Beschluss vom Verwaltungsgericht Münster - 5 L 529/04
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Antragstellerin,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr einen Betrag in Höhe von 700 EUR für den Erwerb eines Personalcomputers zur Verfügung zu stellen,
4ist unbegründet.
5Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt im Einzelnen voraus, dass der geltend gemachte Hilfeanspruch und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes von dem jeweiligen Antragsteller dargelegt und glaubhaft gemacht werden (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Antragstellerin nicht vor, denn sie hat weder das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruches auf die von ihr begehrte Leistung noch das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsgrundes für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt und glaubhaft gemacht.
6Hilfe zum Lebensunterhalt ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Hilfe zum Lebensunterhalt kann gemäß § 21 Abs. 1 BSHG durch laufende und einmalige Leistungen gewährt werden. Einmalige Leistungen werden gemäß § 21 Abs. 1 a Nr. 6 insbesondere zur Beschaffung von Gebrauchsgütern von längerer Gebrauchsdauer und von höherem Anschaffungswert gewährt. Selbst wenn das Gericht davon ausgeht, dass ein Personalcomputer als Gebrauchsgut von längerer Gebrauchsdauer und von höherem Anschaffungswert im Sinne des § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG angesehen werden sollte, liegen die Voraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung einer Geldleistung für den Kauf eines Personalcomputers nicht vor, weil dieser Gegenstand bzw. seine Nutzung nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 11 BSHG gehören. Nach der Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG), umfasst der notwendige Lebensunterhalt nicht nur das physiologisch Notwendige, sondern den gesamten zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Bedarf. Soll die Sozialhilfe dem Hilfeempfänger die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglichen, muss sie der sozialen Ausgrenzung des Hilfebedürftigen begegnen und ihm ermöglichen, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern (zum Lohnabstandsgebot siehe § 22 Abs. 3 BSHG) ähnlich wie diese zu leben. Dabei sind die herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen zu berücksichtigen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 1. Oktober 1998 - 5 C 19.97 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwGE - 107, 234 = Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte - FEVS - 49, 49 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
7Orientiert man sich am Verbraucherverhalten und dem Lebenszuschnitt unterer Einkommensgruppen, ist der Gebrauch eines eigenen Personalcomputers nicht als notwendig anzusehen, weil ein menschenwürdiges Leben ohne Ausgrenzung gegenüber dem nicht sozialhilfebedürftigen Personenkreis auch dann geführt werden kann, wenn es dem Betreffenden nicht möglich ist, einen eigenen Personalcomputer in seinem persönlichen Lebensbereich zu nutzen, denn auch heutzutage ist es bei Beziehern unterer Einkommen nicht üblich, einen eigenen Personalcomputer im Haushalt zu haben (Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 7. Februar 2002 - 7 A 5183/01 -, Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht - Infoalso - 2003, 127; anderer Ansicht Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 11. Juni 2003 - 4 Lb 279/02 - a. a. O. S. 275).
8Darüber hinaus hat die Antragstellerin das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes nicht dargelegt. Eine einstweilige Anordnung dient lediglich der Sicherung, nicht schon der Befriedigung von glaubhaft gemachten Rechten. Sie darf die Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache gilt nur dann, wenn es zur Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den betreffenden Antragsteller notwendig ist, dass das Gericht die begehrte einstweilige Anordnung erlässt. Anderenfalls würde in Abweichung von den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung die Entscheidung im Hauptverfahren unzulässigerweise in das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorverlagert. In der Regel muss deshalb Rechtsschutz im Hauptverfahren erstritten werden, es sei denn, dass nicht wiedergutzumachende Nachteile für den jeweiligen Antragsteller entstehen, wenn der von ihm begehrte vorläufige Rechtsschutz nicht vor einer Entscheidung in der Hauptsache gewährt wird. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob der jeweilige Antragsteller in diesem Sinne einen Anordnungsgrund dargelegt hat, ist der Zeitpunkt der jeweiligen letzten Tatsachenentscheidung im gerichtlichen Verfahren (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Beschluss vom 10. April 2000 - 16 B 569/00 -).
9Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass sie nicht wiedergutzumachende Nachteile erleidet, wenn der Antragsgegner nicht verpflichtet wird, ihr schon vor einer Entscheidung über die Klage im Verfahren 5 K 1213/04 einen Betrag von 700 EUR zur Verfügung stellt, um einen Personalcomputer zu erwerben. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang geltend macht, dass sie zu Hause einen Personalcomputer benötige, um sich für künftige Arbeitsplätze in der Handhabung eines Computers zu üben, muss sich die Antragstellerin darauf verweisen lassen, dass sie wie bisher Kurse an der Volkshochschule besuchen kann. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass sie einen eigenen Personalcomputer benötige, um auf diese Weise eine für sie geeignete Erwerbstätigkeit zu suchen, muss sie sich darauf verweisen lassen, dass es ausreicht, die entsprechenden in der Bundesagentur für Arbeit jedem Arbeitssuchenden zur Verfügung gestellten Personalcomputer zu nutzen. Diese Möglichkeit reicht jedenfalls vorläufig aus, um eine geeignete Arbeitsstelle zu suchen.
10Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 188 Satz 2, 154 Abs. 1 VwGO.
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