Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 3 K 3583/04
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 00.00.0000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 00.00.0000 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Kostenerstattungsbetrag nach den §§ 135 a ff BauGB. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks K. -N. -T. 21" (Gemarkung T1. , Flur 3. Flurstück 228 tlw. und 229) in C. , das im östlichen Teilbereich des Bebauungsplanes 11-4 liegt und vormals landwirtschaftlich genutzt wurde. Zwischenzeitlich ist das klägerische Grundstück bebaut.
3In dem Erläuterungsbericht zur Änderung des Flächennutzungsplanes sowie zur Begründung des Bebauungsplanes 11-4, der am 00.00.0000 in Kraft trat, wurde unter Punkt 12 Belange von Natur und Landschaft" darauf hingewiesen, dass die durch die Aufstellung des Bebauungsplanes begründeten Baurechte und notwendigen Erschließungsmaßnahmen Eingriffe in Natur und Landschaft darstellten, die im Rahmen des Aufstellungsverfahrens zum Bebauungsplan zu ermitteln, zu bewerten und durch Festsetzung von geeigneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu kompensieren seien. Die Kompensation des anhand eines Wertberechnungsverfahrens ermittelten Ausgleichsdefizits sollte auf einen Teilbereich von zwei gemeindeeigenen Ausgleichspoolflächen am L.-----weg (Gemarkung T1. Flur 1, Flurstück 109 und Gemarkung T2. , Flur 1 Flurstück 92) erfolgen. Nach erfolgtem Erwerb der Ausgleichsflächen ließ die Stadt C. diese in den Jahren 2000/2001 aufforsten.
4Am 00.00.0000 beschloss der Rat der Stadt C. die neue Satzung über die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135 a bis 135 c BauGB (im Folgenden: KES), die rückwirkend zum 00.00.0000 in Kraft trat und die die auf der Grundlage des § 8 a BNatSchG ergangene Satzung vom 00.00.0000 ablöste.
5Die Kosten für die Maßnahmen auf den Ausgleichsflächen (Grunderwerb und Bepflanzung) brachte der Beklagte mit insgesamt 119.632,77 Euro in Ansatz. Unter Berücksichtigung einer auszugleichenden Gesamtfläche im Baugebiet von 7.330 qm ermittelte er einen Aufwand in Höhe von 19.820,19 Euro und gelangte bei einer Grundflächenzahl von 0,4 zu einem Beitragssatz von 6,759956 Euro/qm.
6Mit Bescheid vom 00.00.0000 zog der Beklagte die Klägerin für ihr 1.354 qm großes Flurstück 229 und ihren 110,8 qm Anteil am Flurstück 228 unter Zugrundelegung einer Grundflächenzahl von 0,4 (= 585,92 qm) zu einem Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 3.960,79 Euro heran.
7Hiergegen legte den Klägerin Widerspruch ein. Ihrem zugleich gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht mit Beschluss vom 30. Juni 2004 (3 L 313/04) stattgegeben.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
9Bereits am 00.00.0000 hatte die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie trägt vor: Der der Beitragsveranlagung zu Grunde liegende Bebauungsplan biete wegen des Fehlens der erforderlichen Zuordnungsfestsetzung keine hinreichende Grundlage für die Heranziehung zu Kostenerstattungsbeträgen. Auch die am 00.00.0000 im vereinfachten Verfahren beschlossene Änderung zum Bebauungsplan 11-4, mit der die naturschutzrechtliche Eingriffs-Ausgleichs- Regelung in Form einer Zuordnungsfestsetzung normiert worden sei, ändere an der rechtlichen Bewertung nichts. Abgesehen davon, dass solch eine Änderung, welche die Grundzüge der Planung betreffe, nicht in einem vereinfachten Verfahren durchgeführt werden dürfe, sei die Änderung nicht mit einer Rückwirkung versehen worden. Überdies sei eine nachträgliche Heilung ohnehin nicht möglich. Überdies entspreche auch die Neufassung des Bebauungsplanes nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine Zuordnungsfestsetzung stelle. Schließlich genüge auch die vorgenommene Gesamtbilanzierung zur Ermittlung des Ausgleichsdefizits nicht den gesetzlichen Vorgaben.
10Die Klägerin beantragt,
11den Bescheid des Beklagten vom 00.00.0000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 00.00.0000 aufzuheben.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt aus: Der Bebauungsplan 11-4 stelle auch ohne eine Zuordnungsfestsetzung eine hinreichende Grundlage dar. Die einschlägigen Vorschriften der §§ 135 a ff BauGB iVm § 9 Abs. 1 a BauGB bzw. § 1 a Abs.3 BauGB enthielten keine abschließende verbindliche Regelung dahingehend, dass Kostenerstattungsansprüche der Gemeinde nur im Falle der Zuordnungsfestsetzung geltend gemacht werden könnten. So sehe § 1 a Abs.3 S.4 BauGB die Möglichkeit vor, dass die Kommune in ihrem Bebauungsplan auf Festsetzungen verzichten könne, wenn es Alternativen gäbe, deren Realisierung hinreichend gesichert sei; etwa durch vertragliche Vereinbarungen oder durch sonstige geeignete Maßnahmen, wie die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen. Es wäre widersinnig, wenn der Gesetzgeber trotz der Bereitstellung solcher Alternativen auf der Kostenerstattungsebene dann doch eine Zuordnungsfestsetzung verlangte. Denn dies bedeutete, dass angesichts der Finanznot der Kommunen ein naturschutzrechtlicher Ausgleich durch sonstige geeignete Maßnahme" in der Praxis mangels Refinanzierungsmöglichkeit nicht umsetzungsfähig wäre. Nur rein vorsorglich sei eine Änderung des Bebauungsplanes mit der Aufnahme der Zuordnungsfestsetzung vorgenommen worden. Da lediglich die zuvor in der Begründung enthaltene Zuordnung als Festsetzung in den Bebauungsplan aufgenommen und damit die Grundlage der bisherigen Bebauungsplanausweisung nicht berührt worden sei, habe dieses in einem vereinfachten Verfahren geschehen können.
15Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte 3 L 313/04 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage, über die die Berichterstatterin im Einverständnis der Beteiligten an Stelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 87 a Abs.3, 101 Abs.2 VwGO entscheidet, ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 00.00.0000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18Der Beklagte hat die Klägerin zu Unrecht auf der Grundlage der §§ 135 a ff BauGB iVm der Satzung der Stadt C. über die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen vom 00.00.0000 zu einem Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 3.960,79 Euro wegen der auf gemeindeeigenen Grundstücken durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen herangezogen.
19Nach §§ 1, 2 Abs.1 KES iVm §§ 135 a bis c BauGB erhebt die Stadt C. Kostenerstattungsbeträge für die Durchführung von zugeordneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Vorliegend sind diese Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der Klägerin nicht erfüllt.
20Zwar wurden unstreitig durch den Beklagten Ausgleichsmaßnahmen auf den als Kompensationsflächen vorgesehenen gemeindeeigenen Grundstücken am L.-----weg in Form von Aufforstungen im Jahre 2001 durchgeführt. Ausweislich der Bebauungsplanunterlagen sollten diese Maßnahmen auch als Ausgleich für die mit dem Bebauungsplan 11-4 vom 00.00.0000 erfolgte Ausweisung der landwirtschaftlichen Nutzflächen als Bauland fungieren, da die erfolgte erstmalige Überplanung des Gebietes - so auch bezüglich der Grundstücke der Klägerin (Gemarkung T1. , Flur 3, Flurstücke 229 und 228 tlw) - als Eingriff in Natur und Landschaft gewertet wurde.
21Indes wurden diese Ausgleichsmaßnahmen den Eingriffsgrundstücken - und damit auch den Grundstücken der Klägerin - nicht im Sinne von §§ 1, 2 Abs.1 KES iVm § 135 a Abs.2 BauGB wirksam zugeordnet. Dies ergibt sich aus Folgendem:
22Die Bestimmungen der §§ 135 a bis c BauGB sind als Teil der naturschutzrechtlichen Eingriffsnormen im BauGB zu sehen und knüpfen an die in § 1 a Abs.3 BauGB getroffenen Regelungen über den Ausgleich von Eingriff in Natur und Landschaft durch die Bauleitplanung sowie an die in § 9 Abs.1 a BauGB aufgezeigten Möglichkeiten der Festsetzungen auf der Bauplanungsebene, zu denen auch die Zuordnung zählt, an. Je nach Form des gewählten Ausgleichs auf der Bauleitebene für den zu erwartenden Eingriff in Natur und Landschaft (vgl. § 1 a Abs.3 BauGB) stellen die §§ 135 a bis c BauGB unterschiedliche Anforderungen an den Vollzug der Ausgleichsmaßnahmen und an eine evtl. Kostenerstattung. Von der Konzeption her gehen die Regelungen der §§ 135 a bis c BauGB dabei von dem Verursacherprinzip aus. Dies bringt § 135 a Abs.1 BauGB zum Ausdruck, wonach festgesetzte Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1 a Abs.3 BauGB in erster Linie vom Vorhabenträger durchzuführen sind. Eine solche Verpflichtung besteht jedoch nur dann, wenn die Maßnahmen zum Ausgleich auf dem Eingriffsgrundstück selbst entsprechend der Festsetzung (vgl. § 1 a Abs.3 iVm § 9 Abs.1 a S.1, 1. Alternative BauGB) durchzuführen sind, denn nur unter dieser Prämisse ist der Eigentümer zur Realisierung in der Lage. In diesen Fällen stellt sich schon nicht die Frage der Kostenerstattung. Ist hingegen - wie hier - ein Ausgleich für zu erwartende Eingriffe in Natur und Landschaft nicht auf dem Eingriffsgrundstück selbst, sondern an anderer Stelle vorgesehen, so bestimmt § 135 a Abs.2 BauGB, dass in den Fällen, in denen Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle den Grundstücken nach § 9 Abs.1 a BauGB zugeordnet sind, die Gemeinde diese Ausgleichsmaßnahmen an Stelle und auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchführen und auch die hierfür erforderlichen Flächen bereitstellen soll, sofern dies nicht auf andere Weise gesichert ist. Die insoweit anfallenden Kosten kann die Gemeinde gemäß § 135 a Abs.3 BauGB geltend gemacht werden, sobald die Grundstücke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen. Zur Deckung ihres Aufwands für Maßnahmen zum Ausgleich einschließlich der Bereitstellung hierfür erforderlicher Flächen ist die Gemeinde gemäß § 135 a Abs.3 S.2 BauGB berechtigt, einen Kostenerstattungsbetrag zu erheben. Die Erstattungspflicht entsteht mit der Herstellung der Maßnahmen zum Ausgleich durch die Gemeinde. Der Betrag ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück.
23Die Berechtigung der Gemeinde zur Erhebung eines Kostenerstattungsbetrages für von ihr durchgeführte Ausgleichsmaßnahmen ist mithin gemäß § 135 a Abs.2 S.1 BauGB iVm § 9 Abs.1 a S.2 BauGB an die Zuordnung geknüpft. Dabei genügt es nicht, wenn den Bebauungsplanunterlagen entnommen werden kann, dass bestimmte Ausgleichsflächen den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, zugeordnet werden. Vielmehr bedarf es angesichts des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung des § 135 a Abs.2 S.1 BauGB nebst deren Bezugnahme auf die Vorschrift des § 9 Abs.1 a BauGB einer Zuordnung in Form einer Festsetzung des Bebauungsplans.
24Die Vorschrift des § 9 Abs.1 a S.2 BauGB bestimmt, dass Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden können. Der 2. Halbsatz dieser Norm sieht dies ausdrücklich auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen vor. Bei der Zuordnung handelt es sich um eine Festsetzung des Bebauungsplans. Sie beinhaltet die Zuordnung bestimmter Ausgleichsflächen und -maßnahmen zu dem Grundstück, auf dem der Eingriff zu erwarten ist (Baugrundstück). Mit ihr wird eine Verknüpfung zwischen dem Eingriffsgrundstück und den Ausgleichsflächen und -maßnahmen hergestellt. Diese bildet sodann die Grundlage für die Durchführung und Kostenerstattung von Ausgleichsmaßnahmen nach §§ 135 a ff BauGB.
25Vgl.:Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger,Baugesetz- buch, Loseblatt-Kommentar (Stand: März 2006), § 9 Rn. 238 und § 1 a Rn.101.
26Zwar handelt es sich bei der Zuordnung um keine zwingende Festsetzung. Vielmehr steht es der Gemeinde frei, eine solche Zuordnungsentscheidung zu treffen. Soll allerdings der Eigentümer oder Vorhabenträger des Eingriffsgrundstücks nach Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen an den Kosten beteiligt werden, so bedarf es auf Grund der Vorschrift des § 135 a Abs.2 S.1 BauGB einer entsprechenden Zuordnung. Die Zuordnungsfestsetzung dient mithin ausschließlich dem Zweck, der Gemeinde über die §§ 135 a ff BauGB die Finanzierung der von ihr durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen zu ermöglichen. Führt die Gemeinde die Ausgleichsmaßnahmen - wie vorliegend - auf ihren eigenen Grundstücken durch, so bedarf es für die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Eigentümer des Eingriffsgrundstücks oder dem Vorhabenträger auch hierfür einer entsprechenden Zuordnungsfestsetzung im Eingriffsbebauungsplan. Die Zuordnungsfestsetzung gemäß § 9 Abs.1 a BauGB ist mithin konstitutive Voraussetzung für die Geltendmachung eines derartigen Kostenerstattungsanspruchs.
27Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2005 - 5 S 2507/04 -, in: DÖV 2005, 787; VG Minden, Urteil vom 15. März 2005 - 1 K 2111/04 -; VG Münster, Urteil vom 18. Januar 2006 - 3 K 3960/03 - und Beschluss vom 30. Juni 2004 - 3 L 313/04 -; VG Dresden, Beschluss vom 4. August 2000 - 4 K 972/00 -, in: NVwZ-RR 2001, 582; Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, aa0, § 1 a Rn.101; Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 8. Aufl., § 1 a Rn.47 und § 9 Rn. 98b; Gierke in Brügelmann, Baugesetzbuch, Loseblattkomenntar (Stand: März 2004), § 1 a Nr. 4.4.4.2 und 4.4.5;
28Aus der vorstehend dargestellten Konzeption ist mithin ersichtlich, dass der Gesetzgeber es der Gemeinde überlässt, ob sie eine solche Zuordnungsfestsetzung trifft und damit die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach §§ 135 a bis c BauGB schafft oder nicht.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 1999 - 4 BN 17.98 -, in: BauR 2000, 242 zu § 8 a Abs.1 S.4 BnatSchG idF. v. 22. April 1993.
30Setzt die Gemeinde eine Zuordnung nicht fest, so obliegt es ihr, in einem solchen - von § 135 a BauGB nicht erfassten - Fall, die Ausgleichsmaßnahmen auf ihre Kosten durchzuführen, soweit sie dazu auch ohne Zuordnungsfestsetzung in der Lage ist (auf eigenen Grundstücken oder mit Zustimmung von Grundstückseigentümern).
31Vgl. VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 31. März 2005, aa0.
32Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die in § 1 a Abs.3 BauGB vorgesehenen unterschiedlichen Möglichkeiten zur Schaffung von Ausgleichsmaßnahmen keinesfalls in sich widersprüchlich oder praxisfern. Denn die Gemeinde hat es bei der Planung in der Hand, welche Form der Gestaltung und damit auch der Finanzierung sie im Falle von notwendig werdenden Ausgleichsmaßnahmen wählt. Neben der Möglichkeit, dass der Grundstückseigentümer oder Vorhabenträger selbst Ausgleichsmaßnahmen auf seinem (Eingriffs-)Grundstück durchzuführen hat, kann die Gemeinde auch durch vertragliche Vereinbarungen die Realisierung von Ausgleichsmaßnahmen sicherstellen. Daneben bleibt ihr die Möglichkeit, auf eigene Kosten solche Maßnahmen zu vollziehen oder aber dies auf Kosten der Verursacher zu tun, was dann aber die Existenz einer Zuordnungsfestsetzung im Bebauungsplan voraussetzt.
33Vorliegend hat der Beklagte die Klägerin als Eigentümerin der Grundstücke Gemarkung T1. , Flur 3, Flurstück 229 und 228 tlw. aufgrund selbst durchgeführter Ausgleichsmaßnahmen auf gemeindeeigenen Flächen in Anspruch genommen, ohne dass eine Zuordnung der Maßnahmen zu den Grundstücken der Klägerin ersichtlich ist. Der zum Zeitpunkt der Heranziehung rechtsverbindliche Bebauungsplan 11-4 vom 00.00.0000 enthielt eine solche Zuordnungfestsetzung im Sinne des § 9 Abs. 1 a S.2 BauGB nicht. Zwar ist der Begründung des Bebauungsplanes zu entnehmen, dass die Kompensation des durch die Bebauungsplanaufstellung verursachten Ausgleichsdefizits auf den Grundstücken am L.-----weg erfolgen sollte. Der Bebauungsplan 11-4 vom 00.00.0000 enthielt aber keinerlei Aussage über die beabsichtigte Zuordnung der Flächen. Entgegen der Auffassung des Beklagten reichen allein in der Begründung eines Bebauungsplans enthaltene Angaben für die Annahme einer wirksamen Zuordnung im Sinne des § 9 Abs.1 a S.2 BauGB, die - wie bereits ausgeführt - eine Festsetzung erfordert, nicht aus. Da es sich bei den Festsetzungen in einem Bebauungsplan um rechtsverbindliche, für den Bürger unmittelbar geltende Regelungen handelt und im Falle einer Zuordnung die Festsetzung kostenerstattungsrechtliche Konsequenzen für den Eigentümer eines Eingriffsgrundstücks nach sich ziehen kann (vgl. §§ 135 a ff BauGB), kann schon aus Gründen des Rechtsschutzes sowie dem Grundsatz der Planbestimmtheit auf eine explizite Festsetzung im Rahmen einer Zuordnung nicht verzichtet werden. Denn für den Eigentümer eines Grundstücks im Bebauungsgebiet muss anhand des Bebauungsplans erkennbar sein, ob bezüglich seines Grundstücks ein zu erwartender Eingriff in Natur und Landschaft vom Plangeber angenommen wird und er ggf. mit Kostenerstattungsansprüchen für Ausgleichsmaßnahmen zu rechnen hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gemeinde eine entsprechende Zuordnung, die allein der Refinanzierung von Ausgleichsmaßnahmen dient, nicht vorzunehmen braucht. Dem gemäß muss, damit eine wirksame Zuordnung im Sinne des § 9 Abs.1 a S.2 BauGB angenommen werden kann, zumindest durch textliche Festsetzungen im Eingriffsbebauungsplan auf von der Gemeinde zum Ausgleich bereitgestellte Flächen verwiesen werden und es müssen diese den betroffenen Eingriffsgrundstücken zugeordnet sein.
34Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2005, aa0; VG Minden, Urteil vom 15. März 2005, aa0; VG Münster, Urteil vom 18. Januar 2006, aa0; VG Dresden, Beschluss vom 4. August 2000, aa0; Ernst/Zinkhahn/Bielenberg, aa0 § 9 Rn. 238 f, Gierke, in: Brügelmann, aa0, § 1 a Nr. 4.4.4.2.
35Eine andere rechtliche Bewertung ist auch nicht durch die am 00.00.0000 beschlossene Änderung des Bebauungsplanes eingetreten, mit der die Zuordnung von Eingriffs- und Ausgleichsflächen durch zeichnerische und textliche Darstellung Aufnahme in den Bebauungsplan 11-4 gefunden hat. Die Frage, ob eine solche Änderung überhaupt in einem vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB durchgeführt werden kann, was von dem Prozessbevollmächtigen der Klägerin in Abrede gestellt wird, kann offen bleiben. Denn jedenfalls muss eine für die Geltendmachung von Kostenerstattungsbeträgen notwendige Zuordnungsfestsetzung bereits bei Erlass des maßgeblichen - für die Ausgleichsmaßnahmen ursächlichen - Eingriffsbebauungsplanes vorliegen. Eine durch Änderung des Bebauungsplanes erst nachträgliche Einfügung einer Zuordnungsfestsetzung vermag den vorhandenen Mangel nicht mehr zu heilen.
36Dieses folgt aus dem Sinn und Zweck der Zuordnungsfestsetzung und der darauf basierenden Heranziehung zu Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135 a bis c BauGB. Insofern ist zunächst festzuhalten, dass die Zuordnung von Ausgleichsmaßnahmen zu Eingriffsflächen gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist. Wie bereits eingehend darlegt, stehen den Gemeinden gemäß § 1 a Abs.3 S.3 BauGB verschiedene Modelle zur Auswahl, um dem Kompensationsinteresse für zu erwartende Eingriffe in Natur und Landschaft infolge von bauplanungsrechtlichen Festsetzungen Geltung zu verschaffen. § 9 Abs. 1 a S.2 BauGB eröffnet der Gemeinde die Möglichkeit, eine Zuordnungsentscheidung zu treffen, stellt es ihr aber frei, ob und wieweit sie von dieser Ermächtigung Gebrauch macht.
37Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 1999, aa0.
38Da es sich bei der Zuordnung um eine eigenständige Festsetzung im Bebauungsplan mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen für die betroffenen Grundstückseigentümer handelt, erfordert der Grundsatz der Planbestimmtheit, dass sie ausdrücklich und konkret erfolgt und dem Bebauungsplan ohne Weiteres entnommen werden kann. Denn die Grundstückseigentümer müssen anhand der Festsetzungen des Bebauungsplan unzweideutig erkennen können, ob sie mit einem Kostenerstattungsanspruch im Hinblick auf von der Gemeinde durchgeführte bzw. beabsichtigte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu rechnen haben.
39Vgl. VG Minden, Urteil vom 15. März 2005 - 1 K 2111/04 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 6. Juli 2004 - 4 K 3757/03 -, VG Dresden, Beschluss vom 4. August 2000, aa0.
40Enthält aber - wie vorliegend - der Bebauungsplan, der Grundlage für die zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft ist, keine derartige Zuordnungsfestsetzung, so dürfen die betroffenen Grundstückseigentümer schutzwürdig darauf vertrauen, dass sie zu Kostenerstattungsbeträgen nicht herangezogen werden. Dass bereits der Eingriffsbebauungsplan selbst eine wirksame Zuordnungsfestsetzung enthalten muss, um Grundlage für eine Abrechnung der Kosten für die Herstellung von Ausgleichsmaßnahmen nach §§ 135 a ff BauGB bilden zu können, wird zudem durch das erstrebte Ziel des Gesetzgebers verdeutlicht, wonach dem Kompensationsinteresse schon auf der Planungsstufe Rechnung zu tragen ist. Demgemäß muss sich der Satzungsgeber bereits bei Erlass des Bebauungsplanes eine Entscheidung treffen, auf welche Weise er einen Ausgleich für zu erwartende Eingriffe in Natur und Landschaft schaffen und diesen ggf. finanzieren will. Dieser Konzeption würde es entgegenstehen, wenn es der Gemeinde auch im Nachhinein ohne Weiteres möglich wäre, eine Zuordnungsfestsetzung in einen Bebauungsplan im Wege des Änderungsverfahrens einzufügen. Denn insofern wäre es in das Belieben der Gemeinde gestellt, nachträglich - ohne zeitliche Beschränkung - durch Bebauungsplanänderung eine Refinanzierungsmöglich- keit für festgestellte Eingriffstatbestände zu schaffen. Dass die Maßnahmen zum Ausgleich gemäß § 135 a Abs.2 S.2 BauGB bereits vor den Baumaßnahmen und der Zuordnung durchgeführt werden können, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Denn die Regelung ermöglicht den Gemeinden lediglich, bereits im Vorgriff auf spätere Baugebietsfestsetzungen Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen, um sie sodann den neuen Baugebieten zuordnen zu können. Die Möglichkeit der Schaffung von Ausgleichsflächen quasi auf Vorrat (sog. Öko-Konto") hat allerdings für den betroffenen Grundstückseigentümer keine nachteiligen Auswirkungen. Vielmehr bewirkt die erfolgte Bereitstellung von bereits hergerichteten Ausgleichsflächen lediglich, dass mit einer erfolgten Zuordnungsfestsetzung sofort der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 135 a Abs.3 S.2 BauGB - ohne zeitliche Verzögerung - entstehen kann. Die Regelung des § 135 a Abs.2 S.2 BauGB berechtigt aber nicht zu der Annahme, die Gemeinde könne nicht nur - wie der Gesetzeswortlaut vorsieht - erst nach Herrichtung der Ausgleichsflächen die Zuordnung zu entsprechenden Eingriffsgrundstücken vornehmen, sondern könne diese selbst nach dem erfolgten Erlass eines Eingriffsbebauungsplanes durch eine Bebauungsplanänderung jederzeit nachholen.
41Abgesehen davon ist die mit der Änderung des Bebauungsplanes 11-4 am 00.00.0000 eingefügte Zuordnungsfestsetzung aber auch inhaltlich zu beanstanden. Die Gemeinde hat bei einer Zuordnungsfestsetzung zu beachten, welche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ganz oder teilweise auf die Herstellung von Erschließungsanlagen entfallen; denn diese Kosten sind erschließungsbeitragsfähig nach § 128 Abs.1 S.1 Nr.2 BauGB. Demgemäß sind u.a. Straßengrundstücke von der Zuordnung gemäß § 9 Abs.1 a BauGB auszunehmen.
42Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2005, aa0; Birk, Die Kostenerstattung bei naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen unter besonderer Berücksichtigung des Erschließungsbeitragsrechts, in: VBlBW, 1998, 81 ff.
43Dem wird die nunmehr im Bebauungsplan 11-4 enthaltene Zuordnungsfestsetzung nicht gerecht. Denn diese bezieht sich auf die gesamte überplante Eingriffsfläche und damit auch auf die darin enthaltene Verkehrsfläche von 423 qm.
44Der Zuordnungsfestsetzung mangelt es zudem an der notwendigen Differenzierung, da eine Unterscheidung hinsichtlich der Wertigkeit der einzelnen Grundstücksflächen nicht erfolgte. Bei der vorgenommenen Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung wurde vielmehr die gesamte Eingriffsfläche von 7.330 qm bestehend aus Mischgebiets-, Garten-, Verkehrs- und Grünflächen mit einbezogen. Zwar wurde eine Differenzierung hinsichtlich der biologischen Wertigkeit der einzelnen Flächen entsprechend der geplanten Nutzung vorgenommen. Diese Einzelflächenbewertungen fanden jedoch Eingang in eine Gesamtbewertung der überplanten Fläche. Dementsprechend wurden ohne jegliche Differenzierung der gesamten Eingriffsfläche entsprechend den ermittelten Flächenwertpunktzahlen zwei Ausgleichsflächen zugeordnet. Zu beanstanden ist auch, dass bei der Bilanzierung die nicht berücksichtigungsfähige Verkehrsfläche mit einer Grundflächenzahl von 0,4 multipliziert wurde, was dem Eingriffscharakter einer Straßenfläche, die mit dem eines Baugrundstücks nicht vergleichbar ist, widerspricht. Demzufolge genügt nicht nur die nachträglich eingefügte Zuordnungsfestsetzung nicht den rechtlichen Vorgaben, sondern auch die vorgenommene Gesamtbilanzierung, die wiederum die Grundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch bildet, stellt sich als nicht sachgerecht dar.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
46
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.