Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 8 K 355/06
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 18. Januar 2006 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Ashkali an. Er reiste am 15. November 1989 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte erfolglos einen Asylantrag. Nach seiner freiwilligen Ausreise im März 1991 reiste der Kläger am 25. Mai 1992 erneut in die Bundesrepublik ein und stellte in den Jahren 1992, 1993 und 1999 drei Asylfolgeanträge, die jeweils abschlägig beschieden wurden; die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wurde jeweils abgelehnt. Seit der Bestandskraft des letzten Bescheids am 10. November 1999 erhielt der Kläger Duldungen, die auf seine Verlängerungsanträge hin immer wieder antragsgemäß verlängert wurden. Am 27. September 2001 erteilte der Beklagte dem Kläger dann eine Aufenthaltsbefugnis nach der Bleiberechtsregelung für jugoslawische Arbeitnehmer. Diese gilt seit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Aufenthaltserlaubnis fort. Einen am 30. August 2005 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30. November 2005 ab, weil der Kläger die zeitlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG nicht erfülle. Die Zeiten seiner Duldung könnten nicht angerechnet werden, da nach § 102 Abs. 2 AufenthG nur Duldungen berücksichtigt werden könnten, die aufgrund von Abschiebungshindernissen erteilt worden seien, nicht aber solche, die hätten erteilt werden müssen, weil der Ausländer seine Ausreisepflicht nicht erfüllen wolle. Daher erfülle der Kläger die zeitlichen Voraussetzungen erst ab dem 27. September 2008. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2006, zugestellt am 20. Januar 2006, zurück und führte aus, die beschränkte Anrechenbarkeit von Duldungen ergebe sich aus der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die in der Begründung des Gesetzes zum Ausdruck komme. Dem gesetzgeberischen Willen sei durch eine an der Gesetzesbegründung orientierte Auslegung Rechnung zu tragen.
3Der Kläger hat am 20. Februar 2006 Klage erhoben. Er meint, die Zeiten der Duldung seien auf die Frist des § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG uneingeschränkt anzurechnen.
4Der Kläger beantragt,
5den Bescheid des Beklagten vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.
6Der Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Er bezieht sich zur Begründung auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und ergänzt, nach dem Wortlaut des § 102 Abs. 2 AufenthG seien entweder die Zeiten einer Aufenthaltsbefugnis oder die Zeiten einer Duldung anzurechnen, nicht aber beides.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
11Der Berichterstatter entscheidet gem. § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO anstelle der Kammer, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
12Die Klage ist zulässig und begründet.
13Der Bescheid des Beklagten vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 18. Januar 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
14Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Danach kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Abschnitt 5 besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
15Der Kläger erfüllt die zeitlichen Voraussetzungen. Zwar besitzt er erst seit dem 01. Januar 2005 eine Aufenthaltserlaubnis, da die ihm am 27. September 2001 erteilte Aufenthaltsbefugnis gem. § 101 Abs. 2 AufenthG seitdem als Aufenthaltserlaubnis fortgilt. Die vorangehenden Zeiten des Besitzes der Aufenthaltsbefugnis und der Duldungen werden ihm aber angerechnet.
16Gem. § 102 Abs. 2 AufenthG wird auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 01. Januar 2005 angerechnet. Die Aufenthaltsbefugnis wurde dem Kläger am 27. September 2001 erteilt; die Zeit von diesem Tag an bis zum 31. Dezember 2004 ist mithin auf den Siebenjahreszeitraum anzurechnen.
17Zusätzlich sind auch die Duldungszeiten mindestens ab dem 15. März 2000 anzurechnen. Der Beklagte geht fehl, wenn er meint, nach § 102 Abs. 2 AufenthG könnten entweder Zeiten einer Aufenthaltsbefugnis oder Zeiten einer Duldung angerechnet werden, nicht aber beides kumulativ. Die Norm ist so zu verstehen, daß sowohl Zeiten der Aufenthaltsbefugnis als auch Zeiten der Duldung angerechnet werden: alternativ, wenn nur eines von beiden vorliegt, aber auch kumulativ, wenn beides gegeben ist. Die Konjunktion "oder" ist in diesem Zusammenhang als "sowie" zu verstehen.
18Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 52. Aktualisierung, Heidelberg Mai 2007, § 102 AufenthG, Rdnr. 12; im Ergebnis auch VGH BW, Beschl. v. 29. Mai 2007 - 11 S 2093/06 -, DVBl. 2007, 1052; vgl. ferner die vorläufigen Anwendungshinweise zu § 102 AufenthG, Ziff. 102.2.
19Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung zu § 102 Abs. 2 AufenthG. Darin heißt es im Anschluß an die Begründung zur Anrechnung von Duldungszeiten:
20"Auch die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis wird auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis angerechnet."
21Diese Formulierung zeigt deutlich, daß der Gesetzgeber davon ausging, daß die kumulative Anrechnung von Duldungs- und Aufenthaltsbefugniszeiten möglich sein sollte.
22§ 102 Abs. 2 AufenthG erfaßt die Anrechnung von Zeiten des Besitzes einer Duldung. Dabei kommt es - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht auf den Zweck an, zu dem die Duldung erteilt worden ist. Da § 102 Abs. 2 AufenthG nicht nach Duldungsgründen oder danach unterscheidet, ob der Ausländer sie verschuldet hat, sind sämtliche Zeiten des Besitzes einer Duldung und ohne Rücksicht darauf anzurechnen, ob sie nach dem Aufenthaltsgesetz für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis qualifizieren.
23Vgl. VGH BW, Beschl. v. 29. Mai 2007 - 11 S 2093/06 -, DVBl. 2007, 1052; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 52. Aktualisierung, Heidelberg Mai 2007, § 102 AufenthG, Rdnr. 15.
24Einer solchen am Wortlaut der Vorschrift orientierten Auslegung steht auch nicht der gesetzgeberische Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen: Nach der Gesetzesbegründung sollen die Zeiten der Duldung vor dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes angerechnet werden, um die Ausländer nicht zu benachteiligen, die nach dem Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, jedoch nach dem Ausländergesetz - zum Teil seit vielen Jahren - lediglich eine Duldung erhielten.
25BT-Drs. 15/420, S. 100.
26Dieser Gesetzeszweck wird durch die vorgenommene Auslegung nicht eingeschränkt. Das Ziel der Nicht-Benachteiligung der (qualifizierten) Duldungsinhaber nach dem Ausländergesetz gegenüber der neuen Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz wird auch erreicht, wenn andere Ausländer ebenfalls in den Genuß der vorteilhaften Regelung kommen. Damit werden auf der Tatbestandsebene sogar Ausländer, die sich vor dem 01. Januar 2005 der Abschiebung durch Identitätsverschleierung, fehlende Mitwirkung oder aktiven Widerstand entzogen haben, privilegiert, sofern das Verhalten des Ausländers nicht zu einer gerichtlichen Bestrafung nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG geführt hat; eine Korrektur kann aber im Rahmen der Ermessensausübung erfolgen.
27Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 52. Aktualisierung, Heidelberg Mai 2007, § 102 AufenthG, Rdnr. 15.
28§ 102 Abs. 2 AufenthG soll nur eine Benachteiligung von Duldungsinhabern nach dem AuslG gegenüber Aufenthaltserlaubnisinhabern nach dem AufenthG verhindern, nicht aber eine Privilegierung derartiger Duldungsinhaber gegenüber anderen Duldungsinhabern schaffen. § 102 Abs. 2 AufenthG dient nicht in erster Linie dazu, zwischen Duldungsinhabern zu differenzieren.
29Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeigt sogar, daß diese Bevorteilung der Ausländer, die eine Duldung erhalten hatten, weil sie Duldungsgründe selbst verschuldet hatten, bewußt hingenommen worden ist. Der Innenausschuß hatte erkannt, daß nach seiner Auffassung der Gesetzentwurf insofern zu weitgehend gefaßt war und die Herauszögerung der Aufenthaltsbeendigung bis zum Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes provozieren könnte. Daher hatte er in seinen Empfehlungen vorgeschlagen, nach dem Wort "Duldung" die Wörter "gemäß § 55 Abs. 2 des Ausländergesetzes in der zuletzt gültigen Fassung auf der Grundlage des § 53 Abs. 1, 2, 4 oder 6 oder des § 54 des Ausländergesetzes in der zuletzt gültigen Fassung, soweit sie die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis nicht übersteigen," einzufügen. Damit hätten nur Duldungszeiten angerechnet werden sollen, die nach dem Aufenthaltsgesetz für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis qualifizierten.
30BR-Drs. 22/1/03, Empfehlung Nr. 88, S. 77; eingebracht in den Bundestag durch die Beschlußempfehlung und den Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 15/955, S. 32.
31Diese Differenzierung wurde aber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben. Bereits in der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses,
32BT-Drs. 15/3479,
33taucht eine entsprechende Änderung des § 102 Abs. 2 AufenthG gegenüber dem Gesetzesentwurf nicht auf. Damit hat der Gesetzgeber eine umfassende Anrechenbarkeit von Duldungszeiten hingenommen.
34Vgl. VGH BW, Beschl. v. 29. Mai 2007 - 11 S 2093/06 -, DVBl. 2007, 1052.
35Für diese Auslegung des § 102 Abs. 2 AufenthG spricht auch ein weiteres systematisches Argument: Gem. § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG wird auf die Frist abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens angerechnet. Infolge der Bezugnahme auf § 55 Abs. 3 AsylVfG sind damit die Aufenthaltszeiten eines Asylverfahrens gemeint, das für den Ausländer im Hinblick auf die Asylberechtigung im Ergebnis erfolglos war. Dabei ist sowohl unerheblich, aus welchen Gründen das Asylverfahren erfolglos war, als auch von Rechts wegen belanglos, auf welchen Umständen der Zeitablauf des Asylverfahrens beruht. Dem Gesetzgeber ist es also nicht fremd, im Rahmen des § 26 Abs. 4 AufenthG auch solche Aufenthaltszeiten anzurechnen, deren Dauer der Ausländer selbst zu vertreten hat.
36Auf den Vergleich des § 102 Abs. 2 AufenthG mit § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG (damals noch Satz 2) weist der Gesetzgeber selbst in seiner Gesetzesbegründung zu § 102 Abs. 2 AufenthG hin, wenn er dort ausführt, daß die Zeiten der Duldung vor dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes "wie bei der Berücksichtigung der Dauer eines Asylverfahrens" angerechnet werden.
37BT-Drs. 15/420, S. 100.
38Der Anrechnung von Duldungszeiten kann nicht entgegengehalten werden, daß eine solche Anrechnung im Rahmen des § 26 Abs. 4 AufenthG grundsätzlich nicht möglich ist.
39Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 52. Aktualisierung, Heidelberg Mai 2007, § 26 AufenthG, Rdnr. 17.
40Das betrifft nur die Duldungen ab dem 01. Januar 2005. Von diesem Grundsatz bildet § 102 Abs. 2 AufenthG aber gerade eine vom Gesetz vorgesehene Ausnahme.
41Im Falle des Klägers stellen sich die Duldungszeiten wie folgt dar: Nachdem der letzte Ablehnungsbescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 10. November 1999 bestandskräftig geworden war, beantragte der Kläger am 28. Februar 2000 eine Duldung, die ihm am 15. März 2000 bis zum 14. September 2000 erteilt wurde. Am 21. September 2000 beantragte er die Verlängerung der Duldung, die dann am 17. Oktober 2000 bis zum 16. Januar 2001 ausgesprochen wurde. Auf seinen Antrag vom 11. Januar 2001 hin verlängerte der Beklagte die Duldung am 22. Januar 2001 bis zum 21. April 2001. Am 03. Mai 2001 stellte der Kläger den nächsten Verlängerungsantrag; die Verlängerung erfolgte am 16. Mai 2001 bis zum 15. August 2001. Am 10. August 2001 erhielt der Kläger dann auf seinen Antrag vom selben Tage hin eine Verlängerung bis zum 09. Februar 2002. Am 27. September 2001 wurde ihm noch vor Ablauf der letzten Duldung die Aufenthaltsbefugnis erteilt. Daraus ergeben sich Duldungszeiten von 15 Monaten.
42Soweit nicht gefordert wird, daß - wie bei den Zeiten der Aufenthaltserlaubnis gem. § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - die Duldungszeiten durchgehend und damit lückenlos sind ("seit sieben Jahren"),
43so wohl VGH BW, Beschl. v. 29. Mai 2007 - 11 S 2093/06 -, DVBl. 2007, 1052,
44erfüllt der Kläger damit schon die zeitlichen Voraussetzungen. Für diese Auffassung spricht, daß der durchgehende Besitz eines Aufenthaltstitels, den § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG voraussetzt, gerade auf eine Aufenthaltserlaubnis zugeschnitten ist, die einen rechtmäßigen Aufenthalt vermittelt. Auf die Duldung, die kein Aufenthaltstitel in diesem Sinne ist, sondern nach der Legaldefinition des § 60 a AufenthG allein die Aussetzung der Abschiebung bedeutet, eine fortbestehende Ausreisepflicht voraussetzt und damit eine vollstreckungsrechtliche Funktion hat, kann das Tatbestandsmerkmal des § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wegen dieser Funktionsverschiedenheit zwischen Duldung und Aufenthaltserlaubnis nicht ohne weiteres übertragen werden. Dies erscheint wegen der üblicherweise kurzen, im Gegensatz zu Aufenthaltserlaubniszeiten nicht auf Dauer angelegten Duldungszeiten auch systemgerecht.
45Aber selbst wenn die Vorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG unter Bezugnahme aus § 26 Abs. 4 AufenthG so zu verstehen sein sollte, daß auch die Duldungszeiten lückenlos sein müssen, ist davon auszugehen, daß die Duldungszeiten des Klägers ausreichen, auch wenn der Kläger mehrmals erst verspätet die Duldung beantragt und erhalten hat. Der Beklagte hat ihn auch während der Zeit, in der er formal keine Duldung besaß, als faktisch geduldet angesehen und ihm auf seine Verlängerungsanträge hin immer - auch bei verspäteter Antragstellung - auch eine Verlängerung erteilt. Daß diese erst ab dem Erteilungszeitpunkt drei Monate betrug, steht der Annahme der lückenlosen Verlängerung nicht entgegen, denn eine Duldung kann auch für bis zu sechs Monate erteilt werden.
46Auf die Frage, ob in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG zusätzlich die Dauer eines vor den anrechenbaren Duldungszeiten liegenden (erfolglosen) Asylverfahrens anzurechnen ist,
47befürwortend Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 52. Aktualisierung, Heidelberg Mai 2007, § 102 AufenthG, Rdnr. 16,
48kommt es hier wegen der Erfüllung des Siebenjahreszeitraums bereits durch die Duldungszeiten nicht mehr an; im übrigen handelte es sich bei den Asylverfahren des Klägers seit seiner Wiedereinreise durchgängig um Folgeanträge, die in keinem Fall zu einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrags geführt haben. Jedesmal wurde die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt. Als Asylverfahren im Sinne des § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG ist aber nur dasjenige Verfahren anzusehen, das zu einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrags geführt hat. Unbeachtliche Folgeanträge bleiben außer Betracht.
49Vgl. VGH BW, Beschl. v. 13. Oktober 1995 - 13 S 628/95; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 52. Aktualisierung, Heidelberg Mai 2007, § 26 AufenthG, Rdnr. 16.
50Das letzte Asylverfahren, das zu einer inhaltlichen Prüfung geführt hat, fand bereits im Jahre 1990 vor der freiwilligen Ausreise des Klägers statt. Ob dieses angesichts seiner zwischenzeitlichen freiwilligen Ausreise im Jahre 1991 überhaupt zu berücksichtigen wäre, läßt das Gericht ausdrücklich offen, weil es in diesem Fall nicht entscheidungserheblich ist.
51Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG liegen vor; der Beklagte ist dem auch nicht substantiiert entgegengetreten.
52Die Entscheidung des Beklagten über die Erteilung der Niederlassungserlaubnis gem. § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG steht grundsätzlich in seinem Ermessen. Der damit grundsätzlich bestehende Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat sich im vorliegenden Fall bereits zu einem Erteilungsanspruch verdichtet. Zwar kann der Beklagte im Rahmen des Ermessens angesichts des weiten Verständnisses der Anrechnungsvorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG grundsätzlich noch berücksichtigen, welche Gründe zu den Duldungszeiten des Ausländers geführt haben. Diese Korrekturmöglichkeit kann sich u.a. auf die Fälle der Identitätsverschleierung, der fehlenden Mitwirkung oder des aktiven Widerstands beziehen, die dazu geführt haben, daß sich der Ausländer der Abschiebung entzogen bzw. sie verzögert hat.
53Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 52. Aktualisierung, Heidelberg Mai 2007, § 102 AufenthG, Rdnr. 15.
54Hier sind aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Kläger die Duldungsgründe zu vertreten hat. Abgesehen von der fortwährenden Duldung während des Asylfolgeverfahrens wurde der Kläger im Anschluß geduldet, weil eine Abschiebung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war; für Ashkali bestand ein Abschiebestop. Der Beklagte hat auch in seinem Schreiben an die Gemeinde Hopsten selbst angegeben, der Kläger habe den Grund für die Duldungserteilung nicht selbst zu vertreten. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des § 102 Abs. 2 AufenthG, daß Ausländern, die die Anrechnungszeiten erfüllen, ein verfestigtes Aufenthaltsrecht in Deutschland gewährt werden soll und öffentliche Interessen an einer Begrenzung der Einwanderung dann nicht entgegenstehen, verbleibt dem Beklagten kein Ermessensspielraum mehr; er muß dem Kläger die begehrte Niederlassungserlaubnis erteilen.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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