass er nunmehr diesbezüglich seiner Staatsangehörigkeit die Wahrheit sage, wozu er insbesondere von seinem Prozessbevollmächtigten gedrängt worden sei. Hinzu kommt, dass sich bereits dem Einzelentscheider vor dem Bundesamt wegen der Französischkenntnisse des Klägers der Eindruck aufdrängte, dass der Kläger aus Guinea stammt. Insoweit bedarf es der Beweiserhebung durch die Einholung eines Sprachgutachtens nicht.
17Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG liegen bei dem Kläger vor. Danach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einem anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch eine lebensbedrohende Krankheit eine konkrete Gefahr darstellen, wenn zu befürchten ist, dass sich diese in dem Heimatland verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind.
18Vgl. Urteil vom 9.9.1997, AuslR 1998, 125, Urteil vom 25.11.1997 BVerwGE 105, 187 und Urteil vom 217.4.1998, NVwZ 1998, 973
19Der Kläger hat ausgeführt, dass er an einer HIV Infektion im Stadium CDC A 3 leidet und er antiretroviral behandelt werden muss. Zum Nachweis dieser Erkrankung hat der Kläger ärztliche Bescheinigungen der Universitätskliniken Düsseldorf vom 4. und 10.3.2003, vom 27.6.2003 und vom 22.8.2003 vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass eine antiretrovirale Therapie lebensnotwendig ist. Eine entsprechende Behandlungsmöglichkeit ist indessen bei einer Rückkehr des Klägers nach Guinea nicht gesichert. Nach der Erkenntnislage kann eine HIV-Erkrankung in Guinea nicht wirksam behandelt werden. Zwar können antiretrovirale Substanzen über Privatapotheken beschafft werden (was mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden ist), der Einsatz scheitert aber daran, dass es keine Gelegenheit gibt, den Verlauf der Behandlung mit Laboruntersuchungen zu verfolgen. So gibt es keine Möglichkeit regelmäßige Viruslastbestimmungen durchzuführen, die gerade für die Indikationsstellung des Einsatzes von antiretroviralen Substanzen absolut notwendig sind (vgl. Missionsärtztliches Institut Würzburg an VG Wiesbaden vom 2.5.2000). Dafür, dass sich der medizinische Standard in Guinea seitdem wesentlich verändert hat, ergibt die Erkenntnislage keine Anhaltspunkte. Dem gemäß ist dem Kläger das Vorliegen des Abschiebungshindernisses des § 53 Abs. 6 AuslG zuzuerkennen.
20Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2 und 154 Abs. 1 VwGO.
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