Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 4 K 3627/00
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Beihilfeleistungen, die er auf entsprechende Anträge der in seinem Dienst als beamtete Lehrerin stehenden K. X. in den Jahren 1991 bis 1998 für deren Tochter D. erbracht hat. Anlässlich einer Überprüfung der Beihilfeberechtigung der Frau K. X. und deren Tochter D. im Jahre 1998 hatte der Kläger festgestellt, dass deren 1989 geborene Tochter seit dem Tode des bei der Beklagten vormals als Fernmeldebeamter tätig gewesenen Vaters im Mai 1991 eine Halbwaisenrente bezog und daher einen eigenen vorrangigen Beihilfenanspruch gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 4 Abs. 3 Beihilfevorschriften - BhV - hat.
3Mit Schreiben vom 30. Juli 1998 wandte sich daher die Regierung von Oberfranken an die E. U. AG und forderte diese auf, die in der Zeit von 1991 bis 1998 ausbezahlte Beihilfe für die Tochter D. in Höhe von 4.985,93 DM zu erstatten. Dies lehnte die E. U. mit Schreiben vom 20. August 1998 mit der Begründung ab, die zu viel gezahlten Leistungen könnten vom Beihilfeberechtigten zurückgefordert werden. Der gegenüber der U. Beihilfeberechtigte könnte dann seinen Beihilfeanspruch selber geltend machen, wobei allerdings im Hinblick auf die Regelung des § 17 Abs. 9 BhV Beihilfe nur für Aufwendungen gewährt werden könne, sofern sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt wurden.
4Mit weiterem Schreiben vom 11. Januar 1999 forderte die Regierung von Oberfranken die E. U. AG erneut zur Erstattung der erbrachten Beihilfeleistungen über 4.958,93 DM reduziert um eine zwischenzeitlich gegenüber Frau K. X. von der Beklagten gewährte Beihilfe über 214,09 DM mit der Begründung, ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch bestehe unabhängig vom Vorhandensein einer Rechtsbeziehung. Die Personalabteilung der E. U. hätte Frau K. X. auf den vorrangigen Beihilfenanspruch ihrer Tochter hinweisen müssen. Wären die Aufwendungen bei der U. geltend gemacht worden, hätte eine Leistungspflicht in der geforderten Höhe bestanden. Nach weiterem wechselseitigem Schriftverkehr und der endgültigen Zurückweisung des Erstattungsanspruchs durch die E. U. mit Schreiben vom 6. September 2000 hat der Kläger am 29. November 2000 Klage erhoben. Zur Begründung vertritt er die Auffassung, Anspruchsgrundlage sei der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zwischenzeitlich allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Danach sei eine Vermögensverschiebung auszugleichen die dadurch entstanden sei, dass ein nicht verpflichteter Rechtsträger an Stelle eines Verpflichteten einem Berechtigten Dritten gesetzliche Leistungen erbracht habe. Dieser Fall liege vor, weil die Regierung von Oberfranken irrtümlich Beihilfeleistungen als eigene Aufgabenerfüllung erbracht habe, die der Beklagten als zuständigem Verwaltungsträger so zu Gute gekommen seien, als habe er sie selbst erbracht. Da durch die Beihilfezahlung an die Tochter D. die Beklagte von ihrer Verpflichtung zur Beihilfegewährung befreit worden sei, liege eine Leistung des Klägers an die Beklagte vor, die im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auszugleichen sei.
5Der Kläger beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.439,80 EUR (= 4.771,84 DM) zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass die Berücksichtigungsfähigkeit der Tochter als Angehörige keine eigenständige Beihilfeberechtigung sei und daher der Kläger Beihilfeleistungen ausschließlich an Frau K. X. und nicht deren Tochter D. erbracht habe. Da andererseits Frau K. X. als Leistungsempfängerin im Verhältnis zur Beklagten nie beihilfeberechtigt gewesen sei, folge daraus, dass die Leistungen des Klägers die Beklagte nicht von einer Verbindlichkeit habe befreien können. Die Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt Verbindlichkeiten der Frau K. X. ausgesetzt gewesen. Für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sei daher kein Raum. Die Beklagte sei durch die Leistungen des Klägers an Frau X. nicht bereichert und im Übrigen stimme die Rechts- und Vermögenslage in den jeweiligen Rechtsverhältnissen überein.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Heft) ergänzend Bezug genommen.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
12Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der an Frau K. X. gezahlten Beihilfeleistungen in Höhe von 4.771,84 DM für deren Tochter D. .
13Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches für den geltend gemachten Zahlungsanspruch, der allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, liegen hier nicht vor. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist - im gleichen Rechtsgrundsatz wurzelnd wie der im Bürgerlichen Recht geregelte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 f. BGB) - als eigenständiges Rechtsinstitut des allgemeinen Verwaltungsrechts anerkannt und dadurch gekennzeichnet, dass eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage durch Erstattung auszugleichen, das heißt der beim Begünstigten zu Unrecht bestehende Vermögensvorteil abzuschöpfen ist. Hat im Verhältnis zwischen zwei Trägern öffentlicher Verwaltung ein Nichtverpflichteter gehandelt, wird auch von einem so genannten Ausgleichs- oder Abwälzungsanspruch gesprochen.
14Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 - 7 C 48.82 -, BVerwGE 71, S. 85 (88); VGH Mannheim, Urteil vom 7. Juli 1984 - 11 S 2127/81 -, NJW 1985, S. 2603; bei VGH, Urteil vom 4. Mai 1994 - 7 B 92.2935 - bei VBl. 1995, S. 370; Ossenbühl, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch NVwZ 1991, S. 513 f.
15Voraussetzung für das Entstehen dieses so genannten Abwälzungsanspruches ist danach, dass von zwei Leistungsträgern nur einer verpflichtet ist, sodass der Ausgleich zwischen den Beiden dadurch herbei geführt werden könnte, dass der Berechtigte die Leistungen demjenigen, der sie zu Unrecht bewirkt hatte, zu erstatten hat und sie von demjenigen, der leisten muss, verlangt. Weitere Voraussetzung ist, dass es sich dabei um einen einheitlichen, die Leistungspflicht auslösenden Vorgang handelt. Des weiteren wird von der Rechtsprechung Identität von Schuldner des einen und Gläubiger des anderen Anspruchs gefordert.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1969 - V C 88.68 -, BVerwG 32, S. 279, 281 f.; Urteil vom 30. November 1972 - V C 87.72 -, BVerwG 41, S. 216 (219).
17Danach fehlt es hier, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, an der erforderlichen Personenidentität auf der Seite der Berechtigten gegenüber dem Verpflichteten. Denn der Kläger könnte die zu Unrecht erbrachten Leistungen nicht von der gegenüber der Beklagten Berechtigten, der Tochter D. , zurückfordern, sondern ausschließlich von der ihr gegenüber beihilfeberechtigten Mutter K. X. , die ihrerseits jedoch keinen Anspruch gegenüber der Beklagten hat. Ein Leistungsaustausch in der Weise, dass der Berechtigte die Leistungen demjenigen, der sie zu Unrecht bewirkt hatte, zu erstatten hat und sie von demjenigen, der leisten musste, verlangt, ist demnach hier gerade nicht möglich. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, gegenüber den in das Verfahren eingeführten Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Braunschweig, Augsburg, Ansbach gerade darin, dass es zwei unterschiedlich Berechtigte und unterschiedlich Verpflichtete gibt. Die Mutter K. X. hat einen eigenen Beihilfeanspruch gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BhV, diesen aber ausschließlich gegen den Kläger als Verpflichteten. Davon zu unterscheiden ist die ebenfalls eigenständige Beihilfeberechtigung der Tochter D. gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 BhV als Berechtigte gegenüber dem ausschließlich Verpflichteten, der Beklagten. Eine Leistung seitens des nichtverpflichteten Klägers ist nicht an die Tochter, sonder ausschließlich an die Mutter erfolgt. Daher ist die Beklagte als Verpflichtete gegenüber der berechtigten Tochter D. nicht von einer Leistung befreit worden. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Form des so genannten Abwälzungsanspruchs ist damit nicht gegeben.
18Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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